Salve Veronika
Du kennst doch sicher den Pawlow mit der Glocke und dem Speichelfluss. Gleichzeitig mit einer Futterdarbietung (Fressen = Speichelfluss) ertönt eine Glocke. Nach mehrmaligem gleichzeitigem Auftreten der Glocke mit dem Futter hat sich eine Verknüpfung gebildet, so dass das Hören der Glocke allein den Speichelfluss auslöst, weil der Hund (bzw. sein Körper) an Futter denkt.
Nun wird also Dein Gast / Bedienung zur Glocke für Deinen Hund, der das Futter "einläutet" (aber eben eigentlich fast gleichzeitig, "Gast-Sichtung, dann Futter). Eine Erinnerung an Futter kann keine Aggression auslösen. Somit hast Du eine Gegenkonditionierung vorgenommen. Anstelle eines Feindes, vor dem man warnen muss und den man vertreiben muss (klappt bei Gästen hervorragend), hast Du nun ein Futtersignal (sorry an alle Gäste). Zudem beruhigt Futter.
Nein, Du musst jetzt nicht immer Wickis Nachtessen mit ins Restaurant nehmen. Die "Gast"-Futer-Darbietung kann weitgehend wieder abgebaut werden und muss nur ab und zu mal wieder nachgeladen werden. (Das Bild von Gast = Futter verwischt sich wieder, wenn die Kombination Gast + Futter nicht ab und zu zusammen auftritt.
Dass Wicki jetzt erst damit anfängt, ist eigentlich normal. Sie ist jetzt erwachsen und wollte Dich mal kurz darauf aufmerksam machen, dass Du offensichtlich nicht merkst, welche Bedrohung für Dein (ihr) Revier in Restaurants herrscht. Da Du auf ihre Warnung eingestiegen bist (Du hast auch mitgeschimpft, wenn auch gar nicht artgerecht), hält sie Dich richtigerweise nun häufiger auf Trab. Denn offensichtlich bist Du ein lausiger Wachhund und brauchst dringend ihre Unterstützung.
Noch "kurz" zu Deiner Auflistung:
:1. einen ruhigen Tisch aussuchen.
Du kannst Dir auch eine ähnliche Situation suchen (was im Sommer einfacher wäre mit Gartenrestaurants, Parkbänken). Sag' jetzt nicht, dort hat sie nie gebellt. Das ist es ja. Du kannst neues Verhalten am schnellsten einüben, wenn der Reiz (hier der Gast, DER NAHE VORBEIGEHT, während ihr irgendwo seid) noch KEINE Reaktion auslöst. Also folgende Situationen suchen: Gäste, die weiter weg vorbeigehen oder selbst nur kurz bleiben, z.B. Selbstbedienungsrestaurant, bevor Wicki so richtig "territorial" wird. Dann kannst Du nämlich das "nicht bellen" fördern. Du kannst es drehen, wenden und benennen wie Du willst und je nach "Fachrichtung" heisst es auch anders. Aber der Fakt bleibt: dort wo keine unerwünschte Reaktion auftritt in Anwesenheit des Reizes muss diese NICHT-REAKTION bestärkt werden.
:2. Immer, wenn die Bedienung an unseren Tisch kommt, gebe ich Wicki ein Gutti. (Auch, wenn ich keine Reaktion von Wicki merke?!)
s.o. NUR wenn Du KEINE Reaktion bemerkst.
:3. Wenn jemand an unserem Tisch vorbei geht, gebe ich ihr auch ein Gutti. (Auch, wenn ich keine Reaktion von Wicki merke!?)
s.o.
Neuer Punkt 3a) wenn sie den Gästen erwartungsvoll entgegenschaut und dann Dich wegen der fälligen Futterlieferung, dann fange an, die Futterspende zu verzögern, lasse mal einen Gast aus, sage ihr freundlich "Danke" statt Futter etc.
:4. Bellt sie, dann werde ich nur rot und zucke zusammen, schau aber nicht unter den Tisch und rede auch nicht mit Wicki. Hört sie (von selber) auf, dann gebe ich ihr ein Gutti.
Ist das so richtig?
Wird sie sich dann nicht sagen, immer wenn ich ein Gutti haben will, brauche ich nur kurz zu bellen?? Und ich muß wirklich warten, bis sie von selber aufhört?
Der springende Punkt. Die hundliche Reaktionszeit ist einiges kürzer als unsere. Er fühlt sich EXAKT dafür gelobt, was er gerade tut (Gegenwart, am besten in 1/10-Sekunden-Schritten gedacht). Darum sind u.a. gängige Erziehungsmethoden auch so umständlich (für den Hund).
Aber nur Mut. Erfahrungsgemäss ist nur der erste Bellversuch ohne Unterstützung Deinerseits etwas länger. Dann wird sie ziemlich verwirrt feststellen, dass Du nicht mit einsteigst (und sie auch nicht anschaust / Gästen erklärst, was los ist etc. Sobald sie Dich irritiert anschaut, loben und nett sein, Futter geben (wieder ist das Nicht-Bellen bestärkt).
PS: Wenn es Deine Stammkneipe ist, sag's doch dem Personal. Die haben oft Verständnis. Aber versuche um Himmels willen nicht, es ihnen zu erklären. Tu' einfach so, als müsse man das mit einem Hund (was ja auch stimmt). Und ich garantiere Dir, dass sie bedeutend weniger oft bellen wird, als wenn Du ein "netter" Gast sein willst und sie am bellen zu hindern versuchst.
Also, wenn Du nun sämtliche Nachrichten 10x gelesen und verdaut hast und auswendig kannst sowie langsam neugierig wirst, wie man auf solche Ideen kommen kann, dann lese einfach mal im Clicker-Forum in der Einführung nach oder über FAQ-Clicker. (Gute Ferienlektüre bei Sauwetter und Langeweile!!)
Schlussbemerkung: Ich kann es manchmal auch noch nicht glauben, dass es stimmt. Ich lasse es mir aber beinahe täglich beweisen.
Na, dann schöne Ferien Veronika.
und für alle, die mitgelesen haben, denen ist vielleicht auch der eine oder andere Zusammenhang aufgefallen.
Roswitha