Befehl + Konsequenz
26. August 1997 07:24

Hallo an alle! Jetzt habe ich mich nochmal eingehend mit allen vorliegenden Infos zum Clicker-Training befasst und da stellt sich mir folgende Frage
Wenn ich soweit gekommen bin, dass ich das gewünschte Verhalten mit einem Befehl verknüpfe und der Hund führt aber den Befehl nicht aus, was dann? Tief
in meinem Kopf ist da das Stichwort Konsequenz eingebrannt, d.h. die Weigerung, den Befehl auszuführen (setzen wir voraus, der Hund weiß, was ich von ihm will)
kann ich nicht ignorieren, sondern muß den befehl durchsetzen durch z.B. schärfere Wiederholung, sanften Druck etc. Was sagen die Clickerexperten dazu?
Kann ich meinen Hund überhaupt parallel mit üblichen Ausbildungsmethoden und Clicker-Training ausbilden (natürlich nicht in einer Übungssequenz)?
Grüße von Sabina, die immer noch in der Theorie steckt


26. August 1997 17:09

Sabina,

Deine Frage stellt sich wohl allen, die weiter "in der Theorie stecken". Wenn du erst einmal probierst, wird diese Frage zweitrangig.

Hallo an alle! Jetzt habe ich mich nochmal eingehend mit allen vorliegenden Infos zum Clicker-Training befasst und da stellt sich mir folgende Frage
Wenn ich soweit gekommen bin, dass ich das gewünschte Verhalten mit einem Befehl verknüpfe und der Hund führt aber den Befehl nicht aus, was dann?

Wenn man den "Befehl" (ein optischer oder akustischer Reiz) verknüpft, stellt man eine zeitliche Folge her von Reiz - im Alltagsdeutsch ein Signal - und Verhalten, d.h. der Hund zeigt dieses Verhalten oft und gern und auch schon unter verschiedenen Umständen. Die Häufigkeit der erfolgreichen Paarung bewirkt die Zuverlässigkeit der Ausführung. Dabei kommt es natürlich vor, daß der Hund das Signal nicht "befolgt", die Verknüpfung ist noch nicht sicher!
Dann sagt man einfach ganz neutral, ohne Emotion (!) "falsch", und es gibt nichts. Das Signal FALSCH hat eine ganz wichtige Funktion. Es sagt dem Hunddafür gibt es nichts, aber mach weiter, die Chancen stehen gut. Diese Information verstärkt die Verknüpfung von Signal und richtigem Verhalten. Dieser Zusammenhang ist keine Theorie, sondern eine gut belegte Beobachtung unter definierten Bedingungen.
Zeigt der Hund wieder Aktivität, gibt man das gewünschte Signal nochmals. Wenn der Hund kurz davor ist, es wirklich zu begreifen, scheint er manchmal wie vernagelt zu sein. Uns geht es genauso, bevor uns ein Seifensieder aufgeht.

Tief in meinem Kopf ist da das Stichwort Konsequenz eingebrannt, d.h. die Weigerung, den Befehl auszuführen (setzen wir voraus, der Hund weiß, was ich von ihm will)

Wenn er es "wüßte", würde er es tun, wenn dem nicht sehr gute Gründe entgegen stünden (kluger Ungehorsam).

kann ich nicht ignorieren, sondern muß den befehl durchsetzen durch z.B. schärfere Wiederholung, sanften Druck etc. Was sagen die Clickerexperten dazu?

Wie willst Du denn den Befehl <Schwanz zu wedeln> durchsetzen? Das ist diese uns auf vielen Plätzen eingebleute Herrenmentalität"Ich bin der Chef und du mußt."

Kann ich meinen Hund überhaupt parallel mit üblichen Ausbildungsmethoden und Clicker-Training ausbilden (natürlich nicht in einer Übungssequenz)?

Das würde ich nicht tun, weil es den Hund verunsichert. Beim Clicker soll er kreativ sein, Ideen entwickeln, aus denen wir Handlungen formen. Beim klassichen Korrekturtraining soll der Hund möglichst nichts eigenes wagen, sonst wird er "korrigiert".
Dann passiert es leicht, daß der Hund für ein und dieselbe Handlung das eine Mal bestärkt wird, das andere Mal korrigiert wird. Das führt im Extremfall zu einem neurotischen Hund.

Grüße von Sabina, die immer noch in der Theorie steckt

Komm raus aus der Theorie. Nur am Hund kannst Du lernen, was er alles lernen kann!

ciao Martin & Mirko


26. August 1997 17:24

Sabina,

es muß heißen:
Wie willst Du denn den Befehl "mit dem Schwanz zu wedeln" durchsetzen?

Konsequenz ist, an einem Verhalten stetig zu arbeiten und die Anforderungen langsam zu erhöhen, bis das Verhalten sehr sicher gezeigt wird.
Wenn Dein Hund 50 x DOWN gemacht hat bei Immerbelohnung, dann kannst Du für die nächsten 50 Versuche auf 2:1 und 3:1 (Verhalten:Bestärkung) übergehen. Danach auf Zufallsbestärkung. Wenn der Hund vielleicht 150 x down gemacht hat, kannst Du anfangen, das Signal DOWN zu verknüpfen. Das war jetzt ein Beispiel, um etwas verständlich zu machen, daß Übung nötig ist, um ein Verhalten geläufig zu machen.

ciao Martin & Mirko


27. August 1997 08:32

Hallo Martin & Mirko,

der „kluge Ungehorsam" den Du erwähnst, ist ein interessantes Stichwort.
So sehe ich zum Beispiel öfter folgende Situation:

Zwei Hunde treffen sich (ohne Leine) und mitten im „Begrüßungsritual" versucht ein Hundehalter
(überängstlich?) seinen Hund abzurufen.
Selten kommt der gerufene Hund zum Halter.

Ich habe dann das Gefühl, daß der Hund gar nicht anders kann, als das „Ritual" durchzuführen und
zu beenden (warum auch nicht?).

Ist es das, was Du mit „klugem Ungehorsam" meinst?

Bedingungsloser Gehorsam würde ja z.B. auch bedeuten, daß der Hund sich gegen seine Instinkte in Gefahr
bringt. Wenn der Hund bedingungslos gehorcht, würde das z.B. ja auch heißen , daß er auf Kommando
von Hochhaus springt (blödes Beispiel, ich weiß, dient nur der Verdeutlichung).

Muß man einem instinktsicherem Hund nicht einen gewissen Handlungsfreiraum lassen?
Sollte man nicht besser überlegen (vorausgesetzt der Hund hat das Hörzeichen wirklich verstanden)
warum ein Hund manchmal den „Gehorsam verweigert"?

Grüße Sonja


27. August 1997 13:20

Hallo Martin,

ich wuerde Dir gerne einmal meine Akitahuendin Mitsu vorstellen.
Sie ist Expertin für bockigen Ungehorsam und Liebhaberin selbst-
bestimmten Handelns. Ich setze mal voraus, dass sie sicher weiß, was
ich von ihr erwarte, wenn ich z. B. Sitz sage. Sie führt das Kommando
auch vom Liegen aus - wenn sie mag. Manchmal mag sie aber
nicht. Und wenn ich 2mal in solchen Situationen das Nichtsitzen
übersehe, mag sie kurz drauf noch viel seltener. Das ist wohl nicht das,
was Du mit klugem Ungehorsam meinst?! Mit Durchsetzen meine ich nicht
Gewalt, aber mir ist schon wichtig, dass sie einigermaßen zuverleassig
auf mich hoert. Wie soll ich ihr sonst Freiheit lassen können?

Aber ich denke, mir ist schon klar, was Du meinst (Signal FALSCH). Wer
von den hier Anwesenden hat denn schon Erfahrungen gemacht? Wer arbeitet
mit Clicker-Training? Und wie vertraegt sich das mit dem vorher erarbeiteten
Ausbildungsstand? Grüße, Sabina


09. September 1997 18:03

Hallo Sonja,

Du schreibst

der „kluge Ungehorsam" den Du erwähnst, ist ein interessantes Stichwort.
So sehe ich zum Beispiel öfter folgende Situation:

Zwei Hunde treffen sich (ohne Leine) und mitten im „Begrüßungsritual" versucht ein Hundehalter
(überängstlich?) seinen Hund abzurufen.
Selten kommt der gerufene Hund zum Halter.

Ich habe dann das Gefühl, daß der Hund gar nicht anders kann, als das „Ritual" durchzuführen und
zu beenden (warum auch nicht?).

Da sprichst du einen ganz wunden Punkt an. Die meisten Leute habe so wenig Ahnung vom Verhaltensritual der Hunde, daß sie in der sensibelsten Phase sinnlos eingreifen.
Wenn zwei etwa gleich starke und selbstbewußte Rüden sich begegnen, kann es etwas dauern, bis die Sache ausdiskutiert ist. Dann neigen viele Leute dazu, ihren "wegzunehmen" und innerhalb der nächsten Zehntelsekunde startet die schönste Rauferei. FazitIch muß meinen Hund eben noch eher wegnehmen.
Antwort NEIN! dann startet die Rauferei eben auch eher.
Richtig ist zu warten, bis beide markiert haben, mindestens aber, bis der erste es getan hat. Nach den Spielreglen darf der unterlegene Hund das Areal nicht verlassen ehe der andere das Ende der Begegnund durch markieren anzeigt.

Ähnlich ist es, wenn die Leute ihrem Hund den Kopf mit der Leine hochziehen, um ihn am Kontakt zum anderen zu hindern vor allem wenn er kontrolliert wird. Ist es der Unterlegene, kann der andere wie eine Furie auf ihn losgehen, weil er es als Drohung/Dominanzgeste und damit eigentlich als Frechheit interpretiert.

Ist es das, was Du mit „klugem Ungehorsam" meinst?

Zum einen ja. Zum anderen auch soetwas wie Nichtbefolgen von Befehlen bei z.B. großer Hitze, das Vermeiden eines Sprunges, wenn man den Aufsprungort noch nicht inspiziert hatte.

Muß man einem instinktsicherem Hund nicht einen gewissen Handlungsfreiraum lassen?
Sollte man nicht besser überlegen (vorausgesetzt der Hund hat das Hörzeichen wirklich verstanden)
warum ein Hund manchmal den „Gehorsam verweigert"?

Ja genau das ist es. Der Hund unterliegt mehreren Antrieben, nicht nur unseren "Befehlen". Er ist oft in einem Zwiespalt.
Durch Erfahrung in vielen Situationen (wo wir mit dem Clicker die uns genehme Reaktion kennzeichnen können)lernt der Hund über Gewöhnung, daß er bestimmte Signale etwas gelassenen interpretieren oder gar ganz ignorieren kann.

Viele Grüße von Martin & Mirko
(Der auf seine alten Tage am Ende gar noch das Katzenjagen bleiben lassen wird)