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Clickern bei sturem Hund?

geschrieben von Roswitha +R(YCH) 
Clickern bei sturem Hund?
20. Februar 1999 06:46

Hallo Birgit und alle mit "sturen", resistenten" Hunden

Zur Sympathiebekundung die Geschichte meines 3. Hundes, bei dem ich zum kompletten Anfänger wurde. Ich habe die Geschichte schon früher aufgechrieben und ergänzt. Sie dient ein wenig zur Unterhaltung und zur Erinnerung. Es ist eine ungewöhnliche Erfolgsstory. Wenn Du aufgrund der Geschichte wissen willst, wie es dazu kam, dass Biche mit Clicker, aber auch mit einigen anderen Änderungen meinerseits zum absoluten Traumhund mutierte innerhalb von 4 Wochen, dann mail doch zurück. Übrigens ist sie nicht nur Ketten- und Disk-resistent sondern auch noch Teletakt-verdauend, der Hund.

Problem-Auflistung: Alter 5 ½ bis 12 Monate
a) Hübscher, sympathischer Jung-Stadthund will beissen, zwar nicht so ganz durchgezogen, eher wie eine Kobra zuschlägt, nur langsamer und weil der Weg ins Gesicht lang sein kann und Menschen auch nicht blöde, kaum Erfolg, schlägt Zähne in der Luft zusammen (Warnknurren und Angriff sind eins)
b) ohne Leine Distanz bis so ca. 80 m, fast konstant (sehr gut im Griff!!, schaut aber netterweise auch mal zurück), haut nicht ab, kommt sogar bei Rufen sofort und schnell oder gar nicht (keine halben Sachen hier)
c) "mag" Kinder nicht (kriegt einen langen Hals und schnappt Minimum in die Luft)
d) Katzenjäger
e) geht lieber mit anderen mit, die mehr spielen, kann im Überschwang auch schon mal ein T-Shirt an der Schulter oben einreissen, obwohl die 1.50 m überhalb des Bodens ist. Echt beutegierig der Hund.
f) Biche ist immer mit im Büro, mag aber Besuch nicht und buttert den Rüden unter
g) rammt im vollen Gallopp gnadenlos "nette" Hunde über den Haufen, beisst zwar nicht, aber die meisten humpeln nachher und haben Angst vor ihr
h) sonst eigentlich alles in Ordnung, keine Scheuheiten, sehr gut mit Hunden sozialisiert (das mit dem Rammen sei typisch Malinois-Hündin und zeichne sie als stark aus, sagte ein Züchter). Ist mir und den anderen Hunden eine grosse Hilfe.


ZUSATZPROBLEME AB 12 MONATEN
i) das erste mal einen Jogger begleitet (wirklich hübsch neben ihm hergetrabt), ich dachte mir da noch gar nichts weiter und plötzlich geht sie auf die Hinterbeine, Zähne raus, böses bellen und nix mehr, abdrehen. Ich reagierte: keine Ahnung mehr wie. Der Jogger reagierte sehr, sehr freundlich. Echt. Netter Mann. Wir haben sogar noch kurz miteinander gesprochen.
j) Biche brauchte ca. 2 Wochen, bis sie ihre Hitliste zusammengestellt hatte (wie in der Einleitung schon erwähnt)
k) Wald? Super!!!!! Da ist Biche in Daueraction. Nur schon dieser Duft!! Und kreuzt sie mal den Pfad zu nahe bei mir, merkt sie gar nicht. Sie ist so hin und weg. Ich glaube fast, sie hat das Zeug zum Schutzhund. Ist doch sicher ein Zeichen für hohen Beutetrieb.

Was? Das Alphabet ist gar noch nicht durch? Die Liste aber schon! (Hechel)


1 kleinerer Zwischenfall:
Biche hat das Hühnergehege zuerst gefunden, leider defektes Gitter. 3 Hühner im Wald verschollen. Mit einem weissen Huhn stand dann der hübsche Fuchs mit dem weissen Huhn im Fang auf einem ganz, ganz kleinen Hügelchen. Blöderweise war sie hinter dem Gelände-Zaun. Ich kletterte aber rüber, sie ergriff die Flucht. Mit dem Huhn. War aber eine Sackgasse. Als ich sie erwischte liess sie das Huhn sofort los (richtig: sie überliess mir die Beute, ich bin, glaube ich, dominant über diesen Hund). Zum Dank habe ich sie dann definitiv absolut "nicht gewaltfrei korrigiert". Sie fühlt sich auch nicht korrigiert, Hühner sind weiterhin sehr wichtig.

1 hübsche Episode:
Biche rennt vor einer Katze schreiend davon (die hat nämlich Junge), Katze hintennach. Bei diesem Haus hat es mehrere Katzen. Supergut. Jetzt findet sie Katzen nicht mehr so toll. Denkste! Diese Katze vielleicht nicht. Aber all die anderen da, die sind echt coool.

Na, ihr denkt Euch sicher alle schon Du lässt so etwas von der Leine? Nein, ehrlich gesagt nicht mehr sehr häufig. Denkt aber daran, das geschah alles innert ca. 4 Wochen. So zwischen 12 und 13 Monate alt.

Natürlich stand ich nicht tatenlos daneben. Meinungen wurden eingeholt, Methoden diskutiert und erklärt, Möglichkeiten abgeschätzt:

a) lange Leine: ich bin entweder nicht genug instruiert oder gebe zu früh auf oder greife falsch ein (mit Ruck) oder oder oder.
Resultat nach der Leinenkorrektur: Sichtreiz taucht auf, Biche geht gemütlich weiter, interessiert sie doch nicht. Sobald sie die Leinenlänge überschritten hat, startet sie durch. Beim Hinterherrufen beschleunigt sie noch ein bisschen, aber der Schwanz geht merklich weiter runter (sie hat's also gehört). Ich rufe also nicht mehr hinterher. Bringt eh nix.

b) alles, was die Trickkiste so beinhaltet. ABER: absolut nie sauber durchgeführt. Davon wusste ich schlichtweg nichts. Aber ich erhielt ganz viele Erzählungen, dass die Methode bei diesem oder jenen geklappt hat.

c) ab und zu auch mal die Nerven verloren, weil ich schon Angst kriegte, wenn sie bellend einem Pferd am Hintern klebte. Also gegen meine Überzeugung den Hund bei Rückkehr seitlich am Hals gepackt, niedergedrückt, angeschnauzt (richtig böse, eindringlich, aber nicht laut, voll kontrolliert) etc. Sie ist aber nicht oft bis zu mir gekommen, wenn sie mir die Anspannung anmerkte, sondern lieber auf 10 Meter Distanz geblieben. Hoch aufgerichtete Ohren, Rute hoch: "Ätsch, ich bin doch nicht blöd!" Natürlich habe ich sie auch überlistet, mit Nettsein, heranlocken und dann strafen (es gibt eben saublöde Ideen).

d) Platz üben. Zuerst in der Nähe ohne Leine, zum Einwirken Kieselsteine ans Hinterteil knallen gleichzeitig mit Kommando. Nach 3mal ist sie folgerichtig auf das Kommando Platz blitzartig auf die Seite gehechtet. Funktioniert bei ihr nicht. Bei Odin hat's aber. Die macht das Super, auch auf Distanz. Ganz locker. Laut Kommandieren ist sowieso nicht möglich, da wird sie bocksteif, über Leine auch nicht, auch bocksteif.

e) Entschluss: bevor ich "meinen" Hund gar nicht mehr dazu bewegen kann, mir auch nur ein bisschen zu vertrauen, wenn wir draussen sind und sie was sieht (Wald war schon lange tabu, über Land sowieso, denn Bauernhof = Katzen, da drückte sie schon 300 m vorher ab und wurde taub und bis 300 m danach wollte sie partout wieder umkehren.
Ohne Beute-Reiz hatte sie inzwischen einen recht zuverlässigen Appell. Natürlich mit Loben, was sie aber immer noch nicht zu schätzen schien. Na, wird schon noch.
Zuhause war sie ja auch nicht verschmust.

f) Die Idee mit dem hauchdünnen Draht um den Hals an der ultraleichten langen Leine war mir etwas zu gefährlich. Ich hatte Angst, er könnte ihr die Kehle durchtrennen. Obwohl sie von einem amtierenden Schweizermeister im IPO empfohlen wurde (ganz so Sporterfolg = Wissen-gläubig war ich nicht mehr).

g) Ich brauchte dringend eine starke anonyme Strafe, die sie mit den Beutereizen verknüpfen würde, also nicht das Vertrauen in mich untergräbt und auch nicht den Eindruck entstehen lässt, weiter weg von mir ginge es dann schon wieder. Ich besorgte mir also die heute verbotene Ausrüstung mit der richtigen Instruktion, alles sauber durchgeführt (müsst ihr mir jetzt einfach glauben oder auch nicht).

Es klappte. Super! Entgegen der Prognose, wahrscheinlich würde sie deswegen 2 - 3 Tage nicht mehr von mir wegwollen, ging diese Reaktion aber nur höchstens 5 Minuten. Aber der Fluchtpunkt war ich und nicht die weite Ferne. (Stolz, mein Hund vertraut mir in Extremsituationen). Der Rückkopplungseffekt von ich = Schutz war super. Dummerweise wollte Biche bei jedem Vertreter ihrer Hitliste wissen, ob die auch plötzlich alle ausgeklinckt waren. Sie waren.

Na, ich will die Geschichte ja nicht künstlich verlängern. Bei den Joggern ging es zwei Wochen, bis sie durch langsames wieder herantasten herausfand, dass die wieder die guten alten Jogger waren, bei Pferden ...... (weiss ich nicht mehr so genau).

Ich habe aber nicht einfach gewartet, wie es weiterginge. Ich hatte schon vor diesem Einsatz endlich kapiert, dass man einen Malinois "mit guten Anlagen" (ist ja so relativ) nicht einfach so unbeschäftigt durch die Gegend streifen lassen kann. Auch hatte ich meine Plätze, wo auch die triebstärksten Hunde schlichtweg nichts finden, das jagdbar ist (nein, Mäuse interessieren sie nicht) um entspannt spazieren zu gehen. An den mässigen Appell, da fand ich auch keine Lösung (Wurfkette schon bei anderen Hunden als blöde Idee und zweischneidig (es kommen nicht alle Hunde zum Besitzer deswegen, sondern rennen weg) und sowieso unhandlich, da nicht weit werfbar). Es blieb also dabei entweder zügig kommen oder gar nicht. Der Hund hat ein Hirn, das muss aus Beton sein (von wegen nicht stur).

Ich fand eine Gruppe Malinois-Hundeführer und war echt stolz da mitmachen zu können.
Was ganz wichtig war: sie übten bereits über Motivation und Triebstauung - Triebentladung in die Beisswurst. Natürlich wurde ich skeptisch, weil die arbeitsfreudigen Hunde im Auto mit volleingeklemmter Rute und zitternd offensichtlich darauf warteten, motiviert zu werden. Ich wollte auch wissen, warum denn ein voll triebiger Hund den Kopf so starr nach oben hielt, die Rute am Bauch und die Hinterhand so abfallend wie ein Deutscher Schäfer. Na, nachdem sich herausstellte, dass Biche definitiv nie fähig wäre, ein guter Sport-Schutzhund zu werden, da zu schreckhaft und unsicher (so kannte ich sie sonst gar nicht), habe ich mich bald wieder verabschiedet (anderer Schutzdiensthelfer als beim "Probebeissen"winking smiley.

***Inzwischen bin ich am Ende von Seite 5, es ist 2 Uhr morgens und ich habe immer noch den ultimativen Drang, diese Biographie weiterzuschreiben (oder kann ich das Wort erst benutzen, wenn mein Hund schon tot ist). Ob sich der Aufwand lohnt? Ich schwelge geradezu in glorifizierten Erinnerungen (Glück gehabt, der Bildschirm ist wieder frei. Felice, meine Walt-Disney-Löwin, hat sich hingelegt. Gefahr der Halsstarre gebannt.)***


Biche war 2jährig, keine Beschwerden, obwohl doch einige Stadtparkgänger massiv belästigt wurden, aber immer so weit weg, dass sie sich nicht zurücktrauten um mir zu sagen, was Sache sei. Ich hatte zeitweise schon Angst, eines Tages würde die Polizei auf mich warten. So im Nachhinein erschrecke ich selbst, wie weit ich ging, weil ich dachte zu wissen, dass sie nicht beisst. Sie hat aber auch nur einmal und das war nur so ein Hacken in den Oberschenkel eines Radfahrers und überhaupt fand der es nicht so tragisch.


DIE WENDE (nein nicht ENDE, JETZT wird's interessant - echt?)
Ganz vergessen: Ich hatte kein Auto, bis Biche 2 jährig war, was die Auswahl für Hundesport stark einschränkte.
Also Biche ist immer noch 2jährig, da lernte ich MEINE RETTER kennen (Salut an Roli und Doris; Oski und "ich sehe das Gesicht vor mir, aber komme nicht mehr auf den Namen" mit seinem Zollhund Timo, Kurt Joss und die vielen anderen hilfsbereiten und fairen Hundesportler). Sie waren die ersten Hundeführer, die mir ohne grossen Aufwand zeigen konnten, dass prüfungsmässige Unterordnung eine tolle Sache sein kann. Sie waren so freundlich, mir mehrere Wochenenden Training zu offerieren, halfen mir auch telefonisch weiter (200 km weg). Es war eine Superzeit.

Nach einer Inventaraufnahme bezüglich hundlichen Fähigkeiten und meiner miserablen Reaktionszeit stand folgendes fest: Den Hund könntest Du hier lassen und vielleicht eher etwas langsameres kaufen. Von ihren Ideen, Erklärungen und der Arbeit ihrer Hunde (nix verspannt - gespannt), traumhaften Fährten etc. überzeugt, packte mich der Ehrgeiz.

Bezüglich Appellproblem ging das so:
-Was tut Biche gerne?
-Kampf- und Bringspiele
-Dann gehen wir jetzt in den Wald (rehfrei), Du rufst (pfeifst), rennst weg wedelst mit der Beisswurst und sobald sie bei Dir ist, spiele
-Kein Problem, das Apportieren inkl. Vorsitzen und Aus hat sie mir nämlich geschenkt, das Knautschen hat sie aber für sich behalten

Das war's. Problem gelöst. Bei diesem "Jagdhundmutanten" brauchte es grundlegend nicht mehr. Pfeiffen, locken, jubeln, spielen. Innert 2 oder 3 Wochen kam sie auf Pfiff im gestreckten Gallopp retour (ohne spezielle Ablenkung). Immer Ball 1 -2x werfen oder mit Kong kämpfen. Das abgeben und das Wort für wir hören auf genügte. Um sie wieder auf Wanderschaft zu schicken. Wollte ich sie einfach nur bei mir haben ohne Spiel, wie jeden anderen Hund auch, sagte ich ihr "Biche Komm". Dann kam sie friedlich herangetrabt. Wollte ich sie anleinen, hiess es "Biche Anleinen", was verlangte, dass sie sich in Fussposition begab, um angebunden zu werden. Ich wollte fair sein, hatte keine Ahnung von Konditionieren. Ich hatte nur das Gefühl, wenn sie so angeprescht käme, dürfe ich sie nicht enttäuschen. Der Anblick des herangalloppierenden Hundes war auch zu schön, da jauchzte ich auch öfter um sie noch weiter anzuspornen.

Nun ging es so schnell weiter, dass es fast unglaublich war. Ich ging übers Jahr verteilt fürs Wochenende nach Allschwil. Ich hatte sehr fleissig geübt, in der Zwischenzeit eine Übungsmöglichkeit in Weinfelden gefunden (die dank Auto jetzt in Frage kam). Und schon wieder Glück gehabt. 2 Gruppenleiter (Hans und Christoph), die generell motivierend arbeiteten. (Ich hatte den Klub ausgewählt, weil die Sanitäts-Hundeführer, die mich interessierten, sehr gute Plazierungen an der regionalen Meisterschaft erreicht hatte.)

Wenn Korrekturen, dann Einwirken bevor der absehbare Fehler eintrat. Nicht zuerst zuschauen was passiert (das weiss man ja spätestens bei der 50. Fehlerwiederholung) und dann vorher einwirken, nicht nachher korrigieren. Das verkürzt die Lernzeit ungemein. Falls wir keine Lösung fanden, wurde diskutiert, warum der Hund es nicht verstehe, wo UNSERE Fehlüberlegung läge. Man war auch nicht zu scheu, mal zu hinterfragen, warum jemand das so mache und nicht so. Wenn etwas mit meinem Allschwiler-Training kollidierte, das ich nicht ändern wollte, wurde das akzeptiert. Ausbilder, wie sie im Buche stehen sollten.

Das fast tägliche "Unterordnungs-Training" machte sie in Kürze hundeplatzsüchtig, damals noch ohne Schutzdienst.

Aber meine Probleme, die Liste ganz weit oben, waren damit noch nicht gelöst. Nicht ganz. Ich konnte Biche jetzt zwar abrufen, wenn ich ihr Objekt der Begierde früh genug sah, aber das ging eben nicht immer. Und wenn es nicht verschwand oder zu viele (Jogger und so) daherkamen, funktionierte das eben gar nicht mehr.

Es war noch nicht lange her, seit ich das erste "Ball-Appell"-Training übte, da las ich einen Artikel von Roger Mugford über etwas, das er Triebumkehr nannte. Er beschrieb darin, wie er Hunde vom Jagen abrufe, ohne Hemmer (oder Strafe oder aversive Reize oder wie man das alles noch nennt) einzusetzen. Gelesen, ausprobiert. Der Grundstein mit der Pfeife war schon gelegt. Was genau, in welchen Schritten geübt wurde, kann ich nicht mehr sagen. Der Artikel war auch nicht voll ausformuliert im Sinne einer Anleitung. Ich versuchte eben.

Und man glaubt's nicht. Innerhalb weniger Monate kam Biche nicht nur auf Pfiff (oder auch nur auf Name in einer gewissen Tonlage), sie fing definitiv an selbständig kehrt zu machen und zu mir zu galloppieren, sobald ein Reiz auftrat (zuerst bei Pferden). Natürlich gab's immer einen Ball oder kurzes Reissspiel.

Im Alter von 2 ¼ Jahren begann ich dann doch mit Schutztraining. Sei wurde angelernt wie ein Junghund, mit dem gleichen Aufwand, die Grundausbildung wurde in keiner Weise abgekürzt.

2 ½ Jahre später (Ende .19994), als Biche die regionalen Meisterschaften in IPO 2 gewann (knapp, weil ich das Fährtentraining voll verhunzt hatte) und im Agility II unter den 30 besten der Schweiz war, wurde ich gefragt, ob ich einen neuen Hund hätte. Ich war verdutzt. Nein, wieso? Ja, das könne doch nicht sein. Es war doch gesagt worden, Biche tauge bezüglich Schutzdienst höchstens als Rauchfleisch. Na, so kann man sich irren. Ich war brutal stolz auf sie (bin ich heute noch). Einer der "Rauch-Melder" war an dieser Meisterschaft übrigens auch auf dem Podest, aber unter mir. (Reiner Zufall, sonst lief sein Rüde wesentlich besser als Biche, aber ein bisschen Glück ist in jedem Wettkampf im Spiel). Ich habe das total schadenfreudig genossen.

Noch zum Schutzdienst: dort hatte ich nach einem Klub-Wechsel (Schutzdiensthelfer hörte auf, kein Nachfolger in Sicht) bald einmal erheblich mehr Mühe, meine inzwischen gereiften Vorstellungen von und Erfahrungen mit Motivation zu verwirklichen. Die "Nein, das geht so nicht"-Standpunkte wurden viel heftiger vertreten. Zum Teil liess ich mich dazu überreden, Biche mit Schmerzeinwirkungen zu traktieren, für die ich mich nicht erst heute schäme. Es ist auch kein Trost, das sie am wenigsten abbekam von diesen "Trainings-Notwendigkeiten", weil unsere Gegenwehr oft so heftig und anhaltend war, dass der Schutzdiensthelfer nur noch resignierend den Kopf schüttelte und halt dann eben doch mitmachte. Dass die Leistungen (bei ihr v.a. Führigkeit und Revieren) im Schutzdienst sofort sprunghaft anstiegen, als ich mich endlich definitiv gegen sämtliche Einwirkungen verwahrte, die Schmerzen verursachen, waren natürlich nur Zufall (Kommentar der meisten Mitglieder, da die Hündin eben weich wäre, das wüsste man ja. Als ob "Härte" ein Grund sei, Schmerzen zuzufügen statt Alternativen zu suchen).

Beim Hundesport (der ja für mich ein Freizeitvergnügen sein soll und keine Freizeitbelastung und für Biche gilt das selbe) heiligt für mich der Zweck ganz sicher nie mehr die Mittel. Und wenn mich wer dabei ertappt, dass ich durch Gruppenzwang (eigene Meinung behalten) oder sowas doch über heftige Schmerzeinwirkungen "arbeite", dann soll er/sie mir eine runterh.... (bitte) und zwar deftig.

Und die Problemliste? Nicht beseitigt. Keineswegs. Aber dank des extremen Appells (der so gut funktioniert, dass ich sie noch abrufen kann, wenn die Distanz zu den Rehen kürzer ist als zu mir), ist es je nach Spaziergang-Gegend eine Sache des Aufpassens. Dass dieser Appell kein Wundermittel ist, sondern auch seine Tücken hat, kommt im nächsten Absatz:

Der Appell funktioniert bei Biche irgendwann nicht mehr, wenn die Gerüche der beliebtesten Jagdobjekte stark konzentriert über längere Zeit vorliegen und ich Biche mehrmals weit wegrennen lasse. Wenn sie längere Zeit ihren Beutetrieb nicht ausleben konnte, reagiert sie natürlich auch stärker auf diese Gerüche. Ihre Ansprechbarkeit hat sich sozusagen wieder aufgeladen. Auch verhindert er grundsätzlich nicht das Wollen. Sie will immer noch jagen, nein und pfui helfen da nichts, weil ich es nicht sauber aufgebaut habe. (Kann ich auch nicht, selbst wenn ich wollte. Die Konsequenz, die man bei ihr dazu braucht, habe ich schlichtweg nicht in mir. Zudem sind mir die sonst schon happigen Fehlerquellen bei ihr noch viel happiger.)

Biche's IPO-Karriere erlebte im III einen Flop (Abbruch auf der langen Geraden), der dann aber wieder teilweise ausgebügelt werden konnte. Durch eine Rückenoperation 9 Monate vorher und Spondylose konnte ich aber ein Training nicht mehr verantworten. Es bestand dauernd die Gefahr, dass sie im Training statt in "Angriff" zu gehen, seitwärts umkippte (ein nicht geklärtes Problem, genaue Ursache unbekannt) oder den Ärmel nicht fassen konnte, weil ihr die Hinterbeine für einen winzigen Moment den Dienst versagten, wodurch sie in verpasste.

Dafür trainierten wir wieder Agility und starteten sogar noch einmal vor 3 Jahren. Nach 2 Jahren Wettkampfpause landete sie doch glatt auf dem 6. Platz von 80 Teilnehmern im Agility II. Das "Rauchfleisch" ist eben doch genial, wenn man die Haushund-Qualitäten nicht rechnet.

Und nun kommt zuletzt noch der Clicker ins Spiel. Inzwischen sind nämlich die 9 Jahre fast um. (Was es geht zu Ende? Danke! Wieso, liest hier noch jemand mit?)

Ich habe den "Clicker" in den letzten 4 Monaten kennengelernt und nutze seine Möglichkeiten seit (man höre und staune) ca. 4 Wochen. Jetzt wird nämlich an der erheblich kürzeren Problemliste (sie wird ja auch älter und gesitteter) endlich mal weitergearbeitet.

Ausser dem Wegdrehen durch Abrufen waren nämlich nicht allzuviele Kanäle offen, um ihr die allzeit vorhandene Angriffsbereitschaft auf Passanten, Jogger etc. (mal von vorne, mal von hinten, oft auch nicht) wegzukriegen. Sprich: alles ohne Hund. Ein Spielzeug mittragen lassen war noch die Alternative, aber dann "schreitet" sie nur noch. Was das Spazierengehen ein bisschen aufwendig werden lässt, da ich mich dann länger bewegen muss, da sie den Weg ja nicht einmal doppelt macht. Und ein bisschen Grundkondition darf sie schon haben. Und nun ganz ehrlich: für einen Hundehalter bewege ich mich gar nicht so allzu gerne. Mir wäre der "ich will nicht raus"-Hund eigentlich nicht unangenehm, der dann aber zu gegebener, sprich gewünschter Zeit, durchaus Temperament zeigen sollte (was hat Sony da entwickelt?).

Aber zurück zu den Kanälen:
- konditionieren jedesmal sitzen, wenn wer kommt, das heisst, irgendwann setzt sie sich selbständig hin, wenn jemand in die Nähe kommt (cool, wenn man in einem Naherholungsgebiet spazieren geht über Mittag). Da trifft man dann an guten Tagen so gegen 30 Leute und 20 Jogger in 30 Minuten. Nein, dann weniger. Denn schliesslich muss sie ja ewig sitzen bleiben, weil kaum ist Einer weg, nähert sich schon der Nächste. Da ziehe ich dann lieber definitiv das Spielzeug hervor und lasse sie es tragen. Dann sinkt das Interesse bis fast auf ganz 0.

- konditionieren jedesmal Fuss-Kommen, wenn wer kommt (s.o.)

- positiv bestärken, anfangs immer wenn sie jemanden nicht beachtet (ich habe die praktikable Lösung). Nichtbeachten eines ohnehin uninteressanten Menschen (sonst würde sie ihn ja beachten) zeitgerecht geclickt, bewirkt (rein theoretisch), dass sie Nichtbeachten erstrebenswert erlebt. Schon von der Jagdhandlung her logisch. Das Fressen kommt am Schluss (und ich habe den Clicker mit Futter konditioniert (clever, machen nur fast alle). Zudem ist Futter ist einfacher zu handhaben als Spielzeug. Nur Kumpel Splashy (der 2., unauffällige in meinem Haushalt) ist der einzige, der Futter apportiert, aber leider im Magen und das Aus klappt dann irgendwie fast nie. Da muss ich mir mal überlegen, ob man hervorwürgen auch clicken könnte, dann könnte ich grössere Brocken nochmals werfen - igitt).

Die Idee mit "Clicken wenn Menschen nicht beachtet werden" ist nicht einmal ein Mehraufwand. Ich habe sie sowieso dauernd unter Beobachtung, weil sie sich so unregelmässig zu einer Attacke entschliesst. (Bei allen jagdbaren Objekten klappt das mit der automatischen Umkehr nicht. Das ist zu einem Grossteil abhängig von der Beliebtheit der "Beute". Und Spaziergänger sind eben nicht ganz oben auf der Hitliste.) Soll's sein wie's will. Biche wendet auf jeden Fall schon recht häufig den Blick willentlich ab, z.T. schaut sie weg, geht ein Stück näher, schaut weg, geht ein Stück näher und dreht dann vollständig ab (CLICK). Sie ist jetzt nämlich je nach Situation schon eine Stufe weiter. Und einfach nur Nichtbeachten ist nicht das einzige Kriterium, aktiv den Blick abwenden wird mit "Mini-Jackpot" belohnt. Ich will nächstens sowieso im Clicker-Forum nachfragen, wann wo was als nächste Stufe empfohlen ist.

Endziel ist, aktives ignorieren von Menschen. Dafür gäbe es dann ab und zu wieder mal einen Click, weil ich ihr dankbar wäre, wenn sie dank meinen Bemühungen endlich aufhören könnte, dauernd unterschwellig aggressiv zu sein. Bei der Katze ging das recht schnell.

Nachdem ich jetzt 8 Jahre vertrödelt habe, darf sich der Clicker auch noch ein bisschen Zeit lassen, bis wir auf der Verstärkerebene sind, die .....(der Rest ist chinesisch).

- fast dasselbe Spiel auch bei Felice-Jungkätzin (aber die Details sind im Clicker-Forum, Hund/Katze - Clicker).

(Schwein gehabt, die Geschichte hat sich fertig geschrieben. Und Du darfst jetzt aufhören zu lesen. Oder soll ich jetzt doch lieber noch mehr Details liefern?) Inzwischen habe ich nämlich 24 Stunden am Tag den absoluten (! äh?) Traumhund. Hoffentlich, ganz ohne konditioniertes Nein (das sich bei ihr definitiv nicht konditioniert. Gute Arbeitsmalinois werden auf Negativeinflüsse nur stur und blockieren, egel welche Schmerzintensität. Ich kenne einen Fall, da mussten sie die zugespitzten Stachel aus dem Hals des Hundes rausziehen, weil der Hund gerade im Ärmelbeuterausch war.)

Biche und Roswitha




20. Februar 1999 07:17

Nachtrag:

Dort wo die Zusammenhänge fehlen: macht nichts. Da hatten wir ja noch Probleme, die "offensichtlich" nicht lösbar waren.

Das mit dem "Wissen", weil der Hund des anderen sooooo gut gehorcht, ist so relativ. Bei meinem ersten Hund war ich schnell einmal der King im Quartier (mit 15!), nur weil das Tierchen so problemlos war. Das hatte wohl kaum was mit meinen Qualitäten zu tun (sie konnte mit 2 Jahren ca. 30 Kommandos unterscheiden, lief überall ohne Leine, blieb an jedem Strassenrand so konsequent stehen, dass ich sie mal suchen musste, war in der Stadt und sie wartete 3 Strassen weiter hinten auf mein Kommando zur Überquerung der Strasse.) Deshalb war ich aber nicht "wissend", sondern hatte nur einfach einen pflegeleichten Hund.

Nochmals Grüsschen aus dem Käseland
Roswitha
naturnah@bluewin

20. Februar 1999 10:22

Hallo Roswitha,

Wenn man es (positiv verstärken) erst mal begriffen hat, fragt man sich, wieso man nicht schon vor Jahren darauf gekommen ist. Auch unsere alten Verhaltensweisen sind gut konditioniert, das ist der Jackpoteffekt: Hund kommt jedes dritte, vierte oder siebte mal zurück wenn wir sein Weglaufen betrafen, als variable Belohnung für uns. Also muß es doch funktionieren...

Warum aber in aller Welt hat denn Deine Geschichte den Titel "Sturer Hund"?

Ich habe letztens mit einem wirklich sturen Hund gearbeitet, eine Sarplaninac-Hündin (Herdenschutzhund). Dieses Tier ist durch absolut nichts zu motivieren, selbst Wurststücke können ihr keine Begeisterung entlocken, wenn "Arbeit" im Spiel ist. Sie hat auch kein Lieblingsspiel(zeug) - spielen? ich?? Wenn man versucht, sie mit allerlei Theater aus der Reserve zu locken, wendet sie mit einem absolut ernsten Blick den Kopf weg, nach dem Motto: Der Mensch spinnt wieder.

Während ich meiner Freundin der dieser Hund gehört, die Grundzüge der Clickertheorie erklärte, konditionierte ich der Reihe nach (abwechelnd) alle vier Hunde auf das Clickergeräusch, und begann mit dem "Touch", drei hatten diese Übung innerhalb von Minuten raus.
(Sehr schön, die verschiedenen Charaktere dabei zu beobachten, jedem Hund wird ermöglicht, nach seinem individuellen Temerament zu agieren!
Chap, ein junger Labrador, arbeitet ruhig aber konzentriert, wenn er erst mal mitgekriegt hat worum es geht.
Joscha, Tervueren, überängstlich aus voriger Haltung, mußte von seinem Besitzer konditioniert werden, da er vor mir floh, bei ihm konnte man förmlich sehen wie er auftaute.
Tim, Behindertenbegleithund, der alles sucht, aufhebt und apportiert (auch einzelne Geldstücke) war so begeistert, daß er einem den Stick aus der Hand reißen wollte um ihn Frauchen zu bringen.
Nach zehn!!! Minuten Übung suchte er den Touchstick sogar im Nebenraum.

Feo aber, die Hirtenhündin, war durch nichts dazu zu bringen, die dargebotenen Dinge (einschließlich Wurst) auch nur anzusehen. Ich wollte schon aufgeben und arbeitete noch ein bißchen mit meiner Whippethündin. Feo durfte dabei im Raum bleiben, da sie sich ja nicht wie die anderen (die alle gespannt vor der Tür saßen...) dazwischendrängelte. Sie beobachtete unsere Aktivitäten interessiert (eine Leistung für sie).
Als ich sah, daß sie uns beobachtet, probierte ich es noch mal mit ihr, und siehe da, sie machte mit. Es kam schließlich soweit, daß sie den Kopf etwa zwanzig Zentimeter reckte, um den Stick zu berühren. Das ist für ihre Verhältnisse schon als Temperamentsausbruch zu werten!!! (ganz ehrlich, ich bin froh, das ich keinen solchen Hund habe)
Aufstehen und Hingehen liegt bei ihr noch in weiter Ferne, aber man sieht: es funktioniert auch mit sturen Hunden...

P.S.: Das Zuschauenlassen funktioniert übrigens bei allen Hunden, die noch nicht ganz begriffenhaben, worum es eigentlich geht. Sie sehen es bei fortgeschritteneren Hunden ab. Joscha, der Tervueren, hat beim ersten Versuch auch augenscheinlich nur irgend etwas versucht um seinem Besitzer zu gefallen, aber man hatte den Eindruck, er hat es nicht verstanden. Nachdem er eine Runde zugesehen hatte, ging er sofort zielstrebig zum Stock...

Viele Grüße, Anneke

20. Februar 1999 13:21

Hallöchen Anneke

Auch unsere alten Verhaltensweisen sind gut konditioniert, das ist der Jackpoteffekt: Hund kommt jedes dritte, vierte oder siebte mal zurück wenn wir sein Weglaufen betrafen, als variable Belohnung für uns.

Wieso kann ich nicht so argumentieren? Ich werde noch grün vor Neid yawning smiley))

Warum aber in aller Welt hat denn Deine Geschichte den Titel "Sturer Hund"?

Das kommt vielleicht mehr in der Realität zum tragen. Stur im Sinne von "nicht von der eigenen Bahn abweichen". Eben gerade so wie die Sarplaninac-Hündin, Baghira von Birgit etc. nur andersrum. Für die Umwelt sehr gefährdend. Schliesslich sind Malinois aus den "Ring-Ländern" sprich Arbeitslinien dahingehend ausgewählt, in hoher Beute-Erregung "immun" zu sein gegen Schmerzen (was aber eine Behauptung meinerseits ist).

Anneke, ich darf Dich darauf hinweisen, dass Biche in dem Moment nicht mehr stur war, in dem ICH AUFHÖRTE, SIE FÜR VERHALTEN ZU KORRIGIEREN, DAS NICHTS MIT SOZIALVERHALTEN ZU TUN HAT. Das ist ein Megapunkt.

Bei der Hundeerziehung wird immer von Verboten aufgrund der Höherstellung des Menschen gesprochen in Bezug auf Verhalten, das meines Erachtens nichts mit Sozialverhalten zu tun hat. Nur z.B. das Fressen von Abfall. Welcher Hund verbietet dem anderen Abfall zu fressen, ausser er ist schon dran und sozial höher? Die Liste ist endlos.

Da kann mir jeder solange die Ohren vollpusten mit natürlich und rudeltreu, bis ihm die Backen weh tun. Es macht einfach keinen Sinn. Aber so sind wir Menschen nun mal. Jedem seine Meinung und mir bitte auch eine. Deshalb leben wir wohl auch nicht mehr in Höhlen. (Oder macht das jetzt keinen Sinn?)

Menschen, die Biche nicht in Aktion gesehen haben, können oft gar nicht glauben, was ich da erzähle, ausser sie hatten auch schon das Vergnügen mit unterbeschäftigten Belgiern. Es hört sich für andere wohl zu sehr nach Seemannsgarn an. Gottseidank gibt es aber etliche "Augenzeugen", die sehr wohl wissen, wie permanent gefährlich das Tierchen eigentlich gewesen wäre, wenn nicht.......

Was Tricks mit Clicker angeht, habe ich ihn bis anhin nur reduziert eingesetzt. Mein vordringliches Bestreben sind Verhaltensänderungen, Resozialisierung und Rangordnung. Und wenn die nicht stimmt, untergrabe ich mir immer wieder selbst die Clicker-Erfolge.

Woran dann ja bei manchem frustriertem Einsteiger wiederum die Methode schuld ist, dabei hat man dem Besitzer leider nur nicht gesagt, dass nur Hunde, die sich als sozial tiefer empfinden, so erfolgreich ausbildbar sind.

Tschüss Anneke und grüss Rica und Obsidian

Roswitha
naturnah@bluewin.ch