Und täglich grüßt das Murmeltier
10. Januar 2003 12:51

Grüß Euch Wiebe, Andreas und ...

eigentlich habe ich keine zeit, darüber zu diskutieren, aber da es schon mal ins netz kam:

* "Etwas ist anders!"
- "Gut oder schlecht?"
- "Alles was anders ist, ist gut."
(Zitat aus "Und täglich grüßt das Murmeltier"winking smiley

Das hat für mich eine noch ganz andere bedeutung erlang und zwar im umgang mit aggressiven oder stark verhaltensauffälligen hunden.
Eine der intensivsten bestärkungen ist stressreduktion. Und die erfahren hunde oft, indem sie lange genug zoff machen. Irgendwann ist der andere vorbei, hat herrchen keine kraft mehr ...
So wird das fehlverhalten unheimlich gefestigt. Murmeltiertag.

Mir ist das der knackpunkt aufgegangen, als ich zum 20+x-ten male das video von Viktor vorgeführt habe. Warum hat er einige male das perfekte gewünschte verhalten gezeigt, aber ich konnte es nicht wieder hervorrufen trotz C&B. Warum musste ich den gezeigten umweg gehen?

Seine belohnung war nicht futter, sondern stressreduktion! Durch mein kleben an der WIEDEHOLUNG, um lehrbuchgerecht die häufigkeit zu erhöhen, hatte ich das gegenteil erreicht. Belohnung wäre sofortiger stop gewesen: RAUS AUS DER SITUATION, (kein neuer 2. februar). KEINE WIEDERHOLUNG in den nächsten 30 minuten. Entspannung, entspannung, entspannung...
Das halte ich inzwischen für eine generelle regel beim umgang mit aggressionsproblemen. Nur dann kann der hund stressreduzieren erfahren:
"Alles was anders ist, ist gut."

tschüß Martin & Mirko








10. Januar 2003 14:21

Grüß Dich Martin,

DAS ist jetzt mal was zum Nachdenken für mich.
(die 4 Fs als 'Stressabbau-Strategie' und jeder wählt das daraus, womit er bisher Erfahrung hat und womit er bisher schon Erfolg hatte, das erzählen wir eh dauernd - unser Sozialisierungs-Argument, damit alle möglichst vielseitige Strategien lernen schon möglichst früh, damit 'man' es gar nicht notwendig hat, auf extreme Massnahmen zurückzugreifen in seinem Verhaltensrepertoire, weil man so viele Alternativverhalten kennt, das man viel weniger Stress hat...)

Und das Aufhören der Stresssituation 'try, try again and you will succeed at last' ist NATÜRLICH der ultimative Belohnungs-Kick. Das erklärt Viktors Gesichtsausdruck auch für mich Dösi endlich völlig stimmig!

War wohl bisher irgendwie in verschiedenen Hirnabschnitten gespeichert bei mir bisher - neue Verbindungen herstellen = begreifen... ;-)

Mit rauchendem Hirn und vielem Dank
Wiebke

10. Januar 2003 14:59

Grüß Dich Wiebke;

darf ich dich zitieren?

": DAS ist jetzt mal was zum Nachdenken für mich:"

: (die 4 Fs als 'Stressabbau-Strategie'

Was bezeichnet Ihr als 4 Fs???

tschüß Martin & Mirko


10. Januar 2003 15:38

Wenn Stress, gibt es laut den Ethologendeutsch eigentlich 'nur' vier Basis-Möglichkeiten, da heraus zu kommen, die in englisch netterweise alle mit f anfangen (so kann man dann nachsinnieren, wenn einem wieder mal nur 3 davon einfallen):

freeze (machen Hasen, wenns Hunde probieren, übersiehts jeder - kaum eine Erfolgsstrategie also.)

flight (dann mach mal, an der Leine .. .-( Kanikel machen, die haben auch einen Bau dafür)

fight (jaaah, das ist es, schau, er hat gezuckt! weiter so! mit Bewaffnung im Maul sehr oft gewählte Lieblingstaktik vieler)

fiddle around, derzeit von einigen Autoren auch als 'flirt' bezeichnet. (Welpenhaftes oder spielerisches Verhalten z.B. lange gehaltenen Spielknicks, 'schleimen' von Junghunden - beim Menschen evt. manchmal mit 'wirst ja noch einen Spaß verstehen' oder 'das war ja nicht so gemeint' zu übersetzen) = bei heutiger Hundedichte m.M. nach meist DIE Erfolgsstrategie in der sozialen Kommunikation - so man kennt und die Nerven hat für die Anwendung.
Beispiel für flirt: Sah 'gute' Hunde schon umschalten, von Fight (Drohung) auf flirt - z.B. Dorf-Spitz, der seine Hündin (Ende Läufigkeit) unterwegs gegen Schäferinteresse 'beschützen' wollte: Stell und Knurrrr! Knooaarrrrh zurück. Gewichtsvergleichender Blick des Kleine, hin, Pfoten um Hals des Grossen und dem in aktiver Unterwerfung die Lefzen schlecken: und es HAT den aufgehalten (bis wir mit der Hündin um die Ecke waren, die Erleichterung vergißt man nicht in Jahrzehnten - nicht mal als Mensch, aber die Nerven und das Repertoire musst Du haben als Hund!)

- und die Verwendung von Calming Signals hilft oft, dass man gar nicht in die Stresslage kommt, sich zwischen den Fs entscheiden zu müssen oder allenfalls zwischen ihnen je nach Reaktion hin und her zu wechseln (so man kann) sondern vorher auf friedliche Kommunikation umsteigen kann, die Lage so entschärft.

Und wenn ein Hund nur eines der Fs 'kennt' oder alle anderen ausfallen (an der Leine) hattu ein Problem.

Eijh, mitdenken und Situationen im Rückblick analysieren macht Spaß!
Wo wir unsere Clicks alles herkriegen ;-)

Liebe Grüße
Wiebke


10. Januar 2003 16:32

Hallo Martin,

den Murmeltiertag erleben wohl sehr viele. Morgens aufstehen, raus mit dem Hund und man weiß so sicher wie das Amen in der Kirche, was geschieht. Zumindest was das Verhalten des eigenen Hundes betrifft. Der Unterschied im Alltag zur Skinner-Box-Situation "Murmeltiertag" ist, dass im realen Leben die Umweltgegebenheiten nicht täglich wieder auf den Ausgangsstand zurückgedreht werden. Und dass mein Hund im Falle erfolgloser Bemühungen meinerseits nicht am nächsten Morgen aufwacht und von diesen Bemühungen weder weiss, noch von ihnen beeinflußt ist.

:Mir ist das der knackpunkt aufgegangen, als ich zum 20+x-ten male das video von Viktor vorgeführt habe. Warum hat er einige male das perfekte gewünschte verhalten gezeigt, aber ich konnte es nicht wieder hervorrufen trotz C&B. Warum musste ich den gezeigten umweg gehen?
confused smileyeine belohnung war nicht futter, sondern stressreduktion! Durch mein kleben an der WIEDEHOLUNG, um lehrbuchgerecht die häufigkeit zu erhöhen, hatte ich das gegenteil erreicht. Belohnung wäre sofortiger stop gewesen: RAUS AUS DER SITUATION,

Hier beschreibst Du exakt das, was sich bei Wincent zugetragen hat. Der Hund benötigte weder Spiel-, noch Futterbelohnung, sondern eine Alternative zu dem enormen Stress, sich gegenüber jedem anderen als der mächtigste Rüde präsentieren zu müssen. Wichtiger als ihm anzuzeigen: "du *darfst* das nicht" (sprich: Verbot) oder ihm für ruhiges Verhalten eine Belohnung in Form von Futter zu verabreichen (beides wurde zuvor versucht), war, ihm einen Weg aufzuzeigen, wie er Konfrontationen entgehen kann. Nicht hin zum anderen Rüden, sondern anderes an anderer Stelle tun.

Das bedeutet im Ergebnis nicht, dass er nun jeden anderen Rüden toll fand. Es reichte ihm aber fortan meist -und zunehmend häufiger- aus, mittels entsprechender Körpersprache aufzuzeigen, dass er *der Größte* ist, ohne sich jedoch tatsächlich noch in Auseinandersetzungen zu stürzen.

Viele Grüße,

andreas



10. Januar 2003 16:56

Hallo Andreas,

Du schreibst:

... Hier beschreibst Du exakt das, was sich bei Wincent zugetragen hat. Der Hund benötigte weder Spiel-, noch Futterbelohnung, sondern eine Alternative zu dem enormen Stress, sich gegenüber jedem anderen als der mächtigste Rüde präsentieren zu müssen. Wichtiger als ihm anzuzeigen: "du *darfst* das nicht" (sprich: Verbot) oder ihm für ruhiges Verhalten eine Belohnung in Form von Futter zu verabreichen (beides wurde zuvor versucht), war, ihm einen Weg aufzuzeigen, wie er Konfrontationen entgehen kann. Nicht hin zum anderen Rüden, sondern anderes an anderer Stelle tun...

Wie hast Du Deinem Hund diese Alternative "gezeigt" ?

Gruß

Christiane