Lieber Thomas,
zuallererst: Eines stimmt sicher nicht: Daß ein Hund, der einmal gebissen hat, das zwangsläufig immer wieder tun wird. Die Möglichkeit besteht allerdings - ob es passiert, liegt ausschließlich an Euch.
Der Biß Eures Hundes hat eine Geschichte. Er ist nicht aus heiterem Himmel und schon gar nicht grundlos passiert. Es sind in der Regel die Menschen, die die Warnsignale nicht wahr- (oder ernst-)nehmen. In Eurem Fall vermute ich Letzteres, da Du schreibst, daß der Hund schon öfter mal geknurrt hatte. Du sagst auch, daß der Hund "verwöhnt" sei. Vielleicht magst Du mal etwas näher beschreiben, was genau Du damit meinst. Ich kann zunächst nur folgendes vermuten:
1. Der Hund hat nicht gelernt, sich unterzuordnen. Das bedeutet zum einen, daß er Kommandos nicht oder nur unzuverlässig befolgt. Wesentlich schwerwiegender ist in dem Zusammenhang aber, daß in Eurer Familie die Rangfolge anscheinend zugunsten des Hundes verschoben ist. Dem Hund fehlt ein ernstzunehmender, weil konsequenter, Rudelchef und nun fühlt er sich berufen, diese Position auszufüllen. Das bedeutet für Euch, daß Euer Hund bestimmt, was getan und was gelassen wird. Verhaltet Ihr Euch in seiner Wahrnehmung "falsch", weist er Euch zurecht, zunächst indem er knurrt. Nach seinem Verständnis ist das die harmloseste Methode, Euch zu signalisieren, daß Ihr Euch anders verhalten sollt. Vielleicht hatte er ja damit schon in manchen Fällen Erfolg. Da sich dem Chef aber niemand ernsthaft widersetzen darf, hat er in der Situation mit dem Schuppen "in den nächsten Gang" geschaltet und zugeschnappt. Dabei vermute ich stark, daß die Wunden nicht übermäßig schlimm waren (hätte er ernsthaft gebissen, wäre vermutlich Krankenhaus angesagt gewesen). Für den Hund war sein Verhalten völlig logisch: Warnstufe Eins wurde ignoriert, also müssen nachhaltigere Mittel gewählt werden. Trifft das zu, wäre ein konsequentes (aber KEINESFALLS brutales oder gewaltsames!!!) Verändern der Rangordnung angesagt. Wie man das macht, könnt Ihr hier im Forum erfahren, falls Ihr diesem Abschnitt insgesamt zustimmt.
2. Der Hund hatte Angst. Mal abgesehen davon, daß ich leider überhaupt kein Verständnis dafür habe, wie man seinen Hund in der Silvesternacht alleine irgendwo einsperren kann, stellt sich mir die Frage, ob der Hund die Situation, in den Schuppen zu kommen, schon vorher erlebt hat. Und wenn ja: Wie und in welchem Zusammenhang? Bitte stelle Dir mal vor, Du hättest vor irgendetwas totale Panik. Nun packt Dich jemand und zerrt Dich irgendwohin: Was würdest Du tun? Folgsam mitmarschieren? Wohl kaum! Vermutlich würdest Du Dich nach Kräften wehren, um das zu verhindern. Genau das hat Euer Hund möglicherweise nämlich auch getan. Da er weder schreien, noch um sich schlagen kann, MUSS er beißen.
Um zu klären, was nun wirklich die Ursache für das Verhalten war, müßtest Du Euren Hund näher beschreiben: Wie waren die Situationen vorher, wo er geknurrt hat? Was bedeutet "verwöhnt"? Ist der Hund eher ein Rambo oder eher ein ängstliches Blümchen? Wo lebt der Hund? Wer beschäftigt sich mit ihm?
Daß Euch der Biß erst mal einen Schrecken versetzt hat, kann ich verstehen. Aber bevor Ihr darüber nachdenkt, den Hund wegzugeben oder zu töten, solltet Ihr Euch wirklich der Frage nach den Ursachen stellen: KEIN Hund beißt ohne Grund. In den allermeisten Fällen liegt die Ursache in der fehlgelaufenen Beziehung zwischen seinen Menschen und ihm. Dann ist es auch Sache der Menschen, das wieder auszubügeln.
Ich hoffe auf Deine Antwort, liebe Grüße,
Jutta