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Rüde kontra Rüde

geschrieben von Verona(YCH) 
Rüde kontra Rüde
21. Juni 2001 07:34

Liebe Hundefreunde,

mein kastrierter Jagdhundrüde (5 Jahre) flippt auf unserem Feldweg regelmäßig aus, wenn er einen anderen Rüden trifft. Wir haben da einen bestimmten anderen Jagdhund, der größer ist als er, aber jünger. Dieser kam irgendwann mal im jugendlichen Überschwang hinter uns hergerast und mein Hund hat sich ganz schön erschrocken, daraus wurde dann eine nette Keilerei und der andere wurde in die Flucht geschlagen. Seitdem reicht schon sein Duft auf dem Feldweg und dann sein Anblick, um eine Furie an der Leine zu haben. Er hört auf kein Kommando mehr und zieht wie ein Gestörter. Der andere zieht auch etwas und bellt zurück.

Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie ätzend solche Begegnungen sind. Das Frauchen der Gegenseite und ich, wir versuchen uns schon aus dem Weg zu gehen, aber es wäre mir lieber, wenn man die Hunde zu friedlichen Passieren bringen könnte.

Ich sollte vielleicht noch sagen, daß mein Hund Rüden gegenüber generell leicht "erregbar" ist. Ich bin dann nicht mehr der Rudelchef und weiss nicht, wie ich wieder die Oberhand bekomme. Aber es sind wirklich nur die Rüdentreffen, ansonsten hört er sehr gut und ist ein Lieber.

Wie verbessert man die Unterordnung konkret (nur mit Sitz und Platz Übungen?). Wie kann ich es erreichen, daß mein Hund an dem Rüden vorbeigeht ohne auszuflippen?
Hundeschule ist bei uns nicht.

Für Eure Tipps dankt schon mal

Verona


21. Juni 2001 11:32

Hallo Verona,

Du schreibst, Du wärst bei Rüdenbegegnungen nicht mehr der Rudelchef und würdest die Oberhand verlieren. Was lässt Dich zu dieser Erkenntnis kommen? Leider vertreten immer noch viele die Meinung, dass man als Rudelchef von Natur aus der einzige sein dürfte, der Aggressionen zeigt. Zeigt ein Hund dann dennoch Abwehrverhalten (z.B. gegenüber Artgenossen), wird durch Strafe (Leinenrucken, Schimpfen) und durch Unterordnungsübungen (die hier als Fügung des Hundes unter seinen Herrn verstanden werden) versucht, den Hund von seinem Verhalten abzubringen, um zu beweisen, wer hier der Chef ist. Mal abgesehen davon, dass ich eigentlich keinen Fall kenne, bei dem eine grundsätzliche Verhaltensänderung des Hundes auf diesem Wege erzielt wurde, kann man es nicht oft genug sagen: wenn ein Hund sich persönlich bedroht fühlt (z.B. durch einen Artgenossen), bleiben ihm völlig unabhängig von seinem Platz in der Rangfolge nur zwei Möglichkeiten. Entweder Flucht oder Aggression. Eins von beidem wird er zeigen und das ist auch völlig normal. Wie oft und wie stark er dieses Verhalten nun weiterhin zeigen wird, hängt von der Konsequenz ab, die aus diesem Verhalten resultiert. Ein Hund der flüchtet, lernt, dass er der Bedrohung so aus dem Wege geht und wird es in Zukunft in ähnlichen Situationen wieder tun. Ein Hund, der Aggressivität zeigt, erfährt, dass der Gegner tatsächlich in die Flucht geschlagen wird (er verschwindet ja irgendwann) und wird dann eben dieses Verhalten öfter zeigen.
Die Tendenz zu Flucht oder Aggression ist dem Hund von Natur aus mitgegeben. Wie ausgeprägt sich dieses Verhalten nun äußern wird, ist erlernt, weil damit ein bestimmter Erfolg erreicht wird.

Reagierst Du nun auf die Rüdenaggressivität Deines Hundes mit Schimpfen und Strafen, erreichst Du damit entweder, dass er das Gefühl hat "Frauchen ist ja genauso aufgeregt und zerrt an mir rum, also muss was an der Gefahr dran sein", oder aber Du trittst Deinem Hund gegenüber aggressiv genug auf, dass er es aus Angst vor Strafe lässt und die Klappe hält. Ersteres verstärkt sein Verhalten sofort, letzteres lässt es zwar zunächst eine Verbesserung nach Deinen Wünschen erkennen, im Prinzip unterdrückst Du das Verhalten aber nur und es wird, wenn der Druck durch die vermeintliche Bedrohung eines anderen Rüden mal größer ist als die Angst vor Deiner Strafe, wieder ausbrechen und umso stärker gezeigt werden. Früher oder später wird es zu so einer Situation mit Sicherheit kommen.

Um einen wirklich stabilen Erfolg zu erzielen, muss man sich also klar machen, dass die Häufigkeit und Intensität seines unerwünschten Verhaltens bereits durch die erlebten Konsequenzen erlernt und gefestigt ist. Um das Verhalten umzulenken, ist es also notwendig, dem Hund ein erwünschtes Alternativverhalten anzutrainieren, welches belohnt wird und genauso zu seinem erwünschten Ziel (die Bedrohung verschwindet, es passiert uns nichts) führt. Ohne die Möglichkeit eines Alternativverhaltens bewirkt Strafe und durch Druck herbeigeführte Unterordnung nur eine Unterdrückung und führt damit zu einem Pulverfass.

Ich würde Dir daher dringend eine Desensibilisierung gegenüber Rüden gekoppelt mit dem Erlernen eines von Dir erwünschten Alternativverhaltens empfehlen.
Du benötigst dafür einen Halter eines ruhigen Rüden, der bereit ist, mit Euch zu üben. Der Halter mit seinem ruhigen Rüden wird irgenwo postiert (eine große Wiese ist gut) und Du näherst Dich mit Deinem Rüden so nah, wie Deiner es noch ertragen kann, ohne unerwünschtes Verhalten zu zeigen. Ist diese Distanz erreicht (wohlgemerkt, so weit weg, dass Dein Hund noch keine! Anzeichen von aufkeimendem Abwehrverhalten zeigt), leitest Du ein erwünschtes Alternativverhalten ein (z.B. "Fuß" oder einfach "sei eng bei mir und konzentriere Dich auf mich"winking smiley welches Du überschwänglich belohnst, während der andere Halter sich mit seinem Hund in weitem Abstand von Euch entfernt und verschwindet. Auf diese Weise kannst Du Schritt für Schritt ganz langsam die Distanz zu dem anderen Hund verkleinern, bis ihr schließlich so weit seid, dass der andere Hund und ihr euch sogar auf einem Weg entgegenkommen und einander passieren könnt.

Wichtig ist, dass Du auf jeden Fall darauf achtest, dass die steigenden Ansprüche so behutsam gewählt sind, dass immer eine noch locker vom Hund tolerierte Distanz eingehalten wird. Verkleinert man die Distanz zu schnell, ruft der zu große Druck zwangsläufig Abwehrverhalten vor und ihr macht Rückschritte.

KLappt es mit diesem einen Hund irgendwann sehr gut und sicher, wäre es klasse, wenn man noch ein paar weitere Rüdenbesitzer dazu bewegen könnte, mit einem zu trainieren, damit sich das erlernte Verhalten nicht auf diesen einen speziellen Hund reduziert.

Bei diesem Training verfolgt man zwei Ziele auf einmal. Erstens lernt der Hund so, dass ein anderer Hund gar keine so große Bedrohung ist. Zweitens lernt er, dass das von Dir erwünschte Alternativverhalten "Fuß" oder "enge Nähe zu Dir und Konzentration auf Dich" zu seinem Ziel (der andere Rüde verschwindet wieder) führt.

Eins ist noch ganz ganz wichtig. Solange ihr euch noch im Training befindet, darf es auf Spaziergängen nicht zu seinem alten Abwehrverhalten kommen, weil er dann darin wieder bestärkt wird. Kommt Dir unteregs ein Hund entgegen und ihr seid noch nicht so weit, dass du sicher sein kannst, ihn durch das Alternativverhalten daran vorbeizulotsenm, musst Du Dich früh genug rumdrehen und einen anderen Weg wählen (bevor er sich aufregt!!!). Ich weiß, das kann eine Zeit lang sehr lästig sein. Aber bei konsequentem Training und Vermeidung von Rückfällen, werdet ihr schnell gute Erfolge erzielen und es wird nicht unerträglich lange dauern, bis ihr Rüdenbegegnungen lässig entgegensehen könnt.

Viel Erfolg und liebe Grüße
Conny

22. Juni 2001 08:24

Hallo Conny,

vielen Dank für Deinen Rat. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, daß das Abwehrverhalten ist. Wir werden uns ein "Opfer" suchen, mit dem wir üben können. Es ist ja auch nicht so, daß wir keine Rüdenkontakte haben. Es gibt drei Rüden (ein Collie, ein Schäfimix und ein kleiner Mix), mit denen er sich prima versteht und wir auch Gassi gehen. Es sind auch immer die Großen, die seinen Unmut erregen. Wenn ich so darüber nachdenke, hat er eben doch vor den Größeren Angst.

Jedenfalls vielen Dank

Verona

22. Juni 2001 09:29

Hallo Conny,
mit grossem Interesse habe ich Deinen Bericht bez. Rüdenbegegnungen gelesen. Da dies bei uns auch immer ein Thema ist, bin ich sehr dankbar, für die vielen guten Tips, die Methode ist auch sehr einleuchtend. Nun habe ich sicher ein Dutzend Rüden, mit denen meiner problemlos zurechtkommt. Auf dem Hundeplatz haben wir kaum Probleme, und ich kann ihn gut unter Kontrolle halten, wir machen auch frei ablegen und abrufen mit den anderen Rüden zusammen,Unterordnungsübungen sowieso, ganz ohne Aggressionen. Diese Rüden Verschwinden ja auch nicht, wenn er auftaucht, und er hat kein Problem damit.
Ganz anderst ist es auf dem Spaziergang, wenn er einem "Fremden" begegnet. Dann funktioniert das ganz anderst und auch mit alternativangeboten, die während den Übungen tadellos funktionieren, hatte ich bisher keinen Erfolg. Dazu muss ich sagen, dass mein Rüde der Herausforderer ist, und so schätze ich es ein, niemals weichen würde, sondern die Auseinandersetzung sucht.Er ist zwar kein Rauffer, doch will er wissen, wer der Stärkere ist Leider habe ich noch keine Möglichkeit gefunden ihn abzulenken, da er kaum mehr ansprechbar ist und sein einziges Interesse der "Gegner" ist.(Nur unkastrierte, mittelgrosse bis grosse Rüden. Alle anderen sind keine Konkurenz, sondern Spielkameraden.)
Ich werde versuchen, diesen Rüden jetzt konsequent auszuweichen, damit er sich eben nicht mehr aufregt, obwohl ich grundsatzlich die Erfahrung gemacht habe, dass, einem Problem aus dem Weg zu gehen ,bei Hunden keine zuverlässige Besserung bringt. Meine Idee war, dass er schlicht gehorcht und ich genug Einfluss auf ihn habe, ihn ruhig bei Fuss zu halten, was sonst wirklich in jeder Situation funktioniert (Tiere, Jogger , Velo, Reiter, Schulerreisen etc.)
Ein Versuch ist es wert, da ich bisher in dieser Richtung nicht sehr erfolgreich war.
Viele Grüsse Barbara F.




22. Juni 2001 15:36

Hallo Verona

:Wenn ich so darüber nachdenke, hat er eben doch vor den Größeren Angst.

Ich würde es eher als ein Gefühl der Bedrohung beschreiben, nicht als Angst. Angst ist mir ein zu eng edefinierter Begriff, der Bestimmte Assoziationen hervorruft. Ich kann mich z.B. von einem mir unangenehmen Menschen in dem Sinne bedroht fühlen, dass ich weiß, es kommt z.B. gleich eine doofe Diskussion auf mich zu und reagiere deshalb schon unbewusst mit Abwehrverhalten, indem ich von vornerherein unfreundlich bin. Dennoch würde ich nicht sagen, dass ich dann Angst habe.
Das ist jetzt zwar nur Begriffe-Klauberei, aber ich wollte es trotzdem noch mal ansprechen. Stellt man sich vor, ein Rüde, der mit Abwehrverhalten auf andere Rüden reagiert, habe Angst, dann kann das vielleicht unbewusst zu der Reaktion führen, ihn irgendwie beschützen zu wollen. Ohne dass man will, verschärft man dann eventuell die Situation. Das aber nur als Anmerkung.
Ansonsten wünsche ich Euch viel Glück bei der Suche nach einem geeigneten "Opfer". Du schaffst das schon!!!
Liebe Grüße
Conny


22. Juni 2001 15:54

Hallo Barbara,

klar Ausweichen ist auch eine Möglichkeit, ändert aber nicht das Problem. Gleichzeitg müsste auch bei Euch ein Training zur Desensibilisierung gegenüber in Eurem Fall fremde potente Rüden angesetzt werden, um die Situation dauerhaft zu ändern. Ich habe Verona empfohlen, fremden Rüden während der Zeit des Trainings aus dem Weg zu gehen, weil diese Situationen nicht planbar sind und die Gefahr eines Rückfalls während der Trainingszeit besonders gegeben ist. Es sollte keine Dauerlösung sein. Du schreibst, dass Du bereits Alternativverhalten als Übungen trainiert hast, Dein Hund unterwegs bei Treffen mit fremden Rüden aber nicht darauf reagiert. Willst Du daran arbeiten, würde ich auch hier mit einer Distanz zu fremden Hunden beginnen, die ihn noch nicht blockiert, so dass das Alternativverhalten noch einzuleiten ist. Die Distanz kann dann wieder Schritt für Schritt verkleinert werden. Auch hier ist es günstig, wenn Du die Situationen außerhalb des Hundeplatzes und mit unbekannten Hunden stellen könntest, um das Training geplant aufzubauen. Für diese Zeit ist dann das Ausweichen vor unplanbaren Situationen sinnvoll.
Ich finde es wichtig, dass man mit seinem Hund auch Artgenossen ohne Theater passieren kann.
Wenn Dein Hund ein kleiner Macho ist, der gerne testet, wer der Stärkere ist, dabei aber keine ernsthaften Beißereien vom Zaun bricht, dann kann man ihm dennoch die Möglichkeit geben, dies auch ab und zu zu tun. Allerdings mit Hunden, deren Besitzer man kennt und von denen man weiß, dass sie ebenfalls nur rumrüpeln aber keine ernsthaften Auseinandersetzungen anzetteln.
Dabei gibt es im Prinzip zwei Dinge, die vorher sitzen müssen. Der Hund darf nicht einfach ungefragt zu einem andern hinbrettern, sondern erst, nachdem Du ihn mit einem Freigabesignal das O.K. gegeben hast. Dein Hund muss auch bei Interaktion mit Artgenossen jederzeit abrufbar sein. Diese Dinge sollten schon sein, damit man die Sache einigermaßen problemlos abblasen kann, wenn es zu brenzlig wird.
Liebe Grüße
Conny