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Der Clicker und die Rassen

geschrieben von Sabine(YCH) 
Der Clicker und die Rassen
19. März 2001 08:39

Hallo Clickerfreunde,

der Artikel über den aggressive Kangalwelpen (Erziehung und Soziales) hat mich zu den folgenden Gedanken bewegt, zu denen ich gerne Eure Meinung erfahren hätte.
Ich habe etwas gegen Schubladen - Denken ( Retriever bringe alles und sind immer freundlich, Dobermänner sind scharf, Huskys ziehen ...).
Ich betrachte jeden Hund erst einmal als individuelles Wesen, beobachte ihn, versuche seine Motivation zu ergründen - es ist jedes mal eine Herausforderung. Vorurteile würden mich da nur einschränken.
Der Hund hatte ja mal Aufgaben, und danach wurde die Zuchtauswahl getroffen. Aber heute sind Hunde mit wirklichen Aufgaben die Ausnahme, Hunde aller Rassen werden als "Familienhunde" gehalten. Die Leute kommen (wenn man Glück hat rechtzeitig) in die Hundeschulen und -vereine und erwarten in jedem Fall eine kompetente Anleitung, ein Konformes Ergebnis - den immer und in allen Situationen gut hörenden und sozial ausgeglichenen Familienhund.
Es irritiert und ärgert mich schon, wenn Herdenschutzhunde als Familienhunde und wenn Huskys als Kinderspielzeug angeschafft werden, wenn Terrier und Dackel als verhätschelter Kindesersatz verdorben werden. Aber als Ausbilder muß ich in jedem Fall damit umgehen können, ich muß mit meinem Wissen um das Lernverhalten in jedem Falle mit dem Hund arbeiten. Einen aussichtslosen Fall nur auf Grund einer Rassezugehörigkeit gibt es für mich nicht.
Die Clickermethode (und damit verbunden das Wissen um die Lernbiologie und der allumfassende tagtägliche Umgang mit dem Hund) ist für mich so logisch, so das die Grenzen des Erlernbaren über die rassetypischen Veranlagungen hinweggehen
Voraus gesetzt, der Mensch ist bereit dazu, diesen Weg zu gehen. Wo sind die Grenzen (außer die individuellen, die im Wesen des jeweiligen Hundes liegen) ?

Sabine



19. März 2001 12:29

Hallo!

ich habe mir gerade mal die Diskussion um den Kangalwelpen reingezogen und war erschreckt, wieviel Unwissen von manchen Leuten nach wie vor unterschwellig vorhanden ist.
:

: Ich betrachte jeden Hund erst einmal als individuelles Wesen, beobachte ihn, versuche seine Motivation zu ergründen - es ist jedes mal eine Herausforderung. Vorurteile würden mich da nur einschränken.

Sehe ich genauso. Sonst hätte ich wohl Ridgeback, Bullmastiff, Briard, Yorkshire und Malteser neben mir in den Gruppen sitzen.

: Der Hund hatte ja mal Aufgaben, und danach wurde die Zuchtauswahl getroffen. Aber heute sind Hunde mit wirklichen Aufgaben die Ausnahme, Hunde aller Rassen werden als "Familienhunde" gehalten.

Eben, es schließt ja nicht aus, dass ich mich über die einzelnen Rassen als Ausbilder intensiv informieren muss. Natürlich hat ein Kangal eine andere Aufgabe gehabt als der Malteser. Ich hatte einmal ernstlich vor, mir einen solchen Hund anzuschaffen, bin aber davon weg. Warum? Das Treffen der Akbash/Karabah/Kangalleute war toll, die meisten Hunde waren verträglich und sehr sozial. Aber viele berichteten auch von dem enormen Aufwand dahin zu kommen. Es muß eben alles stimmen, nicht nur die eigene Konsequenz, sondern auch die Umwelt. Und das ist bei einigen gescheitert und hatte böse Folgen. Weil dann 85cm und 60kg ein echtes Problem sind.
: Voraus gesetzt, der Mensch ist bereit dazu, diesen Weg zu gehen. Wo sind die Grenzen (außer die individuellen, die im Wesen des jeweiligen Hundes liegen) ?

Gute Frage. Es sind eben sehr viele Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen. Der Mensch muß nicht nur wollen, er muß es auch umsetzen können. Der Hund muß seine Chance bekommen und darf nicht von irgendwelchen Faktoren dauernd vom Weg abgebracht werden.
Wenn ich an einen Tierheimhund denke, den seine blutige Anfängerbesitzerin mit meiner Hilfe jetzt nach 4 Monate wirklich so hingekriegt habe, dass ich fast an ein Wunder glaube - und muß nun hören, dass er zweimal innerhalb von einer Woche angefallen wurde...Da kommt mir so die Galle hoch, da fehlen mir die Worte.
Also - möglich ist mit dem nötigen Wissen und den richtigen Methoden bei allen Hunden unwahrscheinlich viel (sonst wären meine eigenen Hunde wohl nicht so alt geworden)- aber die Probleme kommen aus Richtungen, aus denen man sie gar nicht erwartet.
Dany


19. März 2001 13:12

Hallo Sabine,
die Grenzen bestehen für mich darin, daß ich mich immer wieder über die menschliche Ignoranz ärgere, daß jeder Hund beliebig hinzubiegen sei, auch wenn es gegen seine Natur ist.
Besonders beobachte ich Huskyleute (Privatleute), ich selbst habe einen Husky aus Leistungszucht, über Generationen nur für Zugsport gezüchtet. Er hat eine sehr gute Arbeitslinie. Mein Husky kann frei laufen, mein Husky hat keine Macken.
Und dann sehe ich so viele mit ihren Huskys an der Flexileine, neurotische und unkontrollierbare Huskys, auch aus Hundeschulen. Lernbiologie und Clicker sind schön und gut, dennoch gehört zur hundegerechten Haltung noch einiges mehr, weil Hunde keine Lernmaschinen sind und nicht nur durch Lob und Leckerli lenkbar.
Wenn der Mensch vergißt oder ignoriert, wozu die vielen Rassen gezüchtet werden/wurden und in seinem Machtdenken, und etwas anderes ist es für mich nicht, dennoch eine Rasse kauft, und dann will man mit dem Menschlichen Willen, daß sich auch dieser Hund hinbiegen läßt, dann ist das für mich in gewisser Weise lebensverachtend. Es tut mir leid.
Denn es funktioniert nicht so einfach. Bei vielen Individuen Hund vielleicht schon, da reicht das herkömmliche Wissen. Bei vielen anderen nicht und dann hat der mensch Probleme die er meist auf die Weise löst, den Hund als unerziehbar im Tierheim abzugeben.
Was bitte brauchen Menschen eben zB nordische Hunde oder HSH, wenn sie nicht einmal Aggression von Angst unterscheiden können, geschweige denn die feinsten Signale erkennen? Weil sie schön sind? Weil sie "in" sind? Weil Mensch glaubt, allmächtig wie er ist, über alles hinwegsehen zu können und sich alles untertan machen zu können?

Ich habe bei mir einen Husky (gerettet) aufgenommen, weil ich ihm das bieten konnte, was er brauchte: Ein funktionierendes Rudel mit weiteren Tieren, Respekt vor seiner Huskyseele und Auslauf in freier Natur. Ohne Leine, weil Bindung zum Rudel auch nicht mit Lernbiologie oder irgendeinem Hilfsmittel erreicht werden kann.
ChristineHd

19. März 2001 15:35

Grüß Dich Christine,

mit allem, was du zuvor schreibst, hast du recht. Aber über den folgenden satz, den du schon einmal in einem zeitschriftenartikel sinngemäß so geschrieben hast:

: ... weil Bindung zum Rudel auch nicht mit Lernbiologie oder irgendeinem Hilfsmittel erreicht werden kann.

habe ich mich seinerzeit so geärgert, dass ich spontan den artikel über Arko geschrieben habe in der hoffnung, dass offensichtlich wird, womit man bindung erreicht. Durch klarheit in der verständigung und durch gemeinsames (positives) erleben. Und dabei können hilfsmittel wie der clicker eine enorme hilfe darstellen. Nur eines geht nicht - da sind wir wieder bei den huskies - man kann nicht gegen die motivationen (oder veranlagungen) eines tieres arbeiten.

tschüß Matrin & Mirko




19. März 2001 16:08

Hallo Martin,
:
: : ... weil Bindung zum Rudel auch nicht mit Lernbiologie oder irgendeinem Hilfsmittel erreicht werden kann.
Der Satz ist mir jetzt etwas mißglückt, gebe ich zu, sollte so werden wie weiter unten erklärt.
:
: habe ich mich seinerzeit so geärgert, dass ich spontan den artikel über Arko geschrieben habe in der hoffnung, dass offensichtlich wird, womit man bindung erreicht. Durch klarheit in der verständigung und durch gemeinsames (positives) erleben. Und dabei können hilfsmittel wie der clicker eine enorme hilfe darstellen.

Ich weiß jetzt nicht, welchen Artikel du meinst, aber ich habe genau das auch geschrieben, mit anderen Worten natürlich. Wenn du dich geärgert hast, tut mir leid, aber immerhin konnte so die Welt von Arco erfahren, also hatte es letztendlich doch wieder sein "gutes" (in Anführungsstrichen, weil Arcos Geschichte ja sehr traurig war)
Mein Wortlaut war: "Keine noch so ausgeklügelte Erziehungsmethode kann dem einzelnen menschen dabei helfen, den Weg in die Seele seines eigenen Hundes zu finden. Kein Gerät wird diesem Menschen zeigen können, wie er mit seinem Hund kommunizieren kann. Und kein Gerät und kein Hilfsmittel wird Bindung herstellen, wo keine ist."
Und dieser letzte Satz, den Du wohl meinst, ergibt sich als Folge des vorher gesagten und soll dem Menschen eigentlich nur klar machen, daß er auch mit Hilfsmittel nicht weiterkommt, wenn er damit nicht umgehen kann. Zumindest danke für Deine Kritik, ich werde es in zukünftigen Forumlierungen deutlicher darstellen.
Was will ich damit sagen: Hilfsmittel KÖNNEN eine Hilfe sein, aber nur ihn den Händen von Menschen, die auch wissen, was sie tun. Wer zB die Hundesprache nicht versteht, wird auch mit besten Kenntnissen über Lernverhalten keinen Schritt weiterkommen, weil er nicht weiß, wann er bestärken muß.
Wer nicht die kleinsten Signale empfangen kann, wird bei Hunden wie Arco oder meinetwegen auch Bambuli keinen Schritt weiterkommen, weil diese Signale nicht mit Foto im Stillstand gezeigt werden, sondern oftmals einen Sekundenbruchteil.
Zusätzlich spielt dennoch auch die Körpersprache eine wichtige Rolle. Mit ihr, wie man sie zeigt, kommuniniziert man ebenfalls sehr viel mit dem Hund.
Meine "Botschaft": Den Hund verstehen. Dann braucht man viele Hilfsmittel nicht mehr, die der Mensch meint zu brauchen. Es richtet sich nicht generell gegen Hilfsmittel.
Solltest Du den Artikel meinen, den ich jetzt meine, wollte ich dem Boom entgegentreten, der da hieß, alles sei machbar, alles ist hinbiegbar, hat man nur Hilfsmittel zur Hand (einschl. Clicker)
ich bin ein kritischer Mensch (mir selbst gegenüber auch), ich stelle vieles in Frage, ich bin aber auch bereit, neues anzunehmen, dank Arco Clicker (so haben wir uns jetzt gegenseitig beeinflußt:-)

Liebe Grüße
ChristineHd



19. März 2001 17:03

Grüß Dich Christine,

: .. Wenn du dich geärgert hast, tut mir leid,

ach was, irgendwelche anstöße muss es doch geben!

: .. aber immerhin konnte so die Welt von Arco erfahren, also hatte es letztendlich doch wieder sein "gutes" (in Anführungsstrichen, weil Arcos Geschichte ja sehr traurig war)

Ja, so hat das viel mehr bewirkt, als ohne deinen anstoss.

: Und dieser letzte Satz, den Du wohl meinst, ergibt sich als Folge des vorher gesagten und soll dem Menschen eigentlich nur klar machen, daß er auch mit Hilfsmittel nicht weiterkommt, wenn er damit nicht umgehen kann.

Damit hast du völlig recht. Jeder hat halt einen anderen erlebnishintergrund, wenn er etwas formuliert.

: Was will ich damit sagen: Hilfsmittel KÖNNEN eine Hilfe sein, aber nur ihn den Händen von Menschen, die auch wissen, was sie tun. Wer zB die Hundesprache nicht versteht, wird auch mit besten Kenntnissen über Lernverhalten keinen Schritt weiterkommen, weil er nicht weiß, wann er bestärken muß.

Ja. Ohne solide kenntnisse über hundeverhalten, ausdrucksverhalten etc. kommt man nicht sehr weit.

: Wer nicht die kleinsten Signale empfangen kann, wird bei Hunden wie Arco oder meinetwegen auch Bambuli keinen Schritt weiterkommen, weil diese Signale nicht mit Foto im Stillstand gezeigt werden, sondern oftmals einen Sekundenbruchteil.

Siehst du, da triffst du einen ganz wichtigen punkt im beschwichtigungsbereich. Das züngeln ist oft so schnell und wird so früh gezeigt, dass die leute das gar nicht mitbekommen und ihren an sich friedlichen gestimmten hund bei einer begegnung erst so richtig aufbauen!

: Meine "Botschaft": Den Hund verstehen. Dann braucht man viele Hilfsmittel nicht mehr, die der Mensch meint zu brauchen. Es richtet sich nicht generell gegen Hilfsmittel.

Deine "Botschaft" habe ich längst verstanden nicht zuletzt durch die geschichte von Bambuli. Wenn ich nicht sicher wäre, dass wir das gleiche meinen, hätte ich meine bemerkung hier nicht öffentlich gepostet.
Aber es zeigt auch, wie schnell man missverstanden werden kann. Unter hund "verstehen" ist bei mir ein ganzes arsenal von menschlichen verhaltensweisen abgespeichert, die das vorgeben, aber dabei den hund immer nur als menschen interpretieren. Du meinst natürlich wirklich den hund.

tschüß Martin & Mirko smiling smiley))