Willkommen! Anmelden Ein neues Profil erzeugen

Erweiterte Suche

Hundeerziehung + Soziales

Die Anforderungen an einen alltagstauglichen, gut erzogenen Hund waren noch nie so hoch wie heute. Dadurch ist auch das Angebot an Erziehungsmethoden und –hilfsmittel immer mehr gewachsen, nicht immer steht wirkliches Fachwissen dahinter. Hier findest Du Tipps und Ratschläge, die richtige Hundeschule oder den richtigen Hundeverein zu finden, kannst Dich über Trainingsmethoden und –probleme austauschen.  
Trau mich inzwischen kaum noch vor die Tür sad smiley
04. Oktober 2011 20:26
Hallo Kleine Hexe,

freut mich, dass du dich schon etwas gefangen hast.

Zu den Unsicherheitsphasen: Liesel kennt sich damit als Züchterin und Ausbilderin von Schäferhunden bestimmt besser aus als ich.

Mir ist da nichts bekannt. Ich weiß lediglich, dass es da zu Beginn ein Zeitfenster gibt, wo optimalerweise eine gute Sozialisation stattfinden sollte. Das ist zwischen der 8. und 14. Woche.

Aber auf jeden Fall verändert sich das Verhalten Artgenossen gegenüber zu Beginn der Pubertät.

Vermutlich ist das aber nicht, was du meinst.

Viele Grüße
Anila

05. Oktober 2011 01:08
Ich kenne diese Phasen nur zu gut, sie sind tatsächlich hormonell bedingt und prägen sich abhängig von der Lebenserfahrung unterschiedlich aus. Da Hunde verschiedener Rassen und Mischungen unterschiedlich reifen, kann ich allerdings nur mit verbindlichen Angaben über Schäferhunde dienen.

Als erstes ist da die sogenannte "Zehnmonatsangst" mitten in der Pubertät. Sie taucht im Alter zwischen 8 und 15 Monaten auf. Die Hunde scheuen plötzlich wie Wildpferde vor Nichtigkeiten, die sie eigentlich kennen oder unbekannten Situationen. Da hilft eigentlich nur, gelassen zu bleiben und das Verhalten zu ignorieren, so unglaublich das klingt. Alles andere verstärkt die irrationalen Ängste der Hunde nur. Beispiele: ein auf dem Wasser treibender Ball, eine neue Baustelle auf dem Bürgersteig, ein vom Wind aufgewehtes Blatt Papier lösen regelrechte Panikattacken und Fluchtverhalten aus.x:::::

Die zweite Phase kommt im 3. Lebensjahr und dauert manchmal an, bis es vollendet ist. Die hat mein Rüde jetzt gottseidank hinter sich. Da trennt sich die Spreu vom Weizen, der unsichere Hund (Unsicherheit kann übrigens auch genetisch verankert sein!) neigt dann zu Leinenaggression und schlecht vorhersehbare Reaktionen auf neue Situationen, der dominante (im Sinne von selbstbewusst, souverän) meint dann ständig, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen und zu agieren. Letzteres erkennt man gut an der Körperhaltung: Rute hoch, Ohren hoch und stolzieren wie ein Pfau. Ohne einen Laut bringen sie andere Hunde dazu, an der Leine auszurasten, Calming Signals auszusenden oder eindeutiges Angstverhalten bis zur Unterwerfung an den Tag zu legen. Meiner ist sogar so kackfrech, Leuten in die Augen zu starren sodass sie verängstigt ausweichen. Typisch Kerl! smileys with beer Er lässt sich aber von jedem Fremden, der nicht beeindruckt ist von seinem Macho-Gehabe, problemlos anfassen und sogar sein Spielzeug wegnehmen.

Du siehst, die letzte Phase hat wenig mit Bösartigkeit zu tun. Wer zickt, hat Angst und wer scheinbar ruhig ist, provoziert vielleicht sogar. Mit dieser Info kannst du nun vielleicht deine Fellnase besser verstehen, sie ist in der 2. "Unsicherheitsphase" steckengeblieben wegen der schlechten Erfahrungen. Arbeite an ihrem Wohlbefinden, indem du selbst deine Ängste ablegst. Sie kann nicht der dominante, souveräne Hund werden, aber sie kann mit deiner Hilfe ihre Ängste bewältigen lernen, indem DU ihr Sicherheit gibst durch eigene Souveränität und konsequente Weiterführung deines bisher sehr erfolgreichen Trainings.thumbs up

LG, Liesel

05. Oktober 2011 01:40
Quote Anila:
Ich weiß lediglich, dass es da zu Beginn ein Zeitfenster gibt, wo optimalerweise eine gute Sozialisation stattfinden sollte. Das ist zwischen der 8. und 14. Woche.

Hallo Anila,

für mich ist das Zeitfenster 0 Tage-8 Wochen. Ich lasse selbst die neonatale Phase nicht sinnlos verstreichen. Ich nehme die Welpen auf den Arm, streichle sie und präge ihnen über den bereits vorhandenen Geruchs- und Tastsinn den menschlichen Geruch mit angenehmer Empfindung ein.

So weit die Hündin es zulässt, werden die anderen Rudelmitglieder in die Brutpflege mit einbezogen. Beim letzten Wurf war es mein Rüde, der von Anfang an mit in die Wurfkiste durfte und seine Halbgeschwister liebevoll pflegte unter den Augen der strengen Mutter natürlich. Die andere Hündin durfte erst mitmachen, als die Kleinen schon in der Entwöhnungsphase waren.

Wenn man sich wie ich Glückliche ein paar feinfühlige Kinder einladen kann, sollte nach der 2. Entwurmung damit anfangen, Welpen das Spielen mit zweibeinigem Nachwuchs schmackhaft zu machen. Kann nicht schaden. Dann sind sie etwa 5-6 Wochen alt. Da war der letzte Wurf allerdings schon so--- wie soll ich sagen ---robust, dass die Kinder mehr oder weniger zu Opfern ihres Spieltriebs wurden.

Erste kleine Erziehungsmaßnahmen erfolgen in den letzten beiden Wochen vor dem Umzug, sowie Gewöhnung an nützliche Dinge und erste Umwelterfahrungen.

Mal eine Zusammenfassung dessen, was Welpen auf den Weg gegeben werden kann (und bei mir auch wird):
Menschen sorgen für mein Wohlbefinden
Artgenossen sind Nannys und Spielkameraden
Kinder sind unterhaltsam und abwechslungsreich
In einer Flugbox kann man prima schlafen
In einem Auto wird man zu tollen Orten kutschiert
In einem Hundehänger auch
"Nein" heißt, was ich gerade tu will der Dosenöffner nicht
Wenn ich jaule, geht die Tür auf und ich kann raus zum Pipimachen
Fliesen sind glatt
Möbel, Teppiche und Sofas sind kein Futter
Wenn Dosenöffner ruft, gibt es Futter
Spielzeug ist toll
Draußen muss Halsband sein
Leine ist doof, aber man muss ihrem Weg folgen

X:::::::::-))))

Klar, das ist nur eine kleine Vorarbeit, sie ersetzt nicht dass der Besitzer ein Leben lang daran weiterarbeiten muss.

05. Oktober 2011 20:52
Hallo Liesel,

vielen Dank für deine letzten 2 Antworten. Erstmal: Klar, du hast ja Recht - die Sozialisation fängt vor der 8. Woche bereits an.

Diese unterschiedlichen Phasen bis zum Erwachsenwerden kannte ich selbst noch gar nicht. Wenn ich an die kleine Freundin von Durian denke, dann sehe ich das, was du schreibst, bestätigt: Auch sie hatte plötzlich extreme Angst vor allem. Allerdings war sie auch vorher schon ein eher vorsichtiger Hund und ich dachte: Oh je... da würde ich jetzt aber mal gegensteuern. Aber vielleicht ist es nur eine Phase.

Bei meinem Wuff habe ich diese Phasen ja nie kennen gelernt, da ich die 5. Besitzerin bin (wenn ich Tierheimaufenthalte mal mitzähle). Ich glaube, er stammt vermutlich von einem ganz liebevollen Züchter. Aber dann kamen auch etliche unschöne Situationen bzw. Haltungsbedingungen - und Durian ist ein unsicherer Hund geblieben. Aber er ist gut zu handeln und hat viele Hundefreunde. Ich muss halt nur das erste Kennenlernen langsam angehen lassen. Wenn er erst einmal merkt, dass ihm der andere Hunde nichts tut, ist er schnell ganz gelassen und fängt sogar an, selbst mal zu gucken, wie weit er bei seinem Gegenüber so gehen kann.

An der Leine... na ja. Da pöbelt er mitunter, springt mir aber nicht mehr in die Leine, und damit kann ich ganz gut leben.

Viele Grüße
Anila

06. Oktober 2011 06:26
Liebe Liesel
Wow vielen Dank für deine kompetente Antwort. So hat mir das noch niemand erklärt, da wird mir jetzt Einiges klar. Wie war das dann bei dir als die 2. Unsicherheitsphase vorüber war... War deiner dann (so salopp gesagt) von einem Tag auf den anderen wieder der Alte und alles wieder gut? Klingt jetzt vielleicht etwas seltsam die Frage. Ich frage mich in wie weit diese Phase die Hunde prägt oder eben nicht...
Meine Freundin hat mir zur ersten Phase gesagt (wie du auch geschrieben hast) dass man sie einfach ignorieren soll, alles so machen wie bisher und nicht verunsichern lassen. Danach wäre alles wieder genause wie zuvor. Das war bei meiner schlussendlich auch so. Zur zweiten Phase hat die Freundin aber nichts gesagt das würde mich interessieren ob es da genauso ist zumal dieser Zeitraum ja länger ist.
Wenn du sagst, es scheine als wäre meine kleine Hexe in der 2. Unsicherheitsphase stecken geblieben frage ich mich natürlich wie (un-) beschadet sie da wieder rauskommt, wenn sie dann mal rauskommt. Ich hoffe du verstehst was ich meine...?
Finde das Thema total spannend, zumal es nicht so bekannt ist.
Hast mir auf alle Fälle sehr geholfen.

Und im Augenblick läufts richtig gut mit dem Wuff. Fahrräder sind plötzlich kein Thema mehr und Hunden sind wir bislang erfolgreich aus dem Weg gegangen smileys with beer
Ich habe ein gutes Gefühl, dass wir das wieder hinkriegen.
Tolles Forum mit sehr lieben und kompetenten Menschen!
DANKE!
Lieber Gruss

06. Oktober 2011 09:57
Wenn diese zweite Phase vorüber ist, kehrt der Hund nicht zu seinem alten ich zurück, sondern zu dem was seine Erbanlagen und Lebenserfahrung vorgeben.

Dann allein bestimmt die Führung des Menschen, welches Verhalten der Hund zeigt. Meiner hat (wieder) anerkannt, dass ich ihm übergeordnet bin, aber meine Position als Alpha muss ich mir täglich aufs Neue erarbeiten. Die basiert in erster Linie auf Vertrauen, auch bei einem starken, dominanten Hund.

Du wirst die schlechten Erfahrungen weiterhin durch gute auslöschen müssen und durch Beständigkeit in deiner Umgangsweise mit dem Hund Vertrauen und Selbstvertrauen aufbauen und erhalten. Deshalb plädiere ich ja so leidenschaftlich dafür, dass du dich auf dein Können und deine Erfolge besinnst, denn nur wenn du genug Selbstvertrauen hast und deinem Hund beginnst zu vertrauen kannst du ihm das gleiche vermitteln.

Ererbt sind Schreckhaftigkeit, Nervosität, Bindungsfähigkeit, die Ausprägung von Fluchtverhalten und natürliche Aggression (A. ist überlebensnotwendig und nichts Negatives, bitte nicht mit Aggressivität verwechseln!). Dazu kommt das Bild von der Umwelt, das die Mutter auf die Welpen prägt (Freude über oder Angst vor Menschen, Urvertrauen oder Meideverhalten).

Aus einem Hund wie meinem kann nun kein Hund wie deiner mehr werden und umgekehrt. In der ersten Angstphase und der Zeit danach hätte man aus meinem Hund noch einen ängstlichen machen können, jetzt ist er gefestigt. Deine wird ängstlich bleiben, aber mit deiner Führung kann auch sie wieder ein umweltverträglicher Hund werden. Auch Angst ist etwas Natürliches, für den Wolf und südeuropäische Straßenhunde überlebensnotwendig. Du musst ihr nur zeigen, dass sie unter deiner Führung diese Angst nicht mehr zeigen muss.

Wachsen lassen, nicht besitzen!
Beschützen, nicht beherrschen!
Führen, nicht ausnutzen:
Das ist das Geheimnis wahrer Macht.

(Laotse)


LG Liesel