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Verzweifelt wg. Leinenrambo!

geschrieben von Tanja(YCH) 
Verzweifelt wg. Leinenrambo!
05. Juli 2002 14:24


Liebe Clicker-Erfahrene,

leider habe ich bisher nur die Einführungsbücher von Martin Pietralla und Claudia Laser zum Clickertraining gelesen, möchte aber ab nächster Woche damit aktiv anfangen.

Damit ich nichts falsch mache, wenn ich ein äußerst brisantes Thema angehe, wollte ich Euch Profis fragen, wie ich genau vorgehen muß, damit es nicht daneben geht.

Das Problem: Unser Schäferhundrüde (wird bald 2 Jahre alt) ist an der Leine sehr aggessiv anderen Hunden gegenüber (klein, groß, Rüde, Hündin, Freund, Feind). Ohne Leine oder auch direkt nach dem Ableinen ist er sehr verträglich.

Da er sehr stark ist, reißt er mich oder meinen Mann problemlos um, wenn er ein normales Halsband um hat. Deswegen trägt er seit 3 Monaten ein Halti Kopfhalfter.

Aber selbst am Halti springt er noch wie wild durch die Gegend, bellt, knurrt, steht auf den Hinterbeinen etc. Man kommt mit ihm auf engen Wegen kaum am anderen Hund vorbei. Ist es geschafft (d. h. der andere ist weitergegangen, wir sind sitzen bzw. stehen geblieben, falls man es so nennen kann) ist er wie ausgewechselt, jault dem anderen Hund sehnsüchtig hinterher, als wolle er spielen.

Mir scheint, er will im angeleinten Zustand den anderen Hund um jeden Preis vertreiben. Aber eigentlich hat er gar nichts gegen den Hund, solange der Abstand stimmt. Das gilt nur, wenn er an der Leine ist.

Bisher habe ich immer versucht, ihn am kurzgefaßten Halti am anderen Hund vorbeizuschleifen, auch wenn er auf 2 Beinen neben mir her fletschte und bellte.

Vor kurzem habe ich dann eine andere Idee gehabt und ihn auf ausreichender Entfernung (ca. 20 m) von anderen Hunden "Sitz" machen lassen, wenn diese uns nicht zu nahe kamen (z. B. auf der anderen Straßenseite an uns vorbeigingen). Er hörte auf zu bellen, ließ sich per Halsband ins Sitz ziehen und war ruhig. Ich sagte "still" und "so ist fein" oder freundlich "nein - ä ä", wenn er losbellen wollte und lobte ihn dann, wenn er ruhig blieb. Er starrte zwar nur auf den anderen Hund, blieb aber ruhig, jaulte auch mal sehnsüchtig dem anderen Hund nach.

Seit 2 Tagen ist es aber wieder ganz schlimm mit ihm, allerdings kann es sein, daß der Mindestabstand von ca. 3 m. unterschritten wurde.

Ich bin mir leider trotz intensivem Lesen in hundepsychologischen Büchern nicht sicher, ob unser Schäferhund angst-aggressiv ist. Aber es scheint mir so.

Er ist unangeleint zwar auch ziemlich selbstbewußt, knurrt aber ein anderer zurück oder fletscht ihn an, gibt er gleich nach.
Er stürmt aber auch erstmal keck zu jedem Hund hin und will Eindruck schinden. Häufig legt er dem anderen gleich mal die Pfote auf die Schulter, was sich ranghöhere Rüden nicht gefallen lassen. Die weisen ihn dann zurecht und er wird immer kleiner.

Ich habe zwei konventionelle Hundeschulkurse besucht (mit Leckerli und leider auch Leinenruck). Ein Hundetrainer war Verhaltenstherapeut und erwähnte, unser Hund habe Leinenangst und sei ganz rangniedrig, weshalb ihn viele Hunde auf dem Hundeplatz ignorierten und nicht mit ihm spielen wollten.

Er riet mir seinerzeit, rechtzeitig am Hund zu rucken mit normalem Halsband, sobald er sicht anpirschen will (er duckt sich dann und schleicht sich an, wenn ihm ein anderer Hund von weitem frontal entgegenkommt, um dann nach einer Ruhephase plötzlich nach vorne zu springen und gewaltig zu bellen/ziehen etc.), immer rucken, damit er bei Fuß geht und die Leine immer durchhängt. Dabei sollte ich still bleiben, weil mein NEIN nicht entschlossen genug klang.

Es ist mir leider nie gelungen. Entweder fiel ich hin und der Hund fletschte weiter vorwärts. Oder er zog so sehr, daß ich nicht mehr rucken konnte (wiegt ja die Hälfte von mir). Er war einfach zu stark.

Daher das Halti, aber er läßt leider seinen Kopf nicht zur Seite drehen. Leckerlis interessieren ihn kein Stück in dem Moment.
Er macht sogar den Kopf steif, wodurch viel Halti-Wirkung verpufft.
Ich kann ihn so aber wenigstens vorbeizerren.

Ein positives Hundebegegnungerlebnis ist es leider nicht geworden.
Und ich selbst kämpfe auch immer gegen Angst und Unsicherheit an, ob und wie ich ihn da jetzt vorbeibringen soll. Vielleicht merkt er das auch. Bei meinem selbstbewußteren Mann ist er aber genauso ein Leinen-Rambo!

Wir hatten es mal mit einem Ball an einer Schnur probiert. Immer wenn ein Hund kam, bekam er den Ball, wir zogen seinen Kopf an der Schnur zu uns und er blieb wunderbar ruhig (unser Hund ist nämlich total verspielt). Er bellt nicht mal, hatte nur noch Augen für den Ball.

Aber nach einer Weile nahm er den Ball, guckt nur noch auf den fremden Hund und bellt mit Ball in der Schnauze. Wir hatten daraufhin Bedenken, ob wir vielleicht das falsche Verhalten bestärken und hörten mit der Ball-Ablenkung wieder auf.

Ihr seht, wir haben so ziemlich alles probiert und gelesen. Aber das Problem besteht weiterhin. Zwar kann er auf Entfernung von fremden Hunden brav Sitz machen, aber direkt an ihnen vorbei kommen wir immer noch nicht.

Ich wüßte nun gern, ob dieser Weg der "Deeskalation" richtig ist. Und ob wir einfach durchhalten müssen.
Und vor allem: Wie wir den Clicker einsetzen können, um im richtigen Moment zu bestärken.

Zur Vorgeschichte noch: Unser Hundi kommt aus dem Tierheim, wir holten ihn ab, als er 6,5 Monate alt war. Im Heim war er nur 1 Woche. Davor hatte er mehrere Besitzer. Der letzte war angeblich gehbehindert, so daß der Hund nicht aus der Wohnung kam und sogar auf dem Balkon sein Geschäft verrichten mußte. Offenbar hatte er kaum oder nie Hundekontakt. Der Tierpfleger sagte, er bräuchte eine feste Hand.

Wir haben ihn dann so oft es ging mit Hunden zusammengebracht.
Inzwischen müssen wir ihn aber bei Kleinhunden immer angeleint lassen, weil diese Angst haben, manchmal will er kleinen Hunden auch mit heftigem Spielknurren imponieren, was natürlich furchtbar wirkt. Wir lassen ihn daher nur noch mit großen Hunden spielen, die wir kennen.

Ich bin wirklich schon ganz verzweifelt, wie es weitergehen soll, ich möchte nicht alles noch versehentlich verschlimmern statt zu entspannen. Aber jedem Hund auszuweichen geht natürlich auch schlecht...

Für jeden Rat bin ich sehr dankbar und bitte Euch um Eure Hilfe!

Viele Grüße
Tanja



05. Juli 2002 15:05

Hi Tanja,

ihr habt ja nun wirklich so gut wie alles ausprobiert. Aber eine Idee hätte ich noch: Vielleicht fragt ihr mal jemanden mit einem Hund, ob diese euch beim üben behilflich sein würden. Also dass ihr mit Hund erst in weitem Abstand aneinander vorbeigeht (clicken, wenn der Hund auch nur eine Sekunde nicht zu dem anderen guckt, sondern zu dir/Ball) und das ganze dann immer weiter verkürzen.
Und wenn es gut geklappt hat, kann man als Belohnung auch das Spiel mit dem anderen Hund anbieten.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen,
Gruß,
Nina

05. Juli 2002 15:12

Danke für Deinen Rat, Nina. Leider ist es sehr schwer, hier im Dorf jemanden dafür aufzutun - es sind hier eigentlich alle Anhänger der klassischen Hundeplatzausbildung, die nicht so offen für solche Übungen sind. Aber ich suche weiter...

05. Juli 2002 15:16

Hallo Tanja!

: Leider ist es sehr schwer, hier im Dorf jemanden dafür aufzutun
- es sind hier eigentlich alle Anhänger der klassischen
Hundeplatzausbildung, die nicht so offen für solche Übungen sind.
Aber ich suche weiter...

Hast Du schon mal bei Klaus auf www.clicker.de in die Clickertraining-
Kontaktbörse geschaut?
Evtl. findet sich da jemand, der mit Euch trainieren kann.

Viele Grüsse
heidrun+C


05. Juli 2002 15:36

Hallo Tanja,

nach durchlesen Deinen Postings glaube ich, daß Ihr Euch den Leinen Rambo erzogen habt. (Unbewußt natürlich) Erst später habt ihr dann angefangen, zu versuchen es anders zu machen.

Mittlerweile ist es halt ein eingespieltes Verhalten. Du mit der Angst, wenn ein Hund auftaucht, ob Du Deinen halten kannst und dein Hund, der (meiner Meinung nach nicht aggressiv) zum anderen Hund hin will.
Ich kenne das Verhalten von hinlegen und geduckt auf andere Hunde zukriechen auch, allerdings war dies einfach eine Eigenart und in keinster Weise aggressiv oder unterwürfig.

Ich schreibe Dir mal hier auf, wie ich versuchen würde vorzugehen.

Wenn Du einen Hund kommen siehst, drehst Du Dich sobald Dein Hund anfängt Theater zu machen, auf dem Absatz um, sagst "Fuss" und gehst energisch in die entgegengesetzte Richtung. Sobald Dein Hund Dir (wahrscheinlich ziemlich verwundert) folgt und den anderen Hund nicht mehr beachtet, lobst Du ihn, gibst ein Leckerlie und drehst dann wieder um in Richtung des anderen Hundes. Und das Spiel von vorne. Anfangs wirst Du nicht gut voran kommen, aber Dein Hund erreicht ja nun mit seinem Theater überhaupt nix mehr. Sein Objekt der Begierde (der andere Hund) kommt nie näher für ihn, solange er Theater macht.

Gut ist es zu Anfang, wenn Du dies irgendwo übst, wo sich andere Hunde befinden. Wichtig ist wirklich dies konsequent über eine längere Zeit durchzuführen (je nachdem wie eingefahren das Problem ist und wie lernfähig Dein Hund ist). Dabei nicht die Leine kurz nehmen, möglichst immer wieder die Leine locker lassen, und wenn Du Dich abrupt umdrehst, gehst Du auch wirklich zügig vorwärts, auch wenn es dadurch dann einen Leineruck gibt. Sag dann energisch "Fuss" . Du bist ja kräftemäßig eigentlich dem Hund nicht gewachsen, wie Du schreibst, also mußt Du ihn mit dem Kopf lenken (und austricksten) und dabei ist guter Gehorsam natürlich das A und O.

Ich denke, wenn du so konsequent übst, bekommst Du das Problem in den Griff. Zum clickern dabei kann ich Dir allerdings nicht weiterhelfen.

gruß
Elke

06. Juli 2002 15:08

Hallo Elke,

worin besteht denn der Unterschied zwischen Tanjas:

Ich habe zwei konventionelle Hundeschulkurse besucht (mit Leckerli und leider auch Leinenruck).... Er riet mir seinerzeit, rechtzeitig am Hund zu rucken mit normalem Halsband, sobald er sicht anpirschen will (er duckt sich dann und schleicht sich an, wenn ihm ein anderer Hund von weitem frontal entgegenkommt, um dann nach einer Ruhephase plötzlich nach vorne zu springen und gewaltig zu bellen/ziehen etc.), immer rucken, damit er bei Fuß geht und die Leine immer durchhängt....

Und deinem:

: Wenn Du einen Hund kommen siehst, drehst Du Dich sobald Dein Hund anfängt Theater zu machen, auf dem Absatz um, sagst "Fuss" und gehst energisch in die entgegengesetzte Richtung....
Dabei nicht die Leine kurz nehmen, möglichst immer wieder die Leine locker lassen, und wenn Du Dich abrupt umdrehst, gehst Du auch wirklich zügig vorwärts, auch wenn es dadurch dann einen Leineruck gibt. Sag dann energisch "Fuss" .

Du bist ja kräftemäßig eigentlich dem Hund nicht gewachsen, wie Du schreibst, also mußt Du ihn mit dem Kopf lenken (und austricksten)

Wo ist denn da das "mit dem Kopf lenken"?


Interessierte Grüße
Dagmar und Toska