Hallo Anja,
Oh, da ist was durcheinander gekommen...
: Wenn dein Linus das alles so regelt ohne
: das der andere Hund zu schaden kommt,
: finde ich das vollkommen in Ordnung.
Das fände ich auch prima. Leider ist dem nicht so. Linus ist (leider) kein sozial sicherer, zuverlässiger Hund. Er hat Strategien gelernt, die es ihm und uns und allen anderen Hunden ermöglichen, weitgehend streßfrei zu leben. Aber er ist ein kritischer, vielleicht sogar für manchen gefährlicher Hund - jedenfalls dann, wenn der Kontrahent womöglich nur so groß wie ein Westie oder Dackel ist. Es ist nicht so, dass er Beschädigungsbeißen zeigt - aber es geht wirklich sehr heftig zur Sache.
Es geht um zwei Hunde: Barney, ein sehr angenehmer Hund im Umgang mit anderen Artgenossen, der auch schon mit schlimmen Raufern "arbeitete", um diese wieder zu "resozialisieren". Der andere ist "Linus" ein 35kg Golden Retriever, der gelernt hat das Aggression in gewissen Situationen eine für ihn "sinnvolle" Option ist. Das ist schon schlimm, und man muß wenn man einen solchen Hund hat, dafür Sorge tragen das anderen Hunden nichts passiert. Darum geht es !
[Maßregeln]
: aber bitte nicht mit einer "Kampfbestie".
Unter "Maßregeln" verstehe ich nicht "beißen", sondern das Deutlichmachen der Individualdistanz, einschränken der sozialen Expansion des anderen etc.. Es gibt Hunde, die verstehen das auf eine Weise zu tun, die beeindruckend ist. Das Sozialvehalten des Hundes st wunderbar und lehrreich - aber nur, wenn es auch "intakt" ist :-(
: Sorry aber ich bin auch Besitzer einer
: solchen steifbeinigen Mikrobe. Wobei es bei
: ihr auf jeden Fall Angst ist.
Ich habe keineswegs irgend etwas gegen kleine oder große oder sonstwie Hunde. Ich mag alle Hunde. Ich weiß aber aus Erfahrung, dass solche Begegnungen mit kleinen, unerzogenen Hunden für mich oft stressig sind. Einfach deswegen, weil es höllisch gefährlich werden kann, wenn so ein 6 kg-Hund meint, mit hocherhobener Rute vor dem Linus zu imponieren. Dem ist nämlich egal, wie viel der andere wiegt :-(
Und, ja, so leid es mir tut: Viele Menschen gehen sehr blauäugig an die Sache ran. Sie sehen einen Golden Retriever und denken: "Der ist bestimmt lieb!" - Eben nicht, meiner ist nicht lieb! Das ist schlimm, und er ist voll unter Kontrolle, aber er ist NICHT lieb! Kannst Du Dir vorstellen, was ich für eine Panik schiebe wenn ein 8kg - Westie Rüde imponierenderweise auf meinen Linus zuläuft und sich nicht abrufen läßt, weil er nicht für 5 Pf. hört? Darum geht es mir, um nichts anderes. Linus hat noch niemals einen Hund schwer verletzt, aber ein solch kleines Tier kann er auch bei einem Kommentkampf schwer verletzen, und dass will ich nicht!
: Denn sie wurde als Welpe von solch einen
: unsozialisierten Hund recht heftig gebissen.
Mit der Sozialisierung ist das immer so eine Sache. Es ist nicht alles Gold, was in Büchern steht. Hunde sind anders...und auch in dieser Hinsicht nicht immer so, wie wir es gerne hätten :-( Leider !
: Ich denke dein Linus regelt das ohne den
: anderen zu verletzten? Oder hab ich das falsch
: verstanden?
Ja, das hast Du gründlich falsch verstanden. Es geht hier darum, das ein großer Hund, der in eine aggressive Konfrontation mit einem sehr viel kleineren verwickelt ist, diesen schwer verletzen kann. Ein Schäferhund hätte vielleicht in einer gegebenen Situation nicht mal einen Kratzer, aber ein Kleinhund kann sich dabei womöglich alle Knochen brechen. Das hat nichts mit Sympathie oder Antipathie zu tun, sondern mit Physik.
: Es gibt nun mal auch andere Hunde als die ewig wedelnden Superputzis....
:
: Ich nehme an mit Superputzis meinst Du Kleinhunde?
Du nimmst falsch an :-)Damit meine ich alle "der will nur spielen"-Hunde, von denen es in der Tat eine Menge gibt. Das weiß ich, und ich bin froh drum. Ich sehe jede Woche eine Unmenge solcher Hunde, und ich liebe sie alle. Damit das so bleibt (mit deren Unbekümmertheit) sollten diese ebenso gut unter Kontrolle sein wie alle anderen Hunde ;-)
: Kann es sein das Du eine Aggression gegen diese hast? Warum??
Ich hege keinerlei Aggressionen gegen irgendwelche Hunde oder sonstigen Lebewesen auf diesem Planeten. Im Training nehme ich Hunde immer Ernst, ob groß oder klein, dick oder dünn, aktiv oder trantütig - sie alle werden von ihren Menschen geliebt und umsorgt, sind meistens auf ihre ganz spezielle Weise wunderbare Tiere. Aber wenn es um Aggressionsprobleme geht, dann würde ich nicht unbedingt befürworten, dass ein 5kg-Hündchen einem 35kg Schäferhund Sozialverhalten beibringt. Selbst wenn er es (aus sozialer Sicht) kann, sollte er das doch besser in seiner Gewichtsklasse tun :-)
: Ach und in der Stadt meinst Du haben die Leute
: diesen nicht mehr oder wie?
Nicht in diesem Ausmaß, in der Tat. Bei solchen verallgemeinernden Aussagen geht es doch immer um Tendenzen. Hier gibt es eine Menge Leute, die ihre Tiere nicht artgerecht halten, genau wie in der Großstadt. Auch trifft man immer wieder auf Leute, die mit ihrem Hund reden wie mit ihrem Psychiater, hier genau wie in der Großstadt. Aber mir fällt auf, dass es "tendenziell" eher so ist, dass die Kinder nicht gleich auf jeden Hund losrasen, die Menschen sehr wohl um die möglichen Gefahren einer Hundebegegnung wissen, wenn sich die Tiere zuvor nie begegnet sind etc. Tendeziell, Anja, nicht alle :-)
Die Ausgangsfrage war aber eine andere: Sollen Hunde ihre sozialen Angelegenheiten selber regeln oder nicht? Wie geht man in welchen Situationen vor?
Meine Antwort bleibt nach wie vor bestehen:
Hundebegegnungen sind nicht qua definition eine harmlose Angelegenheit, das kann auch mal gefährlich werden.
Damit es dazu nicht kommt, sollten die Hunde so weit durch ihre Menschen beeinflussbar sein, dass sie nicht unkontrolliert zu anderen Hunden hinrasen. Das *kann* nämlich gefährlich werden, vor allem bei einem hinreichenden Größen- und Kraftunterschied der Tiere.
Es gibt Situationen, da kann ein Mensch (wie Attila es tat) das kleinere Übel wählen, das scheint mir vernünftig. Ich weiß, wenn ich den Barney vorschicke um den anderen Hund zu vertreiben, dann wird dem nix passieren - gar nix. Barney wird ihn nicht einmal berühren. Versuche ich aber selber, den Hund zu vertreiben, mit Linus an der Leine, dann ist das u.U. zu gefährlich. Deswegen denke ich, diese Strategie ist zuweilen keine schlechte. Mir hilft sie jedenfalls, und den anderen auch.
Noch eins: Hunde sind keine Pazifisten, schon mal so ein Hundegebiss angeguckt? Das ist dazu da, Löcher zu machen...tiefe Löcher. Das sollten wir bei aller Liebe zum Tier nie vergessen. Hunde sind soziale Beutegreifer, und als solche keineswegs harmlos.
Das ist kein Persilschein für aggressives Verhalten, im Gegenteil. Gerade deswegen müssen Hunde gut sozialisiert und trainiert werden, damit alle in Harmonie leben können. Zu Harmonie gehört aber auch, die Individualdistanz des anderen zu wahren.
In diesem Sinne, ein überhaupt nichts gegen Hunde irgendwelcher Größe oder Gesinnung oder sonstwie habender....
Rolf