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Doch keine Opportunisten ?

geschrieben von Rolf & Barney(YCH) 
Doch keine Opportunisten ?
06. Dezember 2000 15:48

Hallo Yorkies,

ich möchte eine Diskussion zum "Umgang mit konkurrierender Motivation" einläuten :-) .... als Einstieg ein paar Beispiele:

1.) Jagdverhalten

Ein Hund hat mittels CT gelernt, ständig in der Nähe seines Menschne rumzuwuseln. Mittlerweile ist es so, dass er sich nicht mal mehr für Katzen interessiert, die unmittelbar vor ihm über die Straße sausen. Er schaut ihnen hinterher, schaut zu seinem Menschen, wartet auf CT .... Wildfährten, Schafe u.s.w. sind ihm auch "schnuppe". Dieser Hund war früher bis zu 2 Tagen weg - auf der Jagd - und hat sogar mal ein Schaf gerissen !

2.) Futterverweigerung

Hunde lernen problemlos via "Doggie-Zen", vom Futter wegzuschauen. Wenn die Übung weiter aufgebaut wird, liegt der Hund - das Lachsplätzchen zwischen den Pfoten - ca. 2m vor seinem Trainer schaut ihn an. Click & Hund frißts :-) . Die Hunde machten beim Training fast nie einen "Fehler", werden auch nie fürs "trotzdem fressen" - was zuweilen vorkommt - bestraft.

3.) Sozialverhalten

Ein Rüde, der problematisch mit anderen Rüden war (und es teilweise noch ist, dass sei dazu gesagt), konnte mittels CT lernen wie er sich im freien Kontakt mit anderen Hunden benehmen kann, ohne dass es zu einer "kriegerischen Auseinandersetzung" kommt. Das Sozialverhalten hat sich deutlich verbessert, er ist auf dem besten Wege ein wirklich cooler Hund zu werden (er liebt immer noch die wilden Wälder, die nächste Aufgabe ;-) ). Interessant am Rande: Die ersten Schritte waren unheimlich zäh, jetzt geht das Training immer schneller voran.

Solche und ähnliche Beispiele kennt wohl jeder Clickerer. Was ich gerne diskutieren würde, ist, was ihr für *Erklärungen* dafür habt, dass Hunde trotz starker konkurrierender Motivation (Jagen, Fressen, Raufen etc.) ausschließlich mittels positiver Bestärkung lernen können, dem "Offensichtlichen" eben nicht nachzugeben.

Die Hunde entscheiden sich *gegen* die unmittelbare Möglichkeit zum Jagen, Fressen, Raufen - und *für* ein erlerntes Verhalten, dass womöglich nicht einmal verstärkt wird (- variabel verstärktes Alternativverhalten). Ich dachte immer, die Biester seien so knallharte Opportunisten ?

Was meint ihr ? Wie kommt das ? Ich finde das immer wieder höchst erstaunlich.

Ciao

Rolf & Barney

06. Dezember 2000 21:24

Hallo Rolf,

na dann will ich mal versuchen dem "Geläut" nachzugehen:
und da fiel mir ganz spontan ein...

:
: ich möchte eine Diskussion zum "Umgang mit konkurrierender Motivation" einläuten :-)

daß möglicherweise durch den Lernprozeß in Minischritten die Konkurrenz einfach als solche nicht mehr existent ist. Sie haben durch den anderen Erfolg ihre Opposition allerdings nicht aufgegeben, da Du ihnen auch weiterhin ihre ganz persönlichen Interessen gewahrt hast- auch da sind sie "knallhart":-))Sie haben sich für einen anderen Vorteil entschieden.


: Ein Hund hat mittels CT gelernt, ständig in der Nähe seines Menschne rumzuwuseln.

Dieser hat vielleicht erstmals gelernt, daß soziale Nähe für ihn existentieller ist, als einer Spur zu folgen. Ich denke der "Zauberwirkung" des Clickertrainings als, sagen wir mal technischen Ablauf, ist es allein nicht zuzuschreiben, sondern ich denke , da sind die sozialen Interaktionen nicht unwesentlich. Der Erfolg des Trainings gerade beim Jagdverhalten ist meineserachtens von vielen Faktoren abhängig und wohl von Hund zu Hund verschieden, aber eine Jagddiskussion soll dies ja nicht werden :-)

:2. Futterverweigerung:

: Die Hunde machten beim Training fast nie einen "Fehler", werden auch nie fürs "trotzdem fressen" - was zuweilen vorkommt - bestraft.

Wo ist hier die Konkurrenz? Sie haben gelernt, ich krieg es.

:
: 3.) Sozialverhalten
:
: Ein Rüde, der problematisch mit anderen Rüden war (und es teilweise noch ist, dass sei dazu gesagt), konnte mittels CT lernen wie er sich im freien Kontakt mit anderen Hunden benehmen kann,

Der Hund hat auch in einem Prozeß seine Aggressionen etablieren dürfen, obwohl - und da bin ich mir ziemlich sicher- es für ihn letztlich enormen Streß bedeutet.
Durch das Training hat er lernen können, sich entspannter zu verhalten durch eine für existentielle Alternative: nämlich nicht raufen zu müssen, dafür aber mal ein Extraleckerchen, keine Leine mehr, entspannte Zweibeiner usw.
Der Anfang ist dabei wohl immer zäh, um die ziemlich verwurzelte Aggression "aufzuweichen". Gerade im Bereich der Aggression nimmst Du dem Hund die konkurrierende Motivation, meine ich. Irgendwann ist es für den Hund keine grundsätzliche Entscheidung mehr: Raufen oder nicht, weil er an sozialer Sicherheit gewinnt, verbunden mit größerem Freiraum.
das kann halt ein wenig dauern...

: dass Hunde trotz starker konkurrierender Motivation (Jagen, Fressen, Raufen etc.) ausschließlich mittels positiver Bestärkung lernen können, dem "Offensichtlichen" eben nicht nachzugeben.

Wie gesagt, die Konkurrenz schwindet, Freiräume und Sicherheit im Sozialgefüge wachsen. Ich seh´s wie immer ganzheitlich:-)
Aber: man sollte nicht vergessen, daß nicht alles "alte" Verhalten vollkommen erlischt, sondern unter bestimmten Umständen, da ebenfalls erlernt und noch dazu meist in der Jugend, irgendwann mal wieder auftauchen kann...

: Ich dachte immer, die Biester seien so knallharte Opportunisten ?:

Ja, das sind sie auch, aber mann merkt es bei einer guten Koalition halt nicht so.:-))


Tschüß

Carola

06. Dezember 2000 20:57

Hallo Rolf,

ich fange mal hinten an, um mich dann nach vorne zu arbeiten:

:Ich dachte immer, die Biester seien so knallharte Opportunisten ?

Wenn sie das wären, dann würde bei uns im Tierheim ein Hund trotz täglichem ausreichendem Nahrungsangebot nicht drei Wochen lang nichts mehr fressen, nachdem seine Halterin gestorben ist.

Dies als Aufhänger zu den Gedanken, die mir spontan zu Deiner Rage einfallen. Ich räume jedoch ein, dass ich die Sache nich tlange durchdacht habe und dennoch „Unausgegorenes“ von mir geben möchte, weil ich Deine Anregung interessant finde und sich so vieleicht die Diskussion in Gang bringen läßt.

:Was ich gerne diskutieren würde, ist, was ihr für *Erklärungen* dafür habt, dass Hunde trotz starker konkurrierender Motivation (Jagen, Fressen, Raufen etc.) ausschließlich mittels positiver Bestärkung lernen können, dem "Offensichtlichen" eben nicht nachzugeben.
Die Hunde entscheiden sich *gegen* die unmittelbare Möglichkeit zum Jagen, Fressen, Raufen - und *für* ein erlerntes Verhalten, dass womöglich nicht einmal verstärkt wird (- variabel verstärktes Alternativverhalten).

Auf Anhieb würde ich sagen, dass das, was wir vordergründig beim Training als Bestärker betrachten, nicht die einzige Bestärkung ist, die Hund erlangt und auch seine Motivation nicht nur darauf gerichtet ist.
Meines Erachtens spielt eine erhebliche Rolle der soziale Bezug bei dem Umgang mit dem Hund, dessen „richtiges“ Verhalten ihm soziale Anerkennung einbringt, „transportiert“ durch die Bestärkung. Integration und Eingliederung in sein Rudel sind von seinem Wohlverhalten abhängig. Von daher wird wohl zu einem guten Teil soziale Akzeptanz vermittelt, die vielleicht den eigentlichen und grundlegenden Bestärker darstellt.

In diesem Falle wäre es dann nicht mehr so verwunderlich, dass andere Motivationen mit diesem essentiellsten und existentiellsten Bedürfnis nicht konkurrieren können.

Aber vielleicht -jedoch nur vielleicht- ist das alles auch Humbug... ;-)

Viele Grüße,

andreas

06. Dezember 2000 21:28

Hi!

: Meines Erachtens spielt eine erhebliche Rolle der soziale Bezug bei
: dem Umgang mit dem Hund, dessen ?richtiges? Verhalten ihm soziale
: Anerkennung einbringt, ?transportiert? durch die Bestärkung.
: Integration und Eingliederung in sein Rudel sind von seinem
: Wohlverhalten abhängig. Von daher wird wohl zu einem guten Teil
: soziale Akzeptanz vermittelt, die vielleicht den eigentlichen und
: grundlegenden Bestärker darstellt.

Und hier fragen wir uns:
Ist das Verlangen nach sozialer Bindung nicht purer Egoismus?
(So ganz frei nach Nietzsche. winking smiley )

Tharin

06. Dezember 2000 21:43

Hi, Rolf!

: ich möchte eine Diskussion zum "Umgang mit konkurrierender Motivation" einläuten :-) .... als Einstieg ein paar Beispiele:

Tut mir wirklich leid, aber für eine Diskussion reicht meine Clickererfahrung (nämlich gar keine ;-) ) noch nicht aus...

Ich hab' aber schon auf clicker.de gemerkt, dass du ein ziemlicher Experte darin bist, also hoffe ich, du kannst mir als Neuling kurz mal helfen.
Ich hab' mir nämlich einen total ängstlichen Hund aus dem TH geholt, deshalb würde mich brennend interessieren, wie ihr bei dem Rüden aus deinem Beispiel das Sozialverhalten gebessert habt. Vielleicht hast du ja einen Tip für mich (darüber stand in dem Buch, das ich gelesen habe, nämlich nichts), das wäre wirklich toll.

Liebe Grüße, Babsi

07. Dezember 2000 15:15

Hallo Carola,

: na dann will ich mal versuchen dem "Geläut"
: nachzugehen:

prima... ;-)

: da Du ihnen auch weiterhin ihre ganz
: persönlichen Interessen gewahrt hast- auch
: da sind sie "knallhart":-))

Ja, das leuchtet ein. So habe ich es noch nicht betrachtet.

: Dieser hat vielleicht erstmals gelernt,
: daß soziale Nähe für ihn existentieller ist,
: als einer Spur zu folgen.

Mmmh, stimmt wohl. Der Hund (es ist einer meiner Hunde) ist mittlerweile fast schon penetrant anhänglich.

: Erfolg des Trainings gerade beim Jagdverhalten
: ist meineserachtens von vielen Faktoren abhängig
: und wohl von Hund zu Hund verschieden, aber eine
: Jagddiskussion soll dies ja nicht werden :-)

Das mit dem multifaktoriellen Dingsbums sehe ich auch so, gerade beim Jagdverhalten. Aber um Himmels willen !! Bloß keine Diskussion übers Jagdverhalten (wer ist nur auf dieses dämliche Beispiel gekommen ? :-)) )

: :2. Futterverweigerung:

: Wo ist hier die Konkurrenz? Sie haben gelernt, ich krieg es.

Ja, schon. Aber das Leckerchen liegt zwischen den Pfoten. Verführerisch duftend. Und Wuffi guckt, und guckt, und guckt und ..... "click" und mampf ! Warum nicht vorher ? Wieso warten ? Das meinte ich.

: Der Anfang ist dabei wohl immer zäh, um die
: ziemlich verwurzelte Aggression "aufzuweichen".

Vor allem bekommt man zu Beginn nur wenig bestärkbare Aktionen. Da muß man schon ein unheimliches Vertrauen in "die Methode" haben :-)

: Wie gesagt, die Konkurrenz schwindet, Freiräume
: und Sicherheit im Sozialgefüge wachsen.

Du meinst, wenn ich Dich recht verstehe, dass Begleiteffekte des Trainings wie soziale Sicherheit etc. allgemein zu einem, ich nenne es mal "ausgeglicheneren Zustand" führen. Deswegen geht das Training wieder besser voran u.s.w. - eine positve Rückkopplung sozusagen. Eins wirkt aufs andere ?

: Ich seh´s wie immer ganzheitlich:-)

Kein Problem, im Gegenteil. So langsam wächst auch in mir die Erkenntnis, dass da "mehr" sein muss als S-R-O , viel mehr !

Danke für Dein Posting, wieder ein Stück im Kopf-Puzzle einfügen können !

:-)))

Ciao

Rolf & Barney