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Der Lebensretter

geschrieben von Katja + Indy(YCH) 
Der Lebensretter
25. April 2000 18:22

Wir hatten einen wundervollen Hovawartrüden, Dorian von den Chauken. Dorian war ein Bilderbuchhund: Selbstbewusst ohne zu pöbeln, das hatte er nicht nötig; er hat sich mit 7 Monaten zum Erwachsenen erklärt und nie wieder jemanden daran zweifeln lassen, selbst ausgesprochene Raufer gingen kusch vor ihm; wachsam, aber primär freundlich; ein Welpen- und Kinderfan; stur wie ein Panzer, aber lernbegierig und dadurch führbar; die Ruhe selbst, wann immer es darauf ankam. Ein ziemlicher Riese (72cm Schulterhöhe, sportliche 42kg), blond mit weißen Pfoten und weißem Brustfleck. Mein Traumhund. Wie passten zusammen wie Arsch auf Eimer, wie man so unfein sagt.
Er war noch nicht ganz eineinhalb Jahre, wir hatten einen heldenhaften ersten Platz beim 2000-Meter-Geländelauf belegt und haben natürlich Fotos davon gemacht, da dachte ich, dass sein Gesicht irgendwie unsymmetrisch wirkt. Einige Tage später sah ich warum: eine kleine Beule an der Schnauzenaußenseite, vielleicht vier Finger breit hinter der Nase. Ein Stich? Es wurde größer. Wir gingen mit ihm zur Tierärztin Frau DR. S., die sah sich das an und meinte, es sei wahrscheinlich eine Reizung der Knochenhaut, ob irgendein Trauma vorausgegangen sei...? Na, wir redeten über einen Hund, der im vollen Lauf mit dem Kopf gegen einen Baum knallte und einfach weiterlief... Durchaus nicht unwahrscheinlich also, dass er sich irgendwo angeschlagen hatte. Entsprechende Medikamente wechselten den Besitzer.
Tage später lief ihm plötzlich Blut aus der Nase. Und er hatte am Hals auf der Seite der Läsion einen hühnereigroßen Lymphknoten. Einen knochenharten, schmerzlosen, wenig verschieblichen Lymphknoten... Es ist nicht so, dass man vor sich selbst nicht andere Möglichkeiten für diesen Lymphknoten finden würde. Aber diese Art von Lymphknoten, dass schlug mir in den Nacht mein gemartertes Hirn immer wieder um die Ohren, hat eigentlich nur eine Diagnose zu erwarten, und die heißt Krebs. Aber er ist doch noch so jung, das kann doch nicht sein! Und wir wollen in drei Wochen Begleithundprüfung machen...
Am nächsten Morgen wieder zur TÄ, Probebiopsie, warten auf das Ergebnis. Die Beule an der Nase wächst fast zusehends, ist taubeneigroß inzwischen, das Auge auf der Seite läuft, die Nase blutet. Rasiert sieht die Beule auch nicht besser aus. Abnehmen kann man es nicht, was auch immer es ist, man kann dm Hund ja schlecht die halbe Nase wegnehmen. Mein armer kleiner Hund... Therapieversuche aller Art laufen ins Leere, Dorian mag schon nicht mehr mit Welpen spielen, die er sonst so liebte, die Nase tut ihm weh.
Die Diagnose: Malignes Histiozytom. Schlechte Prognose, hochaggressives Wachstum, wenig differenziert. An dem Tag, als seine Zähne zu wackeln anfingen und der Hund, dessen Napf bei Bodenberührung schon fast leer war, nicht mehr fressen wollte, haben wir ihn eingeschläfert. Zu Hause auf dem Teppich, zu irgendwas müssen die ganzen Ärzte in der Familie ja gut sein. Ich war tagelang nur unter Tränen zu Worten fähig. Ich habe sogar die Tierärztin gewechselt, weil ich nicht mehr in diese Praxis gehen kann.

Vor ein paar Wochen habe ich auf einer Party eine Frau kennen gelernt, die mir von ihren Hunden erzählte, einem Dalmatinerrüden und einem Weimaraner. Der Dalmatiner hätte vor einem Vierteljahr eine große Operation hinter sich gebracht, erzählt sie mir im Laufe des Abends, der hätte Krebs gehabt. In diesem jungen Alter, damals war er erst anderthalb. Doch, doch, sage ich, das gibt es. Sie erzählt mir, wie sie mit einer kleinen Beule im Gesicht ihres Hundes zu Frau Dr. S. ging. Ich wurde ganz hellhörig! Da wäre eine junge Kollegin da gewesen, die hätte sich das angesehen und gesagt, das sei schon nichts, ein Trauma vielleicht...aber da sei zufällig Frau Dr. S. reingekommen, hätte sich das angesehen und gesagt, das müsse sofort raus. Auch wenn die junge Ärztin gesagt hätte, das sei doch noch so ein junger Hund, das könne doch nicht... Die Diagnose dieser Beule war auch „Malignes Histiozytom“. Es ist, soweit man es bis jetzt sagen kann, völlig entfernt worden und hatte noch nicht metastasiert. Der Dalmatiner ist gesund und lebt.

Ich glaube, Dorian wäre froh, wenn er wüsste, dass er diesem kleinen Rüden das Leben gerettet hat. Mich hat es ein bisschen mit dem Schicksal versöhnt.


Katja



30. April 2000 15:20

Katja, sei gaaaaanz fest gedrückt.
Ja, die Erfahrung der Tierärzte muß schließlich irgendwo her kommen, traurig aber wahr.
Tut mir so Leid um Deinen Hund. Ich verstehe gut, daß es hilft zu wissen: sein Opfer hat etwas geholfen. In Dinem Herzen lebt er weiter.
Alles Liebe!
Eva

30. April 2000 16:48

Hallo Eva!

Danke für Deine Anteilnahme! Ja, der Spruch von Mark Twain ist schon wahr, daß mir der Himmel gestohlen bleiben kann, wenn meine Hunde nicht mit hineindürfen... aber das geht uns wohl allen hier so.
Das ist jetzt auch schon wieder fast sechs Jahre her, daß wir Dorian einschläfern mußten, aber ich habe trotzdem geheult wie ein Schloßhund als ich das geschrieben habe. Aber irgendwie hilft einem dieses "Es hat etwas genützt"-Gefühl tatsächlich.
Dir auch alles Lieb,

Katja + Indy (der versprochen hat, mindestens 12 Jahre bei uns zu bleiben)