Dieser Thread ist die Fortsetzung des Threads
"Der Fluch der ersten Übung"
unter einem neuen Thema.
Der erste Beitrag nimmt Bezug auf den Beitrag
von Doris vom 22.07.2000 23:11 (Der Fluch der ersten Übung)
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Hallo Doris,
du schreibst:
: Ich sehe das Ganze noch von einer anderen Seite. Ihr redet da von
: 'unter Signalkontrolle bringen'. Aber ist nicht genau das der Knoten?
: Das Verhalten ist nämlich (aus der Sicht des Hundes)längst unter
: Signalkontrolle: Clicker in der Hand (= Signal)- Ausführung, kein
: Clicker in der Hand (kein Signal) = keine Ausführung.
Der Clicker ist kein spezifisches Signal für ein spezielles
Verhalten, das wird dir spätestens dann bewußt, wenn du mehrere
verschiedene Verhalten parallel übst. An ein auslösendes Signal in der
Hundeerziehung werden viel höhere Anforderungen gestellt. Ich stelle den
Clicker ganz bewußt optisch auch gar nie in den Vordergrund, er ist bei
mir immer verborgen in der Hand. Er soll nicht zum Auslöser werden, sondern
rein akustisch als kondit. Verstärker wirken. Es ist vielmehr die gesamte
Situation, die den Hund veranlaßt erlerntes Verhalten zu zeigen. Die
Situation ist ein anhaltender Zustand und wann der Hund sein Verhalten
innerhalb dieses Zeitraums zeigt, ist uns im Prinzip egal. Hauptsache er
zeigt es wiederholt. Die Situation als auslösender Reiz ist deshalb nicht
vergleichbar mit einem Hörzeichen oder einem Sichtzeichen, die ja nur ganz
kurzzeitig auf den Hund einwirken und ihn zum sofortigen Agieren veranlassen
sollen.
: Will man nun ein verbales (=neues)Signal einführen, müsste man doch
: vorgehen wie bei einem Signalwechsel: Neues Signal ("Rolle"
- kleine
: Pause - bekanntes Signal(Clicker in die Hand nehmen) - Verhalten.
Da der Clicker noch kein spezifisches Signal ist, geht das vermutlich
schief oder wirft erhebliche Probleme auf.
: Das 'Clicker in die Hand nehmen' ist doch für den Hund eindeutig ein
: Signal!
Ein Signal ja, aber kein eindeutiges. Es läßt ihm viel Freiraum. Einen
Freiraum, den man beim Shapen unbedingt auch braucht.
Mit dem Einführen eines speziellen Signals, eines speziellen auslösenden
Reizes beginnt eine ganz neue Etappe im Clickertraining. Sie soll nicht
dazu führen, dass der Hund variiert, sondern dass er das Erlernte exakt
beibehält, aber ab jetzt spontan auf ein spezielles Signal hin ausführt.
Wesentlich ist, dass bis hierher der Hund den Zeitpunkt für den
Beginn des Verhaltens frei bestimmen konnte. Ab der Einführung eines
Hörzeichen bestimmt diesen Zeitpunkt ausschließlich der Mensch. Das sind
sehr wichtige Unterschiede, die es zu beachten gilt. Insofern dürfte es
klar sein, dass hier kein einfacher Signalwechsel vorliegt.
Aber du stellst höchst interessante Fragen, die ganz wahnsinnig
wichtige Dinge in der Signaleinführung beleuchten!
Du sprichst eine Menge Dinge an, die du alle bei der
richtigen Signaleinführung (Einführung des Hörzeichens) beachten und
überwinden mußt. Das neue Signal muss die alten Auslöser restlos
ersetzen. Wie das ablaufen kann, habe ich nachfolgend beschrieben.
Ich hoffe das macht die Unterschiede zu einem einfachen Signalwechsel
noch deutlicher.
Bevor man ein Signal (Hörzeichen oder Sichtzeichen oder
beides) einführt, muss das geübte Verhalten an ganz
verschiedenen Orten, --- auch unter variabler Bestärkung --- ,
sicher gezeigt werden. Der Hund agiert von sich aus aufgrund
der immer noch die relativ sicheren Aussicht auf ein "Click"
und ein nachfolgendes Leckerchen bzw. einen Jackpott.
Zu diesem Zeitpunkt sollte das erlernte Verhalten dem Hund auch schon
reichlich Spass machen. Alle Unsicherheiten müssen restlos überwunden
sein. Für mich ist das immer ein ganz wichtiges Kriterium.
In diesem Stadium kannst du - mit etwas Übung und Beobachtungsgabe -
ganz genau voraussehen, wann der Hund sein Verhalten zeigen wird.
Unmittelbar bevor der Hund sein Verhalten zeigt, spätestens aber gleich-
zeitig mit Beginn des Verhaltens, sagst du nun das neue Hörzeichen. *)
(gilt entsprechend natürlich auch für das Sichtzeichen).
Diese zeitliche Relation mußt du präzise einhalten, das führt zu einer
optimalen Verknüpfung zwischen dem Verhalten und dem neuen Signal.
Hierbei entsteht lediglich eine Verknüpfung ! Das Signal hat zu diesem
Zeitpunkt noch keinen *auslösenden* Charakter. Es wird durch diese Prozedur
lediglich zur einleitenden, akustischen Ouvertüre des Verhaltens, es ist
sozusagen eine total unwichtige, aber schöne Eröffnungsmusik zum gern
gezeigten Verhalten. Jedes spezielle Verhalten bekommt seine spezielle
akustische Ouvertüre! Erst im Laufe der Zeit können diese Ouvertüren dann
auch zum spezifischen Auslöser werden.
Es geht in diesem Stadium nur um eine optimale Verknüpfung von
speziellem Hörzeichen mit dem speziellen Verhalten !!! Mit einem
Befehl (oder gar Kommando) hat das zu diesem Zeitpunkt überhaupt
noch nichts zu tun ! Noch nicht ! Das ist ganz wichtig zu wissen.
Jetzt kommt der nächste Schritt und der läuft bei uns meist so ab:
Ich übe jetzt Hörzeichen --- Verhalten --- C&T mit Immerbestärkung.
Dann lasse ich das Hörzeichen einfach weg. Mein Ayko zeigt dann
das Verhalten natürlich noch ein paarmal von sich aus, wird aber nun
von mir nicht mehr mit C&T bestärkt, bis er schließlich gefrustet
aufhört und mich anschaut. **) Diesen Frust provoziere ich ganz bewußt.
Er guckt mich an und in seinem Gesicht steht dann geschrieben:
Nanu, was ist denn jetzt los??
Exakt (!!!) diesen Moment des leichten Frusts und der stark erhöhten
Aufmerksamkeit nutze ich, um erstmalig das neue Hörzeichen als
auslösendes (!!!!) Signal zu sagen. Ich sage also das neue Hörzeichen
nun nicht mehr, weil ich weiß, dass er das Verhalten ohnehin gleich
zeigen wird, sondern ich sage es, wenn er gefrustet mit einem Fragezeichen
im Gesicht vor mir sitzt. Bei guter Vorarbeit kann ich mich darauf
verlassen, dass das Hörzeichen sofort als auslösender Reiz funktioniert und
dann gibt es sofort einen Jackpott..
Damit ist das neue Hörzeichen für Ayko mit einem Schlag der supertolle,
erlösende Weg aus dem Frust geworden. In diesen entscheidenden
Übungssequenzen ist er ungeheuer aufmerksam, er "klebt" mir geradezu an
den Lippen. Da genügt es, das neue Hörzeichen auch nur zu flüstern,
--- das Verhalten folgt sofort! Schließlich wartet er jetzt ja ganz
sehnlich darauf.
Das ist eine ganz entscheidende Etappe im Clickertraining. Genau hier baut
der Clickertrainer seine Autorität auf ! Während er bisher nur auf das
Verhalten des Hundes reagiert hat wie ein intelligenter, zielstrebig
steuernder Futterautomat, nimmt er genau in diesem Moment wieder seine
Alpha-Stellung ein. ***) Der Hund kann nun tun oder lassen, was er will,
sein Trainer bleibt äußerst konsequent:
Erfolg gibt es ab jetzt nur noch,
wenn auf das Hörzeichen
spontan das richtige Verhalten folgt.
Sonst nicht!
Eisern ! Knallhart ! Und absolut alpha-like !
Mit dieser Vorgehensweise gelingt es mir ganz schnell Aykos volle
Aufmerksamkeit auf das neue Hörzeichen zu lenken. Weg vom Clicker,
weg von den Leckerchen, weg vom Übungsort, hin zu meinen Lippen.
In dieser Phase will ich einen Hund haben, der sich ausschließlich
auf meinen Mund konzentriert und sonst auf gar nichts.
Sobald erkennbar ist, dass das neue Signal das Verhalten auslöst,
wird das Verhalten nie mehr bestärkt, wenn es *ohne* Hörzeichen gezeigt
wird, weil Clicker, Leckerchen oder Übungsort als auslösende Reize
natürlich immer noch vorhanden sind. Diese Reize und vielleicht noch
andere, meist unbemerkte Reize (Körperhaltung usw.), müssen ab diesem
Stadium radikal ausgelöscht werden! Das ist ein Prozess, der einige
Zeit dauert und konsequentes Ignorieren erfordert. Das leuchtet ein .
Um sicher zu gehen, dass keine unbemerkten, auslösenden Reize vorhanden sind
setze ich mich ganz bewußt auf einen Hocker und lege die
Hände in den Schoß, denn das plötzliche Sitzen - wenn ich vorher
ausschließlich stehend geübt habe - schließt eventuell vorhandene Reize
aus der Körperhaltung mit großer Sicherheit aus.
Daraus ergibt sich nun auch folgerichtig die Notwendigkeit, das
Neuerlernte weiterhin an ganz verschieden Orten zu üben und dabei dann
auch irgendwann einmal den Clicker und die Leckerchen total in der
Hosentasche versteckt zu halten, so dass auch deren Signalwirkung völlig
verdeckt wird. Das ist ganz schrecklich wichtig und ist auch eine
mögliche Antwort auf eine deiner Fragen (: ..... müsste man doch vorgehen
wie bei einem Signalwechsel: Neues Signal ("Rolle"
- kleine Pause -
bekanntes Signal(Clicker in die Hand nehmen) - Verhalten.).
Stell dir nun vor, du gibst das neue Hörzeichen irgendwann
einmal durch das Schlüsselloch einer Zimmertüre. Du stehst vor - , dein
Hund steht hinter der geschlossenen Türe und du beobachtest nur durch
dieses Schlüsselloch das Verhalten des Hundes und quittierst falls
verdient mit C&T.
Durch das Schlüsselloch sieht dich der Hund garantiert nicht
mehr, er sieht nicht mehr den Clicker und er riecht wahrscheinlich auch
keine Leckerchen mehr und ich denke dieser (vielleicht übertriebene)
Vorschlag zeigt dir einen ganz klaren und sauberen Weg auf, wie du alle
anderen auslösenden Reize völlig verdecken kannst und einzig und allein
das neue Hörzeichen austesten kannst. Beachte bitte meine Wortwahl:
Die anderen Reize sind nur *verdeckt*, sie *erlöschen* dadurch noch nicht!
Sie erlöschen nur durch beständiges Ignorieren, das hat mit dem
Schlüsselloch gar nichts zu tun. Du hast es weiterhin mit verschiedenen
auslösenden Reizen zu tun, sobald du wieder ohne Türe und Schlüsselloch
übst.
Ausprobieren !! Diese Experimente mit dem Schlüsselloch sind unglaublich
aufschluß- und lehrreich!
Wenn dein Hund zum ersten Mal das neue Hörzeichen, das aus dem
Schlüsselloch ertönt, befolgt, dann hat er allerdings einen so
riesengroßen Jackpott verdient, dass du den durch kein Schlüsselloch
der Welt werfen kannst. Also mach die Türe auf und bring ihm die noch
dampfende, duftende Lammkeule persönlich auf einem Silbertablett. :-))))
Damit erzielst du eine sagenhafte Wirkung. Ich halte den Super-Jackpott in
dieser Situation für sehr wichtig!
Auf dem Hundeplatz kannst du dich anstatt hinter eine Türe, auch mal hinter
eine A-Wand stellen. Da kann man den Jackpott oben drüberwerfen. :-))))
Das Ganze ist eine äußerst interessante Variante für den Hund.
Ein Helfer kann dir assistieren und den Hund beobachten, ggf. auch clicken,
(jedoch so clicken, dass der Hund der Ansicht ist, du hättest geclickt).
So hast du die perfekte Kontrolle, ob dir die Einführung des Hörzeichens
als sicherer, auslösender Reiz gelungen ist oder nicht.
Natürlich gilt auch hier wie immer: Üben, üben, üben .......
Vor das Gelingen haben die Götter den Schweiß gesetzt.
Ich hoffe, dass ich mich klar genug ausgedrückt habe und deine Fragen
restlos geklärt sind. Natürlich muß jeder seinen eigenen Weg finden, weil
jedes Mensch - Hund - Team anders ist. Das Vorstehende kann wie immer nur
ein Leitfaden sein, den jeder gedanklich selber für sich und seinen Hund
verarbeiten und in seine Praxis umsetzen muss.
Viele Grüße
aus dem regnerischen Wilden Südwesten
Reinhold + Ayko
*) Der optimale Zeitpunkt liegt exakt beim Beginn des Verhaltens
bis ca. 0,5 Sekunden vor dem Beginn des Verhaltens, siehe
/clicker/click1/index.cgi?seite=25
Diagramm ganz unten auf dieser Webseite von Martin.
Diese Seite enthält noch mehr Infos zu diesem Thema.
**) Vorsicht, das kann bei anderen Hunden auch anders ganz ablaufen.
Hier gilt es genau zu beobachten und entsprechend zu reagieren.
**) Wer in Angermeier "Operantes Lernen" aufmerksam das Kapitel über
die Reizkontrolle durchliest, der findet auf Seite 82 links unten den
Hinweis, dass der Reiz (in unserem Fall das neue Hörzeichen) sehr schnell
zum konditionierten Verstärker werden kann. Man muss sich also sehr
davor hüten, das Hörzeichen nur dann zu sagen, wenn der Hund aufmerksam
vorsitzt. Er wird sonst nämlich sehr schnell lernen: Auf aufmerksames
Vorsitzen folgt das Hörzeichen und sein anschließendes Verhalten mitsamt
C&T wird zur kräftigen Verstärkung. Wichtig ist es also, das Hörzeichen
sehr bald völlig willkürlich, also für den Hund nicht mehr vorhersehbar
zu geben, sonst entsteht eine üble Fehlverknüpfung.