Hallo Peter
Einerseits habe ich mich darüber gefreut, daß Du es jetzt
doch endlich einmal versuchen willst, andererseits beunruhigt
es mich aber auch. Ich habe zunächst mit mir gerungen: soll
ich antworten oder besser doch nicht. Aber die Resonanz war
ja bisher eher mager........
Beunruhigt? Ja! Warum? Aus Deinem Posting entnehme ich
Ungeduld und eine hohe Erwartungshaltung an das "Wunder-
werkzeug" Clicker.
Nun - wenn Dein Versuch nicht gelingt, dann liegt es doch
wohl eindeutig am Clicker, oder (?), wir wissen's dann doch
beide, nicht wahr (?). Fazit: C&T taugt für SchH-Hunde nicht.
Und dann? Erfahrungen muß man mit anderen teilen, weitergeben.....
Wir sollten es uns nicht so einfach machen!
Stelle Dir bitte folgende Situation vor: Wir beide gehen zusammen
mit Deinen Hunden spazieren. Die Hunde sind abgeleint und
laufen im Umkreis von 10-15 m um uns herum. Ich drücke häufig
den Clicker, einfach so, ohne Leckerchen, ohne drauf aufmerksam
zu machen, ohne Regung, einfach so. Denkst Du, auch nur einer der
Hunde würde diesem Geräusch auch nur eine einzige Sekunde
Aufmerksamkeit widmen? Nein! Niemals!
Denn es ist eindeutig ein neutrales Umweltgeräusch, welches in der
natürlichen Umgebung der Hunde *so* nicht vorkommt. Weiterhin
hat das Geräusch keinerlei Konsequenzen für die Hunde, weder
negativ noch positiv. Warum sollten sie also drauf achten?
Was macht das Hundehirn also mit diesen irrelevanten Information?
Es degradiert sie zu Umweltrauschen und "rechnet" sie aus der Fülle
von anderen Informationen raus, um die Sinne offen für die relevanten
Dinge zu halten.
Anderes Beispiel. Mal angenommen, ich hätte Fleischwurst in der Tasche,
ich würde nicht clicken, aber die Wurststückchen Deinen Hunden zuwerfen.
(Du sagst natürlich nichts dazu). Ich bin sicher, sind es normale Hunde,
werden sie mich binnen kürzester Zeit lieben und mir nicht mehr von
der Tasche weichen.
Wenn ich nun im nächsten Schritt beide Situationen zusammenführen
würde, einerseits das clicken, andererseits bin ich ja der tolle Fleischwurst-
spender, dann würden die Hunde den Click vom bislang neutralen
Umweltrauschen ganz schnell in das Fleichwurstsignal umwandeln.
Glaube mir, es ist so. Es ist exakt das gleiche, wie der Griff zur Hunde-
leine, der signalisiert, "Jetzt geht's raus" , wie das Klingeln der Türglocke,
die signalisiert, "Jetzt kommt jemand" oder wie der Griff zum Hundenapf,
der signalisiert "Jetzt gibt's Futter". Es existieren hunderte solcher Signale
für die Hunde, solche die angenehmes ankündigen und auch solche, die
unangenehmes ankündigen. Das gleiche wäre also bei meiner Clickerei
und den Wurststückchen bei Deinen Hunden der Fall. Jedes dieser Signale
löst eine ganz gewisse Erwartungshaltung aus.
Jetzt kommt eine neue Situation - Dein Übungsversuch. Warum reagieren
die Hunde nun so anderes, eher ablehnend auf den Clicker? Bei Betrachtung
dessen, was ich oben versucht habe zu erklären, denkst Du, es ist der Clicker
auf den sie ablehnend reagieren? Ich glaube es nicht.
Nimm bitte das, was ich nun sage, als konstruktive Kritik, um es dann
als Anlass zum weiteren Nachdenken zu nehmen. Eines ist es ganz sicher
nicht: Ein Angriff! Weder auf den Schutzdienst, noch auf die Arbeitsweise,
noch auf Dich.
Ich kenne solche Reaktionen von mehreren Hunden. Eines ist allen
gemein: Sie haben Vergangenheit; und zwar in der Form, daß sie
alle enormen Druck ausgesetzt waren, sowohl psychisch als auch
physisch.
Entweder war es Druck in der Ausbildung, durch die Haltungsbedingungen,
im Rahmen sozialer Interaktion bzw. psycho-sozialer Druck.
Alle diese Hunde zeigten sich in der Bereitschaft zur Interaktion mit den
Menschen eher zurückhaltend , sehr vorsichtig. So nach dem Motto:
"Wenn ich nicht die Schritte nach vorne gehe, kann ich auch nicht in eine
Grube fallen" oder " Watt der Bu'er nich kennt, datt frit er nich...."
Allen diesen Hunden war gemeinsam, daß sie - abgeleint - auf dem
Spaziergang eher *nicht* die Nähe der dazugehörigen Menschen gesucht
haben, sondern viel mehr auf mittlere bis hohe (Individual-) Distanz
geachtet haben.
Alle diese Hunde (durchweg ) haben schlechte Erfahrungen mit
Menschen gemacht, fast alle auch irgendwie schmerzhaft. Sie wurden
geprügelt, angekettet, sozial isoliert, waren lange im Tierheim oder
es waren auch nur einfache Sporthunde, die über mehr oder minder
harte Methoden ausgebildet wurden. Alle haben gelernt, daß nicht
alles vom Menschen ausgehende immer positiv ist.
Du kannst Dich jetzt nur folgendes fragen: Warum wird ein für Hunde
normalerweise bedeutungsloses Geräusch (s.o.) erst im Zusammenhang
mit Dir, bei offensichtlichem Beginn einer Übungseinheit, zu einem
Signal, bei dem Hund besser zuerst einmal mit Vorsicht reagiert?
Wie intensiv haben Deine Hund gelernt, daß bei Nichtbefolgen Deiner
Signale harte Konsequenzen drohen? Woher wissen sie, daß nicht
vielleicht auch dieses neue Signal nur wieder eines ist, welches auch
unangenehmes auslösen kann? Kann es sein, daß sie in dieser Situation
das neue Signal erst einmal auf angenehme oder unangenehme
Konsequenzen testen wollen?
Kann es sein, daß das eigentlich selbstverständliche Vertrauen des Hundes
in "seinen" Menschen in Eurer Beziehung nicht vorhanden ist oder auch
nur angeknackst ist?
Hast Du die Übung mit "Hier", "Fuß" eingeleitet, also erst mal die Hunde
rangerufen, hast Du "Sitz" gesagt? Hast Du mit der Grundstellung
angefangen? Es sind alles Dinge, die möglicherweise in der Vergangenheit
durch den Hund negativ assoziiert wurde.
Je nachdem, wie der Hund diese Signale gelernt hat, können sie entweder
Auslöser für das gewünschte Verhalten sein ("Sitz" = Hinsetzen) oder auch
als konditionierte Strafe Schmerz-Vermeidungsstrategien abrufen ("Fuß" =
nicht mehr vorprellen, nicht zurückhängen, nicht schnüffeln, usw.)
Wird also eine Übung so begonnen, beginnt sie vielleicht gleich mit einem
bitteren Beigeschmack.
Ich habe hier bewußt keinen technischen Ratschlag zum Clickertraining
geschrieben, weil ich glaube, daß er Dir nicht hilft. Ich denke, es sind
andere Faktoren wirksam, anderen Einflußgrößen wirken auf die Arbeit
ein. Ich denke, die Vorsicht Deiner Hunde sind Symptome, die Ursachen
liegen woanders. Sorry Peter, aber ich glaube, es wird nicht gelingen.
Es wird dann gelingen, wenn das Zurückweichen Deiner Hunde der Schlüssel
für die Erkenntnis ist, daß das Verhalten bzw. das Verhältnis kritisch betrachtet
so nicht in Ordnung ist. Es wird dann gelingen, wenn man das Verhalten
des Hundes namentlich benennt, als unzureichend (vielleicht sogar als gestört)
klassifiziert und dann nach Lösungen sucht, um es zu beheben. Das geht
aber nicht über das Clickern allein, es hilft allenfalls - aber es ist kein
Allheilmittel.
Ich weiss nicht, zu welchen Schlüssen Du nun kommst, ich hoffe nur,
sie sind fair.
Viele Grüße
Thomas
ps
Aus welcher Ecke von @west.de kommst Du?