Clickertraining + Behinderung
23. Januar 1998 17:46

Hallo zusammen!

Zunächst einmal mein großes Lob für diese Seiten. Nachdem ich nun das Clicker-Forum und die Clicker-Infos durchgeackert habe und bei meinem "Ajax" (Beagle, 6 Monate) schon erste Erfolge sichtbar werden, bin ich einigermaßen begeistert. Und zwar aus folgendem Grund:
Ich bin schwer gehbehindert, und kann nur mit Hilfe von 2 Stöcken gehen, mit meinem Hund kann ich nur kurze Strecken zu Fuß bewältigen, ansonsten benutze ich ein spezielles Fahrrad.
Vor meinem "Ajax" hatte ich schon 13 Jahre einen Beagle, und habe das Training ohne Clicker praktiziert. Ich habe zwar immer versucht, Zwangserziehung zu vermeiden und durch positives Einwirken das Gewünschte zu ereichen (BspTillmann Klinkenberg"Hundeerziehung ohne Zwang"winking smileyDabei stieß ich aber immer wieder auf das Problem, das ich wegen meiner Behinderung nicht oder nicht schnell genug (Stichwort:Timing) auf meinen Hund einwirken konnte, sei es positiv oder negativ.
Ein Beispiel, das Herankommen auf ZurufIch rufe den Hund, aber in die Hände klatschen und rückwärtslaufen oder in die Hocke gehen, was zur Unterstützung empfohlen wird, kann ich nicht, da ich ja meine Stöcke in der Hand habe. Nun kommt der Hund, ich darf ihn loben. Bis ich nun aber einen meiner Stöcke aus der Hand gelegt habe, sicher genug stehe, mit einer Hand ein Wurstzipfel aus der Tasche gekramt habe um den Hund nun endlich für sein korrektes Herankommen zu loben ist schon viel zu viel Zeit vergangen. Der Hund kann den Zusammenhang zwischen Lob und Leistung wohl nicht mehr verstehen. Was mir bisher blieb war das verbale Lob zur rechten Zeit, das alleine ist aber auf dauer ziemlich wirkungslos.
Kommt der Hund nun aber nicht, wird empfohlen negativ auf den Hund einzuwirken. (Schreckbüchse, Wurfkette) Das war mir praktisch nie möglich. Um mit einer Wurfkette zu treffen braucht's eine freie Hand und einen sicheren Stand. Habe ich's denoch versucht (z.B. Schlüsselbund werfen,davon kann ich nur dringend abraten, wer einmal 2 Stunden seinen Schlüssel unter dichtem Laub gesucht hat, weiß wovon ich rede...) habe ich meistens mangels sicherem Stand meterweit daneben geworfen->die Einwirkung bleibt wirkungslos, oder ich habe durch das "Stöcke aus der Hand legen", das Werfen "annonciert" und der Hund konnte "in Deckung gehen"->die Einwirkung blieb ebenfalls wirkungslos, was blieb übrig??? Wut, Rumbrüllen, Frust.
Das der Hund denoch relativ gut herankam, kann ich mir eigentlich selbst nicht erklären...
Anderes Beispiel, das Zerren an der Leine. Ich kann zwar die Leine führen, auch einen Widerstand entgegenbringen, den kräftigen "Ruck" an der Leine kann ich aber kaum geben, ebensowenig kann ich den Hund mit einem Ast (o.ä.) am vorpreschen hindern denn auch dazu bräuchte ich wieder eine freie Hand. Das ist mit 2 Stöcken einfach nicht möglich. Zudem konnte mein erster Beagle, wenn er denn plötzlich gegen die Leine sprang, mich ohne weiteres zu Fall bringen, wenn ich nicht schnell genug losließ. Was bleibt übrig? Würger? Situationen meiden, in denen der Hund zieht, einen riesen Bogen um andere Hunde machen? Und was, wenn einer um die Ecke kommt?
Nun mit dem Clicker-Training ist die Situation völlig anders. Ich muß nicht mehr "manuell" auf den Hund einwirken, ihn berühren, (ja, ich soll es ja gar nicht mehr). Das Problem des schlechten Timings bei der Belohnung (Stöcke aus der Hand, sicheren Stand suchen, nach Wurstzipfel kramen, Hund streicheln und Loben--->mind 10 Sek!) hab' ich nun nicht mehr, denn nun ist der Zeitpunkt des "Clicks" das entscheidende, den Clicker hab ich immer in der Hand. Ich habe das "Manko" des falschen Timings zwar erkannt, wußte aber keine Lösung. Mit dem Clicker hab ich sie gefunden.
Ich denke daß ich nicht der einzige bin der solche Probleme hat(te?), und halte das Clicker-Training vor allem für Behinderte für sehr geeignet. Denn einem Rollstuhlfahrer z.B. stellt sich das gleiche Problem des "nicht-manuell-Einwirken-könnens", und wo steht geschrieben daß Hund und Behinderung sich ausschließen?
Bevor ich zum Romanautor mutiere, Gruß an alle ich hoffe es kam rüber was ich sagen wollte.

Klaus


23. Januar 1998 18:03

Guten Tag Klaus

Ich bin zwar nicht der Profi, das ist uneingeschränkt unser Martin.
Ich kann aber Ihren Erfolg bestätigen. Auch ich laufe an zwei Krücken,
dank guter Kondition kann ich allerdings sehr weite Strecken laufen.
Das zeitliche Problem mit den Stöcken in eine Hand wechseln kenne
ich nur zu gut. Das Gute am Clickertraining ist, dass man sich hier nach
dem Click etwas Zeit bis zur eigentlichen Belohnung lassen kann.

Anstelle der Wurfkette oder Rasselbüchse reicht heute ein klares "Nein".
Dem Problem mit der Leine gehe ich dadurch aus dem Weg, dass ich
das primäre Ziel bei einem neu "adoptierten" Hund darauf setze, den
Hund so schnell wie möglich absolut leinenfrei zu halten.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!

Freundliche Grüsse

Rolf


26. Januar 1998 12:56

Hallo zusammen,

zu diesem Thema kann ich auch ein bißchen beisteuern. Ich halte Kurse für
Begleithundeausbildung und Agility. Zu dem Kurs letzten Herbst hatte sich
auch eine Frau angemeldet, die aufgrund ihrer Behinderung (MS) nur mit
Krücken bzw. Rollator (kann man sich wie eine Art verkürzter Einkaufswagen
vorstellen) gehen kann. Die Ausbildung bei uns im Verein läuft normal nach
sehr geregelten und vordefinierten Kursplänen ab, wobei immer in einer
Gruppe mit ca. 8-10 Hunden/Hundeführern gearbeitet wird.

In das normale Kursprogramm (das nach hergebrachter Art mit Leinenrucks etc.
arbeitet) konnten wir die Frau nicht aufnehmen, sie hätte die Methode
ja nicht anwenden können. Ich hatte damals schon mit Klickertraining bei
meinem Hund begonnen, und sah darin für die Frau eigentlich die einzige
Möglichkeit, mit ihrem Hund sinnvoll weiterkommen zu können.

Ich konnte mit unserer Vorstandschaft abmachen, daß ich für die Frau Privat-
training auf Klicker-Basis durchführe, dabei allerdings speziell auf die
Probleme eingehe, und nicht die übliche Begleithundeausbildung durchziehe.
Es hat allen Beteiligten sehr viel Spaß gemacht, und allen viel gebracht.
Die Frau hat mittlerweile auch in ihrer Selbsthilfegruppe Werbung für das
Click&Treat Training gemacht.
Wir üben dabei solche Sachen, wie "Fuß" neben dem Rollator, Kommen, Bleib,
Apportieren (dabei sind wir allerdings erst in den Anfängen)

NebenbeiNachdem das Nachbarmädchen normalerweise mit dem Hund spazieren
geht und auch mit ihm viele Übungen wie Sitz, Platz, Hier gemacht hat,
konnten wir den Hund mit dem Mädchen und Ausbildung Clicker-Style doch noch
zur Begleithundeausbildung anmelden, und er hat die Prüfung bei nur 5 Wochen
effektiver Trainingszeit mit Bravour bestanden.
(Man muß aber dazu sagen, daß ein relativ ruhiger, wesensfester Hund ist,
der stark auf seine Menschen fixiert ist, und dadurch unheimlich leicht lernt.)
Ich bin aber sicher, daß mit etwas längerer Trainingszeit dasselbe Ergebnis
von der Frau selbst ebenso möglich gewesen wäre.

Was ich also damit ausdrücken wollteMit Click&Treat ist es wunderbar
möglich, seinen Hund auszubilden (in was immer man auch möchte), auch
wenn es aufgrund einer körperlichen Behinderung auf den ersten Blick nicht
so scheint.


Diana


26. Januar 1998 16:20

Grüß Euch alle zusammen,

Was ich also damit ausdrücken wollteMit Click&Treat ist es wunderbar
möglich, seinen Hund auszubilden (in was immer man auch möchte), auch
wenn es aufgrund einer körperlichen Behinderung auf den ersten Blick nicht
so scheint.

Die Ausführungen der Betroffenen möchte ich unkommentiert stehen lassen. Besser und überzeugender kann man es nicht ausdrücken.

Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Spaß miteinander

Martin + Mirko


21. Oktober 2008 12:35
Hallo zusammen,

ist schon klasse, plötzlich kann ich auf meinen ersten Beitrag hier bei Yorkie (bzw. überhaupt im Internet) wieder antworten smiling bouncing smiley

Mehr als 10 Jahre liegen dazwischen, Ajax ist diesen Sommer 11 Jahre alt geworden und die ganzen Probleme, die wir einst hatten, die im Forum geschrieben wurden, haben sich mehr oder weniger in Wohlgefallen aufgelöst. Ajax ist ein richtig toller Hund geworden und im Alltag vollkommen problemlos.
Das Clickertraining hat uns dabei enorm geholfen, wichtige Dinge zu lernen, notwendige Verhaltensweisen zu üben. Es gab aber auch Dinge, bei denen meinerseits ein Umdenken notwendig wurde und ich erkennen musste, dass es Bereiche gibt, die sich alleine mit dem Clicker nicht lösen lassen.
Ich werde später noch in einem neuen Thread über meine "Langzeiterfahrungen" mit Ajax berichten.

Wer von Euch hat denn ähnliche Erfahrungen mit dem Clickertraining gemacht? Ist vielleicht ausser mir noch einer, der "Clickerer der ersten Stunde" hier im Forum vertreten und hat Lust, was dazu zu schreiben?

Lg,
Klaus