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Erlernte Vermeiden = bedingte Aversion

geschrieben von Roswitha(YCH) 
Erlernte Vermeiden = bedingte Aversion
05. Januar 1999 07:45

In lockerer Folge lege ich einige Fachwörter ins Board, die erklären, wie Verhalten entsteht und wie es sich ändern kann, natürlich mit Alltagsbeispielen.

BEDINGTE AVERSION = MEIDEVERHALTEN = ERLERNTES VERMEIDEN

Es handelt sich um einen Lernvorgang. Das Tier lernt, vorher neutrale oder angestrebte Reize zu vermeiden, weil es mit diesen schlechte Erfahrungen (z.B. Schreck, Schmerz etc.) gemacht hat. Diese Vermeidungsreaktion kann zwei Gesichter haben: nicht näher rangehen, nicht berühren oder aktive Flucht. In der Natur spielt das vor allem bei Allesfressern eine Rolle, damit sie lernen, was nicht fressbar ist.

Reiz ist übrigens die Kurzform für Schlüsselreiz und umfasst alles, das eine Reaktion irgendeiner Art im Tier hervorruft. Das kann also wirklich alles sein: ein Ton, ein Geruch, eine Form etc.

Im Alltag: Schafe werden beobachtet und dabei berührt die Nase den elektrischen Draht. Die schlechte Erfahrung (Schmerz) in Verbindung mit den Schafen (Form, Geruch, Ton etc.) führt zu einem Meideverhalten gegenüber Schafen.

Eine Katzenmutter stellt sich dem Hund und zerkratzt ihm das Gesicht. Je nach Hund entsteht ein Meiden gegenüber dem Reiz Katze allgemein oder nur Katze in Angriffsstellung oder Katze an diesem Ort etc. Hier sehen wir bereits, dass die Meidereaktion sehr abhängig vom jeweiligen Tier ist.

Das waren klare Beispiele, die aber sicher nicht allzuhäufig vorkommen.

Nun kann man das Meiden aber auch bewusst schrittweise aufbauen. Dem Hund wird bewusst ein Reiz (z.B. Futter am Boden) vorgesetzt. Versucht er es aufzunehmen, wird er sofort mit einer schlechten Erfahrung daran gehindert (hier der Fantasie überlassen wie). Dies wiederholt man oft genug, bis er Fressen am Boden ignoriert. Da Fressen aber lebensnotwendig ist, wird der Hund versuchen herauszufinden, wann er fressen kann, ohne eine schlechte Erfahrung zu machen.

Genial, was? Nein. Leider nicht. In der Realität (und nicht auf dem PC) sieht das ganze nämlich anders aus. Im Normalfall kriegt der Hund xmal Gelegenheit, doch etwas vom Boden aufzunehmen, weil wir Menschen nicht ganz so schnell sind, weil unsere Hunde nicht in Labors leben, weil wir nicht ganz so konsequent sind, weil sich nicht jeder Hund gleich schnell beindrucken lässt, weil die schlechte Erfahrung für diesen Hund zu schwach war etc.

Wie gesagt, Fressen ist lebensnotwendig. Da der Hund nun immer wieder erfährt, dass man unter gewissen Umständen Futter vom Boden (also unser Reiz im Beispiel) aufnehmen kann, ohne eine schlechte Erfahrung zu machen, wird er lernen abzuschätzen, unter welchen Umständen dies so ist.

Erlerntes Vermeiden ist immer auch eine Angstreaktion. Angst (in all ihren Schattierungen) vor der schlechten Erfahrung in Zusammenhan mit einem Umweltreiz. Deshalb reagieren gerade eher ängstliche Hunde sehr gut auf solche Erziehungen. Sie unterlaufen auch weniger der Gefahr herauszufinden, wann man Futter vom Boden aufnehmen kann, ohne Negatives zu erleben und sind somit leichter erziehbar.

Dann ist es aber für ängstliche Hunde GENIAL! Nein, leider nicht. Denn ängstliche Hunde haben eine andere Qualität. Sie verbinden Situationen, die ähnlich gelagert sind wie jene, in denen sie schlechte Erfahrungen gemacht viel schneller als psychisch stabile. Meiden sie nun also Futter am Boden, gehen sie schnell mal dazu über, Futter auch an anderen Stellen / Situationen zu meiden, z.B. unter Stress auf der Reise, im Tierheim, auf Besuch etc. Das kann soweit gehen, dass sie Angst haben, Futter aus einer neuen Schüssel zu nehmen, weil man die "schlechte Erfahrung" für diesen Hund falsch dosiert hat.

Oft wird die schlechte Erfahrung vom Menschen durch plötzliche, ungewohnte Geräusche erzeugt. Der stabile Hund setzt sich schnell mal drüber hinweg, weil das Futter am Boden eben sehr, sehr lecker ist, der Besitzer nicht in der Nähe wie im Training, weil ähnliche Geräusche keine Konsequenz haben etc. Der ängstliche Hund lernt aber bereits wieder etwas anderes. Für ihn wird das plötzliche Geräusch auch in anderen Situationen zur schlechten Erfahrung. So wird nicht selten ein geräuschempfindlicher Hund produziert, der schlussendlich schon beim Zuknallen einer Autotüre, beim Scheppern in der Küche etc. anfängt, starken Stress und Angst zu zeigen.

Exakt vom Menschen durchgeführtes, bewusst angelerntes Meideverhalten ist mehr als nur zweischneidig. Unterdosiert verliert es seine Wirkung und der Hund konzentriert sich vor allem aufs Ausweichen, überdosiert führt es zu vermehrten Angstreaktionen. Beides ist kontraproduktiv. Vor allem Angstreaktionen sind nur schwer und aufwendig abbaubar.

Dazu kommt, dass der Mensch im vorneherein weiss, was wo er Meideverhalten erzeugen will, der Hund aber nicht. So wird der Hund öfters in für ihn neuen Sitationen mit einer schlechten Erfahrung (eben zum Erzeugen eines Meideverhaltens) konfrontiert. Das führt schnell einmal zur Angst vor neuen, aber ähnlichen Situationen.

PS: Erfolgt eine schlechte Erfahrung ausschliesslich in Anwesenheit des Besitzers, wird er in den Lernvorgang "Meiden" einbezogen. Somit wird das Meiden in seiner Abwesenheit fast immer NICHT AUFTRETEN.

Danke für Dein Interesse
Roswitha



05. Januar 1999 10:33



Hallo Roswitha !


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: Erlerntes Vermeiden ist immer auch eine Angstreaktion. Angst (in all ihren Schattierungen) vor der schlechten Erfahrung in Zusammenhan mit einem Umweltreiz. Deshalb reagieren gerade eher ängstliche Hunde sehr gut auf solche Erziehungen. Sie unterlaufen auch weniger der Gefahr herauszufinden, wann man Futter vom Boden aufnehmen kann, ohne Negatives zu erleben und sind somit leichter erziehbar.
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: Dann ist es aber für ängstliche Hunde GENIAL! Nein, leider nicht. Denn ängstliche Hunde haben eine andere Qualität. Sie verbinden Situationen, die ähnlich gelagert sind wie jene, in denen sie schlechte Erfahrungen gemacht viel schneller als psychisch stabile. Meiden sie nun also Futter am Boden, gehen sie schnell mal dazu über, Futter auch an anderen Stellen / Situationen zu meiden, z.B. unter Stress auf der Reise, im Tierheim, auf Besuch etc. Das kann soweit gehen, dass sie Angst haben, Futter aus einer neuen Schüssel zu nehmen, weil man die "schlechte Erfahrung" für diesen Hund falsch dosiert hat.

Was ist das für eine Hundewelt ! Ein Hund der mit den einfachsten
Lebensbedingungen nicht klar kommt, wie z.B. Besuch.
Ist das nicht auch ein züchterisches Problem ? Ein Hund muß doch in der Lage sein, ein gewisses Maß an Belastungen zu überstehen.

Was mache ich ? Entziehe ich meinem Hund jegliche Art von Belastungen
durch Ablenkung in extremeren Situationen, oder ist mein Bestreben,
die Psyche solcher Hunde zu stabilisieren.

Auf jeden Fall, muß der Hundehalter auf diese Form der genetischen
Disposition (Nervenkostüm) eingehen. Es muß aber auch erkannt werden
das solche Hunde nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden.

Habe ich solche Hunde, dann ist eine positive Verstärkung eine gute Sache. Ich darf aber nicht nur symtomorientiert denken und ausbilden,
sondern ich muß gleichzeitig die Ursache erkennen.
Das ist ganz klar die Zucht, die diese Form der genetischen Disposition
(Nervenschwäche/schwache Belastbarkeit) ans Licht bringt.

Wenn alle Hundeführer positiv verstärken (auch die keinen psychisch
instabilen Hund habe), wie will man den genetisch psychisch belastbareren Hund, differenziert von den anderen Hunden erkennen ?

Ich glaube auch, wenn alle Hundefreunde so verfahren (p.V.),dann würde bei unseren Hunden im Verlauf der Zucht, eine Menge verloren gehen.
Es wird ja jetzt schon oftmals nur auf Aussehen gezüchtet.



: Oft wird die schlechte Erfahrung vom Menschen durch plötzliche, ungewohnte Geräusche erzeugt. Der stabile Hund setzt sich schnell mal drüber hinweg, weil das Futter am Boden eben sehr, sehr lecker ist, der Besitzer nicht in der Nähe wie im Training, weil ähnliche Geräusche keine Konsequenz haben etc. Der ängstliche Hund lernt aber bereits wieder etwas anderes. Für ihn wird das plötzliche Geräusch auch in anderen Situationen zur schlechten Erfahrung. So wird nicht selten ein geräuschempfindlicher Hund produziert, der schlussendlich schon beim Zuknallen einer Autotüre, beim Scheppern in der Küche etc. anfängt, starken Stress und Angst zu zeigen.

Bis lang hast du Dich auf alle Hunde bezogen ! Hier machst Du eine
starke Einschränkung, indem Duch Dich auf den ängstlichen Hund beziehst.



: Exakt vom Menschen durchgeführtes, bewusst angelerntes Meideverhalten ist mehr als nur zweischneidig. Unterdosiert verliert es seine Wirkung und der Hund konzentriert sich vor allem aufs Ausweichen, überdosiert führt es zu vermehrten Angstreaktionen. Beides ist kontraproduktiv. Vor allem Angstreaktionen sind nur schwer und aufwendig abbaubar.

Bist Du hier der Meinung, es würde keine Hundeführer geben, die sich dessen nicht bewußt sind ?
Ich kenne einige Hundeführer, die diesen Weg gehen. Sie "überdosieren nicht und sie unterdosieren nicht". Wenn Du Daniel den Erfolg nicht abstreitest, dann gehört er auch zu diesem Personenkreis.
Es ist mir aber auch bewußt, dass die große Hundeplatzmasse es nicht kann.
----Voraussetzung: der genetisch stabilere Hund (er kann es)---

freundlich grüße hans (immer im Sinne des Hundes)


05. Januar 1999 10:48

Hallo Hans

Auf die Gefahr hin, irdgendwie interpretiert zu werden. Ich schrieb einen kleinen Aufsatz über eine Lehrmeinung und Du einen über Deine.

Alles in Ordnung oder doch nicht?

Tschüss
Roswitha

05. Januar 1999 11:28

: Hallo Hans
:
: Auf die Gefahr hin, irdgendwie interpretiert zu werden. Ich schrieb einen kleinen Aufsatz über eine Lehrmeinung und Du einen über Deine.
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: Alles in Ordnung oder doch nicht?
:
: Tschüss
: Roswitha


Liebe Roswitha,

mit Deiner Antwort kann ich leider nicht viel Anfangen. Aber ich habe
sie auch nicht nur für Dich geschrieben.

schön grüße und viel hundefreude wünscht -hans-

05. Januar 1999 12:58

Guten Tag Hans

Du hast ja recht, wie sollte man (Du) auch. Grundproblem Nr. 1. Ich kann mir momentan leisten, soviel Zeit ins Yorkie zu investieren, weil ich Ferien kompensiere. Ansonsten habe ich schon einen 14-Std. Tag, ohne noch variable Freizeit.

Da meine Hauptanliegen folgende sind:

Hilfe zur Selbthilfe
Anleitungen zur Selbsthilfe
Verhaltensänderungen durch positive Methoden

will ich mich nicht weiter auf Allgemeinplätze einlassen wie Zuchtauswahl; aber das geht doch nur diese Hunde an, was ist mit den anderen; es gibt auch andere Hundeführer etc.

Natürlich sind das relevante Fragen. Aber wenn ich ausziehe, die Welt zu retten, werde ich wohl nicht weit kommen.

Ich kann dort am meisten nützen, wo ich den Hundehalter dazu bringe, mir zu glauben und der Anleitung folge zu leisten. Zudem kann ich allen versichern, nachweisbar, dass meine Anleitungen nicht selbst gebastelt oder sonstwie daherkommen. Fallberichte sind zur Genüge auch in der internationalen Fachliteratur publiziert, ob das nun dem einen Leser was bedeutet oder nicht.

Danke für Deine Hartnäckigkeit.

Roswitha

05. Januar 1999 16:34

Hallo Ihr zwei, wenn ich mich mal einmischen darf:

Was ich nicht verstehe, ist folgendes: Wenn Du auf eine Herdplatte fasst, und Dich verbrennst, dann hast Du doch keine Angst vor der Herdplatte. Du hast lediglich gelernt, das Herdplatten weh tun (wenn sie heiss sind). Also wirst Du vermeiden, künftig auf Herdplatten zu fassen. Das ist ein ganz normaler Lernprozess. Auf Schmerz folgt eine situative Vermeidungsreaktion, aber keine Angst. Deswegen funktioniert manches auf dem Hundeplatz, aber nicht anderswo. Hunde spüren genau, wenn Du unsicher bist, oder Dich ihnen nicht voll widmen kannst, deswegen ist es ja auch besser, Strafen zu anonymisieren.

Angst entsteht nur dann, wenn Du schmerz nicht zuordnen kannst. d.h. Du mal heiss fühlst, mal nicht, und zwar, weil Du darauf nicht reagieren kannst.

Allgemein möchte ich noch sagen, jeder hier von uns glaubt etwas zu wissen, und es hilft nur wenig, gegenseitig Glaubensbekenntnisse vorzubeten oder aus schlauen Büchern zu zitieren. Sagt doch einfach, warum ihr dies und das für richtig haltet, welche Erfahrungen ihr damit gemacht habt. Das ist einfacher und nachvollziehbarer.

Gruss Stephan & Nash