Hallo Carola,
wir reden immer noch weit aneinander vorbei.
:: Am besten du ignorierst ein unerwünschtes
:: Verhalten gleich beim ersten Auftreten:
: Das ist nun wirklich rein akademisch, Reinhold.
: Gewiß. Ein Idealfall. Leider hat man es im Alltag mit
: etablierten Verhaltenbsweisen zu tun, die Klasse sein
: können, aber eben auch unerwünscht und inkompatibel
: mit einer Gemeinschaft sind.
Akademisch ??? (du siehst, auch Fragezeichen kann man stapeln)
Ich denke es sollte der alltägliche Normalfall sein,
dass man bei einem Welpen / Junghund darauf achtet,
dass sich keine *unerwünschten* Verhaltensweisen etablieren.
: Ich habe selbst einen Hund aus dem Tierheim, der weder
: tabus kannte, alles Mögliche im Beuteschema hatte und
: ausgesprochen territorial war, bzw. ist und auf Menschen
: sehr schlecht sozialisiert war.
War wohl nicht das Thema, aber bei diesem Thread ist das nun
auch vollends wurscht. Das meiste hier gehört schon lange nicht
mehr zum Thema Leica und Hochspringen an Fremden.
Nun, bei Tierheimhunden da liegt der Fall wohl anders. Graduell anders. ;-)
Denn auch stark etablierte Verhaltensweisen lassen sich nach den Clickerregeln
prima ausmerzen. Es dauert eben länger, als bei nicht etablierten.
Auch das ist nicht akademisch, sondern vielfach beschrieben.
(ich erinnere dich nur an Martins Mirko). Ich hatte auch schon
zwei Tierheim-Hunde und habe mir daran lange die Zähne ausgebissen.
Nein -- nicht mit dem Clicker, sonst ganz herkömmlich. Damals hat
bei uns noch niemand von Clickern geredet oder geschrieben.
Aber heute nehme ich den Clicker:
Meine Nachbarin hat einen Tierheimpudel, der eine unbeschreibliche
Angst vor Männern hat. Wenn ich ihn aus 5m Entfernung auch nur anlächle,
dann verschwindet er. Bei jeder auch noch so kleinen Bewegung von mir
zuckt er zusammen und flüchtet. Er zittert dann wie Espenlaub. Seine
Vorgeschichte ist uns unbekannt. Meine Nachbarin fuhr 400 km weit und
holte ihn aufgrund einer Fernsehsendung ("Tiere suchen ein Zuhause" ???)
zu sich.
Er kommt prächtig mit meinen Kinden zurecht und mit meiner Frau genauso.
Er spielt sehr schön mit Ayko. Bloß um mich macht er einen riesigen Bogen.
Was glaubst du, wieviel scherzhaften Spott mir das schon eingebracht hat?
So einen Hund habe ich noch nie erlebt. Er wohnt nun ein Jahr lang neben
uns, kommt mit der Nachbarin blendend aus, hat aber selbst vor ihrem
hundeliebenden Lebensgefährten (der bei ihr wohnt!) immer noch Angst !
Ein Jahr lang konnte ich absolut keinen Draht zu diesem Hund finden. Seit
Kurzem clickere ich nun mit ihm. Nur drei Clicker-Sessions in drei Tagen,
mit mehrtägigen Pausen dazwischen, haben wir jetzt hinter uns. Es geht mir
darum seine stark etablierte Angst vor Männern zu beseitigen.
So etwas von einer mickrigen Konditionierung habe ich noch nie erlebt.
Aus der Ferne habe ich ihm Fleischwürfelchen hingeworfen! Bei jedem Click
ist er weggerannt und hat sich nur ganz, ganz zaghaft das Leckerchen geholt.
Dann gings los, zunächst mit Blickkontakt, dann mit langem Touchstick, kurzem
Touchstick, schließlich meine Hand berühren und heute schon Stöckchen aus
meiner Hand in den Fang nehmen, das waren unsere ersten Übungen. Immer wieder
verkroch er sich unterm Terrassentisch. Gegen Ende der heutigen
Clickersession hat er mehrfach ganz keck seine Vorderpfoten auf meine Knie
gesetzt und seine Dreckspuren auf meiner Hose hinterlassen!
Mann war ich glücklich über dieses unerwünschte Verhalten ! ;-)
Im Ernst, ich war glücklich, weil ich zugucken kann, wie er ganz
rasant seine Scheu vor mir verliert.
Und nun beginnt er sogar das Stöckchen von meinem Schoß zu klauen und
sich mit mir spielerisch darum zu raufen. Nein, Carola, ohne Clickerwissen,
wäre ich diesem Hund niemals beigekommen. Und mein heutiger Tag hätte
einige Highlights weniger gehabt. Seine Angst habe ich übrigens - du ahnst
es schon - einfach ignoriert. Ich freue mich schon aufs Wochenende und auf
ganz viele Clickersessions mit dem kleinen Kerl. Und ich glaube der freut
sich auch. Er kommt schon immer öfter suchend auf unsere Terrasse. Und über
der Freude an dem interessanten Clickerspiel wird er seine lange etablierte
Angst in den nächsten Sessions immer mehr verlieren.
Und das Faszinierende daran ist, dass er eigentlich gar nicht verfressen
ist, aber trotzdem beim Clickern mit kleinsten Wurst- und Käsewürfelchen
anfänglich eine zaghafte, später eine immer ausgeprägtere Motivation zeigte.
Ich kann zuschauen, wie diesen kleinen, unglaublich scheuen Kerl das
Denk-Spiel "Clicker" inzwischen ganz offensichtlich mehr motiviert als die
Mini-Leckerchen, die ich ihm gebe.
: Hier kann ich Dir eine Reihe von Beispielen nennen, die
: diese Einstellung, ich nenne das jetzt absichtlich nicht
: Methode, ad absurdum führen.
Ja, mach mal, das interessiert mich ganz brennend.
Du weißt doch, clickern ist eine Sucht.
Vielleicht verhelfen mir deine Beispiele zum Ausstieg. ;-)
Dann lassen wir sie als Gebrauchsmuster schützen.
: ... weil ich keine goldenen Schlüssel mag:-))
Das war deutlich zu spüren. Schnief.
Na, dann werd ich es eben mal
mit ganz kleinen Diamanten versuchen. ;-)
Viele Grüße
aus dem Wilden Südwesten
Reinhold + Ayko