Hallo,
ein sehr, sehr spannendes Thema. Wölfe würden normalerweise nicht in ein fremdes Revier eindringen, wenn die Revierinhaber auch noch anwesend sind. Das würde in den meisten Fällen zu einem blutigen Kampf führen, und da würde der Leitwolf niemals einen rangniedrigeren Wolf aus seinem Rudel disziplinieren, wenn der dann ebenfalls den fremden Wolf angreift.
Haushunde haben sich in diesem Punkt weit von den Wölfen weg entwickelt, sie treffen täglich fremde Hunde in ihrem Gassi-Revier und sollen am besten auch noch mit denen spielen. Die Zusammentreffen gehen fast immer gut aus. Aus Hundesicht jedenfalls müsste uns ein Hund den Vogel zeigen, wenn wir ihn in einer Situation disziplinieren, die für einen Hund eigentlich ganz arttypisch ist.
Aber ich denke trotzdem, dass Hundehalter die Hundekontakte auch kontrollieren müssen. Nicht, weil sonst ein Vertrauensverlust drohen würde, sondern, weil es sonst einfach zu häufig auch mal daneben gehen könnte. Wir leben nun mal alle mit unseren Hunden in einer Gesellschaft, in der tagtäglich Hunde verschiedener Rassen im Gassi-Revier eng aufeinander treffen und wir müssen das eigentlich arttypische Verhalten modifizieren. Das fängt ja bei der Sozialisation an, und wo das beim Welpen nicht gelungen ist, muss man das halt später nachholen.
Ein Hund, der nahe, angeleint vielleicht, an einem anderen, fremden Hund vorbei gehen muss, dessen Individualdistanz nicht einmal gewahrt bleibt, der verhält sich völlig arttypisch, wenn er dann droht und versucht, den Anderen zu verscheuchen. Wenn es sehr eng ist und für keinen Hund gute Fluchtmöglichkeiten bestehen, steigt auch die Gefahr, dass es doch zu einer Beißerei kommt.
Da wir trotzdem solche Situationen nun mal in unserer Gesellschaft täglich erleben, übe ich mit meinem Hund weiterhin, andere Hunde zu ignorieren (mein Hund ist 5 Jahre und droht oft aus Unsicherheit heraus, er ist früher auf jeden Hund los und mit ihm wurde schon, bevor ich ihn bekam, an diesem Problem gearbeitet und ich mache dort weiter). Wir haben auch gerade in letzter Zeit sehr gute Erfolge. An der Leine und auf engen Wegen gehen wir momentan an anderen Hunden vorbei und ignorieren sie, es sei denn, der fremde Hund ist ein guter Bekannter.
Wo es etwas weitläufiger ist, auf Wiesen oder breiten Wegen, darf er Kontakt aufnehmen und ich gehe nicht dazwischen, wenn es dann mal laut wird. Ich suche solche Orte auch auf, damit Durian genügend Kontakte hat. Eine ernsthafte Beißerei habe ich zum Glück noch nie erlebt, aber ich kenne diese Kommentkämpfe und habe auch erlebt, dass Durian den anderen Hund schon mal etwas gepackt hat - ohne zuzubeißen. Aber ich denke, er darf anderen Hunden sehr wohl auch mal deren Grenzen aufzeigen. Umgekehrt passiert das auch, wenn er mal zu weit geht. Diese Signale versteht er dann aber auch. Aber wenn dann ein Hund mal aufquiekt, dann reagieren viele Halter leider auch gleich völlig panisch.
Ich glaube, wenn man dann dazwischen geht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer ernsthaften Beißerei kommen kann. Ich bin nie dazwischen gegangen. Aber wie gesagt: Wo es kaum Fluchtmöglichkeiten gibt, vermeide ich andererseits das direkte Beschnüffeln. Jedenfalls momentan.
Nochmal was zum Thema Rudelführer und Respekt: Ich glaube, jeder Hund weiß, dass der Mensch kein anderer Hund oder Wolf ist. Führungspersönlichkeiten haben einfach auch eine gewisse Ausstrahlung. Sie strahlen Sicherheit und Ruhe aus und sind in der Lage, einen klaren, überschaubaren Rahmen vorzugeben. Wenn arttypisches Verhalten im wesentlichen möglich ist, dann verliert man den Respekt nicht, wenn man in Teilbereichen arttypisches Verhalten einschränkt oder auch unterdrückt und Leinenpöbelei nicht erlaubt.
Viele Grüße
Anila