Abruf-Signal statt click""
08. Februar 1999 11:18

Ich benutze grundsätzlich eine klassische Konditionierung wie beim Clicker. Aber diesmal konditioniere ich als Signal den Ruf, den ich in Zukunft benutzen will, wenn mein Hund so schnell wie möglich zu mir kommen soll. Natürlich empfiehlt sich immer eine Pfeife, weil ihr Ton auch den Umgebungslärm gut durchdringt. Habe ich eine laute Stimme, reicht dies völlig aus.
ABER: Auf keinen Fall einen Ruf benutzen, den mein Hund schon kennt und gelernt hat gelegentlich zu ignorieren. Was ich hier im Vergleich zum C&B ändere, ist folgendes: Mein Hund und ich SPIELEN mit einem Spielzeug/Guetzli (je nach seiner Vorliebe) und WAEHREND ich so mit ihm zuhause spiele und quatsche, ertönt mein Abruf-Signal (AS) immer wieder zwischendurch. Optimal ist, wenn ich es in Lautstärke, Klang so einsetze wie später draussen vorgesehen ist. Ist das ihm oder mir zu laut, beginne ich etwas leiser. Da mein Hund aber aufgeregt mit mir spielt, wird das kaum nötig sein. Bald einmal hat er durch die Freude am Spiel mit mir ein inneres Bild geformt. Dieses Bild heisst: AS = Spass mit mir!! Das ist wörtlich zu nehmen: ob Guetzli, Spielzeug, knuddeln ist total egal. Mein Hund muss Spass haben und ich auch. (Achtung: Aufgeregte Hunde haben meines Wissens kaum je viel Freude am knuddeln sondern fühlen sich eher eingeengt. Meist ist es eher der Besitzer, der berühren will und dabei die Körpersprache seines Hundes ignoriert.) Zum Abschluss des Spiels mit Spielzeug wird zwingend ein Guetzli gegeben, damit mein Hund sich wieder etwas beruhigt (spielen = Jagen / Guetzli = Fressen = Beruhigung).

Achtung: Ist mein Hund nicht zum Spielen aufgelegt, kann es mir passieren, dass ich ihm sein Spielzeug/Guetzli aufdrängen will. Dann habe ich den Effekt der Zwangsfütterung. Igitt! Auch in Anwesenheit von Bekannten gleich reagieren. Die Wirkung des AS kann nur konstant bleiben, wenn meine Antwort darauf auch konstant ist. Ich versuche dann beim Spaziergang, wenn mein Hund etwas gelangweilt frei läuft, ob er mein AS richtig verstanden hat. Häufig genug geübt, wird er beim ersten AS sofort erwartungsvoll zu mir rennen und ich bin so froh darüber, dass ich natürlich entsprechend intensiv mit ihm spiele. Dabei achte ich darauf, dass meinem Hund das Spiel auch so gut gefällt wie mir. Ich wiederhole das AS, damit er es noch besser verbindet. Die Logik dahinter ist ganz einfach: Mein Hund erinnert sich, wenn er das AS hört, sofort daran, dass es bei mir aufregend, lustig und spannend ist. Das kann er sich natürlich nicht entgehen lassen. Der Fairness halber enttäusche ich ihn nie, wenn ich das AS benutze und spiele entsprechend mit ihm. Den Schwierigkeitsgrad (Ablenkung) erhöhe ich für meinen Hund immer etwas mehr. Sollte er einmal nicht reagieren, egal. Er war offensichtlich so abgelenkt, dass er gar nicht bemerkt hat, dass ihm etwas entgeht. Das passiert mir auch öfters, wenn ich voll konzentriert arbeite und jemand reinkommt und mich anspricht. Die ersten Worte höre ich gar nicht, bis ich mich aus meiner Konzentration lösen kann. Das ist keine böse Absicht, es ist einfach so. Für meinen Hund gilt: je mehr Spass er beim Spiel mit mir nach dem AS hat, desto besser durchdringt es seine Ablenkung. Damit er sicher nicht verlernt, wie wichtig das AS für ihn ist, übe ich es ab und zu wieder wie zu anfangs. Mir macht das Spass, miteinander spielen tut uns gut und hebt die Laune. Natürlich muss ich jetzt nicht immer, um meinen Hund zu mir zu rufen, das AS benutzen. Das normale Herrufen reicht in vielen Situationen völlig aus, dass er zu mir kommt. Dabei sollte ich aber eines bedenken: Für ihn ist es natürlich, mehr oder weniger in meiner Nähe zu bleiben.

****Nicht natürlich ist es, ganz nahe heranzukommen. Das gibt es im Rudel nicht. Hunde haben kein Signal das sagt: Herkommen. Sie haben aber viele feinabgestimmte Drohgebärden zur Verfügung, die deutlich sagen: geh weg! Darum ist für mich ein sauberes Herankommen meines Hundes auch auf Ruf ohne AS immer ein kleines Danke wert.****

Rege ich mich auf, dass er zu langsam kommt, empfängt er sofort ein Drohsignal, das ihm unweigerlich sagt: komme ja nicht näher, ich werde gleich wütend / komme nur langsam näher und sei unterwürfig / versuche mich durch Spieleinladungen umzustimmen. Deshalb zögert Dog häufig, wenn ich ihn rufe und nicht gerade bester Laune bin. Er kann nicht verstehen, dass ich als Mensch fordere, dass er kommen soll. Soviel Menschensprache versteht er schlichtweg nie. Die Botschaft meiner Stimme und meines Körpers drückt ganz deutlich aus: beschwichtigen, Chef sauer. Wird er gelobt, nachdem er unter Druck (Drohen) doch hergekommen ist, entspannt ihn das zwar, aber schneller herkommen kann er das nächste Mal unter demselben Druck trotzdem nicht.

Ich wünsche allen, die das AS ausprobieren ebensoviel Spass und Erfolg wie jenen, die das bereits benutzen. Es ist kein Wundermittel sondern eine Sache des Trainings und der eigenen Fähigkeiten, den Hund einzuschätzen.

Das Abruf-Signal habe ich vor ca. 7 Jahren anhand eines Artikels von Roger Mugford über Spielen statt Jagen ausgebrütet (damals ohne jegliches Wissen über Konditionierung). Es ist absolut nicht neu sondern wohl eher wenig bekannt. Dank dem Einsatz des Clickers und einer anderen Methode ("Hunde naturnah erziehen", ein Eigenprodukt) haben sich die Situationen, in denen ich ein starkes Abruf-Signal brauche, sehr, sehr drastisch reduziert. Wir gehen jetzt auch im Wald fast immer ohne Leine spazieren. Ich wünsche Euch allen viel Freude an dieser recht einfachen Lösung und hoffe, Euer Erfolg damit in Verbindung mit Clicker-Training führt auch zu soviel mehr unbekümmerten Freilauf für Euren Hund wie bei meinem.

Roswitha +R


08. Februar 1999 13:55

Hallo Roswitha,

wieder einmal finde ich in Deinem Aufsatz auf den Punkt gebracht, was ich intuitiv bisher gemacht habe, und sehe, dass der Erfolg damit kein Zufall war.

Ich habe das Glück, selber die Züchterin meines kleinen Hundes zu sein, und konnte bestens auf die Grundsteine aufbauen, die ich in der Aufzuchtphase gelegt habe. Da war Lernziel Nr.1: Menschen sind nur gut, mit denen kann man viel Tolles erleben. Jedes Betreten des Wurfzimmers oder Gartenauslaufes habe ich mit den Worten angekündigt bzw. begleitet: "Hallo Leute!" (fröhlich, aufmunternd, vielversprechend ausgesprochen). Das war quasi mein AS und bedeutete, jetzt gibts Futter oder wird gespielt oder geknuddelt. Und alle Welpen versuchten sich zu übertrumpfen und vor den Geschwistern bei mir zu sein. In den 4-6 Wochen, die die Welpen bei mir und entsprechend reaktionsfähig waren, kamen wir auf schätzungsweise 250-350 Wiederholungen und damit zu einer sicheren Konditionierung. Das AS hat lange Zeit bei allen Ablenkungen funktioniert, nur konnte ich es natürlich in der ursprünglichen Form nicht weiter trainieren und verstärken. Und habe es leider auch versäumt, auf andere Art das AS zu verfestigen. So hat sich die Wirkung leider mit den Monaten verflüchtigt...

Ich beobachte bei mir selber, dass das Herankommen so lange gut klappte, wie ich meinen Hund rief, um ihm etwas Gutes zu tun, ihn zu irgendetwas Interessantem zu mir zu rufen. Sobald man anfängt, den Hund von etwas Interessantem wegzurufen, klappt es immer weniger. Vielleicht sollte man als Hörzeichen zum Heranrufen so was wie "Schau, was es bei mir gibt!" benutzen; man würde ein solches Hörzeichen in einer ganz anderen Stimmung geben und könnte auch gar nicht diese verflixte Drohung reinlegen, die den Hund so oft davon abhält zu kommen. In der Welpenstunde kann man ja oft beobachten, dass die Kleinen gut reagieren, wenn sie von ihren Besitzern freundlich angesprochen und aufgefordert werden. Dass sich aber bei dem Hörzeichen "Komm" sofort die Stimme und die Körperhaltung des Menschen ändern und die Welpen in jede Richtung lieber laufen als zu ihren Leuten. Ich glaube, dass man vielen Welpen durch den üblichen Kontext (Muss, sonst-passiert-was, gehorche-gefälligst; oder auch ich-weiß-dass-du-sowieso-jetzt-nicht-kommst) das Nicht-Herankommen beibringt; durch den anderen Kontext (lass-uns-zusammen-was-Tolles-machen) könnten die Welpen eher das Herankommen lernen.

Auf jeden Fall werde ich mein "Hallo Leute!" im Sinne Deines AS reaktivieren, denn ich bin überzeugt, dass die Erinnerung irgendwo tief im Hundehirn schlummert, und ich die positiven Empfindungen von damals hervorlocken kann, wenn ich die Tonlage nur wieder richtig hinkriege. Besten Dank für diese Anregung! (Ich habe mir sowieso gerade Gedanken gemacht, wie wir dem Problem außer mit der langen Leine zu Leibe rücken könnten.)

Sabine & Beta

08. Februar 1999 17:16


Grüß Dich Sabine,

du bemerkst sehr richtig:

: Ich beobachte bei mir selber, dass das Herankommen so lange gut klappte, wie ich meinen Hund rief, um ihm etwas Gutes zu tun, ihn zu irgendetwas Interessantem zu mir zu rufen. Sobald man anfängt, den Hund von etwas Interessantem wegzurufen, klappt es immer weniger.

Der grund liegt im wesentlichen darin, daß der hund lernt, weggerufen werden bedeutet ende der vorstellung. bestärkend wirkt auch nur, was dem augenbblicklichen appetenzverhalten (motivation) entspricht, also dummerweise genau die größte ablenkung. Wenn man jetzt von seinem rudelchef-roß absteigt, den hund ruft und ihn mit einem aufmunterndem wort (oder nach dem click) sofort wieder an die interessante stelle schickt, am besten sogar mitläuft (bestärkend durch rudelgemeinsamkeit), hat man sehr schnell einen gut kommenden hund.
Jetzt darf man auch drohung in die stimme legen, falls der hund keine anstalten macht. dieser zeitpunkt kommt so sicher wie das amen in der kirche. Er steht dann vor der entscheidung
# nicht kommen / chef-sauer ende vom spaß?
# kommen und eventuell wieder zurück mit wonne?

Diese entscheidung wird schnell gelernt. Man muß aber mit der schleppleine das selbstbelohnen verhindern.
Das abrufen ist immer das erste, was ich nach dem SITZ mit tierheimhunden übe. schleppleine um, raus und kommen üben. Nach drei bis vier spaziergängen kommen die hunde oft besser als andere bei ihren langjährigen besitzern. natürlich gibt es da wieder einen rückschritt, aber der gehört zum lernprozeß.

Übrigens probier einmal dein original-signal "Hallo Leute" in einer reizarmen umgebung und bestärke es.
dann versuch es unter normalen umständen. ich bin gespannt auf den ausgang.

tschüß martin & mirko




08. Februar 1999 21:46

Hi Roswitha und alle anderen,

ich finde deine Meldung ziemlich interessant (nicht, daß du denkst, ich will wiedre nur dran rummeckern).

Ich hab aber trotzdem eine FRAGE (soll heißen, ich besteh nicht darauf, recht zu haben)oder wie auch immer man das nennen soll.

Und zwar:
:
: Rege ich mich auf, dass er zu langsam kommt, empfängt er sofort ein Drohsignal, das ihm unweigerlich sagt: komme ja nicht näher, ich werde gleich wütend / komme nur langsam näher und sei unterwürfig / versuche mich durch Spieleinladungen umzustimmen.

Wenn mein Hund während er kommt irgendwo zwischendurch was interessantes zum Schnüffeln entdeckt, und ich sage dann irgendwas ruhig, aber mit tiefer Stimme und bedrohlich, hört er auf, zu schnüffeln und kommt. Kann es sein, daß er, wenn er nur zu langsam kommt, dieses Drohverhalten nicht versteht (denn er kommt ja), wenn er aber eine andere Handlung beginnt, das Drohsignal durchaus auf diese zweite Handlung bezieht, und damit aufhört?

Also mein hund kommt, wenn ich "drohe", nachdem er eine zweite Handlung begonnen hat (nicht, wenn er zu langsam läuft, das ist klar), schneller. Allerdings unterlässt er dadurch das nächste mal wirklich nicht, wieder zu schnüffeln, auch da hast du recht.

Bis dann morgaine

09. Februar 1999 13:47

Hallo Martin

Ich denke, Du kennst das Premack-Prinzip in der Erklärung wie ich: live rewards.
Da die live rewards aber eben Jogger, Autos, Pferde, Züge etc. sein können, ist
das ja nicht sehr sinnvoll. Mit dem AS mache ich aber "systhetisch" dasselbe.
Ich gebe meinem Hund den live reward gefühlsmässig und verbrauche damit die
Energie, die er normalerweise beim Hetzen loswird und führe es noch in die
Endhandlung durchs Futtern.

Somit wird der Abruf auch nicht zur Unterbrechung des gewünschten Handlung, was
schlussendlich passiert, wenn Du ihn zum gleichen "Ding" zurückschickst, das er
ursprünglich wollte, sondern werde attraktiver als das Gewünschte.

Die Umorientierung findet recht schnell statt, Risiko der "Beachtung der langen
Leine" fällt weg und mit ein wenig Geschick erhält der Hund genau das, was er
ursprünglich wollte, aber eben "synthetisch". So "synthetisch" wie der Border Collie
die Schafe und der beuteaggressive Schutzhund den Schutzärmel.

Ein gut "gearbeiteter" Sporthund wird einige Zeit nach dem Training benötigen, um sein
(falls vorhanden natürlich) Bedürfnis nach Hetzen unerlaubter Beute wieder aufzubauen
(reizspezifische Ermüdung).

Na zuviel versprochen?
Roswitha

09. Februar 1999 14:05

Hallo Morgaine

: ich finde deine Meldung ziemlich interessant (nicht, daß du denkst, ich will wiedre nur dran rummeckern).
Du könntest auch Meckern, weshalb nicht?

: Wenn mein Hund während er kommt irgendwo zwischendurch was interessantes zum Schnüffeln
entdeckt, und ich sage dann irgendwas ruhig, aber mit tiefer Stimme und bedrohlich,
hört er auf, zu schnüffeln und kommt.

Klar, das wird nicht in Abrede gestellt. (Drohen für schnüffeln = aufhören zu schnüffeln ist
auch seiner Meinung nach hundelogisch). Dass er dann kommt, hoffe ich sehr, sonst wäre Euer
Verhältnis arg belastet.

:Kann es sein, daß er, wenn er nur zu langsam kommt, dieses Drohverhalten
nicht versteht (denn er kommt ja), wenn er aber eine andere
Handlung beginnt, das Drohsignal durchaus auf diese zweite Handlung
bezieht, und damit aufhört?

Körperliche Reaktionen eines Hundes auf Drohverhalten sind so fein abgestimmt, dass bis der Besitzer es
als solches sieht, schon recht starke Reaktionen beim Hund ablaufen müssen. Da Du aber drohst
(das kann auch sehr fein abgestimmt sein, Körper anspannen genügt, auch jegliches Wort), muss Dein
Hund nun wirklich zu Dir, um Dich zu besänftigen. Ein anderer Hund würde vielleicht eben stehenbleiben
(so wie einer von meinen und auf besseres Wetter warten) oder eben wieder scnüffeln gehen
(als Konfliktverhalten zwischen Kommen wollen und nicht können).

Das AS ist für "Notsituationen" wie Jogger, Pferde, Katzen hetzen, grosse Distanzen, Angriffe meines
Hundes blocken, ihn an der Verfolgung scheuer Hunde hindern. Üben muss man aber immer wieder mal ohne
so starke Ablenkungen. Dies aber nicht für den Hund, sondern wegen "menschlicher Unmöglichkeit" immer
richtig zu dosieren. Ich hatte mal E-Mail Kontakt mit einer Kanadierin, die so ihren Greyhound von
Katzen abruft. Auch sie musste feststellen, dass sie ZWINGEND nach einer solch starken Unterbrechung
(Katzen sind anscheinend fast immer DAS Heztobjekt Nr. 1) ein ganz speziell intensives Erlebnis bereit-
haben musste für ihren Greyhound.

Soviel ich mich erinnern kann, reagiert auch Dein Hund zeitweise etwas aggressiv auf Radfahrer oder so.
Versuch doch einfach in den nächsten 2-3 Wochen, das AS selbst einzubauen. Bei meiner Hündin griff es
innert 2 Wochen, nachdem sie schon einigen Schaden angerichtet hatte (inkl. Radfahrer gebissen). Bei einem
Bekannten hörte sein Border Collie dadurch auf Autos zu hetzen. Die Liste wäre recht lang, der Grund immer
derselbe, das AS.

Tschüss
Roswitha