Liebe Clicker-Erfahrene,
leider habe ich bisher nur die Einführungsbücher von Martin Pietralla und Claudia Laser zum Clickertraining gelesen, möchte aber ab nächster Woche damit aktiv anfangen.
Damit ich nichts falsch mache, wenn ich ein äußerst brisantes Thema angehe, wollte ich Euch Profis fragen, wie ich genau vorgehen muß, damit es nicht daneben geht.
Das Problem: Unser Schäferhundrüde (wird bald 2 Jahre alt) ist an der Leine sehr aggessiv anderen Hunden gegenüber (klein, groß, Rüde, Hündin, Freund, Feind). Ohne Leine oder auch direkt nach dem Ableinen ist er sehr verträglich.
Da er sehr stark ist, reißt er mich oder meinen Mann problemlos um, wenn er ein normales Halsband um hat. Deswegen trägt er seit 3 Monaten ein Halti Kopfhalfter.
Aber selbst am Halti springt er noch wie wild durch die Gegend, bellt, knurrt, steht auf den Hinterbeinen etc. Man kommt mit ihm auf engen Wegen kaum am anderen Hund vorbei. Ist es geschafft (d. h. der andere ist weitergegangen, wir sind sitzen bzw. stehen geblieben, falls man es so nennen kann) ist er wie ausgewechselt, jault dem anderen Hund sehnsüchtig hinterher, als wolle er spielen.
Mir scheint, er will im angeleinten Zustand den anderen Hund um jeden Preis vertreiben. Aber eigentlich hat er gar nichts gegen den Hund, solange der Abstand stimmt. Das gilt nur, wenn er an der Leine ist.
Bisher habe ich immer versucht, ihn am kurzgefaßten Halti am anderen Hund vorbeizuschleifen, auch wenn er auf 2 Beinen neben mir her fletschte und bellte.
Vor kurzem habe ich dann eine andere Idee gehabt und ihn auf ausreichender Entfernung (ca. 20 m) von anderen Hunden "Sitz" machen lassen, wenn diese uns nicht zu nahe kamen (z. B. auf der anderen Straßenseite an uns vorbeigingen). Er hörte auf zu bellen, ließ sich per Halsband ins Sitz ziehen und war ruhig. Ich sagte "still" und "so ist fein" oder freundlich "nein - ä ä", wenn er losbellen wollte und lobte ihn dann, wenn er ruhig blieb. Er starrte zwar nur auf den anderen Hund, blieb aber ruhig, jaulte auch mal sehnsüchtig dem anderen Hund nach.
Seit 2 Tagen ist es aber wieder ganz schlimm mit ihm, allerdings kann es sein, daß der Mindestabstand von ca. 3 m. unterschritten wurde.
Ich bin mir leider trotz intensivem Lesen in hundepsychologischen Büchern nicht sicher, ob unser Schäferhund angst-aggressiv ist. Aber es scheint mir so.
Er ist unangeleint zwar auch ziemlich selbstbewußt, knurrt aber ein anderer zurück oder fletscht ihn an, gibt er gleich nach.
Er stürmt aber auch erstmal keck zu jedem Hund hin und will Eindruck schinden. Häufig legt er dem anderen gleich mal die Pfote auf die Schulter, was sich ranghöhere Rüden nicht gefallen lassen. Die weisen ihn dann zurecht und er wird immer kleiner.
Ich habe zwei konventionelle Hundeschulkurse besucht (mit Leckerli und leider auch Leinenruck). Ein Hundetrainer war Verhaltenstherapeut und erwähnte, unser Hund habe Leinenangst und sei ganz rangniedrig, weshalb ihn viele Hunde auf dem Hundeplatz ignorierten und nicht mit ihm spielen wollten.
Er riet mir seinerzeit, rechtzeitig am Hund zu rucken mit normalem Halsband, sobald er sicht anpirschen will (er duckt sich dann und schleicht sich an, wenn ihm ein anderer Hund von weitem frontal entgegenkommt, um dann nach einer Ruhephase plötzlich nach vorne zu springen und gewaltig zu bellen/ziehen etc.), immer rucken, damit er bei Fuß geht und die Leine immer durchhängt. Dabei sollte ich still bleiben, weil mein NEIN nicht entschlossen genug klang.
Es ist mir leider nie gelungen. Entweder fiel ich hin und der Hund fletschte weiter vorwärts. Oder er zog so sehr, daß ich nicht mehr rucken konnte (wiegt ja die Hälfte von mir). Er war einfach zu stark.
Daher das Halti, aber er läßt leider seinen Kopf nicht zur Seite drehen. Leckerlis interessieren ihn kein Stück in dem Moment.
Er macht sogar den Kopf steif, wodurch viel Halti-Wirkung verpufft.
Ich kann ihn so aber wenigstens vorbeizerren.
Ein positives Hundebegegnungerlebnis ist es leider nicht geworden.
Und ich selbst kämpfe auch immer gegen Angst und Unsicherheit an, ob und wie ich ihn da jetzt vorbeibringen soll. Vielleicht merkt er das auch. Bei meinem selbstbewußteren Mann ist er aber genauso ein Leinen-Rambo!
Wir hatten es mal mit einem Ball an einer Schnur probiert. Immer wenn ein Hund kam, bekam er den Ball, wir zogen seinen Kopf an der Schnur zu uns und er blieb wunderbar ruhig (unser Hund ist nämlich total verspielt). Er bellt nicht mal, hatte nur noch Augen für den Ball.
Aber nach einer Weile nahm er den Ball, guckt nur noch auf den fremden Hund und bellt mit Ball in der Schnauze. Wir hatten daraufhin Bedenken, ob wir vielleicht das falsche Verhalten bestärken und hörten mit der Ball-Ablenkung wieder auf.
Ihr seht, wir haben so ziemlich alles probiert und gelesen. Aber das Problem besteht weiterhin. Zwar kann er auf Entfernung von fremden Hunden brav Sitz machen, aber direkt an ihnen vorbei kommen wir immer noch nicht.
Ich wüßte nun gern, ob dieser Weg der "Deeskalation" richtig ist. Und ob wir einfach durchhalten müssen.
Und vor allem: Wie wir den Clicker einsetzen können, um im richtigen Moment zu bestärken.
Zur Vorgeschichte noch: Unser Hundi kommt aus dem Tierheim, wir holten ihn ab, als er 6,5 Monate alt war. Im Heim war er nur 1 Woche. Davor hatte er mehrere Besitzer. Der letzte war angeblich gehbehindert, so daß der Hund nicht aus der Wohnung kam und sogar auf dem Balkon sein Geschäft verrichten mußte. Offenbar hatte er kaum oder nie Hundekontakt. Der Tierpfleger sagte, er bräuchte eine feste Hand.
Wir haben ihn dann so oft es ging mit Hunden zusammengebracht.
Inzwischen müssen wir ihn aber bei Kleinhunden immer angeleint lassen, weil diese Angst haben, manchmal will er kleinen Hunden auch mit heftigem Spielknurren imponieren, was natürlich furchtbar wirkt. Wir lassen ihn daher nur noch mit großen Hunden spielen, die wir kennen.
Ich bin wirklich schon ganz verzweifelt, wie es weitergehen soll, ich möchte nicht alles noch versehentlich verschlimmern statt zu entspannen. Aber jedem Hund auszuweichen geht natürlich auch schlecht...
Für jeden Rat bin ich sehr dankbar und bitte Euch um Eure Hilfe!
Viele Grüße
Tanja