Meine Hunde (3 an der Zahl) leben als Rudel. Wieviel Wolf noch in ihnen steckt, sehe ich bei meiner Zuchttätigkeit. Was ich vor allem sehe ist, dass bei Mehrhundehaltung andere Gesetzmäßigkeiten gelten als bei Einzelhundehaltung.
Erfahrung 1: Welpenschutz
Würfe, die bei mir fallen, stehen automatisch unter Welpenschutz. Alle Hunde zeigen Interesse an den Rackern und beteiligen sich an der Aufzucht und Erziehung. Fremde Welpen sind Nahrungskonkurrenten der eigenen und werden von den Hündinnen verjagt oder sogar geschnappt. Nur der Rüde findet alle Welpen toll. Absolut wölfisches Verhalten.
Dabei greife ich natürlich ein, auch die Welpen anderer Menschen werden geliebt und sollen unbeschadet davonkommen. Leider konnte ich nicht jeden Welpen vor Schaden schützen, weil meine Mitmenschen einfach zu dumm sind. Sie rufen mir entgegen: "der hat noch Welpenschutz!", wenn die kleinen Purzler auf meine Weiber zustürmen.
Erfahrung 2: Rangordnungskampf seinen Lauf lassen
Meine Hündinnen hatten einen Rangordnungskampf, als die jüngere in der Standhitze und die ältere sichtbar tragend war. Ich konnte nur noch meine eigene Haut retten, so böse war dieser Kampf. Resultat: schwere Bisswunden bei beiden, die ältere erlitt eine Frühgeburt (1 totgeboren, 1 verendet durch zu geringes Geburtsgewicht, 4 haben überlebt) und die jüngere hat seit einer weiteren Klärung Ende letzten Jahres (da unterwarf sie sich zum Glück) keine Standhitze mehr. Bei 4 vorbestellten Welpen eine Katastrophe für mich.
Wenn Hündinnen kämpfen, gilt die Regel "Hunde und Wölfe vermeiden Beschädigungskämpfe" nicht immer, ohnehin gilt diese Regel eigentlich nur im eigenen Rudel. Wenn ich kann, greife ich ein.
Fazit: was wir Menschen als "Unverträglichkeit", "schlechtes Sozialverhalten" oder "schlechtes Wesen" verstehen, ist oft nur eine absolut falsche Projektion unserer menschlichen Ethik auf ein artfremdes Lebewesen. Die sozialen Eigenschaften gelten immer nur im eigenen Rudel. Was der Hund als sein Rudel ansieht, ist individuell verschieden. Ein Hund, der mit anderen Hunde zusammenlebt, sieht oft nur diese Hunde als Rudel, manche beziehen aber alle Hunde, die in seinem Revier leben, darin ein und verhält sich allen Hunden gegenüber sozial. Eine Hündin, die selbst Welpen geboren und aufgezogen hat, ist selten der große Welpenfreund außerhalb ihres Rudels, und wenn sie jeden Welpen akzeptiert, ist es eine Verhaltensstörung. Was sagt der entsetzte Mitmensch: "eine Hündin, die keine fremden Welpen mag? Ist die aber verhaltensgestört!" Nein, das ist eben ein Irrtum.
Bei meinen Hunden ist es so, dass einige wenige Nachbarshunde den Rudelschutz genießen, merkwürdigerweise eine Affinität aller drei zu Jack Russel Terriern besteht und die auch immer ins Rudel aufgenommen werden, wenn sie sich benehmen, und jeder hat noch den einen oder anderen Favoriten außerhalb des Rudels, mit denen sich aber dann die anderen Rudelmitglieder nicht unbedingt vertragen. Mag einer von ihnen einen bestimmten Hund nicht, tut er das auch von sich aus lautstark kund, präsentiert sich also oberflächlich betrachtet, sehr asozial.
Hunde ihre Kämpfe allein und zuende ausfechten zu lassen, halte ich für grob fahrlässig. Denn Hunde, die sich nicht zum gleichen Rudel gehörig fühlen, meiden auch keine Beschädigungskämpfe. Hündinnen sowieso nicht, wenn sie sich in bestimmten Stadien der Fortpflanzung befinden und um den Lebensraum ihres Nachwuchses zu kämpfen glauben.
Übrigens: Hunde fühlen sich nicht einem "Familienrudel" zugehörig, wie viele denken. Menschen sind keine Rudelmitglieder, nur aufgezwungene Sozialpartner, mit denen Hunde notgedrungen eine Symbiose eingehen.
Sooo, etwas lang...
LG, Liesel