Besser ohne Leine? :: Hundeerziehung + Soziales

Besser ohne Leine?

von Daniel(YCH) am 01. Februar 1999 06:54


Hallo Allerseits

Möchte mal Folgendes zur Diskussion stellen, bzw. auch hier veröffentlichen.

Aufgrund wirklich langer und vielfältiger Erfahrung mit Hunden aller möglichen Rassen, in vielen Erziehungsbereichen, behaupte ich, daß die Verwendung einer Hundeleine vollkommen überflüssig ist - und zudem mehr Probleme aufwirft, als löst.

Zu diesem Schluß, bin ich eigentlich schon vor 20 Jahren - also sehr jung gekommen.
(Damals hätte ich mich aber nicht getraut, diese Auffassung öffentlich zu vertreten)
Ausschlaggebend war die Erfahrung, die ich damals mit einem Retriever-Rüden machte, nämlich, daß er ohne Leine einen viel besseren Gehorsam und ein viel ausgeglicheneres Wesen an den Tag legte.
Natürlich versuchte man das erst einmal darauf zurückzuführen, daß der Hund die Leinenführigkeit, einfach nicht so gut drauf hatte. Aber mit den Jahren und mit der gewachsenen Erfahrung, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß mein damaliger Erklärungs- versuch falsch war.
Heute behaupte ich in absoluter Überzeugung:

Hunde gehorchen ohne Leine besser!
Hunde zeigen ohne Leine echtes Sozialverhalten!
Hunde sind ohne Leine sicherer zu führen!
Hunde entwickeln ohne Leine viel bessere Führerbindung!

Wobei hier gemeint sind: Zur Leinenlosigkeit erzogene Hunde.

Nur, weil ein"Hilfsmittel" seit Jahrhunderten verwendet wird, heißt es nicht, daß es als positiv, oder notwendig zu betrachten ist. Im Gegenteil - die Einführung der Leine hatte doch ihren Ursprung in der Zähmung des Wolfes - unsere heutigen Hunde aber sind so geprägt, daß sie die Leine definitiv nicht bräuchten.

Vorverurteilen Sie mich jetzt nicht als Spinner - ich kann diese praxisbewiesene "Theorie" sogar mit Ihrem Hund belegen.

Kommen wir mal zum Ursprung der Leinenproblematik.
Der eigentlich freilaufende Welpe, ist von der Angst geprägt, uns als Bezugsperson zu verlieren, weshalb er sich immer in unserer Nähe aufzuhalten sucht. Durch den Zwang der Leine aber, nehme ich ihm jedwede Bewegungsfreiheit - und dadurch auch natürliche Verhaltensweisen.
Ich setze unter Zwang, was eigentlich Bedürfnis sein muß.
Daß dies kontraproduktiv ist, leuchtet wohl jedem ein.

Viel mehr noch. Der an der Leine geführte Hund verhält sich de facto abnorm.
Er spürt eine zwangsdefinierte Grenze und den vermeintlichen Führerrückhalt, weshalb er oft unnötig übersprungs-aggressiv reagiert, bzw. überängstlich ist, da er kein normales Unterwerfungs- und/oder Sozialverhalten an den Tag legen kann.
Die Leine ist ein Teufelskreis.
Nur, weil ich angefangen habe, sie zu verwenden, kann ich ohne sie nicht mehr sein.

Aber - sogar erwachsene, leinengewöhnte Hunde kann man zu "Freigängern" umerziehen, wenn eine gewisse Basis geschaffen ist - und diese besteht nunmal darin, den Hund zu seinem ursprünglich normalen Verhalten zurückzuführen.
Man muß also dahin zurück, daß der Hund es genießt und schätzt, in unserer Nähe sein zu dürfen und ich ihn dazu nicht zwingen muß.
Nicht wir müssen uns um den Hund kümmern - sondern er sich um uns. So ist er aufgrund seines angeborenen Sozial- und Rudelverhaltens auch "gestrickt".
Je mehr Mühe ich mir mit meinem Hund gebe, desto weniger Mühe gibt er sich mit mir.
Das Problem ist, daß die meisten Halter unwillentlich und unwissentlich die Vorzeichen im Mensch- Hund- Verhalten umgekehrt haben, woraus dann auch die Meisten Schwierigkeiten resultieren.

Ich bin der absolut festen Überzeugung, daß der vernünftig leinenlos erzogene Hund, das wesensorientierteste und problemloseste Zusammenleben gewährleistet.

Dazu wäre aber ein komplettes Umdenken in der Hundeerziehung notwendig.

Grüße

Daniel

Übrigens: Den sogenannten "Leinenzwang", den bestimmte Gemeinden, Länder (D) oder Kantone (CH) anordnen, gibt es so nicht.
Dieser ist lediglich als Auflage zur Einwirkungsfähigkeit zu werten.
Wäre auch ein Unsinn, da z.B. eine 50Kg- Frau kaum in der Lage wäre einen losstürmenden Zwei- Zentner- Mastiff zu halten, obwohl sie die Leinenauflage ja erfüllt.
Niemand kann Sie zwingen, ihren Hund an der Leine zu halten, geschweige denn die Nicht-
Beachtung dieser "Auflage" unter Strafe stellen, solange Sie nachweisen können, "gebührenden" Einfluß auf Ihren Hund zu haben.

von Michaela(YCH) am 01. Februar 1999 08:17

Hallo Daniel,

ich glaube das Thema "Mit oder Leine" ist etwas komplexer, denn natuerlich reagiert jede Hund an der Leine anders. Meine Freundin hat einen Briardrueden, auf den all Deine Aussagen zutreffen (er reagiert aggressiver auf seine Artgenossen, obwohl er als "Freilaeufer" sehr vertraeglich ist, gehorcht auch an der Leine nicht so freudig, etc.), doch bei meinem Jagdhundmischling ist die Leine manchmal die letzte Rettung. Er gehorcht zu 95 Prozent verlaesslich (mit oder ohne Leine), doch hat er so seine auf Jagdtrieb beruhenden "Aussetzer" und dann kann er schon einmal auf die Idee kommen, dem Radfahrer auf der Strasse ploetzlich nachlaufen zu wollen. Und auf dieser Strasse befinden sich natuerlich auch Autos. Ich glaube, der Leinenerlass hat in Gegenden wo Strassen in unmittelbarer Naehe sind seinen Sinn,e benso in Waldgebieten (Wildschutz!). Natuerlich gibt es Hunde, deren Jagdinstinkt eine untergeordnete Rolle spielen, doch verhalten sie sich ebenso verlaesslich, wenn irgendwo eine laeufige Huendin unterwegs ist, oder sie aus irgendeinem Grund erschreckt werden, etc. Ich arbeite zweimal woechtentlich ehrenamtlich im Tierheim und allein im letzten Monat hatten wir 20 Faelle von entlaufenen Hunde, von ihnen konnten leider nur 13 gefunden werden. Der Rest ist spurlos verschwunden. Diese Hunde kommen in den unterschiedlichsten Gebieten abhanden (Tankstelle, Wald, Fussgaengerzone, Garten) und viele waren sehr gut abgerichtet. Doch ich bezweifle, dass es den hundertprozentig gehorchenden Hund gibt. Mein Hund fuehlt sich an der Leine manchmal viel sicherer, als ohne - z.B. bei grossen Menschenmengen um uns herum - und er verhaelt sich sehr ausgeglichen. Ich bin froh ihn im Falle des Falles zurueckhalten zu koennen und lasse ihn dann dort frei laufen,wo wir es beide geniessen koennen.

Salute,

Michaela

von Daniel(YCH) am 01. Februar 1999 09:00

Hallo Michaela,

genau auf diese Art von Einwand habe ich spekuliert.

Der Grund, warum Du Deinen Hund in seinem Jagdtrieb teils nicht aufhalten kannst, liegt darin, daß er sich bei großen Reizen dem Gehorsam offensichtlich erfolgreich zu entziehen versucht - das aber ist in den Griff zu kriegen. Du kannst praktisch jeden Hund hasenrein kriegen.
Ich behaupte eben, daß der ohne Leine aufgezogene Hund viel weniger leicht in eine solche Versuchung verfällt. Das hängt zwingend mit der erhöhten Führerbindung zusammen.
Ein Hund, der unter wirklich gutem Appell steht, braucht keine Leine - und wirklich guten Appell, kann ich am Besten ohne Leine erreichen.
Es geht dabei auch nicht nur um das bessere Sozialverhalten, wie beim Hund Deiner Freundin, sondern um eine grundsätzlich veränderte Verhaltensweise.
Auch die immerwährende Geschichte mit der läufigen Hündin entbehrt gewisser Grundlagen, sobald ich als "Alpha" definitiv anerkannt bin. Dann hat mein Rüde dort nämlich gar nichts verloren, da er nicht Fortpflanzungsberechtigt ist - und er wird sich dem auch entsprechend ergeben.
Auch ist es so, daß ein selbstbewußter Hund unter Schreck höchstens ein paar Zentimeter ausweicht, bis er die Situation überblickt. Ein unsicherer Leinengeführter, wird mich u.U. mit auf die "Straße" ziehen.
Zum Einwand bezüglich entlaufener Hunde:
Das zeigt doch, daß hier etwas überhaupt nicht stimmt, im Halter - Hund - Verhältnis.
Mir ist noch nie ein Hund davongelaufen.
Ich bin doch das Wichtigste im Leben meines Hundes - wieso also, sollte er mir entlaufen? Das tut er doch nur, wenn ich ihm nicht wichtig bin - ergo, kein normales Verhältnis besteht.
Du schreibst, diese Hunde waren zum Teil sehr gut abgerichtet - das glaube ich auf´s Wort. Richtig und wesensgerecht erzogen jedoch waren sie sicherlich nicht. Und genau da besteht ein himmelschreiender Unterschied.

Jeder erschrockene mittelgroße Hund kann einen Menschen umwerfen, wenn dieser nicht darauf gefaßt ist, was im Endeffekt heißt, daß die Leine auch keine echte Sicherheit bietet.
Was ich aber durch die Leinenlosigkeit erreichen kann ist ein extrem sicherer Hund, der lange nicht so schreckhaft ist, wie der Zwangsgeleinte.

Ich weiß Michaela, daß das nicht von heute auf Morgen erreichbar ist. Aber es ist absolut machbar und in meinen Augen auch erstrebenswert.

Wie gesagt: Es setzt ein komplettes Umdenken voraus.

Liebe Grüße

Daniel

von Klaus(YCH) am 01. Februar 1999 09:47

Hallo Daniel,

Ich habe mal eine kurze Frage zum Thema Leine:
Mein Hund stammt aus dem Tierheim und ist 4 Jahre alt. Seit etwa
8 Monaten ist dieser Hund bei uns und seit ca. einem halben Jahr arbeite ich mit
dem Hund.
In der Tat habe ich festgestellt, dass er ohne Leine viel aufmerksamer
ist, als mit.
Was ich beobachtet habe ist nun folgendes: sobald Fanny anfaengt an der
Leine zu ziehen, lasse ich diese einfach los, was zur Folge hat, dass
sie ruckartig stehen bleibt und mich anschaut.
Wenn ich dann weitergehe, bleibt sie genau da, wo sie sein soll.

Hast Du dafuer eine Erklaerung?

Viele Gruesse

Klaus

von Julia(YCH) am 01. Februar 1999 10:30

Hallo Daniel,

im Grunde stimme ich Deiner Theorie zu. Ein gut erzogener Hund, der mich als Alpha akzeptiert läuft mir nicht davon. Leider wiedersprichst Du Dich ein bisschen in den Ausführungen, die Du an Michaela gerichtet hast. Einmal sagst Du, Dein Hund hat Dich als Alpha akzeptiert und Du bist für ihn der einzige "Fortplanzungsberechtigte" im Rudel, somit scheidet die heiße Hündin aus und Du brauchst keine Leine. Also reagiert Dein Hund auf bestimmte Triebe, nämlich den Trieb sich in der Rangfolge unterzuordnen. Du gibst also zu, daß Dein Hund auf Triebe reagiert. Er kann auch gar nicht anders, das liegt nun mal in seinen Genen fest und der Mensch nutzt diese Triebe u. a. zur Ausbildung von Hunden. Nun sind aber der Fortplanzungstrieb und der Jagdtrieb beide etwa gleich stark im Hunde vertreten. Die Rangfolge schreibt nicht vor, daß einige Rudelmitglieder nicht jagen dürfen. Ich schließe daraus mal, das Dein Hund wohl einem Reh, nicht aber einer läufigen Hündin nachlaufen würde, obwohl er dem Instinkt gerne folgt bei Dir sein zu wollen. Allerdings ist der Trieb zu jagen, somit Beute und Futter machen zu können, in Ausnahmesituationen größer, als der Folgetrieb, den ein selbstbewußter Hund sowieso irgendwann ablegen wird und nur auf Grund von erzieherischen Maßnahmen gelernt hat, bei Dir zu bleiben. Ich will damit sagen, daß ein Hund mit einem sehr ausgeprägtem Trieb zum Jagen wohl weglaufen kann und bei einer heißen Hündin "kalt" bleibt :-)
Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Meine Hunde kennen an sich auch keine Leine obwohl wir in einer Großstadt leben. Über stark befahrene Straßen allerdings, ist es mir mit Leine wohler, dem Hund sicherlich nicht. Meine Hunde sind von der Größe her auch zu halten, daß gebe ich gern zu. Im Wald allerdings hat noch kein Mittel geholfen, daß sie nicht den Rehen nachjagen. Und ich habe so ziemlich alles probiert. Also pauschal zu sagen, daß man auf eine Leine verzichten kann würde ich nicht. Meine kleine Hündin entfernt sich nicht einen Meter von mir, sogar beim Müll raustragen und auf's Clo muß sie mit, aber im Wald ist es ihr egal, wo Frauchen ist. Eine Aussage, daß man generell auf eine Leine verzichten sollte, kann ich nicht befürworten. Auch mit guter Erziehung und einem gefestigten Verhältnis/Vertrauen zu seinem Hund kann was schief gehen. Ich bitte das o. stehende nur als Denkanregung zu sehen. Der Westi meiner Freundin z. B. entfernt sich auch im Wald nicht weiter als 10 Meter weg, wohin gegen meine Beiden an die 2 - 3 Minuten weg sind :-)

Grüße sendet Julia



von Daniel(YCH) am 01. Februar 1999 10:27

Hallo Klaus,

Deinen Hund betreffend ist die Sache ganz einfach zu erklären.
Die Leine ist ja ein unnatürliches Hilfsmittel, was der Hund eigentlich so versteht: Spannung gleich Grenze der Bewegungsfreiheit. Außerdem spürt er Deine Präsenz.
Fällt diese "Verbindung" aus, muß er sich wieder an Dir als Person orientieren. Deswegen bleibt er erst mal stehen und die Aufmerksamkeit hält dann wieder eine Weile an - bis er sich der Verbindung wieder sicher ist. Dann fängt auch meist das ziehen wieder an.
Find ich prima, daß Du so damit umgehst - allerdings kannst Du Dir das noch viel mehr zunutze machen, indem Du den Freilauf ausbaust.

Viele Grüße

Daniel

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