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Hundeerziehung + Soziales

Die Anforderungen an einen alltagstauglichen, gut erzogenen Hund waren noch nie so hoch wie heute. Dadurch ist auch das Angebot an Erziehungsmethoden und –hilfsmittel immer mehr gewachsen, nicht immer steht wirkliches Fachwissen dahinter. Hier findest Du Tipps und Ratschläge, die richtige Hundeschule oder den richtigen Hundeverein zu finden, kannst Dich über Trainingsmethoden und –probleme austauschen.  
Muss man Hunden täglich die Rangordnung auf's Neue demonstrieren?
21. Februar 2008 22:16
Hallo,

Durch den Austausch mit Euch, aber auch über die ganzen Büchern, die ich bislang gelesen habe (zugegeben, so viele sind es noch gar nicht), bin ich immer wieder auf das Thema Dominanz und Rangordnung anstoßen.

Eigentlich wird überall vermittelt, dass ein Hundehalter tunlichst darauf achten muss, dass er dem Hund klarmacht, dass er - der Besitzer, beziehungsweise die Besitzerin - das Rudel leitet und nicht der Hund.

Wie man es dem Hund klarmacht, da scheinen die Theorien mittlerweile auseinander zu gehen. Methoden wie die Alpharolle oder Stachelhalsbänder scheinen aus der Mode gekommen zu sein (aber längst nicht überall, wie man auch aus dem Thread Erfahrungen mit Hundeschulen weiß), mehrheitlich setzt man jetzt aber auf positive Belohnung.

Ich bin jetzt auf einen Artikel von Bloch und Coppinger gestoßen, die sagen, dass die ganzen Erziehungsmethoden eigentlich aus Beobachtungen von Wolfsrudeln abgeleitet seien, allerdings von solchen, die in Gefangenschaft lebten. Diese allerdings zeigten ein anderes Sozialverhalten als wild lebendene Wolfsrudel, die eher familiär strukturiert seien, und wo das Rudel souverän und ohne allzu große Aggressionen geführt würde. Die Schlüsse, die aus Beobachtungen von in Gefangenschaft lebenden Wolfsrudeln gezogen worden wären, seien wissenschaftlich nicht haltbar.

Manche Hundetrainer, die sich mit diesen Artikeln auseinander gesetzt haben, kommen zu dem Schluss, dass Aggressionen, die sich irgendwann gegen den Menschen richten können, eher mit Unsicherheit und Stress zu tun hätten, als mit einem Dominanzproblem. Und häufig wären gerade die Hunde von Haltern, welche ihre Hunde besonders streng erziehen würden, die immer wieder Unterwerfungshaltungen von ihrem Hund einfordern würden, besonders aggressiv.

Wenn ich jetzt an mir bekannte Hunde denke, kann ich dem teilweise zumindest zustimmen. Ich selbst kenne nur einen einzigen aggressiven Hund näher, und ich weiß nicht, wie er erzogen wurde. Bei anderen aggressiven Hunden, die Fahrradfahrer angreifen, weiß ich auch nichts über deren Erziehung. Alle anderen Hundehalter, die ich näher kennen gelernt habe, also Freunde von mir beispielsweise, müssten aber eigentlich auch ein Dominanzproblem haben. Fast alle Leute begrüßen ihre Hunde zuerst, bei fast allen, die ich so kenne, gehen die Hunde zuerst durch die Tür durch, bei vielen schlafen die Hunde, wo immer sie wollen, auch im Bett, die Hunde bellen, wann sie wollen und solange sie wollen, betteln am Tisch (und bekommen was), viele springen jeden Besucher zur Begrüßung freudig ein, zerren immer noch extrem an der Leine. Auf nur einen dieser Hunde (er gehört unseren Nachbarn, es ist ein Beagle) trifft wirklich alles von dem genannten zu, auf die anderen, die ich so kenne, mindestens eines dieser Dinge, so dass man aber im Grunde zu allen Haltern sagen müsste: Euer Hund leitet längst das Rudel an!

Ich denke, das stimmt auch, scheint aber zumindest nicht zwangsläufig zu aggressivem Hundeverhalten zu führen.

Ich tendiere deswegen dazu, den Untersuchungen von Bloch und Coppinger zu glauben und der These, dass Aggressionen eher auf Stress und Unsicherheit beruhen und häufig durch überstrenge und unterwürfige Erziehung erst hervorgerufen werden.

Deren Bücher allerdings, oder deren Original-Artikel kenne ich leider nicht. Kennt Ihr deren Bücher? Was haltet ihr davon?

Ich selbst arbeite wissenschaftlich, und habe viel mit wissenschaftlichen Studien zu tun, aus denen sich irgendwann all die Weisheiten ableiten, denen man halt so folgt. Mit Hunden habe ich allerdings nichts zu tun.

Aber aus meiner beruflichen Tätigkeit heraus weiß ich, dass es sehr viele Weisheiten gibt, die längst widerlegt sind und die sich dennoch oft sogar jahrzehntelang halten. Und zwar auch bei Fachkräften! Einfach, weil sie populär sind, oder weil man manchmal gar nicht glauben mag, dass die ganze Wissenschaft plötzlich wieder auf den Kopf gedreht wird, oder weil viele Fachkräfte sich nicht weiterbilden.

Ein solcher Irrtum war beispielsweise die Annahme, Spinat sei aufgrund seines Eisengehalts so ein wahnsinnig gesundes Gemüse. Generationen von Kindern wurde der Spinat unter Zwang eingelöffelt - heute weiß man, dass in den ewig zitierten Studien ein Zahlenfehler war! Das ist nur ein Beispiel, davon gibt es viele.

Ausgeschlossen ist also längst nicht, dass Teile von den Schlüssen, die man aus den Beobachtungen von Wolfsrudeln bisher auf das Hund/Mensch-Rudel übertragen hat, einfach falsch sind.

Viele Grüße
Anila


Viele Grüße,
Anila

21. Februar 2008 22:18
Uhhh.... sorry für die ganzen Tippfehler oben. Ich habe eine chronische Sehnenscheidenentzündung und muss alles, was ich schreibe, über eine Diktiersoftware eingeben - die manchmal ganz schönen Murks schreibt.

21. Februar 2008 23:26
Jetzt führe ich schon fast ein Selbstgespräch mit mir selbst:-))

Ich habe meinen Thread vorschnell eröffnet. Ich hatte nichts von Bloch gelesen, nur einiges in anderen Foren über ihn aufgeschnappt, als ich diesen Thread eröffnet hatte.

Jetzt habe ich auch einige Zitate von ihm gefunden und wohl zu Beginn einiges falsch verstanden. Richtig ist wohl, dass er schreibt, dass die Wölfe, die das Rudel anführen, eher selten ihre Dominanz durch Drohgebärden zur Schau stellen müssen. Das könnte dann doch auch meine Beobachtung erklären, dass eigentlich viele Hunde offenbar das Rudel anführen, es aber nicht nötig haben, dieses offen aggressiv zu tun.

Falsch verstanden habe ich aber, dass er damit sagt, es gäbe kein Dominanzverhalten und man könnte die Hunde sozusagen gewähren lassen. Das sagt er ganz und gar nicht, er rät zu einem klaren Regelwerk und zu Grenzen, die gesetzt werden müssen und Tabuzonen, die es für den Hund geben muss. Er ist für eine sanfte und gewaltfreie Erziehung, hält aber die Methode, Tiere ausschließlich durch positive Verstärkung erziehen zu wollen, für irreal und aus dem Ruder gelaufen. Unerwünschtes Verhalten müsse unmissverständlich klar gemacht werden.

Damit schreibt er dann doch nicht etwas ganz anderes als das, was ich bislang auch so gelesen hatte.

Aber vielleicht hat ja trotzdem der eine oder andere von Euch dessen Bücher mal gelesen und kann mal so berichten, was er/sie davon hält - ich komme mir ja jetzt reichlich blöde vor mit 3 Beiträgen, die alle von mir selbst zu selben Thema sind. Aber für heute war's das auch für mich:-)


Tschüß,
Anila
DS1

22. Februar 2008 07:44
Hi,
Bloch hat einige Bücher geschrieben - wenn ich den richtigen Autor im Kopf habe - eines über Wölfe,eines über Wildhunde und ich glaube auch ein Erziehungsbuch.

Mir persönlich gefällt das über die Wildhunde am besten. Denn Hunde sind keine Wölfe und er revidiert einiges, was er nach der Beobachtung von Wölfen auf die Hunde übertragen hatte.

Eines davon ist die Rangordnung - diese wird bei den Hunden wesentlich weniger streng eingehalten,als bei den Wölfen. Der sogenannte Ranghöchste Hund schläft auch oft mit dem Rangniedrigsten mit Köperkontakt, oder überläßt diesen den besten Schlafplatz.Es gibt nur einen Punkt wo der Ranghöchste auf sein Recht pocht - Fortpflanzung - aber auch da macht er es über Intelligenz -indem er die läufigen Weibchen einfach nicht mehr aus den Augen läßt,wenn sie Empfängnisbereit sind.Davor und danach kann jeder Rüde ran,den das Weibchen läßt.

Also das was wir unter Rangordnung verstehen und wie sie bei uns ausgeübt wird - ist WEIT überzogen.

Die Unarten der Hunde entstehen meist durch fehlende Konsequenz, falscher Selbsteinschätzung der Besitzer und mangelndes Wissen über die Körpersprache der Hunde und auch ihrer angeborener Instinkte.Deswegen ist der Hund aber nicht gleich der Rudelführer.

Quote :
Manche Hundetrainer, die sich mit diesen Artikeln auseinander gesetzt haben, kommen zu dem Schluss, dass Aggressionen, die sich irgendwann gegen den Menschen richten können, eher mit Unsicherheit und Stress zu tun hätten, als mit einem Dominanzproblem

Stimmt absolut!!!

Quote :
Und häufig wären gerade die Hunde von Haltern, welche ihre Hunde besonders streng erziehen würden, die immer wieder Unterwerfungshaltungen von ihrem Hund einfordern würden, besonders aggressiv

Stimmt auch und wurde in einer Diplomarbeit mit Zahlen auch belegt!

Zu guter Letzt - ich gehöre ziemlich sicher zu den Sanften in der Erziehung - und mancher der meinen Hund zum ersten Mal sieht,glaubt ich sei nicht streng genug - aber sobald die Leute meinen Hund in sogenannten prenzligen Situationen sehen - kriegen ich nur mehr Lob - wie toll mein Hund erzogen ist.
Es kommt nicht darauf an ob der Hund 3x pinkelt,weil ich es 3x von ihm verlange,was meiner auch nie tun würde - damit wäre ich in den Augen des Hundes sowieso ein schlechter Führer - es kommt darauf an,das er sich in Konfliktsituationen von dir führen läßt - den Rest der Zeit kann er ruhig auch Mal sein Ding machen!!! -- meine Meinung, die von den meisten Hundesportlern als Schwäche meinerseits interprätiert wird.Allerdings am Hundeplatz hab ich für mich noch nie eine prenzlige Situation erlebt :-)

DS


22. Februar 2008 13:23
Meiner muss mir auch nicht täglich beweisen, dass er sich unterwirft. Für mich ist ebenfalls nur wichtig, dass er in Notsituationen auf mich hört. Allerdings muss ich meinen sehr genau beobachten. Von Zeit zu Zeit versucht er nämlich, mir die Stinkekralle zu zeigen (bis jetzt so 2 - 3x im Jahr).
Ich hatte erst jetzt wieder so eine Situation. Ari dreht draußen am Zaun durch, weil sein Erzfeind Nr. 1 vorbei geht. Ich Tür auf und rufe "Aus" + "Hier her" (klappt sonst sofort). Aber diesmal: Ari schaut mich kurz an und kläfft am Zaun weiter. Ich natürlich wie eine Rakete raus zu ihm. Bereits als ich auf dem Weg war, hat er mit bellen aufgehört und ist leicht "tiefer gelegt" zu mir gekommen.......
LG
Yvonne

22. Februar 2008 14:29
Hallo Anila,

Du bringst hier ja richtig Schwung in den Laden!

Quote :
Original geschrieben von Anila

Durch den Austausch mit Euch, aber auch über die ganzen Büchern, die ich bislang gelesen habe (zugegeben, so viele sind es noch gar nicht), bin ich immer wieder auf das Thema Dominanz und Rangordnung anstoßen.

Ich bin jetzt auf einen Artikel von Bloch und Coppinger gestoßen, die sagen, dass die ganzen Erziehungsmethoden eigentlich aus Beobachtungen von Wolfsrudeln abgeleitet seien, allerdings von solchen, die in Gefangenschaft lebten. Diese allerdings zeigten ein anderes Sozialverhalten als wild lebendene Wolfsrudel, die eher familiär strukturiert seien, und wo das Rudel souverän und ohne allzu große Aggressionen geführt würde. Die Schlüsse, die aus Beobachtungen von in Gefangenschaft lebenden Wolfsrudeln gezogen worden wären, seien wissenschaftlich nicht haltbar.
Das ist in der Tat so. In freier Wildbahn können die Tiere ihre Energie auch nicht in dauernden Reibereien verschwenden. In Gefangeschaft sieht das anders aus. Wir würden ja vielleicht auch die sozialen Beziehungen in einem Gefängnis nicht mit denen in einem gewachsenen Ort vergleichen wollen. In der einen Umgebung können Aggression und Körperkraft viel erreichten, in der anderen eher meistens nicht.

Quote :
Manche Hundetrainer, die sich mit diesen Artikeln auseinander gesetzt haben, kommen zu dem Schluss, dass Aggressionen, die sich irgendwann gegen den Menschen richten können, eher mit Unsicherheit und Stress zu tun hätten, als mit einem Dominanzproblem. Und häufig wären gerade die Hunde von Haltern, welche ihre Hunde besonders streng erziehen würden, die immer wieder Unterwerfungshaltungen von ihrem Hund einfordern würden, besonders aggressiv.
Zumindest muss man damit rechnen, dass diese Hunde sehr unsicher, wenig souverän reagieren und eher zum Universalmittel Aggression greifen als andere.

Quote :
Ich tendiere deswegen dazu, den Untersuchungen von Bloch und Coppinger zu glauben und der These, dass Aggressionen eher auf Stress und Unsicherheit beruhen und häufig durch überstrenge und unterwürfige Erziehung erst hervorgerufen werden.

Deren Bücher allerdings, oder deren Original-Artikel kenne ich leider nicht. Kennt Ihr deren Bücher? Was haltet ihr davon?
Das Buch, das ich vorbehaltlos empfehlen kann, ist: Udo Gansloßer: Verhaltensbiologie für Hundehalter Es ist von einem Fachmann geschrieben und ausgesprochen angenehm zu lesen. Dafür stellen ich einen ganzen Meter anderer Hundebücher in den Keller.

Quote :
Ich selbst arbeite wissenschaftlich, und habe viel mit wissenschaftlichen Studien zu tun, aus denen sich irgendwann all die Weisheiten ableiten, denen man halt so folgt. Mit Hunden habe ich allerdings nichts zu tun.
Wenn du wissenschaftlichem Masochismus zuneigst, empfehle ich dir, folgende drei (!) Bände Steven Lindsay, Handbook of Applied Dog Behavior and Trainning-. Dort findest du auch all die Originalverweise. Man kann es schon bei Amazon billiger bekommen. Damit bist du beschäftigt.

tschüß martin


25. Februar 2008 15:44
Quote :
[H2]mit viel güte...der nötigen gedult und auch mit unnachgiebiger, erbarmungsloser härter....wenn es sein muss.....[/H2]

Das wären meine Worte, wenn es um Hundeerziehung geht. Das Wort "härte" würde ich jetzt mit "Konsequenz" ersetzen.