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Tierheimhunde: Probleme beim Anleinen

geschrieben von Constanze+Jule(YCH) 
Tierheimhunde: Probleme beim Anleinen
16. Juli 2000 22:32

Hallo,

ich arbeite zweimal die Woche ehrenamtlich in unserem hiesigen Tierheim. Wir habe dort zwei Hunde, die nur schwer vermittelbar sind. Zum einen, weil sie keine Fremden mögen (was bei eventuellen Interessenten eine gewisse Beharrlichkeit erfordern würde) und zum anderen, weil sie sich ungern anleinen lassen. Das Anleinen ist also bei beiden eine kritische Situation, wo man äußerst trickreich vorgehen muss und was eigentlich nur geht, wenn man die Hunde wirklich lange und gut kennt. Dieses Problem ist ziemlich nervig, wenn man mit den Hunden intensiver arbeiten möchte und es dann gleich mit dieser Spannung losgeht. Es lässt sich auch aus der räumlichen Situation heraus nicht umgehen.
So, ich habe mir nun überlegt, dass es für diese Hunde und ihre Zukunft sicherlich sehr hilfreich wäre, wenn man an diesem Leinenfrust mal arbeiten würde. Da ich bei beiden das Gefühl habe, dass diese Leinenabneigung nix mit Autoritätsproblemen zu tun hat, möchte ich hier völlig positiv rangehen, für meine Vorgehensweise also mit dem Clicker.
Was meint ihr, wie könnte man eine solche Übung aufbauen? Es ist so, dass beide in dem Moment, wo sie merken, sie sollen an die Leine, in eine kritische Abwehrhaltung gelangen. Am ehesten als angstaggressiv einzuschätzen, würde ich sagen. Nicht so, dass es gleich eskaliert, aber immerhin heikel und immer mit einer Menge Adrenalin verbunden. Sehr spannungsgeladen.
Ich hoffe, ihr habt Tipps für mich.
Liebe Grüße
Conny



17. Juli 2000 07:20

Hi Conny,

Ich habe keine Erfahrung mit solchen Hunden. Ich hatte aber da eine spontane Idee, ob durchführbar...keine Ahnung.

Es gibt doch solche Leinen, wo Halsband und Leine in einem ist. Meine Idee nun:

Zuerst eine Hilfskonstruktion, oder eine Leine, wo man das Halsband extrem gross machen kann. Dann irgendwie aufhängen, so dass es frei hängt, keine Person gerade daneben. Dann wird geclickert, dass der Hund den Kopf selber durch die grosse Schlaufe steckt. Mit der Zeit Schlaufe kleiner machen, dann Leine von einer Person hochhalten lassen.

Ziel wäre, dass der Hund sich selbst anleint: Man hält besagte Leine mit Halsband hoch und Hund kommt und steckt Kopf durch Halsband.

Ich hoffe, es ist einigermassen logisch erklärt...schon eine etwas abenteuerliche Idee...

Trotzdem viel Erfolg!

Jenny

17. Juli 2000 13:54

Grüß Dich Constanze,

prima, dass du dich im tierheim engagierst. Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist. Dein problem kenne ich sehr gut.

:... zum anderen, weil sie sich ungern anleinen lassen. Das Anleinen ist also bei beiden eine kritische Situation, wo man äußerst trickreich vorgehen muss und was eigentlich nur geht, wenn man die Hunde wirklich lange und gut kennt. Dieses Problem ist ziemlich nervig, wenn man mit den Hunden intensiver arbeiten möchte und es dann gleich mit dieser Spannung losgeht.

Ich hänge dir einmal den ausschnitt aus Viktors werdegang an, in dem ich mein vorgehen etwas beschrieben habe. Ich habe das mit einigen anderen hunden wiederholt u.a. mit Arko (s. HundeRevue 7/00) Es hat immer sehr gut geklappt. Hilfreich ist, wenn es eine möglichkeit gibt, den hunden einen kleinen auslauf zu gewähren (erweiterter zwinger o.ä.) in dem du dich von ihnen entfernen kannst. Sie dürfen das gefühl des bedroht seins nicht aufbauen. Dann hast du relativ leichts spiel, weil auch du nicht in spannung gerätst. Ich hoffe, du kannst das geschilderte sinngemäß umsetzen.

So gelang es, Viktor anzuleinen:
Um ein Verhalten hervorzurufen, muss man den Weg dorthin in kleine Schritte aufteilen, so klein, dass der Hund jeden bewõltigen kann. Man springt nicht gleich vom 10-m Brett ins Wasser, man fängt vom Beckenrand an. So gelang es bald, ihm im Streicheln das Lederband über den Rücken, sogar über den Nacken zu
legen. Wenn er merkte, dass ich das tat, schüttelte er es ab, sonst nicht. Es wurde schnell klar, dass es die Bewegung des Umlegens war, die ihn mit Furcht erfüllte. Dieser direkte Weg schien verbaut zu sein. Ich möchte hier nicht die ganze Historie unserer weiteren Bemühungen mit einem Laufgeschirr erzählen. Bald war klar, dass es die Bewegung von vorn auf den Kopf zu war, die ihn abwehren ließ. Also versuchte ich es eimal ganz anders: Ein breites Nylonband wurde auf den Boden
gelegt und Viktor darin bestõrkt, darüber zu laufen. Dann formte ich eine Schlinge und belohnte das Berühren, während ich die Schlinge in der Hand hielt. Das alles hatte den Sinn, ihn mit dem Hantieren dieses Bandes in der Nõähe seines Kopfes vertraut zu machen. Und dann wand ich ihm während des Streichelns, das wir aus dem gleichen Grunde noch intensiviert hatten, die Schlinge um den Hals, zog das Ende durch und hatte ihn so an einer Leine. Er bemerkte es sofort!
Ich ließ ihn mit dem Band weglaufen und fasste auch das Ende nicht an. Als er wieder bei mir vorbeikam CLICK & JACKPOT! Und dann nahm ich ihm das Band wieder ab. Was hätte es genützt, nach dem Motto "hab ich dich endlich" zu verfahren? Seine Aversion gegen alle Berührungen am Hals wäre nur gestiegen, alles wäre noch schwieriger geworden. Ich musste das Umlegen bestärken,
wieder und wieder, denn dessen Duldung war mein Ziel!
Danach bestärkte ich das Gehen, während ich das Ende des Bandes hielt. Auch das musste er ja dulden, wenn wir je hinaus wollten.
In der 12. Übungsstunde - Geduld ist schon vonnöten - verließen wir das Tierheim. Bewaffnet mit einer Wassersprühflasche, einem Clicker und einer Tasche voll Leckerle machte ich mich mit Viktor, der an einem lächerlich lilafarbenen Nylonband mit einer losen Schlaufe um den Hals geführt wurde, auf seinen ersten Spaziergang seit zwei Jahren!

Später wurde dann das hinausdürfen der jackpot für das halsband umlegen. Wenn ein hund erst einmal wieder draußen die gerüche eingesogen hat, dann will er hinaus. Ein klein wenig mehr über das anleinen von Viktor findet man in meinem buch, das heute ausgeliefert wird.

Ich wünsch dir mit deinen versuchen viel glück.
tschüß Martin & Mirko


18. Juli 2000 10:05

Hallo Martin,

danke für die Tipps. Die Geschichte von Arko habe ich gelesen, die von Viktor habe ich damals leider verpasst.
Natürlich liegen die Fälle bei "meinen" Pappenheimern etwas anders, es sind ja auch andere Hunde. Trotzdem war die Beschreibung Deiner damaligen Vorgehensweise prima. Es sind einige Ansätze und Grundgedanken enthalten, die es mir schon viel leichter machen, eine individuell passende Vorgehensweise zu basteln. Ein Patentrezept wollte ich ja auch gar nicht haben. Wenn ich stecken bleibe, werde ich hier im Forum garantiert noch mal um Hilfe rufen und wenn ich Erfolg haben werde, erfahrt Ihr es auch.
Es ist tatsächlich nicht immer einfach im Tierheim. Am Wochenende ist ein Fundhund eingeliefert worden. Eine steinalte Hündin, die in einem total verwahrlosten Zustand (Filz, Dreck, Ungeziefer) und völlig abgemagert ist. Sie frisst so gut wie nichts und hat diesen toten Blick in den Augen. Sie reagiert eigentlich gar nicht mehr und lässt alles völlig passiv über sich ergehen. Ich habe dabei an Arko gedacht, bis auf den Unterschied, dass sie eben alles! mit sich machen lässt. Sie ist jetzt mein Spezialschützling und ich hoffe, es kommt ein bisschen was bei ihr an. Wenn ich mir ihr Alter und ihren Zustand so ansehe, glaube ich allerdings nicht, dass sie noch genügend Zeit haben wird, um nochmal Hund sein zu können. Sowas macht sooooooo traurig.
Liebe Grüße
Conny

18. Juli 2000 10:12

Hallo Jenny,

klar, hört sich schon was abenteuerlich an, Deine Idee. Klingt so nach Galgen :-).
Ich finde aber, so kurios ist der Einfall gar nicht. Ich werde mir zwar noch einen kleinschrittigeren Weg dorthin überlegen, um sie erstmal mit der Berührung durch die Leine vertraut zu machen. Aber ich denke als Ziel ist es vielleicht gar keine schlechte Idee, wenn ich das Halsband mit Leine hinhalte, Hund schlüpft durch und dafür gehts dann Gassi. Den "Galgen" kann man weglassen, da sie wirklich keine Angst vor mir, sondern vor dem Anleinen haben. Und dann wirkt es doch eigentlich gar nicht mehr abenteuerlich.
Liebe Grüße
Conny

18. Juli 2000 12:32

Hi Conny

: klar, hört sich schon was abenteuerlich an, Deine Idee. Klingt so nach Galgen :-).
: Ich finde aber, so kurios ist der Einfall gar nicht. Ich werde mir zwar noch einen kleinschrittigeren Weg dorthin überlegen, um sie erstmal mit der Berührung durch die Leine vertraut zu machen.

Klar, meine Beschreibung war ja eher ein grober Weg bis zum Ziel.

grinning smileyen "Galgen" kann man weglassen, da sie wirklich keine Angst vor mir, sondern vor dem Anleinen haben.

Das habe ich zwar schon so verstanden, aber dachte, dieser Umweg wäre evtl. hilfreich für den Hund, dass dieser sich weniger unter Druck fühlt, wenn es total neutral von einer Person weg ist. Aber wenns anders funktioniert, umso besser.

Ich wünsch euch ganz viel Glück!

Jenny