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Hund hat Halter gebissen

geschrieben von Thomas(YCH) 
Hund hat Halter gebissen
01. Januar 1999 01:48

Da sich unser 7 Jahre alter Mischlingshund immer vor Sylvesterböllern fürchtet, wollten meine Elten ihn
in den Schuppen sperren, wo es nicht so schallt.
Der Hund wollte jedoch nicht freiwillig da hineingehen, worauf mein Vater versuchte ihn am Halsband
zu ziehen.
Daraufhin wurde der ansonsten gutmütige aber zugegebenermaßen verwöhnte Hund ungewohnt aggressiv
und biß ihn in eine Hand und in den Schuh.
Nun überlegen meine Eltern, ob sie den Hund einschläfern lassen, weil sie glauben, dass ein Hund
niemals seinen Herren beißen darf und der Hund sich nun erst recht gegenüber anderen Menschen
aggressiv verhält.
Mich würde nun dringend interessieren, ob der Hund nun wirklich kein Tabu mehr kennt, wenn er sein
Herrchen gebissen hat.
Bis jetzt hat der Hund noch nie einen Fremden gebissen, aber manchmal schon geknurrt, beim Postboten
oder wenn ein Besucher ihm keine Aufmerksamkeit schenkt.
Wenn der Besucher sich jedoch beschnüffeln lässt oder ihn sogar streichelt, wird er friedlich und wedelt mit seinem Schwanz und versucht zu spielen. Beachtet der Fremde ihn aber aus Angst vor Hunden oder
aus Ignoranz nicht, bellt der Hund um so lauter oder knurrt sogar.
Auch auf Kommandos hört der Hund in letzter Zeit erst, wenn man energisch ist oder ihn mit Leckereien
besticht.

Was ist mit dem Hund los? Kann man ihn und wenn wie noch umerziehen?

Bitte antwortet umgehend
Gruß Thomas

01. Januar 1999 19:53

Lieber Thomas,

zuallererst: Eines stimmt sicher nicht: Daß ein Hund, der einmal gebissen hat, das zwangsläufig immer wieder tun wird. Die Möglichkeit besteht allerdings - ob es passiert, liegt ausschließlich an Euch.

Der Biß Eures Hundes hat eine Geschichte. Er ist nicht aus heiterem Himmel und schon gar nicht grundlos passiert. Es sind in der Regel die Menschen, die die Warnsignale nicht wahr- (oder ernst-)nehmen. In Eurem Fall vermute ich Letzteres, da Du schreibst, daß der Hund schon öfter mal geknurrt hatte. Du sagst auch, daß der Hund "verwöhnt" sei. Vielleicht magst Du mal etwas näher beschreiben, was genau Du damit meinst. Ich kann zunächst nur folgendes vermuten:

1. Der Hund hat nicht gelernt, sich unterzuordnen. Das bedeutet zum einen, daß er Kommandos nicht oder nur unzuverlässig befolgt. Wesentlich schwerwiegender ist in dem Zusammenhang aber, daß in Eurer Familie die Rangfolge anscheinend zugunsten des Hundes verschoben ist. Dem Hund fehlt ein ernstzunehmender, weil konsequenter, Rudelchef und nun fühlt er sich berufen, diese Position auszufüllen. Das bedeutet für Euch, daß Euer Hund bestimmt, was getan und was gelassen wird. Verhaltet Ihr Euch in seiner Wahrnehmung "falsch", weist er Euch zurecht, zunächst indem er knurrt. Nach seinem Verständnis ist das die harmloseste Methode, Euch zu signalisieren, daß Ihr Euch anders verhalten sollt. Vielleicht hatte er ja damit schon in manchen Fällen Erfolg. Da sich dem Chef aber niemand ernsthaft widersetzen darf, hat er in der Situation mit dem Schuppen "in den nächsten Gang" geschaltet und zugeschnappt. Dabei vermute ich stark, daß die Wunden nicht übermäßig schlimm waren (hätte er ernsthaft gebissen, wäre vermutlich Krankenhaus angesagt gewesen). Für den Hund war sein Verhalten völlig logisch: Warnstufe Eins wurde ignoriert, also müssen nachhaltigere Mittel gewählt werden. Trifft das zu, wäre ein konsequentes (aber KEINESFALLS brutales oder gewaltsames!!!) Verändern der Rangordnung angesagt. Wie man das macht, könnt Ihr hier im Forum erfahren, falls Ihr diesem Abschnitt insgesamt zustimmt.

2. Der Hund hatte Angst. Mal abgesehen davon, daß ich leider überhaupt kein Verständnis dafür habe, wie man seinen Hund in der Silvesternacht alleine irgendwo einsperren kann, stellt sich mir die Frage, ob der Hund die Situation, in den Schuppen zu kommen, schon vorher erlebt hat. Und wenn ja: Wie und in welchem Zusammenhang? Bitte stelle Dir mal vor, Du hättest vor irgendetwas totale Panik. Nun packt Dich jemand und zerrt Dich irgendwohin: Was würdest Du tun? Folgsam mitmarschieren? Wohl kaum! Vermutlich würdest Du Dich nach Kräften wehren, um das zu verhindern. Genau das hat Euer Hund möglicherweise nämlich auch getan. Da er weder schreien, noch um sich schlagen kann, MUSS er beißen.

Um zu klären, was nun wirklich die Ursache für das Verhalten war, müßtest Du Euren Hund näher beschreiben: Wie waren die Situationen vorher, wo er geknurrt hat? Was bedeutet "verwöhnt"? Ist der Hund eher ein Rambo oder eher ein ängstliches Blümchen? Wo lebt der Hund? Wer beschäftigt sich mit ihm?

Daß Euch der Biß erst mal einen Schrecken versetzt hat, kann ich verstehen. Aber bevor Ihr darüber nachdenkt, den Hund wegzugeben oder zu töten, solltet Ihr Euch wirklich der Frage nach den Ursachen stellen: KEIN Hund beißt ohne Grund. In den allermeisten Fällen liegt die Ursache in der fehlgelaufenen Beziehung zwischen seinen Menschen und ihm. Dann ist es auch Sache der Menschen, das wieder auszubügeln.

Ich hoffe auf Deine Antwort, liebe Grüße,

Jutta

02. Januar 1999 09:51

Hallo, Thomas, ich glaube auch nicht, daß Euer Hund richtig gebissen hat.
Es war wohl doch eher ein Schnappen, oder? Deine Eltern sollen bitte
nicht voreilig handeln! Man kann Euren Hund bestimmt umerziehen,
ist bloß die Frage, ob Ihr die Konsequenz dazu aufbringt (oder aufbringen
wollt).
Du schreibst, daß er den Besuch anknurrt, wenn dieser ihn nicht
streichelt. Was habt Ihr daraufhin gemacht?
Ich kann Euch ein Buch empfehlen; die Methode, die darin beschrieben
wird, ist vielleicht ein wenig aufwendig, aber - kann ich aus eigener
Erfahrung sagen - sehr wirksam. Das Buch heißt "Was tu ich nur mit
diesem Hund?" von Eric H. W. Aldington
Ich drücke Eurem Hund die Daumen, daß Deine Eltern ihm noch eine Chance
geben. Viele Grüße katrin

02. Januar 1999 11:16

Hallo Thomas

Studiere doch bitte mal die Meldungen zu "Bissiger Hund" vom 8.12.1998, Carsten Sohn, im Clicker-Forum. Der Auslöser für den Biss war zwar ein anderer, aber das kannst Du ignorieren.

Übrigens, sollte Euer Hund eine reine Panikreaktion gezeigt haben, werdet ihr das in den nächsten Tagen schnell mal erkennen. Sollte er jetzt nämlich aggressiv dominant statt passiv-dominant sein, wird er in Zukunft sehr vieles Euch gegenüber mit Knurren quittieren (z.B. anstossen, auf die Seite schieben, z.T. sogar beim Befehle geben).

Der Hund ist deswegen sicher keine Bestie, aber der Halter muss sich doch selbst ins Gewissen reden und einiges ändern. Ich bin mir sicher, Du erhältst gute Anleitungen von uns, was zu ändern ist, wenn Dein Vater sich sicher ist, dass er bereit ist, etwas für den Hund zu tun. Es gibt diverse gewaltfreie Dominanzreduktions-Schemen.

Gruss
Roswitha

05. Januar 1999 00:16

Und wieder einmal muß der arme Hund ausbaden, was die Menschen falsch gemacht haben. Wahrscheinlich ist er lästig und diese Begebenheit ein willkommener Anlaß.. Traurige Hundewelt. Gebt ihn lieber tierlieben Menschen als ihn umzubringen, dann hat er vielleicht noch ein paar schöne Jahre..

Angie

06. Januar 1999 14:58

Vielen Dank für die aufschlußreichen Antworten!

Ich freue mich Ihnen schreiben zu können, dass sich meine Eltern Ihren Rat zu Herzen genommen und beschlossen haben, den Hund zu behalten und ihn konsequenter zu erziehen.
Wir wußten vorher nicht, was es beim Hund alles für Gesten stiller Dominanz gibt (Betteln bei Tisch; Fordern von Zuwendung; als erster aus der Tür stürmen; Passanten, Radfahrer & Autos anbellen usw.) und haben da nicht rechtzeitig gegengesteuert. Das plötzliche agressive Verhalten des Hundes hat uns, besonders Vater, sehr erschreckt. Leider wird man oft erst aus Schaden schlau. Ich denke wir werden noch einige Tips brauchen bis der Hund sozialisiert ist. Aber ich denke hier im Forum erhalte ich gute Tipps, wie man den Hund artgerecht hält.

Danke!
Thomas