In lockerer Folge lege ich einige Fachwörter ins Board, die erklären, wie Verhalten entsteht und wie es sich ändern kann, natürlich mit Alltagsbeispielen.
BEDINGTE AVERSION = MEIDEVERHALTEN = ERLERNTES VERMEIDEN
Es handelt sich um einen Lernvorgang. Das Tier lernt, vorher neutrale oder angestrebte Reize zu vermeiden, weil es mit diesen schlechte Erfahrungen (z.B. Schreck, Schmerz etc.) gemacht hat. Diese Vermeidungsreaktion kann zwei Gesichter haben: nicht näher rangehen, nicht berühren oder aktive Flucht. In der Natur spielt das vor allem bei Allesfressern eine Rolle, damit sie lernen, was nicht fressbar ist.
Reiz ist übrigens die Kurzform für Schlüsselreiz und umfasst alles, das eine Reaktion irgendeiner Art im Tier hervorruft. Das kann also wirklich alles sein: ein Ton, ein Geruch, eine Form etc.
Im Alltag: Schafe werden beobachtet und dabei berührt die Nase den elektrischen Draht. Die schlechte Erfahrung (Schmerz) in Verbindung mit den Schafen (Form, Geruch, Ton etc.) führt zu einem Meideverhalten gegenüber Schafen.
Eine Katzenmutter stellt sich dem Hund und zerkratzt ihm das Gesicht. Je nach Hund entsteht ein Meiden gegenüber dem Reiz Katze allgemein oder nur Katze in Angriffsstellung oder Katze an diesem Ort etc. Hier sehen wir bereits, dass die Meidereaktion sehr abhängig vom jeweiligen Tier ist.
Das waren klare Beispiele, die aber sicher nicht allzuhäufig vorkommen.
Nun kann man das Meiden aber auch bewusst schrittweise aufbauen. Dem Hund wird bewusst ein Reiz (z.B. Futter am Boden) vorgesetzt. Versucht er es aufzunehmen, wird er sofort mit einer schlechten Erfahrung daran gehindert (hier der Fantasie überlassen wie). Dies wiederholt man oft genug, bis er Fressen am Boden ignoriert. Da Fressen aber lebensnotwendig ist, wird der Hund versuchen herauszufinden, wann er fressen kann, ohne eine schlechte Erfahrung zu machen.
Genial, was? Nein. Leider nicht. In der Realität (und nicht auf dem PC) sieht das ganze nämlich anders aus. Im Normalfall kriegt der Hund xmal Gelegenheit, doch etwas vom Boden aufzunehmen, weil wir Menschen nicht ganz so schnell sind, weil unsere Hunde nicht in Labors leben, weil wir nicht ganz so konsequent sind, weil sich nicht jeder Hund gleich schnell beindrucken lässt, weil die schlechte Erfahrung für diesen Hund zu schwach war etc.
Wie gesagt, Fressen ist lebensnotwendig. Da der Hund nun immer wieder erfährt, dass man unter gewissen Umständen Futter vom Boden (also unser Reiz im Beispiel) aufnehmen kann, ohne eine schlechte Erfahrung zu machen, wird er lernen abzuschätzen, unter welchen Umständen dies so ist.
Erlerntes Vermeiden ist immer auch eine Angstreaktion. Angst (in all ihren Schattierungen) vor der schlechten Erfahrung in Zusammenhan mit einem Umweltreiz. Deshalb reagieren gerade eher ängstliche Hunde sehr gut auf solche Erziehungen. Sie unterlaufen auch weniger der Gefahr herauszufinden, wann man Futter vom Boden aufnehmen kann, ohne Negatives zu erleben und sind somit leichter erziehbar.
Dann ist es aber für ängstliche Hunde GENIAL! Nein, leider nicht. Denn ängstliche Hunde haben eine andere Qualität. Sie verbinden Situationen, die ähnlich gelagert sind wie jene, in denen sie schlechte Erfahrungen gemacht viel schneller als psychisch stabile. Meiden sie nun also Futter am Boden, gehen sie schnell mal dazu über, Futter auch an anderen Stellen / Situationen zu meiden, z.B. unter Stress auf der Reise, im Tierheim, auf Besuch etc. Das kann soweit gehen, dass sie Angst haben, Futter aus einer neuen Schüssel zu nehmen, weil man die "schlechte Erfahrung" für diesen Hund falsch dosiert hat.
Oft wird die schlechte Erfahrung vom Menschen durch plötzliche, ungewohnte Geräusche erzeugt. Der stabile Hund setzt sich schnell mal drüber hinweg, weil das Futter am Boden eben sehr, sehr lecker ist, der Besitzer nicht in der Nähe wie im Training, weil ähnliche Geräusche keine Konsequenz haben etc. Der ängstliche Hund lernt aber bereits wieder etwas anderes. Für ihn wird das plötzliche Geräusch auch in anderen Situationen zur schlechten Erfahrung. So wird nicht selten ein geräuschempfindlicher Hund produziert, der schlussendlich schon beim Zuknallen einer Autotüre, beim Scheppern in der Küche etc. anfängt, starken Stress und Angst zu zeigen.
Exakt vom Menschen durchgeführtes, bewusst angelerntes Meideverhalten ist mehr als nur zweischneidig. Unterdosiert verliert es seine Wirkung und der Hund konzentriert sich vor allem aufs Ausweichen, überdosiert führt es zu vermehrten Angstreaktionen. Beides ist kontraproduktiv. Vor allem Angstreaktionen sind nur schwer und aufwendig abbaubar.
Dazu kommt, dass der Mensch im vorneherein weiss, was wo er Meideverhalten erzeugen will, der Hund aber nicht. So wird der Hund öfters in für ihn neuen Sitationen mit einer schlechten Erfahrung (eben zum Erzeugen eines Meideverhaltens) konfrontiert. Das führt schnell einmal zur Angst vor neuen, aber ähnlichen Situationen.
PS: Erfolgt eine schlechte Erfahrung ausschliesslich in Anwesenheit des Besitzers, wird er in den Lernvorgang "Meiden" einbezogen. Somit wird das Meiden in seiner Abwesenheit fast immer NICHT AUFTRETEN.
Danke für Dein Interesse
Roswitha