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Johnnie-Story

geschrieben von Diana(YCH) 
Johnnie-Story
13. November 1997 19:43

Hallo,

ich kenne erst seit kurzem diese WebPage (Martin hat sie mir verraten), und
möchte mal meinen Senf dazugeben.

Ich habe einen 6 Jahre alten Jagdhund-Mix (angeblich zu 3/4 Bayerischer Gebirgs-
schweißhund, sieht aber gar nicht danach aus, eher wie Pointer oder Foxhound,
auf jeden Fall viel größer und eher filigran). Mit Johnnie Walker habe ich
so ziemlich alles durch, was man mit einem Hund an Erziehung/Ausbildung
durchmachen kann. Er war von Anfang an (wir bekamen ihn mit 7 1/2 Wochen) so
ganz anders als sein gerade verstorbener Vorgänger - er interessierte sich herzlich
wenig für uns, alle Leute waren seine besten Freunde, er ging mit jedem mit,
hatte Null Bindung. Er interessierte sich für alles in seinem Umfeld, und für
alles gleichzeitig. Er konnte sich auf nichts konzentrieren, war hyperaktiv.
Er mochte nicht gerne angefaßt werden, und hatte auch ein Riesentalent, sich
aus unserem Griff herauszuwinden.

Mit 7 Monaten war er ein Wirbelwind, konnte sich keine Sekunde lang stillhalten,
und hatte schon prima gelernt, daß er ohne Leine tun kann, was er will.
Zu dieser Zeit begann ich, zuerst in der Volkshochschule Hundekurse zu besuchen.
Nach der ersten Stunde waren meine Hände von der Leine (vom Rucken, um dem Hund
"Fuß" beizubringen) blutig gescheuert, gar nichts klappte. Die Ausbilder rieten
mir zum Stachelhalsband, mit dem ich dann auch tatsächlich weiterkam. Ich besuchte
noch 2 Jahre weiterhin derartige Kurse (auch Fortgeschrittenenkurse), und das
Ergebnis war das folgendeMit Stachelhalsband klappte alles ganz gut (es war nicht
toll, was Johnnie zeigte, aber dank meiner intensiven Benühungen fast immer mehr
als die anderen Kursteilnehmer), ohne ging kaum was. Johnnie hatte so einen
"harten Hals", daß meine Kräfte einfach nicht ausreichten, ihn mit der Leine und
einem normalen Halsband zur korrigieren. Es hatte sich dann eine Gewöhnung eingestellt,
ich ruckte alle paar Schritte (beim Fuß-Gehen), und er ging relativ unbeeindruckt
weiter.

Irgendwann kamen wir zum Breitensport (ich bin jeden Sonntag insgesamt 140 km auf
den Übungsplatz gefahren), der uns (außer der Unterordnung, die immer nach Schema
gelaufen wurde) super gefallen hat. Die Leute waren allerdings so arrogant, daß sie
es trotz meines hundesportlichen Eifers und meines Optimismus nach einem 3/4 Jahr
geschafft haben, mich wieder fortzuekeln.
Nachdem ich schon etwas über Agility gehört hatte, begann ich darauf, einige einfache
und transportable Hindernisse provisorisch nachzubauen, und damit in meinem privaten
Hundetreff (ein paar Unentwegte, die aus den VHS-Kursen übriggeblieben waren, und
mich zu ihrem Anführer machten) aufzufahren. Zuerst übte ich alles zuhause mit
Johnnie, wenn er etwas konnte, zeigte ich den anderen wie es ging. Johnnie hat
das total leicht gelernt - den Slalom habe ich mit der V-Methode (die Slalomstangen
waren eigentlich Tomatenstangen) geübt, nach etwa 3 Wochen sprang Johnnie im
(gerade gestellten) Slalom, nach noch einmal 3 Wochen kannte er den richtigen
Eingang, egal ob ich rechts oder links von ihm lief. Er beherrschte die Richtungs-
kommandos wunderbar, ich konnte mit ihm die wildesten Kombinationen laufen. Und
wir beide hatten tierischen Spaß.

Nach einiger Zeit gab es tatsächlich einen Agility-Platz in der Nähe. Das Ganze
wurde aber im Verlauf von ca 1.5 Jahren ein Fiasko. Näheres dazu werde ich ein
andermal anbringen. Ich hatte meinen Hund gründlich für Agility verdorben. Er ging
nur noch mit Panik auf den Platz, suchte jede Gelegenheit, um davonzukommen, selbst
wartend wandte er nur den Kopf vom Platz ab (er hat überhaupt ein starkes Meideverhalten).

Ich war total demoralisiert und frustriert - alle Methoden, die mir die Ausbilder geraten
hatten, hatten nichts bewirkt. Irgendwann habe ich angefangen zu denken (ja, das kommt
vor). Ich habe die vielen Situationen verglichen, in denen ich Johnnie etwas gelernt
habe, und er lernt wirklich leicht (wenn man's richtig macht), und kam zu folgendem
Ergebniser lernte die Sachen schnell und mit großer Begeisterung, die ich bei
richtigem Tun mit "Ja" ankündigte, und anschließend mit Leckerli oder Spiel belohnte
(z.B. Slalom, "toter Hund"winking smiley. Bei falschem Verhalten sagte ich "Nein" und ignorierte es,
setzte dafür wieder neu an. Korrigierte ich ihn bei einem falschen Verhalten (und das
war es auch, was uns im Agility das Genick brach), wurde er so unsicher, daß er
mental "abschaltete", und kein Lernen mehr möglich war.
Als ich dies begriffen hatte, fing ich (vor ca. 1 Jahr) an, auch in der Unterordnung
so zu arbeiten (von Klickern etc. hatte ich da noch nichts gehört). Jedes schnelle
Sitz aus der Bewegung wurde mit "Ja" belohnt, dann wurde ein Leckerli hingeworfen.
Beim Fuß hielt ich ein Leckerli in der Hand, das er bekam (ein "Ja" ging dem voraus),
wenn er in der richtigen Position war.

Weil ich so schnell nicht aufgebe, habe ich auch an meinem zuhause im Garten provisorisch
aufgebauten Agility-Parcours weitergearbeitet, und schaffe jetzt die Kontaktzonen ohne
Problemer muß auf der Wippe nach dem Kipp-Punkt (er ist früher oft mit soviel Schwung
auf die Wippe, daß er schon viel zu weit vorne stand, und dann vorzeitig abspringen mußte
- ein gefährlicher Stunt), und auf dem Laufsteg am unteren Ende stehenbleiben, bis ich bei
ihm bin (dann gibt's ein Leckerli). Alles andere mache ich wohldosiert, so daß wir immer
dabei Spaß haben.

Und vor kurzem habe ich im Internet was über Klicker-Training erfahren, und konnte sofort
meine Parallelen ziehen. Ich war sofort begeistert, zumal ich ja z.T. selbst dieselbe
Erfahrung gemacht hatte. Durch genaueres Befassen mit der Materie habe ich noch viel
dazugelernt (z.B. Shaping, variable Verstärkung). Alles habe ich natürlich sofort ausprobiert,
und festgestellt, daß es den Lernprozeß, wenn man es richtig macht, noch viel stärker
verkürzt, und der Hund insgesamt viel motivierter ist.

Eine kleine Anekdote noch zum Schluß:
In meiner letzten Kursstunde (ich gebe Ausbildung - leider noch nicht mit Klicker), hatte ich
auch Johnnie dabei, er spielte eine Weile mit den anderen Hunden, kam auf einmal zu mir,
stellte sich vor mich hin, und schaute mich mit diesem "jetzt gib mir doch ein Kommando, damit
ich mal wieder einen Jackpot kriegen kann"-Blick an. Zwei meiner Schützlinge standen neben
mir und fragten "Was hat er denn?". Mit einem gewissen Stolz in der Kehle sagte ich (ich versuchte
möglichst gleichmütig zu klingen) "Ach, der will nur, daß ich ihm ein Kommando gebe, der will
ein bißchen arbeiten". Mit ehrfürchtigen Gesichtern standen sie da, als ich meinem Hund den
Gefallen tat, und ihn einige Male Sitz, Platz, Steh, Down, toter-Hund, Gib'Laut etc. aus der
Entfernung machen ließ (mit anschließendem Jackpot, versteht sich). Ich war so stolz! Ich hatte
immer die Halter von Border Collies (spez. im Agility) beneidet, bei denen das wirklich so
ist, daß die Hunde gebannt vor ihnen stehen, immer darauf wartend, daß ein kleiner Wink, ein
leises Signal kommt. Und das bei meinem Jagdhund, der jagdhundtypisch sehr selbständig ist,
der (fast) nichts Schöneres kennt, als mit Gleichgesinnten zu spielen!

Ich beglückwünsche jeden, der diesen Roman jetzt bis zum Ende gelesen hat. Wem's zu mühsam war,
hier noch mal die QuintessenzIch habe wirklich viel ausprobiert, mit vielen Methoden bin
ich ein Stück weit gekommen. Aber meinem Hund die Dinge so beizubringen, wie ich sie haben
wollte, gelang NUR mit positiver Verstärkung. Und die Click&Treat Methode richtig eingesetzt,
wirkt wahre Wunder.

So, das war's für heute,
Diana


16. November 1997 16:36

Deine Johnnie-Story hab ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen. Sie hat mich in so vielem an mich und meinen Hund Mirko erinnert.
Clicker Training ist wie Windschutzscheibe-PutzenDer Hund hat auf einmal den vollen Durchblick!

weiterhin viel Spaß wünschen Martin & Mirko


24. November 1997 14:59

Hallo Diana!

Zu dieser Zeit begann ich, zuerst in der Volkshochschule Hundekurse zu besuchen.
Nach der ersten Stunde waren meine Hände von der Leine (vom Rucken, um dem Hund
[...]

Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich hatte einige Bücher über
"sanfte" Erziehung gelesen und war geschockt, dass ich meinen Hund
auf dem Übungsplatz nur mit Rucken und Brüllen erziehen sollte.
Im diesem Hundeverein (war ein SV) hatten meine Erziehungs-Ideen
leider keinen Platz. Also habe ich mich an die Sitten angepasst.
(tut mir hinterher noch leid...)

Irgendwann kamen wir zum Breitensport (ich bin jeden Sonntag insgesamt 140 km auf
den Übungsplatz gefahren), der uns (außer der Unterordnung, die immer nach Schema
gelaufen wurde) super gefallen hat. Die Leute waren allerdings so arrogant, daß sie
es trotz meines hundesportlichen Eifers und meines Optimismus nach einem 3/4 Jahr
geschafft haben, mich wieder fortzuekeln.
[...]

Auch ich wurde von selbstherrlichen Leuten rausgedrängt. Ich nahm den
Hundesport angeblich nicht "ernst" genug.

So, das war's für heute,

Ich würde gern mehr über Deine Erfahrungen in den Vereinen lesen.
Auch würde mich interessieren wie Du von der "Ruck" Methode auf
positive Bestärkung umgestellt hast. Hast Du beide Methoden
parallel eingesetzt?

Diana

Pia