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Fallbeispiel aggressiver Rüde

geschrieben von andreas(YCH) 
Fallbeispiel aggressiver Rüde
14. September 2000 18:24

Liebe Hundekenner und -Konditionierungsexperten,

nachdem ich zunächst überlegte, das folgende Fallbeispiel unter Erziehung/Soziales zu stellen, landet es nun doch hier, da ich mich lediglich auf einen bestimmten Teilbereich konzentrieren möchte. Das "Ganze" wird von mir durchaus gesehen, bedarf aber (so hoffe ich zumindest) im Hinblick auf die weiteren Teilaspekte keiner dringenden Mithilfe.

Zur Situation:
Es geht um einen 4-jährigen Mischlingsrüden, kastriert, aus dem Tierheim, Vorgeschichte nicht bekannt und daher zweitrangig bzw. ohne Belang.
Der Hund zeigt nach mehrwöchiger Eingewöhnung bei den neuen Haltern massives und sich steigernde aggressives Verhalten. Die sinsbesondere gegenüber anderen Rüden und angeleint, jedoch auch gegenüber Hündinnen, bis diese als solche erkannt sind und auch unangeleint. Aggressionsziele sind auch Menschen. Aggressives Verhalten wird gezeigt in der eigenen Wohnung, dem Mehrfamilienhaus, in dem die Wohnung liegt, vor dem Haus, in Gaststätten/Lokalen etc. , durchaus aber auch in freiem Feld. Hund beisst -noch- nicht zu, sondern beschränkt sich auf lautstarkes Einstürmen und Bedrängen von Hund und Mensch.

Die Notwendigkeit der Schaffung von Trainingssituationen ist erkannt. Das diesbezügliche Problem besteht darin, dass überhaupt nicht so viele Übungsmöglichkeiten geschaffen werden können, wie der Hund täglich im belebten Innenstadtbereich und innerhalb des Mehrfamilienhauses ausgesetzt ist. Die Geduld der Mitbürger und Nachbarn neigte sich gen Ende.

Der Hund wird nunmehr im Hause und inder der näheren Umgebung zunächst am Halti geführt, um den Haltern überhaupt ein von Angsschweiss freies Verlassen des Hauses zu ermöglichen. Dies trägt zur merklichen Beruhigung der Halter bei, die sich hoffentlich irgendwann auf den Hund übertragt. In Wald und Wiese wird der Hund an der langen Leine und mit Brustgeschirr geführt.

Irgendwelche diesbezüglichen Einwände und/oder Verbesserungsvorschläge?

Nun zum Kern meines Anliegens:

Vorerwähnte Maßnahmen ermöglichen lediglich ein weniger stressiges Ausführen des Hundes und verhindern das Ausleben der aggressiven Verhaltens. Die Einstellung des Hundes zu den ihm begegnenden Objekten ist dadurch jedoch keine andere.
Es stellt sich nun die Frage nach der Bestärkung eines -und wenn auch nur ansatzweisen- richtigen Verhaltens.

1) Jegliches erwünschte Verhalten Bestärken? D.h. Hund passsiert ruhig und ohne sich um anderen Hund/Mensch zu kümmern? Oder verliere ich damit die erwünschte Beiläufigkeit und lenke doch wieder Aufmerksamkeit auf ein zunächst unbeachtet gebliebenes Objekt?

2) Da ruhiges passieren derzeit noch meist ein Wunschtraum ist: welches ist der richtige Zeitpunkt zum Bestärken: anfängliches Ruhigbleiben, während schon "sensorische" Erkennung des anderen Hundes/Menschen erfolgt ist, etwa Rute hochgenommen, Ohren vorgenommen, Gegenüber fixiert, aber noch kein Knurren, Bellen etc.? Oder wird damit den Ansatz des unerwünschten Verhaltens, quasi in seiner Vorstufe bestärkt?

3) Bei ansatzweis egezeigtem aggressivem Verhalten postwendend umkehren oder: verharren und Ausführung einer Ersatzhandlung (Sitz/Platz) oder stattdessen in Bewegung bleiben und passieren?

Eure Ideen/Anmerkungen?

Viele Grüße,

andreas





14. September 2000 21:25

Grüß Dich Andreas,

es ist nicht ganz einfach zu antworten, wenn man hund und halter nicht sehen kann.

: Es stellt sich nun die Frage nach der Bestärkung eines -und wenn auch nur ansatzweisen- richtigen Verhaltens.
:
: 1) Jegliches erwünschte Verhalten Bestärken? D.h. Hund passsiert ruhig und ohne sich um anderen Hund/Mensch zu kümmern? Oder verliere ich damit die erwünschte Beiläufigkeit und lenke doch wieder Aufmerksamkeit auf ein zunächst unbeachtet gebliebenes Objekt?

Letzteres stimmt, aber das objekt wird in einem anderen sinne interessant. Es beginnt etwas angenehmes anzukündigen!
Dei beiläufigkeit kommt dann ganz zum schluss, wenn dem hund schnüffeln oder ununterbrochen weitergehen motivation ist und das objekt / der mensch (gelernt) keine gefahr mehr versprechen.

: 2) Da ruhiges passieren derzeit noch meist ein Wunschtraum ist: welches ist der richtige Zeitpunkt zum Bestärken: anfängliches Ruhigbleiben, während schon "sensorische" Erkennung des anderen Hundes/Menschen erfolgt ist, etwa Rute hochgenommen, Ohren vorgenommen, Gegenüber fixiert, aber noch kein Knurren, Bellen etc.? Oder wird damit den Ansatz des unerwünschten Verhaltens, quasi in seiner Vorstufe bestärkt?

Das ist nicht ganz einfach. Ich ziehe es deswegen vor, einen kurzen blickkontakt des hundes zum halter zu bestärken. Sozusagen eine rückfrage. Das ist eine ganz andere zielrichtung als der entgegenkommende mensch.
Wenn die entfernungen so aufgebaut sind, dass der hund noch seine selbstkontrolle behält, kann man das leckerle derart umständlich heraus kramen, dass inzwischen der mensch vollständig passiert hat.

: 3) Bei ansatzweis egezeigtem aggressivem Verhalten postwendend umkehren oder: verharren und Ausführung einer Ersatzhandlung (Sitz/Platz) oder stattdessen in Bewegung bleiben und passieren?

Ich habe mit zwei völlig entgegengesetzten ansätzen weiter kommen können:
- Völlig regungslos stehen bleiben (verhindert aufregung des menschen und damit falsche stimmungs-bestärkung), bis der hund wieder blickkontatk aufnimmt.
- Schnell vorbeilaufen, dass die situation hinter uns liegt. (gut bei ängstlichen hunden).

Ich hoffe, obiges hilft ein klein wenig weiter.

tschüs Martin & mirko





15. September 2000 10:45

Hallo Andreas,
:
: es ist nicht ganz einfach zu antworten, wenn man hund und halter nicht sehen kann.

das stimmt, aber ich kann mir die situtionen gut vorstellen, leider. ich habe quasi den geistesbruder dieses mischlings zuhause. mein rüde hat sich bis vor kurzem genauso verhalten.

ob dein hund vllt. aus angst so reagiert, lässt sich schlecht sagen da du zeimlich wenig über die häusliche situation schreibst. aber so wie du den vorfall des angriffs beschreibst hat dein hund (?) möglicherweise ein dominanzproblem. leider trifft das öfter hunde aus dem tierheim. die besitzer vergessen, dass ein hund keine vergangenheit hat. er lebt im jetzt. reaktionen werden durch verknüpfungen von worten, umgebung/gerüchen ausgelöst. wir menschen vergessen dies nur allzu leicht. wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein hund 2 tage benötig um sich einzuleben, danach fängt er an seinen rang innerhalb des rudels auszutesten! wir menschen neigen nun aber dazu dem "armen" kerl erstmal zeit zu geben, damit er sich einlebt (ach lass ihn doch, das kann er ja immer noch lernen), und da machen wir einen fatalen fehler, wenn wir z.b. erst nach 4 wochen anfangen unseren hund ernst zu nehmen ist er uns 2 wochen (!) rangordnung im voraus!!! wichtig ist zu testen, was ihm zu hause für rudelführer privilegien eingeräumt werden. wann frisst er (vor oder nach dir), wer geht zu erst duch die tür, zieht er an der leine, liegt er auf den rudelführerplätzen wie sofa, sessel, bett? hat er grundsätzlich zugang zu allen zimmern, steht eröfters "im weg" etc.??? ich glaube, dass der hund (dein hund?), aufgrund seiner position rudelführer(anwärter) draussen so einen stress hat. der aller erste schritt ist deswegen ihn zunächst diese bürde abzunehmen... also zuhause ihm jegliche rudelführerpositionen abzusprechen!


: : Es stellt sich nun die Frage nach der Bestärkung eines -und wenn auch nur ansatzweisen- richtigen Verhaltens.
: :
: : 1) Jegliches erwünschte Verhalten Bestärken? D.h. Hund passsiert ruhig und ohne sich um anderen Hund/Mensch zu kümmern? Oder verliere ich damit die erwünschte Beiläufigkeit und lenke doch wieder Aufmerksamkeit auf ein zunächst unbeachtet gebliebenes Objekt?
:
: Letzteres stimmt, aber das objekt wird in einem anderen sinne interessant. Es beginnt etwas angenehmes anzukündigen!
: Dei beiläufigkeit kommt dann ganz zum schluss, wenn dem hund schnüffeln oder ununterbrochen weitergehen motivation ist und das objekt / der mensch (gelernt) keine gefahr mehr versprechen.

sehe ich genau so. wenn er es denn schafft, artgenosen ohne agression zu begnen loben und belohnen was das zeug hält....

: : 2) Da ruhiges passieren derzeit noch meist ein Wunschtraum ist: welches ist der richtige Zeitpunkt zum Bestärken: anfängliches Ruhigbleiben, während schon "sensorische" Erkennung des anderen Hundes/Menschen erfolgt ist, etwa Rute hochgenommen, Ohren vorgenommen, Gegenüber fixiert, aber noch kein Knurren, Bellen etc.? Oder wird damit den Ansatz des unerwünschten Verhaltens, quasi in seiner Vorstufe bestärkt?
:
: Das ist nicht ganz einfach. Ich ziehe es deswegen vor, einen kurzen blickkontakt des hundes zum halter zu bestärken. Sozusagen eine rückfrage. Das ist eine ganz andere zielrichtung als der entgegenkommende mensch.
: Wenn die entfernungen so aufgebaut sind, dass der hund noch seine selbstkontrolle behält, kann man das leckerle derart umständlich heraus kramen, dass inzwischen der mensch vollständig passiert hat.

ja, versuch die aufmerksamkeit deines hundes auf dich zu lenken, am besten noch bevor die rute hochgeht. rute hoch und ohren spitz sind vorboten des triebes! ist dein hund da erstmal angelangt, ist es "vorbei " oder aber zumindest super schlecht auf ihn noch einzuwirken.

: : 3) Bei ansatzweis egezeigtem aggressivem Verhalten postwendend umkehren oder: verharren und Ausführung einer Ersatzhandlung (Sitz/Platz) oder stattdessen in Bewegung bleiben und passieren?
:
: Ich habe mit zwei völlig entgegengesetzten ansätzen weiter kommen können:
: - Völlig regungslos stehen bleiben (verhindert aufregung des menschen und damit falsche stimmungs-bestärkung), bis der hund wieder blickkontatk aufnimmt.
: - Schnell vorbeilaufen, dass die situation hinter uns liegt. (gut bei ängstlichen hunden).

wie verhälst du dich denn, wenn ein anderer hund kommt. weckst du seinen widerstand durch "aufnehmen" der leine? ich "warne" unseren hund in dieser situation, dass er es lassen soll (Kommando "lass es" scharf gesprochen). als rudelführer darf ich das (drohen meine ich)! merke ich, dass er trotzdem in trieb kommt (ohren stellen sich auf, legen sich hin stellen sich auf etc.), geb ich ihm die einzige sinnvolle ersatzhandlung: "platz". denn aus dieser position macht es sich überhaupt nicht gut, den anderen hund zu beschimpfen....

alles in allem ist es wirklich schwierig aus der "entfernung" dir hilfestellung zu geben. hast du schon mal mit deinem tierarzt über dieses problem gesprochen? ich behandel meine hund zur zeit mit hömophatischen mitteln, und will jetzt noch zusätzlich die bachblüten therapie versuchen...

grüße
nadine + bananennasenbande

15. September 2000 12:20

Hallo Andreas,

: Irgendwelche diesbezüglichen Einwände und/oder Verbesserungsvorschläge?

Die Leine nicht nur am Halti befestigen, sondern auch am Halsband. Erstens können sich Hunde in null komma nichts aus dem Halti befreien und zweitens ist es erzieherisch nicht von Vorteil, Leinenruck etc. über das Halti zu geben, da es nicht als das gedacht ist. Hinzu kommt noch, daß bei plötzlichem Anziehen durch den Hund Verletzungen auftreten können.

: 1) Jegliches erwünschte Verhalten Bestärken?

Unbedingt ja. Als erstes muß der Hund lernen auf Kommando den Blickkontakt zum HF herzustellen. Das klappt am besten ohne Ablenkung unter Zuhilfenahme von Leckerlis oder Spielzeug. Kennt der Hund das Kommando (bei mir ist es "gucken"winking smiley und befolgt es sollte man immer gleich belohnen (Leckerli + Stimme).

: 2) Da ruhiges passieren derzeit noch meist ein Wunschtraum ist: welches ist der richtige Zeitpunkt zum Bestärken: anfängliches Ruhigbleiben, während schon "sensorische" Erkennung des anderen Hundes/Menschen erfolgt ist, etwa Rute hochgenommen, Ohren vorgenommen, Gegenüber fixiert, aber noch kein Knurren, Bellen etc.? Oder wird damit den Ansatz des unerwünschten Verhaltens, quasi in seiner Vorstufe bestärkt?

Also, der Führer sollte in wirklich jeder Situation dem Hund immer einen Schritt voraus sein. Das heißt die "Gefahr" zuerst erkennen können. Dann gilt es den Hund nicht fixieren zu lassen. Das ist enorm wichtig. Anfangs muß man schon geschickt das Halti ausnutzen, dann kommt das Kommando für den Blickkontakt. Befolgt er das, kramt man (wie immer) das Leckerli etc. aus der Tasche und schiebt dem Hund das ins Maul ohne loszulassen. Wenn der Mensch auf gleicher Höhe ist, gibt man ihm es und lobt, daß alle Menschen auf der Straße denken "der ist total bekloppt". Ich würde aber erstmal austesten, wie die kürzeste Entfernung ist wo der Hund andere Hunde/Menschen noch toleriert und alles langsam angehen lassen. Kommt doch mal ein Hund/Mensch zu nahe, lieber erstmal ausweichen oder den Rückzug antreten. Es darf keinerlei aggressives Gebärden mehr zustande kommen. Wenn es doch passiert ist es ein gewaltiger Rückschritt.

: 3) Bei ansatzweis egezeigtem aggressivem Verhalten postwendend umkehren oder: verharren und Ausführung einer Ersatzhandlung (Sitz/Platz) oder stattdessen in Bewegung bleiben und passieren?

Jetzt kommt es drauf an, wie sich der Hund in seinem neuen Rudel unterordnet und ob er sich bestrafen (Leinenruck, Schnauzgriff, Knurren...)läßt. Meiner muß, wenn er einen schlechten Tag hat und wieder fixiert oder an der Leine zerrt, Unterordnungsübungen machen.
Kennt der Hund Kommandos?
Mit der Zeit kann man wirklich einigermaßen relaxt zumindest an Menschen mit durchhängender Leine vorbeigehen und der Hund läuft brav bei Fuß und schaut einen unbeiirt an. Was meiner nicht leiden kann, ist von anderen Menschen angestarrt zu werden, besonders von Männern. Er hat, wie mit anderen Hunden beiden Geschlechts, schlechte Erfahrungen gemacht.
Vielleicht ist es ja bei diesem Rüden auch der Fall. Nicht jedes Verhalten kann man mit Dominanz des Hundes beziehungsweise mit fehlendem Führungsvermögen von den Haltern begründen.

Ich habe bestimmt noch eine Menge vergessen, aber wenn Du noch Fragen hast fällt mir bestimmt noch was ein.

Wie groß und schwer ist denn der Hund? Je kleiner desto einfacher ;-)!

Viele Grüße

Susi

15. September 2000 19:35


eins vorweg, deine Zeilen haben durch aus geholfeb, wenn auch derzeit (erst noch) mir und nicht dem Hund meiner bekannten. Es geht mir da momentan um eine gedankliche Vorarbeit udn darum klarzumachen, dass die derzeitige -wenn auch ersehnte und sehr begrüßte -Beruhigung durch das Halti erst der Anfang ist und lediglich eine Symptomatik in ihren Ausma0en vermindert.

:es ist nicht ganz einfach zu antworten, wenn man hund und halter nicht sehen kann.

Dieses Problem haben wir auf dem virtuellen Weg ja aber leider fast immer...

Eine weitere Frage noch:

: 3) Bei ansatzweis egezeigtem aggressivem Verhalten postwendend umkehren oder: verharren und Ausführung einer Ersatzhandlung (Sitz/Platz) oder stattdessen in Bewegung bleiben und passieren?

:Ich habe mit zwei völlig entgegengesetzten ansätzen weiter kommen können:
:- Völlig regungslos stehen bleiben (verhindert aufregung des menschen und damit falsche :stimmungs-bestärkung), bis der hund wieder blickkontatk aufnimmt.

:- Schnell vorbeilaufen, dass die situation hinter uns liegt. (gut bei ängstlichen hunden).

Würdest Du letzteres bevorzugen in sehr beengten Situationen, etwa Treppenhaus oder schmaler Gehweg? Hier scheint mir die Distanz zum Gegenüber zu gering, um den Hund einer solch nahen Begegnung in einer ruhenden Position zuzumuten, da auch der Zeitraum länger ist, den der Hund das "feindliche Objekt" ertragen muß. Mir erscheint da ein zügiges, aber unaufgeregtes Passieren mit dem Hund auf der Passanten abgewandten Seite zunächst sinnvoller.
Das ruhige Verharren möchte ich da zunächst bei Trainingspersonen üben, die selbst nichts zur weiteren Aufregung beitragen.

Viele Grüße,

andreas


15. September 2000 22:39

Hallo Andreas,

da habt ihr ja ein ganz schönes Päckchen mit dem Hund, wenn auf auf alles "geht"...;-)

Nun gebe ich meinen Senf auch noch einmal dazu. Da mein Rüde hundeaggressiv ist ( war ????) habe ich 6 Jahre Erfahrung mit sowas und alles durchprobiert was mir untergekommen ist. Aus dieser Erfahrung (und der mit anderen Hunden in der Hundeschule bzw. mit einem Pflegehund) heraus kann ich nur sagen:

1.) Hände weg von jeglicher Bestrafung/"Unterordnung" in Zusammenhang mit "Fehlverhalten" bei Begegnungen, vor allem nicht noch im Vorhinein einschüchtern und ermahnen! Im Alltag ist wohl die von Martin genannte zweite Alternative - rasch und kommentarlos vorbeigehen, dabei die Leine am Halti so kurz nehmen, wie eben nötig ist, damit niemand zu sehr belästigt wird - meist die bessere. Und zwar da das Publikum dann nicht so lange angebellt wird und weil einzelne Hunde sich in so eine Aggrressionsdemo auch reinsteigern können und dann "stundenlang" weiterbellen. Mein eigener war früher völlig abgedreht: nachdem er drei Waus gesagt hatte, war er weder über Strafe noch über Belohnung mehr zu erreichen, wie im Rausch.

2.) Am Halti soll sowieso nicht "geruckt" werden. Andererseits ist an kurzer Leine keine Verletzung zu befürchten. Von daher würde ich zwar zumindest anfangs eine zweite Leine benutzen (eine am Halti, eine am Halsband festgemacht), da sich manche Hunde, falls sie extrem toben, wirklich rausziehen können. Aber das Halti kann seine tolle Kontrollwirkung, die - wie Du ja auch schreibst - vor allem die Besitzer vom Streß entlastet - nur dann entfalten, wenn der Hund auch am Halti gehalten wird und nicht am Halsband. Diesen Fehler machen aber sehr viele Leute und gerade solche, die Halti und Halsband direkt koppeln: wenn der Hund stark zieht, wird dann immer noch zuerst die Halsband-Leine straff und die Haltileine hängt noch durch. Dann aber kann man sich das Halti auch gleich sparen. Das ganze ist typisch für Leute, die dem Halti nicht trauen. Denen nehme ich dann manchmal einfach die zweite Leine weg, damit sie endlich mal merken, wieviel besser sie den Hund mit Halti halten können. ;-)

3.)
: 2) Da ruhiges passieren derzeit noch meist ein Wunschtraum ist: ...

Es gibt noch einen "dritten Weg" - Desensibilisierung. Bei Hunden, bei denen ich kein belohnbares Verhalten bekommen kann, da sie äußerst erregt sind, fange ich zuerst mit einem Desensibilisierungsprogramm an: möglichst in dem Moment, wo der Hund (nicht der Besitzer!!!) den anderen Hund oder Menschen erspäht (Ohren stellt, guckt - aber normalerweise dann auch noch nicht losbellt, es sei denn, die Begegnung käme sehr überraschend), zieht der Besitzer schnell ein tolles Leckerchen/Spielzeug aus der Tasche und gibt es dem Hund/spielt mit ihm. Ziel: nach etlichen Wiederholungen (kann ggf. ein paar Wochen dauern!!!) verknüpft der Hund Mensch/Hund = Leckerchen, ebenso wie sonst Click = Leckerchen. Du erreichst so eine Umstimmung, die zur Entspannung führt und weitere Trainingsmaßnahmen mit Clicker erst möglich machen. Wichtig ist, daß nicht kommandiert, geclickt, gelobt und vor allem nicht gedroht und gestraft wird. All das lenkt nämlich nur von der Verknüpfung "Hund=Futter" bei Herrchen/Frauchen ab. Wird's zu eng, nimmt der Hund vor Aufregung nichts mehr. Dann eben Leckerchen wegstecken und vorbeigehen, ist zwar nicht ganz ideal (ideal wäre, es kommt gar nicht erst dazu, aber das schafft man im Alltag doch nicht), aber auch keine Katastrophe.

4.)
: welches ist der richtige Zeitpunkt zum Bestärken: anfängliches Ruhigbleiben, während schon "sensorische" Erkennung des anderen Hundes/Menschen erfolgt ist, etwa Rute hochgenommen, Ohren vorgenommen, Gegenüber fixiert, aber noch kein Knurren, Bellen etc.? Oder wird damit den Ansatz des unerwünschten Verhaltens, quasi in seiner Vorstufe bestärkt?

Das kann in der Tat recht leicht passieren, vor allem da Du das ja nicht selbst machen kannst. Viele Leute erkennen gar nicht, daß ihr Hund schon längst aggressiv starrt oder das Knurren in der Kehle sitzen hat. Es wäre fatal, wenn sie ausgerechnet das anclickern! Daher ist es sicherer, Du sagst ihnen, daß sie nur Weggucken vom passierenden Menschen/Hund oder Blickontakt zum Besitzer anclicken sollen. Sollte das vor lauter Streß praktisch noch gar nicht vorkommen, müßt ihr einige Zeit in Desensibilisierung stecken.

Ich hoffe, dies nutzt Dir was. Falls Du englische Bücher liest sind folgende ein Muß: "Dogs are from Neptune" von Jean Donaldson und "On Talking Terms with Dogs - Calming Signals" von Turid Rugaas, beide erhältlich bei crosskeysbooks.com in England.

Viel Erfolg,
Sabine