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Berner Senn läßt sich nicht kämmen

geschrieben von Franziska + Wonda(YCH) 
Berner Senn läßt sich nicht kämmen
24. Juni 1999 09:39

Hallo an alle!

Ich habe schon wieder einen Fall in der Nachbarschaft, bei dem ich meine, mit dem Clicker weiterkommen zu können:
Berner Sennenhund Prinz, 10 Jahre, Herzprobleme, vermutlich durch sein Übergewicht, läßt sich schon seit Monaten nicht mehr richtig kämmen und saubermachen. Dreiviertel des Körpers läßt er sich anstandslos striegeln, alles am Hinterteil verfilzt und verdreckt. Abscheren in Vollnarkose ist zu gefährlich, Prinz könnte durch seine Herzprobleme dabei sterben. Seine Leute haben schon alles versucht: am Zaun festbinden, daß der Tierarzt besser an ihn herankommt, zwei Hundefrisöre haben es versucht, alles zwecklos – Prinz beißt sofort zu, sagen jedenfalls seine Leute. Kann natürlich auch „nur“ Schnappen sein, aber bei so einem großen Hund faßt dann auch niemand mehr hin. Jetzt wollen seine Leute ihn doch in Vollnarkose legen lassen, wissen aber nicht einmal, wie der Arzt die Spritze setzen soll. Ich denke, nachdem Prinz wohl einigermaßen verfressen ist, daß man mit Zeit und Clicker erreichen könnte, daß Prinz sich den Filz abschneiden läßt und keine Narkose braucht.
Zuerst konditionieren, dann für jedes Anfassenlassen C&T, dann irgendwann Schere rausholen, zeigen, Schere in seine Richtung bewegen, ans Fell halten, Schere mal auf und zu machen etc. Alles anclickern, wenn der Hund ruhig bleibt.
Jetzt meine Fragen: Sollen seine Leute den Hund ein oder zwei Tage hungern lassen, damit er auch wirklich an Leckerchen interessiert ist (ein bißchen Diät täte dem Hund sowieso gut) oder steht er dann vor lauter Hunger unter Streß? Sollte Prinz einen Maulkorb mit Fütteröffnung tragen, damit ich geschützt bin, falls er doch beißt oder ist die ganze Chose dann gleich negativ für ihn besetzt? Wer hat Erfahrung mit Hunden, die sich nicht pflegen lassen und wie lange hat es gedauert, bis der Hund das Kämmen/Schneiden okay fand? Ich mußte bei dem Fall an das Pryor-Video denken, in dem das Pferd in die Waschbox gebracht wurde.
Bin schon gespannt auf Eure Antworten!
Franziska und Wonda



24. Juni 1999 11:20

Hallo Franziska,

ich denke schon, das das mit dem Clicker ginge. Kennst Du die Gründe für dieses Verhaltens? Ließ sich denn der Hund vor ein paar Monaten noch kämmen und warum plötzlich nicht mehr? Haben die Besitzer ihn für dieses Verhalten zurechtgewiesen und wie? Hat er vielleicht Schmerzen in der Hinterhand, ist irgentwas anderes vorgefallen?

Viele Grüße, Anneke


24. Juni 1999 14:11

Hallo Anneke!
:
: ich denke schon, das das mit dem Clicker ginge. Kennst Du die Gründe für dieses Verhaltens? Ließ sich denn der Hund vor ein paar Monaten noch kämmen und warum plötzlich nicht mehr? Haben die Besitzer ihn für dieses Verhalten zurechtgewiesen und wie? Hat er vielleicht Schmerzen in der Hinterhand, ist irgentwas anderes vorgefallen?

Das habe ich total vergessen zu erwähnen: Sein Fraule sagte, daß er HD habe und vermutlich Schmerzen, wenn man ihn hinten anfaßt. Wie sie ihn zurechtgewiesen haben, weiß ich noch nicht, wir haben heute mehr so zwischen Tür und Angel gesprochen. Auf alle Fälle haben sie schon eine Menge Theater mit ihm veranstaltet und das war sicher nicht alles zärtlich. Außerdem habe ich den Verdacht, daß das auch eine Dominanzgeschichte ist, weil er der verhätschelte Bubi war. Bewegung hatte er allerdings kaum, meistens nicht mehr als 1 km Spaziergang, und das war schon viel.

Meinst Du, da ginge trotzdem etwas mit Clicker. Ich habe schon davon geträumt, so beschäftigt mich der Fall. Zum einen möchte ich natürlich dem Hund helfen, denn er hat mir mit seinem öden Leben immer leidgetan. Zum anderen empfinde ich es natürlich auch als eine enorme Herausforderung.

Liebe Grüße von Franziska und Wonda

24. Juni 1999 14:48

Hallo Franziska und Wonda!

Lieb, daß Du Dich um den armen Berner kümmerst!!!
Warum versucht die Familie nicht die einfachste Art der Fellpflege,
nämlich das Kämmen als Schmusestunde?
Das erfordert jetzt vielleicht Geduld und nochmals Geduld,
da die "Karre doch schon reichlich verfahren ist".
Der Hund hat zuletzt ja nur noch schlechte Erfahrungen gemacht.
Wenn man an den Stellen anfängt, an denen er sich von seinem liebsten Menschen anfassen läßt,
kann man sich geduldig weiter vorarbeiten,
und, wenn man ihn nicht "ziept", kommt man schneller weiter.

Am besten gemütlich hinlegen lassen, z.B. wenn er satt und zufrieden und müde ist,
und sich dann danebenhocken und im Streicheln das Fell pflegen,
notfalls in ganz kleinen Schritten.
Wenn er merkt, daß ihm niemand etwas tun will, wird er sich entspannen und
sich bestimmt bürsten, kämmen und schneiden lassen,
aber bitte ganz behutsam!!!!!!!!
Ein Kamm oder Striegel mit drehbaren Zinken helfen dabei sehr!
Er wird auch eine gute Bürste, z.B. aus Wildschweinborsten, als angenehm empfinden (Massage!).
Vielleicht kann man dann später auch ein Filzschneidemesser behutsam anwenden.

Aber es geht nach dem offensichtlichen Vertrauensverlust sicher sehr langsam.
Am behutsamsten kann man vielleicht Filzknoten mit den Fingern entwirren.
Es ist ein Jammer, daß es so weit kommen mußte!

Viele liebe Grüße und eine Streicheleinheit für den armen Kerl!
Ein verfilztes, verdrecktes Fell ist für den Hund schrecklich!

Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe fast 23 Jahre Bobtail-Pflegeerfahrung,
und die Rasse ist ja auch nicht "ohne", was das Fell betrifft.

Viele liebe Grüße von
Iris und ERIC, dem Bobtail



24. Juni 1999 20:02

Hallo Iris!

: Warum versucht die Familie nicht die einfachste Art der Fellpflege,
: nämlich das Kämmen als Schmusestunde?

Das ging wohl früher, aber a) ist sein Herrchen vor ein paar Tagen gestorben, jetzt kümmern sich Herrchens Geschwister um den Hund. Aber selbst Herrchen konnte zum Schluß nicht mehr an Prinz' Hinterteil. Ich vergaß nämlich zu schreiben, daß Prinz wohl HD hat und das Kämmen laso mit Schmerzen verbunden zu sein scheint. Außerdem vermute ich, daß es eine Dominanzgeschichte ist: Was Prinz nicht mag, läßt er nicht zu. Er wird halt von allen betüdelt und verhätschelt, hat zwar angeblich inzwischen abgenommen, ist dem Augenschein nach aber noch immer ein Fettmops. Von Rippen nichts zu merken, nur Fett.

: Das erfordert jetzt vielleicht Geduld und nochmals Geduld,
: da die "Karre doch schon reichlich verfahren ist".

Die Familie scheint mit der ganzen Situation völlig überfordert, da Prinz eben abgöttisch an seinem Herrchen klebte und der nun nicht mehr ist.

: Wenn man an den Stellen anfängt, an denen er sich von seinem liebsten Menschen anfassen läßt,
: kann man sich geduldig weiter vorarbeiten,
: und, wenn man ihn nicht "ziept", kommt man schneller weiter.

Das machen die schon, aber kaum kommt man zu weit nach hinten, schnappt er. Ich habe das alles heute mehr zwischen Tür und Angel erfahren, aber es ging mir halt nicht mehr aus dem Kopf.
:
: Am besten gemütlich hinlegen lassen, z.B. wenn er satt und zufrieden und müde ist,
: und sich dann danebenhocken und im Streicheln das Fell pflegen,

Ich glaube, Prinz ist mit allem, was Fellpflege angeht inzwischen gewarnt. Er kann vermutlich gar nicht mehr entspannen, weil er schon ahnt, daß alle ja doch nur an sein Hinterteil wollen, was ihm unangenehm ist. Ich denke, Clicker könnte ihm helfen, wieder Vertrauen zu allem zu bekommen, was mit Fellpflege zu tun hat. Verfressen ist er ja Gott sei Dank genug.

: Ein Kamm oder Striegel mit drehbaren Zinken helfen dabei sehr!
: Er wird auch eine gute Bürste, z.B. aus Wildschweinborsten, als angenehm empfinden (Massage!).
: Vielleicht kann man dann später auch ein Filzschneidemesser behutsam anwenden.

Ja, das kann man dann ja auch beim Clicker versuchen. Ich weiß halt überhaupt noch nicht, was die so für Utensilien im Haus haben. Aber da sie so verzweifelt sind, kann ich das sicher auf ihre Kosten besorgen und mal mein Glück versuchen. Ich gehe aber davon aus, daß es noch ganz schön lange dauern wird, bis Prinz wieder manierlich aussieht.
:
: Viele liebe Grüße und eine Streicheleinheit für den armen Kerl!
Richte ich ihm aus, er ist wirklich ein Jammerbild. Fett und träge, entsetzlich kurzatmig und ein abschreckendes Bild für die Rasse. Dabei ist er sicher ein netter Kerl.

: Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe fast 23 Jahre Bobtail-Pflegeerfahrung,
: und die Rasse ist ja auch nicht "ohne", was das Fell betrifft.

Na danke, mir reicht schon der Tibet Terrier, den ich ab und zu in Pflege habe. Eine kastrierte Hündin, die ständig Knoten in der Unterwolle hat und an der ich mir schon fast eine Sehnenscheidenentzündung gekämmt habe. Wenn ich sie streichle, dann merke ich schon immer gleich, wo wieder Knoten sitzen und die Haare stellen sich mir auf. Wir waren die ersten, die dem armen Hund überhaupt erstmal eine Haarspange verpaßt haben, denn sie sah wirklich gar nichts unter ihrer Gardine und rannte überall gegen. Sie schnüffelte dann auch mal so halb blind an Wondas Körbchen und sah einfach nicht deren Drohungen und prompt hat sie ziemlich eins auf die Mütze bekommen. Mit der Spange sah sie aus, als würde sie sagen: Huch, so sieht die Welt aus?!

Schönen Abend dann noch von Franziska und Wonda

27. Juni 1999 16:32


Grüß dich Franziska,

im prinzip beschreibst du es schon richtig.

: Zuerst konditionieren, dann für jedes Anfassenlassen C&T, dann irgendwann Schere rausholen, zeigen, Schere in seine Richtung bewegen, ans Fell halten, Schere mal auf und zu machen etc. Alles anclickern, wenn der Hund ruhig bleibt.
: Jetzt meine Fragen: Sollen seine Leute den Hund ein oder zwei Tage hungern lassen, damit er auch wirklich an Leckerchen interessiert ist (ein bißchen Diät täte dem Hund sowieso gut) oder steht er dann vor lauter Hunger unter Streß? Sollte Prinz einen Maulkorb mit Fütteröffnung tragen, damit ich geschützt bin, falls er doch beißt oder ist die ganze Chose dann gleich negativ für ihn besetzt?

auch hier siehst du alles entscheidende. zu hungrig macht auch unkonzentriert. der maulkorb kann dir sicheres auftreten ermöglichen, den hund aber zugleich verunsichern. ein ganz bracuhbarer schutz geben schnappen ist eine dicke zeitung um den arm gerollt und mit einweckgummis oder ähnliochem befestigt.
nun noch ein paar worte zum allgemeinen problem:
Fellpflege, Zecken entfernen, Impfen und ähnliche Prozeduren

Über Detailprobleme kann ich nichts schreiben, da ich weder die Hunde noch die Menschen kenne. Ich kann aber schildern, wie ich bei verschiedenen bis dato "Unberührbaren" vorgegangen bin.
Vorausschicken möchte ich, daß es Streicheln unter Hunden nicht gibt. Es gibt submissive Handlungen, wie Lefzen lecken. Und es gibt die Kontrolle des als untergeordnet angesehenen Hundes. Ein Junghund hat sich z.B. der Kontrolle eines Älteren zu stellen, still und ohne Widerspruch. Ihm passiert dabei aber auch nichts negatives.
Das zum ethologischen Aspekt.
Wenn jemand einen Hund bürsten, scheren oder ihm eine Spritze geben lassen möchte, sollte er das nach dem System der Kontrolle aufbauen. Keinerlei Getue oder Besänftigen. Das beste ist es, alle Unmutsäußerungen souverän zu ignorieren.
Nun zum Clicker. Er kann äußerst erfolgreich dazu benutzt werden, kurze Berührungen zu verlängern, schwache Berührungen bis zum Kneifen zu intensivieren. Egal wie der Hund reagiert, überlegen ignorieren. Dann wird der Clicker zu einem SICHERHEITSSIGNAL.
Vikor hatte es sich zu Beginn unserer gemeinsamen Unternehmungen durchaus verbeten, ihn zu bürsten oder gröber anzufassen. Er war an Futter nicht sonderlich interessiert, aber in Zusammenhang mit dem Clicker konnte er lernen, daß keine Aggression von mir ausging. Das war wichtig.
Da man manchmal von den Anforderungen der realen Welt überrannt wird, gibt es einige Hilfen in kritischen Fällen. Ein Sedativum vom Tierarzt kann die Abwehrbereitschaft des Hundes herabsetzen. Zugleich kann er so mit dem Clicker für das Dulden für Manipulationen bestärkt werden.
Des weiteren kann man die Motivation zur Abwehr herabsetzen, indem man alternative Reize anbietet. Ein Geruch nach einer läufigen Hündin kann einen Rüden erheblich ablenken und für etliche andere Reize unempfindlich machen. Bei Viktors letzter Impfung haben wir das wohltuend erfahren. Die Tierärztin ließ ihn unbeeindruckt ihr Knie besteigen und an ihr herumschnüffeln, während sie zugleich die Spritze setzte.
Sollte der Hund wirklich Schmerzen haben, kann auch ein Schmerzmittel helfen. Ich vermute aber, daß das nicht der Grund ist. Eine andere Person als eines der Familienmitglieder dürfte wesentlich schneller Erfolg haben, wenn sie sicher auftritt und sachlich richtiges Verhalten bestärkt mit oder ohne Clicker.
Ich hoffe, diese Ausführungen geben einige Hinweise zur Bewältigung des Problems.

tschüß martin & mirko