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Zu starker Beuteinstinkt?

geschrieben von Alexandra(YCH) 
Zu starker Beuteinstinkt?
14. Februar 1999 20:49

Hallo!

Mein inzwischen 11 Wochen alter Dobi-Welpe lässt sich beim Spielen nie seine Beute abnehmen! Auf Kommandos wie "Laß los!" oder "Aus!" reagiert er nicht, versucht sogar seine "Beute" noch festzuhalten, wenn man seinen Kiefer mit der Hand auseinanderdrücken will (er schnappt dann auch sehr oft nach dem Abnehmen der Beute nach der Hand)! Außerdem versucht er ins Gesicht zu beißen, wenn man sich ihm damit nähert (natürlich nur, wenn er gerade in "Spiellaune ist" - und das ist er fast immer!!). Wie kann ich ihm beibringen, daß das Gesicht für ihn tabu ist? Ich raufe sehr gern mit ihm, aber wenn er nach meinem Gesicht (oder Hals) schnappt ist das nicht mehr so lustig! Als Dominanzverhalten würd´ ich es auch nicht bezeichnen, da er ansonsten sehr schnell lernt (z.B. nur auf Kommando frißt und schon andere kleinere Befehle unterscheiden kann) und mir auch den weggeworfenen Ball wiederbringt!

Desweiteren hab´ ich das Gefühl, daß er überhaupt nicht verschmust ist. Wenn er müde ist, liebt er es in den Schlaf gekrault zu werden, aber "richtig" schmusen kann ich eigentlich nur mit ihm, wenn wir draußen ohne Leine Gassi gehen - eine Mischung zwischen Spielen und Schmusen!

Und noch eine letzte Frage: Schadet es ihm, wenn wir am Stück fast 2 Stunden Gassi gehen? Ich weiß, daß man in dem Alter auf die Gelenke aufpassen soll, aber ich gehe nicht die ganze Zeit in stetem Tempo durch sondern mache einige (auch längere) Pausen, in denen wir spielen und schmusen! Nach den 2 Stunden (heute war´s das erstemal) war er noch so munter, daß er erstmal wieder eine Runde spielen wollte....

Viele, liebe Grüße

Alex & Zisco

15. Februar 1999 11:43

Liebe Alex,

Dobermänner gehören zu den Rassen, die grundsätzlich einen starken Beutetrieb haben. Für die Ausbildung ist das klasse, aber es ist enorm wichtig, bereits jetzt absolut klarzustellen, wer der Herr über die Beute ist, nämlich Du. Dein Dobi muß also lernen, was das Kommando "Aus!" bedeutet. Dabei ist es zunächst wichtig, daß Du Dich mit Dir auf ein Kommando einigst, also Hergeben von Beute ist immer "Aus" (oder ein anderes, aber immer das selbe).

Das geht am Besten, wenn Du mit Deinem Hund übst, wenn er nicht bereits stark im Trieb steht. Wähle eine Beute, die Du anfassen kannst, auch wenn sie der Hund im Maul hat, vielleicht einen Zerrknuddel oder eine weiche Beißwurst. Bring ihn dazu, die Beute ins Maul zu nehmen. Ein bißchen wirst Du ihn motvieren müssen, aber versuche ihn dabei so wenig wie möglich aufzuheizen. Leine ihn dabei an, er darf nicht lernen, daß er mit der Beute abhauen kann. Wenn Du Dir das Leinenende an den Gürtel bindest, hast Du beide Hände frei. Hinten in den Hosenbund steckst Du Dir eine zweite Beute. Wenn Dein Dobi nun stolz seine Beute ihm Maul hat, rufe ihn zu Dir (freundlich!) und geh dabei langsam rückwärts. Reagiert er nicht, klatsch in die Hände und mache ihn irgendwie aufmerksam. Kommt er, wird er gelobt. Nun greifst Du mit einer Hand nach der Beute im Maul und hältst sie fest. Versuche, sie so zu packen, daß er sie Dir nicht aus der Hand reißen kann, sonst hat er nämlich gewonnen. Dann kommt das Kommando "Aus". Dabei zeigst Du ihm die zweite Beute. Achte darauf, daß Du sie nicht zu hoch hältst, sonst provozierst Du Deinen Kleinen, danach zu springen. Reagiert er nicht gleich, wackle ein bißchen damit herum. Läßt er los, kommt sofort ein "Feiiiin Aus!" als Lob und Du überläßt ihm die zweite Beute. So lernt er, daß es keinen Verlust bedeutet, seine Beute herzugeben. Das machst Du pro Übungseinheit 3-4mal, dann kommt ein "Schluß!" und Du steckst sofort beide Beuten weg und drehst Dich von Deinem Hund weg. Springt oder bellt er oder macht Dich sonstwie an, ignoriere ihn völlig. Leine ihn kommentarlos ab und tu demonstrativ etwas anderes. Egal, was immer Dein Hund versucht, ignoriere ihn, weder schimpfen noch beruhigen noch anschauen. Erst wenn er aufgegeben hat, kannst Du ihn zu Dir rufen und kurz und sanft loben.

Aus Deiner Beschreibung lese ich heraus, daß Du gerne mit Deinem Hund tobst. Auch wenns Dir schwer fällt: Du solltest das stark einschränken. Hier meine Gründe: Man kann einen Hund förmlich zur Ungestümheit erziehen. Das Schnappen nach dem Gesicht ist bereits ein Anzeichen einer Überspannung bei Deinem Welpen, die von Dir erzeugt wird. Dobermänner sind Energiebündel, manche neigen zur Nervosität. Es ist sehr wichtig, diese Energien im Welpenalter zu steuern. Noch hast Du kein Problem, Deinen Dobi abzuwehren, aber stell Dir sein jetziges Verhalten bitte mal vor, wenn er ausgewachsen ist. Wenn er bis dahin nicht gelernt hat, daß Du Herr über das Spiel bist und daß "Schluß!" auch wirklich das sofortige und absolute Ende bedeutet, wird er Dich rein kräftemäßig mühelos besiegen. Spätestens dann hast Du ein Problem. Deshalb solltest Du immer wenn Dein Hund anfängt, aufzudrehen, das Spiel sofort mit "Schluß" abbrechen, Dich wegdrehen und ihn ignorieren. Er wird anfangs versuchen, Dich vom Gegenteil zu überzeugen, da mußt Du stur bleiben. Er ist jetzt in der Prägephase, was er jetzt lernt, positiv wie negativ, vergißt er NIE mehr. Keine Sorge: Du erziehst ihn dadurch nicht zu einer "Schlaftablette", mit der Du später nicht mehr toben kannst! Du bringst ihm lediglich die Spielregeln bei. Das selbe gilt, wenn er nach Dir schnappt. Das bedeutet immer ein sofortiges Abbrechen mit "Schluß".

Die anderen Gründe sind gesundheitlicher Art: HD, von der auch Dobermänner betroffen sind, entsteht etwa zu 50% durch Vererbung und zu 50% durch die Aufzucht. Du mußt unbedingt darauf achten, die Gelenke und Bänder Deines Welpen zu schonen. Wenn er Dich z.B. spielerisch "angreift" und Du ihn wegschubst, ist das eine enorme Belastung für die Hinterhand (und damit die Hüfte). Weiterhin alles, was mit dem Aufstellen auf die Hinterbeine zu tun hat. Er sollte also keinesfalls im Spiel hochspringen dürfen. Der Untergrund, auf dem der Welpe sich bewegt muß immer griffig sein: Glatte Böden, auf denen er wegrutscht, sind Gift, ebenso Treppensteigen und Sprünge über Hindernisse. Zwei bis drei Stufen sind kein Problem, sind es mehr, mußt Du ihn tragen (solange Du das kannst), idealerweise mindestens bis zum 6. Monat. Auch ins Auto springen ist tabu. Und auch auf die Zähne solltest Du achten: Heftige Zerrspiele vor dem Abschluß des Zahnwechsels (mit etwa 6 Monaten) können Fehler in der Zahnstellung erzeugen.

Damit bin ich beim Thema Spaziergang. Zwei Stunden am Stück sind entschieden zu viel!!!! Daß Dein Welpe begeistert mitläuft, ist kein Kriterium. Er genießt das Zusammensein mit Dir, seine Grenzen kann er dabei nicht einschätzen. Er würde auch am Fahrrad laufen, was ebenfalls sehr schlecht für ihn wäre. Ein Welpe in diesem Alter sollte maximal 15 Minuten am Stück laufen, das Ganze 4-5 mal am Tag. Wenn Du in einer Welpengruppe bist (was ratsam ist) oder sonstige Spielkontakte mit anderen Hunden hat (WICHTIG), darf die Spieldauer ebenfalls 15 Minuten nicht überschreiten. Auch wenn es nicht so aussieht: Dein Welpe braucht in diesem Alter noch enorm viel Ruhe und Schlaf. Kriegt er die nicht, wird er zum Nervenbündel.

Ich halte es für sehr wichtig, einen Welpen in erster Linie zur Ruhe und Gelassenheit zu erziehen. Für einen Dobermann gilt das ganz besonders. Statt ihn jetzt durch ständige Überforderung zu einem überspannten (und damit später schwer zu kontrollierenden) Hund zu erziehen, solltest Du möglichst ruhig mit ihm umgehen. Das In-den-Schlaf-Kraulen ist schon ein guter Ansatz. Wenn er sich alleine irgendwo hinlegt, solltest Du ihn lassen, er braucht die Ruhe. Aber statt auf jede Spielaufforderung Deines Hundes zu reagieren, täte es ihm und auch dem Dominanzgefüge sehr gut, ihn öfter mal zu ignorieren und nicht darauf einzugehen. Nur der Chef bestimmt, wann gespielt und gestreichelt wird! Fordert er zum Spiel auf, kannst Du ihn auch stattdessen immer mal wieder "einfach" nur sanft und ruhig streicheln. Macht er den Affen, "Schluß", Abbruch, Ignorieren. DAS sind die Dinge, die die Rangordnung bestimmen, das Befolgen von Kommandos kommt erst an zweiter Stelle. Und nur, wenn Dein Dobi Dich als Chef akzeptiert, wird er auf Dauer auch zuverlässig gehorchen.

Liebe Grüße,

Jutta