Hallo Petra,
ich bin noch nicht lange im "Clicker-Geschäft", hoffe, Dir aber dennoch einen Rat geben zu
können. Meiner Meinung nach hast Du ein weit verbreitetes Problem mit Deinem Hundein
Dominanzproblem. Vielfach wird Dominanz mit Aggressivität verwechselt oder zumindest gekoppelt,
dem ist aber nicht so. Dominanz bedeutet prinzipiell "bestimmen, was gemacht wird", "den Ton
angeben", "die Initiative ergreifen". Prüfe doch mal das Verhältnis zwischen Dir und Jerry
dahingehend, wie oft er die Initiative ergreift (Aufforderung zum Streicheln, Spielen, Spazierengehen),
und Du dann seinen Wünschen nachgibst, gegenüber dem umgekehrten Fall. Beispiele wie Jerrys Verhalten,
in Gegenwart anderer Hunde nicht mehr auf Dich zu reagieren, sind Symptome dafür, daß sich
Dein Hund ziemlich viel Selbstbestimmungsrecht herausnimmt.
Noch vor ein paar Wochen hätte ich Dir zu ein paar Übungen und Verhaltensweisen geraten, die
Deine Position ihm gegenüber ins rechte Licht rücken sollten, und die auf dem "Alpha Modell"
basieren (Martin, verbessere mich, wenn ich was falsches erzähle). Hierüber ist in der
Clicker-List in der letzten Zeit viel diskutiert worden, ich konnte jedoch nur einen Teil
davon mitbekommen. Mit meinem heutigen Wissenstand rate ich Dir, mit dem Klicker-Training anzufangen.
Was dabei passiert, ist im Prinzip das gleiche, wie bei der konventionellen Methode
a) die Initiative für ein Verhalten geht (zumindest während des Lernprozeßes) von Dir aus
b) der Hund erhält bestimmte "Aufgaben", d.h. er lernt bestimmte "Tricks"; Du führst bestimmte "Regeln" ein
c) die Belohnung (alle guten Dinge) kommt von Dir - der Hund "arbeitet" für Dich bzw. für die
von Dir gereichte Belohnung
d) viele der Tricks, die der Hund lernt, stärken zusätzlich deine Position ihm gegenüber,
z.B. Augenkontakt, "geh' auf deinen Platz", generell"Platz", Gegenstände zu Dir bringen, etc.
PLUSDu hast die Vorteile, daß Du und Dein Hund den absoluten Spaß dabei habt, und Du ihn
auch in keinem Fall "herausforderst".
Für den Anfang solltest Du auf keinen Fall mit den beschriebenen schwierigen Problemen anfangen
(nicht zu anderen Hunden laufen, Knurren, Raufen unterbinden etc.). Starte zunächst mit einfachen
Kunststückchen, die Du zuhause trainieren kannst, wie Pfote heben (winken), Targeting (einen
gewünschten Gegenstand mit der Nase berühren, z.B. das Ende eines Stabes), Augenkontakt,
bestimmte Verhaltensweisen, die Jerry Dir anbietet, ausbauen (z.B. Verbeugen, Robben etc.).
Erst, wenn Ihr beide in diesem Spiel schon etwas geübt seid, solltest Du das große Ziel in
Angriff nehmen - dazu siehe Martins Tips "Clicker-Einsatz bei leicht ablenkbaren Hunden".
Hier noch ein paar direkte Anmerkungen zu Deiner Anfrage:
Mein Hund ist mittlerweile 20 Monate alt. Vom Charakter her gibt es kaum etwas auszusetzen,
bis auf ein paar Kleinigkeiten. Er bellt wie sonst was andere Hunde an, wenn er an der Leine ist.
Ist er frei geht meistens alles glimpflicher ab. Selbst wenn es mal zu kleineren Raufereien kam, wurde
nie ein hund verletzt.
Diesen Zeilen entnehme ich, daß Du Jerry meist von der Leine läßt, weil er dann eben nicht die anderen
Hunde anbellt. Für die nächste Zeit empfehle ich Dir aber trotzdem, Jerry meist an der Leine zu halten,
wenn andere Hunde in der Nähe sind. Gerade wenn Du Probleme mit Raufereien hast. Zunächst solltest Du
sein Verhalten an der Leine ignorieren, und zügig an den anderen Hunden vorbeigehen. Meist verstärkt man
ein unerwünschtes Verhalten wie Bellen oder anderes aggressives Verhalten an der Leine unbewußt durch
Schimpfen (man feuert dadurch den Hund eher an, weil die eigene Erregung den Hund noch weiter erregt) oder
durch Beruhigen (der Hund faßt dies als Belohnung für "erwünschtes" Verhalten auf). Alsoignorieren,
denn Verhalten, das nicht bestärkt wird, stirbt aus.
Ich habe versucht ihm dieses "aggressive" Verhalten mit strengem "Nein" abzugewoehnen,
auch die Ablenkung mit Leckerli hat nichts gebracht. Auch hat er die Angewohnheit zu jedem Hund hinzurennen
und ihn zu begruessen, oder ihn dann auch mal kurz "unterzubuttern", wenn er ihm nicht sympathisch war.
Ein "Nein" an dieser Stelle hilft gar nichts. Wenn auf den "Nein" nichts anderes, d.h. kein aversiver
Reiz folgt, verblaßt die Bedeutung des Wortes. Der Hund lernt, Frauchen sagt zwar "Nein", aber Auswirkungen
hat das keine, also kann ich eigentlich auch weitermachen. Das Gleiche passiert mit ähnlichen, als aversive
Reize gedachte Handlungen, z.B. Leinenrucks. Martin hat darüber in seinem Artikel in der Hunde Revue
geschrieben.
auch die Ablenkung mit Leckerli hat nichts gebracht. Auch hat er die Angewohnheit zu jedem Hund hinzurennen
und ihn zu begruessen, oder ihn dann auch mal kurz "unterzubuttern", wenn er ihm nicht sympathisch war.
Leckerli sind nicht zum Ablenken da. BeispielFolgende SituationAngenommen, Du wärst so ca. 17 Jahre alt, wohntest
zuhause bei den Eltern. Deine Freunde rufen Dich an, ob Du mit ihnen abends "einen drauf machen" möchtest.
Deine Mutter will Dich aber zum Daheimbleiben überreden, und bietet Dir eine Schachtel Pralinen an,
wenn Du daheimbleibst. Für was würdest Du Dich entscheiden?
Wenn Deine Mutter aber bekannt für ihre Überraschungen ist, und sie z.B. mal mit Dir in ein Konzert
(Michael Jackson, oder was auch immer) geht, oder eine Überraschungsparty organisiert, und sie Dir an
diesem Abend sagen würdeWenn Du daheim bleibst, könntest Du eine Überraschung erleben!, wirst Du Dir
die Sache sehr genau überlegen.
Das ist zwar ein blödes Beispiel (jedes Beispiel hinkt), aber gibt im Prinzip wieder, was beim
Clicker-Training passiert. Dem Hund wird vorgeschlagen, etwas zu tun, wenn er es tut, kann es einen
"Jackpot" geben, wobei für den Hund der Jackpot als höchste Belohnung im Sinn steht.
An Deiner Stelle würde ich ihn vorläufig nicht zu jedem Hund hinrennen lassen (wie gesagt, laß ihn an der
Leine).
Wenn Du (und Dein Hund) ein bißchen Clicker-geübt bist solltest Du deinem Hund lernen, andere Hunde
weitgehend zu ignorieren, wenn Du ihn nicht zum Spiel mit dem anderen Hund schickst.
Dies kam dann auch immer dann vor, wenn die anderen Hunde an der Leine waren, bzw. sie kleiner als er waren.
Ein ungeschriebenes Gesetz unter Hundefreunden besagt, daß man seinen Hund nur dann zu einem anderen Hund
hinlaufen läßt, wenn es dem Besitzer recht ist. Wenn mir mit meinem freilaufenden Hund also jemand begegnet,
der seinen Hund an der Leine hat, leine ich meinen Hund ebenfalls an. Wenn wir dann auf Hörreichweite sind,
frage ich, ob wir die Hunde zusammenlassen können. Je nach der Reaktion darf Johnnie dann mit dem anderen
spielen oder nicht. Dabei kann sowohl ich als auch der andere Hundehalter kontrollieren, welche Hunde
zusammenkommen, und welche nicht. Wenn Dein Gegenüber z.B. eine läufige Hündin an der Leine hat, oder einen
aggressiven Raufer, kannst Du leicht in Probleme kommen. Nichts ist für einen Hundehalter ärgerlicher, als wenn
ein freilaufender Hund auf den eigenen zukommt, ihn sofort mit dominanten Gesten zu unterwürfigem Verhalten
zwingen will, oder auch ein gerade laufendes Übungsprogramm unterbricht.
Allerdings kam es vor 3 Wochen zu einem Zwischenfall
mit einem 8 Monate alten Bouvier. Mein Jerry kann diesen Hund nicht abhaben. Die Besitzer haben ihn
anfaenglich mit keinem groesseren Hund spielen lassen, nur weil eeine Frau, die eine Welpengruppe priva leitete, behauptete, dass Welpen nur mit gleichaltrigen Welpen
spielen duerften, da sie sich sonst viel zu sehr verausgaben wuerden. Das Ende vom Lied war, dass dieser
Bouvier kein soziales Verhalten lernte und rotzfrech wurde, weil ja immer gleich sein Herrchen einschritt,
Mit diesen sogenannten Welpenspielgruppen wird viel Unfug getrieben. Aufgrund der steigenden Nachfrage
glaubt jeder Beliebige, Welpenspielgruppen (oft sogar noch als "Prägungsspieltage" deklariert) durchführen
zu können, wobei diese Veranstaltungen meist so aussehen, daß man eine Gruppe Welpen, meist noch ohne
Überwachung, miteinander spielen läßt. Daß dabei oft mehr kaputt gemacht wird, als recht ist, ist nur
den Wenigsten bewußt. Ich habe auch in meinem Kurs einen Hund, der durch solche Welpenspielveranstaltungen
ein gestörtes Sozialverhalten hat.
wenn die Situation mal etwas ernster wurde. mein Jerry ist nun mal ein Hund, der anderen Hunden die Meinung
"sagt", wenn sie ihm zu frech sind, und nachdem der Bouvier nicht auf den Knurrer Jerry's reagierte und
trotzdem noch frecher auf meinen los ist, hat Jerry ihn niedergemacht, ohne ihn zu verletzten. Ich habe mit
ihm danach geschumpfen, das reicht normalerweise auch. Seitdem ließ mein Jerry den Bouvier links liegen.
Beim Durchlesen Deiner Meldung bin ich sehr oft auf bestimmte Altersklassen gestoßen. Ein Hund wird ca.
mit einem halben Jahr (je nach Rasse und Größe) geschlechtsreif, durchlebt also in dieser Zeit seine
pubertäre Phase. Gerade in dieser Zeit treten häufig Probleme auf, ähnlich wie Jugendliche
versuchen sie sich ihren Platz in der "Gesellschaft" zu erkämpfen. Nach dieser Pubertät hat der Hund
zwar seinen körperlichen Reifungsprozeß durchgemacht, aber es findet noch einmal ein geistiger Reifungsprozeß
mit ca. 1 1/2 - 2 Jahren statt. So wie ich das sehe, ist Dein Hund gerade in dieser zweiten Phase, in
der er seine "geistige Pubertät" durchmacht, und beginnt, sich wie ein "Erwachsener" zu fühlen.
Dem stehen dann die "frechen" Jugendlichen in der körperlichen Pubertät (8 Mon. alter Bouvier,
7 Mon. alter "Welpe"
gegenüber. Da kommt es dann besonders leicht zu Reibereien.
Gar nichts hilft es, den Hund hinterher zu schimpfen. Er kann es mit dem vergangenen Ereignis nicht mehr
verbinden.
Nun hatten wir die Angewohnheit vor der Übung auf dem Hundeplatz eine halbe Stunde mit noch anderen Hunden
spazieren zu gehen. Jerry und der Bouvier waren beide nicht an der Leine und es passierte die ganze Zeit
nichts, da sie von sich aus auch eine gewisse Distanz zwischeneinander legenen. Ploetzlich aber, keiner
wusste, warum, ging eine Zaehnefletscherei los, die aber sofort nach einem lauten "Aus" aufhörte. Danach
Zwischen den beiden schwelt und brodelt es nach wie vor. Sie haben sich gegenseitig noch nicht
auf ihre Rollen geeinigt, es genügen schon die kleinsten Anlässe, um solche Situationen hervorzurufen.
Wie gesagt, auch das Alter spielt hier eine wesentliche Rolle. Hunde regeln ihre sozialen Verhältnisse
über Signale, die man als ungeübter Beobachter nicht leicht erkennen kann. Es genügt oft schon ein
Blick, dem der vermeintlich Unterlegene nicht ausweicht, und der vermeintlich Ranghöhere versucht,
den Aufmüpfigen zur Raison zu bringen.
Generell sind aber Spaziergänge ein gutes Mittel, Hunde aneinander zu gewöhnen. Sie können Distanzen
wahren, sich durch kleinere Gesten gegenseitig einschätzen und einordnen. Zudem können sie durch die
Bewegung viel Energie verbrauchen, die sie anders entladen würden, wenn sich Hunde und Halter nur
auf einer Stelle befinden würden.
...hat, da er gerade mal wieder einen jungen nur angeknurrt hat. Er hat ihm bei der kleinsten Kleinigkeit
den Leinenruck gegeben. Auch war er ploetzlich der Meinung, dass fuer das Ziehen (wo normalerweise ein
wirklich kleiner Ruck an der Leine reicht, damit es aufhoert) ein Stachelhalsband besser waere. Ich dachte,
Tja, das ist halt die konventionelle Ausbildungsmethode. Solange sich das Clicker-Training nicht weiter
hierzulande verbreitet hat, wirst Du noch mit sehr vielen derartigen Ausbildern zu tun haben.
...jetzt nun nicht mehr. Ich habe die Leine dazwischen geworfen und es war Ruhe. Geht die Besitzerin des
Welpen hin, nimmt eine Wurfkette und haut sie zweimal meinem Jerry ueber den Ruecken, schnappt ihren
Welpen und verschwindet. Ich war so perplex, dass sich jemand so eine Unverschaemtheit herausnimmt,
und einen fremden Hund schlaegt, der aufgehoert hat, was zu machen. (Spaetestens am Wochenende werde ich
Das ist wirklich ungeheuerlich. Du kannst dieser Frau aber sagen, daß ihr Hund wahrscheinlich auch nicht ganz
schuldlos an der Sache war (siehe Pubertät).
sie treffen und dann donnerts). Am Samstagabend war Jerry schon verstoert, nachdem er so hart
herangenommen wurde, und am Sonntag musste ich erst Mal viele Streicheleinheiten verteilen, bis er
wieder der alte war (lieb, lebendig, spielfreudig...)
Deine Reaktion war sicher gut gemeint, kann aber Euer Problem eher verschlimmern. Am besten ist es,
solche Vorfälle (dem Hund gegenüber) zu ignorieren. Ich kann mir vorstellen, wie verärgert und
emotional mitgenommen Du warst, aber gerade dann ist es wichtig, seine Reaktion nicht am Hund auszulassen.
Wenn Du (dem Hund gegenüber) Dich verhältst, als wäre nichts gewesen, hast Du die beste Chance, ihn so
etwas vergesen zu machen.
Durch Beruhigen/Streicheln etc. erreicht man in so einer Situation eher das Gegenteil des Gewünschten. Wenn
Du Dir die Prinzipien des Klicker-Trainings und der "positiven Verstärkung" verinnerlichst, so wirst Du
feststellen, daß das positiv verstärkte Verhalten (der positive Reiz folgt unmittelbar auf die Handlung)
zunimmt. Wenn Du also den Hund streichelst/beruhigst etc. wenn er Angst o.ä. zeigt, förderst Du damit
genau dieses Verhalten (Angst zu zeigen).
Ich versuche, nach solchen extremen Situationen, den Hund in eine andere Situation/Stimmung zu bringen,
indem ich die Umgebung wechsle (örtliche Veränderung, Konzentration auf etwas anderes etc.). Wenn ich
merke, daß mein Hund nicht mehr geistig bei dem (schlimmen) Ereignis weilt, schiebe ich ein paar
Übungen nach, oder spiele mit ihm.
Sorry fuer die lange Einleitung (aber ich habe Euch ja gewarnt!) nun meine Fragekann ich mit dem
Clicker-Training diese Raufereien verhindern. Ich will naemlich nicht das meiner Meinung nach gute
Verhaeltnis zwischen meinem Hund und mir nicht zerstoeren und ich habe einfach das Gefuehl, wenn ich
so weiter mach wie bisher, dann bin ich auf dem besten Weg dazu. Auf der anderen Seite will ich einen
Siehe dazu meinen Anfangskommentar. Scheinbar hast Du schon bemerkt, daß in Euerer Beziehung irgendwas
nicht stimmt, sonst wärst Du nicht auf den Gedanken gekommen, daß das Verhältnis zerstört werden könnte.
Laß Dich in einem Punkt beruhigenDadurch daß der Ausbilder Deinen Hund hart rangenommen hat, und diese
Frau ihn mit der Wurfkette geschlagen hat, wird EUER Verhältnis nicht zerstört. Dein Hund könnte höchstens
mißtrauisch auf andere Menschen werden.
Dadurch daß Du aber Jerry soviel Selbstbestimmtheit (Dominanz) läßt, keine "Regeln" einführst, Dich nicht
für ihn attraktiv machst, bekommst Du Probleme mit euerem Verhältnis.
Hund, der mir auf's Wort gehorcht, nicht weil ich damit irgendwelche Macht ueber ein Lebewesen ausueben
will, sondern damit auch in Gefahrensituationen ich meinem Hund und er mir voll vertrauen kann ( in bezug
Genau das ist es, was ein gutes Verhältnis (im Sinne von Dominanz) zwischen Hund und Hundeführer ausmacht:
Gegenseitiges Vertrauen. Und das ist es, was Du beim Clicker-Training sozusagen kostenlos dazubekommst.
Martin, wenn ich hier zuviel "konservative" Ideen eingebracht habe, entschuldige bitte. Ich befasse mich
halt noch nicht so lange mit dem Klickern. Vielleicht kannst Du meine falschen Denkansätze hier auch
in die richtigen Bahnen lenken.
Viele Grüße,
Diana