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Psychisch bedingte Freßproblematik?

geschrieben von Briard-Jutta(YCH) 
Psychisch bedingte Freßproblematik?
07. Januar 1999 19:52

Hallo an alle,

diesmal suche ich Hilfe: Ich stehe seit etwa zwei Monaten mit einer Frau per e-mail in Verbindung, die massive Probleme mit ihrer Hündin hat. Ich kenne sie nicht persönlich. Und ich weiß nicht weiter. Es handelt sich um eine 15 Monate alte Boxerhündin, die aus dubiosen Verhältnissen stammt. Die jetzige Besitzerin, M., kaufte sie im Alter von 7 Monaten als angeblich "zurückgegebenen" Welpen. Beim ersten Besuchstermin befand sich die Hündin mit der angeblichen Mutter im Haus der "Züchterin". Sie verhielt sich freundlich und sicher. Als M. sie zwei Tage später abholte, war sie auf dem hinteren Teil des Grundstücks in einem einsamen Zwinger untergebracht. Die "Züchterin" verkaufte noch einen Sack mit "Spezialfutter" für 240.--DM mit. Sobald die Hündin in der neuen Umgebung war, reagierte sie mit absoluter Panik auf alles und jeden. Als zum ersten Mal das Telefon klingelte, raste sie gegen die Wand. Im Folgenden steht die Beschreibung des Lebens mit der Hündin in den letzten sieben Monaten.

"Ich will mal versuchen, es noch einmal auf einen Nenner zu bringen:
Wir bekamen sie und sie fraß nicht. Wir dachten uns zunächst nix weiter dabei und haben sie völlig normal und streßfrei mit Futter versorgt, d.h. Futter wurde hingestellt, nach 10 bis 15 Minuten wieder weggeräumt, drei, vier Stunden später wieder hingestellt usw. Erster Tierarztbesuch erfolgte nicht wegen des Nichtfressens, sondern weil Lady nicht geimpft war. Tierarzt bestätigte meine Vermutung, daß Lady noch wegen des Wechsels zu uns ein bißchen rumzickt.
Weil sie so extrem ängstlich war, habe ich mir schon in der ersten Woche Literatur besorgt, u.a. Aldington. Lady war - als sie zu uns kam - sehr schlank, innerhalb der ersten Woche wurde sie mager. Ihren Magen konnte man deutlich hören, ohne daß ich vermutete, daß sie Magenkrämpfe hatte. Ich dachte damals, ihr knurrt der Magen vor Hunger. Tip vom Tierarzt: Anderes Futter anbieten. Mit Tierarzt war ich einer Meinung: Kein Hund verhungert vor vollem Freßnapf.
Nach gut einer Woche - und mehreren Telefonaten mit dem Tierarzt - stellte ich fest, daß Lady sich "eigenartig" bewegt, irgendwie in sich zusammengedrückt. Als ich dann noch merkte, daß sie auch im Liegen völlig verkrampfte (gejammert hat sie nie), war Tierarztbesuch fällig. Diagnose: schlimme Magenkrämpfe, der Hund hat Schmerzen. Es wurde mehrere Tage lang einmal am Tag ein krampflösendes Mittel gespritzt. Sobald die Wirkung nachließ, kamen erneute Magenkrämpfe. "Tierarztbefehl": Hund muß fressen!
Das war eigentlich genau der Augenblick, in dem das richtige Theater los ging. Ich versuchte, sie aus der Hand zu füttern, ich kochte für sie Hühnchen und Herz, habe Leber gebraten, habe Gullasch (mit wenig Gewürzen) gekocht. Wenn überhaupt, fraß sie nur sehr geringe Mengen, zu gering, um ihren Magen zu besänftigen. Ca. zwei Wochen später machte Lady samstagsmorgens einen richtig kranken Eindruck. Sie mochte nicht aufstehen, nicht laufen, gar nix. Mein Tierarzt war nicht erreichbar, deshalb als Notfall zu anderem Tierarzt. Der diagnostizierte eine Erkältung mit ziemlich hohem Fieber (39,8), spritzte Antibiotika und Cortison. Ein Wunder geschah: Obwohl es Lady wirklich mies ging, am Nachmittag fraß dieser Hund eine richtige gute Portion. Und am späten Abend - das Wunder wiederholte sich. Ich war seelig, als sie auch am nächsten Morgen fraß und fest davon überzeugt, daß nun unsere Welt in Ordnung sei. Auf den Boden der Tatsachen bin ich geknallt, als Lady am Abend und am nächsten Morgen ihr Futter - wie gehabt - unbeachtet stehen ließ. Tierarztkontrolle war sowieso wegen der Erkältung angesagt, also sprach ich mit Herrn O. darüber. Zu meiner grenzenlosen Enttäuschung stellte sich heraus, daß Lady's Hunger nur auf die Nebenwirkungen vom Cortison zurückzuführen waren. Herr O. spritzte dann einige Tage später ein Langzeit-Kortikoid in der Hoffnung, wenn sich der Hund einmal an eine regelmäßige Futteraufnahme gewöhnt hat, daß dieser Zustand dann anhalten würde. Die Spritze sollte mindestens 10 Tage wirken - nach drei Tagen war der alte Zustand wieder da. Auf den Punkt gebracht hieß das: nicht Fressen - Magenkrämpfe - Spritze(n) vom Tierarzt - stärkere Bemühungen meinerseits, den Hund zum Fressen zu bringen -- und das Ganze wieder von vorne.

Alle möglichen Blutuntersuchen waren vom Ergebnis her negativ. Kontrast-Magen- und Darmröntgen mit Wiederholungen nach zwei, vier, acht und sechszehn Stunden ebenfalls ohne Ergebnis, Magen- und Darmspiegelung in der Tieruniversitätsklinik Gießen auch. Mit Buscopan Comp.-Zäpfchen versuchte ich, ihren Magen "in den Griff" zu kriegen - teilweise mit, aber auch teilweise ohne Erfolg. Da die Gefahr von Magengeschwüren oder Magenschleimhautentzündungen bestand, wenn Lady nicht irgendwie regelmäßig Futter aufnahm, holte Herr O. - nachdem wir auch Vitamin-Spritzen, ACTH und Akupunktur erfolglos ausprobiert hatten, den "Hammer" aus der Schublade. Lady bekam Anabolika (in geringer Dosis). Auch diese Tabletten wirkten nur drei Tage. Wir dosierten höher mit wiederum dreitägigem Erfolg.
Tierarzt und ich waren uns einig: Lady ist gesund. Ihr Freßverhalten muß psychisch bedingt sein.
Ich ging auf die Suche nach Verhaltenstherapeuten. Einer erklärte mir rundweg, daß der Hund eben nicht leben wolle, wenn er nicht friß. Das müsse man akzeptieren. Da er (durch die Magengeschichte) offenbar leidet, muß man ihn einschläfern.
Eine andere Verhaltenstherapeutin zeigte mir, wie man Futterspiele veranstaltet. Man nehme Trockenfutter und werfe es stückweise durch die Gegend, in der Hoffnung, der Hund findet Gefallen daran und frißt es. Glaub mir, auch das habe ich getan. Lady fand dieses Spiel anfangs ganz toll, nach zwei Tagen war allerdings auch damit Ende. Neuer Tip: Eine Fährte mit Futter legen und Lady Fährtenarbeit leisten lassen. Ging nur einen Tag gut, sie fand das Spiel schlichtweg blöd und begann, das gefundene Futter zu vergraben.
Andere Verhaltenstherapeuten fühlten sich für eine solche Problematik nicht zuständig, sondern gehen eher in Richtung "richtige" Probleme. Gemeint ist dabei wohl Aggressivität, Ängstlichkeit etc.
Irgendwann - das war, kurz bevor ich Dich im Netz entdeckte - habe ich die ganz "harte Linie" gefahren. Futter wurde morgens hingestellt, ich habe sofort den Raum verlassen, bin nach fünf bis zehn Minuten zurückgekommen und habe das Futter weggeräumt. Sie wurde nicht animiert, es wurde nichts zwischendurch angeboten. Futter gabs mittags wieder und wurde auch wieder weggeräumt. Das gleiche am Abend. Jeden Morgen fuhren wir zur Spritze zum Tierarzt. Lady bekam nichts, aber auch gar nichts anderes, sie wurde nicht animiert zum Fressen, nichts. Ohne jeden Erfolg. Ich sah mich in Gedanken schon bis in alle Ewigkeit morgens zum Tierarzt rennen.
Ach ja, zwischendurch habe ich mir die Hunde der Nachbarschaft ausgeliehen, um Lady futterneidisch zu machen. Muß ich's noch erwähnen? OHNE ERFOLG!

Im Laufe dieser ganzen Monate hat sich die Sache mit dem Füttern natürlich unendlich hochgeschaukelt. Wenn's um's Füttern geht, ist Lady tatsächlich so etwas wie der Nabel der Welt. Schon wegen der teuflisch hohen Tierarztrechnungen liegt mir natürlcih sehr daran, daß Lady wenigstens soviel frißt, daß die Magenkrämpfe ausbleiben.
Während ich jetzt diese Mail schreibe, habe ich mich gedanklich noch einmal in die verschiedenen Situationen hineinversetzt. Auch Rückblickend sehe ich keinen Ansatzpunkt, wo ich durch mein Verhalten irgend etwas hätte entschieden ändern können, mal ganz abgesehen von der Entscheidung, Lady bei der Züchterin zu lassen.

Im Augenblick halte ich es so, daß Futter (Pal) hingestellt wird und stehen bleibt. Ist es angetrocknet, wird es gegen neues Futter ausgetauscht und bleibt stehen. Ich denke, es wäre realistisch, wenn Lady eine Dose pro Tag verdrücken würde. Sie kommt leider nur auf gut eine halbe Dose. Sie nimmt über den Tag hinweg immer wieder klitzekleine Portionen. Es reicht so weit, daß ihr Magen ruhig bleibt. Bei einer Schulterhöhe von knapp 60 cm (sie hat damit schon Rüdengröße) wiegt sie 22 kg."

Ach ja: Rückfragen an die "Züchterin" (zunächst wegen der fehlenden Impfungen) wurden abgeschmettert, mit der Begründung, bei ihr sei der Hund völlig gesund gewesen und hätte normal gefressen. So, vielleicht hat jemand von Euch eine Idee, wie man den beiden helfen könnte.

Liebe Grüße,
Jutta






07. Januar 1999 20:15

Hallo Jutta !

Was du hier geschildert bzw. wiedergegeben hast, ist für mich, so unglaublich wie es klingt, ein Fall für die Homöopathie. Aus dem Stehgreif könnte ich und will auch nicht so einfach sagen, was ich in so einem Fall versuchen würde.

Wenn du aber der Meinung bist, daß die o.g. Frau M. dazu bereit
ist, könnte man ein Versuch wagen.

Vielleicht hat sie einen guten Homöopathen dort in der Nähe.

Ciao Wolf Peter

07. Januar 1999 22:54

Hallo Jutta

durch zufall auf die Meldung gestossen, kann ich gut verstehen, ging mir im letzten Sommer auch so. Meine Erfahrung war die, dass man mit einigen Gehorsamsübungen vor voller Futterschüssel weiterkommen kann, Sitz, Platz, usw. Warum das so ist, weiss ich nicht, aber seit dem ich das mache, frist Nash wie ein Irrer. Je komplizierter die Übund, desto grösser der Hunger!

Gruss Stephan & Nash

07. Januar 1999 23:51

Hallo Jutta,

nur kurz (bin todmüde) eine spontane Idee:

Wie ist die Hündin sonst, spielt sie gerne oder liebt sonst was besonderes?

Wenn ja: dann gibt es Spiel nur noch als Belohnung für einen Happen gefressen (später logischerweise mehrere Happen smiling smiley ).

Ich habe einen Fall von einem Meeressäuger im Zoo gelesen, der die Futteraufnahme verweigerte, aber gerne Ball spielte. Über den Clicker und den Ball konnte das Tier zum Fressen gebracht werden.


Gute Nacht,
Anke



08. Januar 1999 02:00

Hallo Jutta,

davon ausgehend, daß der Tierarzt auch Zähne, Rachenraum und Speiseröhre untersucht hat - und hier die Ursache nicht zu finden war, sollte man davon ausgehen, daß es sich wirklich um eine psychisch bedingte Freßstörung handelt. Die Ursachen können so mannigfaltig sein, daß es wenig Sinn macht, darüber zu spekulieren.

Desweiteren davon ausgehend, daß es hier angebracht ist, den Hund an ein normales Freßverhalten zu gewöhnen, würde ich Folgendes versuchen.
Leider weiß ich nicht, in welchem Land diese Dame lebt, was für nachfolgenden Tip aber auschlaggebend ist.

Durch die Verabreichung kleiner Dosen Cannabis wird sowohl das Nervenkostüm positiv unterstützt, als auch ein immenses Appetit- und Hungergefühl erzeugt.

Um jetzt einem allgemeinen Aufschrei vorzubeugen: Cannabis ist ein seit Jahrtausenden bekanntes Heilmittel, was z.B. u.A. auch bei Aidskranken eingesetzt wird, die aufgrund Appetitlosigkeit zu wenig Nahrung aufnehmen um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten.

Es geht auch nicht darum, den Hund in eine "Drogenabhängigkeit" zu manövrieren, da diese bei Cannabis erstens noch nie beobachtet wurde und zweitens die Dosis so gering sein sollte, daß sie keinen Flash erzeugt.

Sicherlich aber wird der Hund anfangen gut zu fressen.

Wenn der Hund sich dadurch erst einmal ein "normales" Fressverhalten angewöhnt hat, kann man die Behandlung sofort wieder einstellen.

Ich weiß von holländischen Freunden, daß dies bei extrem mageren, appetitlosen Hunden hervorragend wirkt.
Die Dosierung war 0.01 Gramm pro Kg Körpergewicht, oral eingenommen.
In Kuranwendung ca. 10 Tage - das hat ausgereicht.
Negative Verhaltensveränderung war lt Aussage überhaupt nicht zu registrieren
Vor allem aber ist in keiner Weise mit physiologischen oder psychischen Schäden zu rechnen, was man von bestimmten Pharmazeutika nicht behaupten kann.
Dazu muß aber erwähnt sein, daß Cannabisbesitz in vielen Ländern verboten ist, auch wenn das Präparat zu Heilungszwecken eingesetzt wird.
Andererseits ist (bei vorliegender Intention und der sehr geringen Menge) praktisch kaum mit Bestrafung zu rechnen.

Vielleicht macht die Dame ja auch mal einen 10- tägigen Hollandurlaub, um den Hund zu kurieren.

Viele Grüße

Daniel



08. Januar 1999 06:45

Liebe Jutta,

also da ist wirklich guter Rat teuer. Ich finde man kann sich eigentlich aus dem Bericht kein richtiges Urteil über den Hund bilden, weil man noch viel zu wenig über ihr sonstiges Verhalten erfährt. Ist sie immer noch so ängstlich wie zu Beginn.? Ist sie ängstlich gegenüber Menschen oder anderen Hunden? Ich vermute mal, daß hast Du bestimmt schon alles erfragt und somit einen Zusammenhang abgeklopft. Wenn sie im Alter von 7 Monaten zurückgegeben wurde, kann man nicht Kontakt mit den Erstbesitzern aufnehmen, um von denen event. noch mehr zu erfahren?

Mein erster Gedanke war, vielleicht hat sie im Zusammenhang mit Fressen etwas fürchterliches erlebt und hat deswegen sozusagen ein Trauma (oder findest Du das zu weit hergeholt?).

Gruß Sandra(W.)