Hi Andreas
: Natürlich springt man bisweilen vorschnell auf etwas an. Aber sieh
: mal: wenn irgendein traditioneller Hundesportler, vielleicht zur
: Befürwortung von E-Geräten, einige Deiner Formulierungen im Rahmen
: eines Diskussion gebraucht hätte, dann hätte sich sehr schnell eine
: einheitliche Front gegen ihn gebildet.
ich weiss.. ich wäre wohl dabei *grinst
und dennoch.... ich habe noch mal viel nachgedacht.... und mich entschlossen
meine meinung noch mal gegen den strom zu formulieren.
: Ich sehe nun aber für mich keine Veranlassung, auf entsprechende
: Anmerkung und Hinterfragung zu verzichten,
ich hätte mir die hinterfragung gewünscht... und im im nachhinein
vermisse ich sie, insbesondere zum thema "gewaltsensibilisierung"
nun gut... was ich noch sagen möchte:
ich habe mir noch mal das ausgangsposting durchgelesen und dazu meine antworten. und
unverändert komme ich zu dem schluss, dass ich mich bei dieser ausgangslage für den
richtigen weg und auch den richtigen rat entschieden habe. erst 1 woche nach dem frageposting,
als mir endgültig klar wurde, dass es sich um einen welpen handelt, sage ich, dass man von
diesem jungen geschöpf noch kein ultimatives sitz erwarten darf. das ist aber ein anderer
sachverhalt als der, der das urposting vermuten lässt.
ich bin absolut davon überzeugt, dass dein weg für dich und deine hunde der optimale ist.
und trotzdem bist du damit nur das erfolgreiche extrem der einen seite, sowie knut fuchs das
erfolgreiche extrem der anderen seite ist. du hast sachkenntnis, investierst 150% zeit und
erreichst damit ein 100% ergebnis. das ist unzweifelhaft beneidenswert.
und dennoch halte ich deinen rat für praxisuntauglich, weil bekanntermaßen die nachahmer der
einen seite genauso in der bandbreite zwischen mittelmaß und erfolglosigkeit herumdümpeln,
wie die nachahmer der anderen seite. warum ist das so? weil die korrekte anwendung von
gewalt genauso schwer ist wie die korrekte anwendung der absoluten gewaltlosigkeit. diese
vorgehensweise ist einem kleinen elitären kreis vorbehalten, genauso wie die erfolgreiche
nachahme von fuchs ebenso einem kleinen elitären kreis vorbehalten ist.
realität ist, dass 98% der hundehalter nicht täglich 2 stunden oder mehr zeit investieren können
und vermutlich auch gar nicht wollen. (diese 98% schiess ich einfach aus der hüfte, aus meiner
erfahrung, meinen beobachtungen)
tatsache ist, dass sie, selbst wenn sie die zeit haben, sie nicht mit dem üben von lerninhalten
verbringen. man geht halt einfach spazieren. tatsache ist, dass der grossteil der leute, selbst
die intelligenten durchaus gewisse blockaden haben, einen hund quasi fast als gleichberechtigtes
lebewesen zu betrachten, oder zuzugeben, dass das lerverhalten von kind und hund identisch
ist. tatsache ist, das es sogar für die intelligenten durchaus nicht ohne konkrete anstrengende
bemühung möglich ist, die hintergründe des CT zu verstehen und praktisch und erfolgreich
anzuwenden (aber wer will das schon?). tatsache ist, dass eben auch nicht alle hundehalter
akademiker sind. tatsache ist, dass viele hundehalter ihre hundeanschaffung mittlerweile als
fehler ansehen. tatsache ist, dass ein grossteil der deutschen quasi autoritäslos durchs leben
geht und sich durch ihren hund auf einmal mit einem gnadenlos hierarchisch denkendem
lebenwesen konfrontiert sehen. tatsache ist, dass leute wie martin und klaus so selten sind, wie
ein lottogewinn.
ich finde es genauso absurd, taktile reize rigoros abzulehnen, wie ich die meinung der hardliner
mit TT und stachelhalsband absurd finde, wenn sie die möglichkeiten des positiven bestärkens
mit dem clicker ablehnen. abzulehnen sind immer nur die reize, die keine oder falsche
information transportieren. und abzulehnen sind körperlich hochwirksame schmerzreize
im hundesport, weil es dabei allein um menschlichen ehrgeiz geht, profilneurosen, was sonst
noch....
ganz sicher schade ich nicht dem hund, wenn ich fehl-clickere, so sicher, wie ich dem
hund schade, wenn ich falsch teletackere. aber in beiden fehleinwirkungen schade ich
gleichermassen der sache, und zwar dem ausbildungsziel. und mein ausbildungsziel ist,
so wie martin schon bemerkt, eben in dieser hinsicht minimalistisch, genauso minimalistisch
wie die ansprüche der hundehalter, die einfach nur einen hund haben wollen, der keine arbeit
macht. ich betone, das sind nicht meine ziele mit meinem hund, sondern ich rückschliesse
aus der "marktsituation". die arroganz zu sagen "wieso hast du unter diesen voraussetzungen
überhaupt einen hund" habe ich lange abgelegt. genauso wie mir der rat nicht zusteht "gib
ihn doch in gute hände ab".weil die neuen hände vermutlich nicht besser sind, als die alten.
btw: du bist ja gar nicht gewaltlos, denn du beisst deinen hund in die unterschiedlichsten körperteile,
wie du gerade erst selber geschrieben hat. ich würde das nicht tun, denn ich bin kein hund. bei mir
gibts halt ne backpfeife. aber niemand soll nun behaupten, ne backpfeife wäre weniger angebracht.
letztendlich kommts auf dasselbe raus: soziale unterlegenheitskondtionierung.
es spielt nach meiner meinung auch gar keine rolle, innerhalb welcher interaktion der eigene wille
und die eigene überlegenheit durchgesetzt wird. das knurren, das "naaaa", das "ähem" oder was
auch sonst sind auch nur konkrete warnsignale, die vorher eben genau durch diese
unterlegenheits-konditionierung etabliert wurden. und gerade hier befindet sich der erste konkrete
punkt, denn dieses soziale-überlegenheit-unterlegenheit-verhältnis (sprich dominanz) ist schon
ein aspekt, bei dem der grossteil der hundehalter schon absolut überfordert ist.
dann dieser angebliche stressfaktor. geht es darum? nein sag ich, das ist unsinn. erstens: ich
betrachte meinen rat zu diesem sitz nicht als kontrollsignal in einer aktuellen bzw. akuten
stresssituation, und auch nicht als abbruchsignal. sondern allein als lernvorgang in neutraler
situation. zweitens: ich beschränke mich bei diesem sachverhalt der kontrolle auf den moment
vor (!) der eskalation, vor dem stressaufbau.... allein auf das gesamte spektrum der möglichen
agonistischen verhaltensweisen. und dazu frag ich mal, wenn das thema "herbeiführen einer
kontrolle in stressbedingter situation" ist : wieso muss mein hund überhaupt eine stresssituation
selbstständig bewältigen? das ist nicht nur nicht notwendig, sondern geradezu abzulehnen.
zum thema stress und bewältigen von konfliktsituationen durch aggressives verhalten/interaktion
muss unbedingt die frage nach den mechanismen und zum anderen nach dem zweck gestellt
werden. also auf der einen seite steuerung, auslösung und auf der anderen seite nach dem zweck,
dem wozu.
auf die mechanismen hab ich durchaus einfluss, sowohl auf die steuerung als auch auf die
reaktion auf die auslöser. und ich habe sehr viel einfluss auf den vermeintlichen zweck.
denn gerade bei der aggression gehts immer auch um die vor- und nachteile solchen verhaltens.
ich muss also auch die frage danach stellen, zu welchen zweck verhält sich das tier nach
welchen auslösern aggressiv?
häufig ist es eben nur machogehabe, vielleicht auch territorialansprüche, vielleicht auch nur
fehlende sympathie, seltener um requisiten. ... man kann dabei vieles erahnen. aber nicht erst
in der eskalation, sondern schon vorher muss in den ansätzen klar sein, dass jegliche
aggressivität in ihren kosten eindeutig zu hoch ist. absolut ohne zweifel ist weiterhin, dass
aggressionsbereitschaft von tieren lernbedingten einflüssen unterliegt. so können sowohl
günstige sozialisationsbedinungen als auch lernvorgänge zur verminderung (aber auch zur
steigerung bei ungünstigen voraussetzungen) von aggressionsbereitschaft führen. und
weiterhin: aggressionsbereitschaft kann immer "umadressiert" werden. und genau das ist mein
ziel mit diesem unbedingten sitz, eben ohne eine wahl zu haben. ich will immer und vollständig
die aggressionsbereitschaft reduzieren - entweder durch umadressierung oder duch gelassenheit.
also, ich lebe im dichtbevölkerten nrw und mein hund hat draussen nicht selbständig stresssituationen
zu bewältigen. gerade meine haltungsweise hat dazu geführt, dass ich heute durch ein spalier von 10
hochgradig leinenaggressiven hunden gehen kann und mein hund abgeleint nicht einen einzigen davon
beachtet.
ich kann meinen hund vis-a-vis einer keifenden töle positionieren, sie schaut nicht mal hin und stellt
vollkommes desinteresse und gleichgültigkeit zur schau. dieses konsequente entheben der verantwortung
hat natürlich auch zu einem gewisssen verlust von selbstständigkeit geführt. aber ich bin sowieso der
meinung, dass hunde in dieser zivilisation sich nicht selbstständig zu benehmen haben. man stelle sich
kräftige junge, gerade erwachsene männer vor, so um die 18-20 jahre, mit dem verstand von 2 oder
3 jährigen ... sorry...unerträglich ist mir dieses vorstellbare potential an gewaltbereitem testosteron-
gesteuertem egoismus... also genau das, was wir hier ständig mit hunden erleben.
kinder und hunde haben nicht selbstständig dort zu agieren, wo andere möglicherweise negativ
davon berührt sind und schon gar nicht mit aggressiven verhaltensweisen, sei es als antwort- oder
wirkreaktion. und in unserer umwelt brauchen wir eines sicher nicht: konfliktbewährte hunde. wir
brauchen gleichmütige hunde, die immer gleichmässig gelassen reagieren und sich nicht sinnlos
provozieren lassen. ich behaupte, dass ich einen hund mit vollständigem und normalen
explorationsverhalten habe, der sich aber gleichermassen höchst gleichmütig mit allen geschöpfen
seiner umwelt abgibt. und gerade deshalb ist es ihr in erheblichem masse erlaubt und möglich, sich
wieder wie ein hund zu benehmen bzw. das zu tun, was ein hund eben tut oder glaubt, tun zu müssen.
abschliessend hat das alles zu einer freiheit für meinen hund geführt und zu einem rahmen, in dem sie
sich frei bewegen kann, die man nur noch für alle als entspannt bezeichnen kann. sie hat gelernt,
das ich auf jegliche aggression reagiere und dann auch sehr nachhaltig negativ agiere.ich habe einen
grossen hund und mehr als einmal erlebe ich, dass leute die strassenseite wechseln. ich habe
ablehnung nach diesem schlimmen unglück in hamburg erlebt, wie es nur im ruhrpott oder in anderen
mteropolen möglich ist. und ich sehe mich verpflichtet, dass öffentliche interesse oder die angst von
menschen vor grossen hunden als höher zu bewerten als eben das vermeintliche interesse der hunde.
erst darüber findet hundehaltung wieder zurück zu einer allgemeinen akzeptanz. und ich versichere dir,
dass ich hunde wahrlich liebe, sie als fühlende, denkende, liebende geschöpfe wirklich respektiere
und sie achte. (sorry... das war ein ausrutscher... ich habe das thema wohl verlassen)
um zum thema zurück zukommen. ich betrachte auch keine tierheimhunde mit denen martin arbeitet.
was interessiert mich an dieser stelle und bei dieser im eingangsposting gestellten frage, die in
keinster weise auf einen welpen hindeutet, aber sehr wohl aufzeigt, dass das "sitz" schon gelernt
wurde... also was interessiert mich an dieser stelle ein therapeut-patienten-verhältnis? wenn ich
mit eltern über deren erziehungsprobleme mit ihren kindern rede, wäre ein herangezogener vergleich
bezügl. eines kinderpsychologen und einem verhaltensgestörten kind auch unpassend. ich will nicht
leugnen, dass der psychologe mit gleichen mitteln auch bei normalen kindern erfolgreich wäre, aber
normale eltern sind keine psychologen und benötigen auch nicht eine solche sachkenntnis.
ich raufe mir die haare, wenn ich lese, dass ich den hund nachhaltig unter stress setze, wenn ich in
neutraler situation deutlich mache (nach dem lernvorgang), dass es eben zu diesem signal keine
wahl gibt. ... selbst wenn das wirklich so wäre... na und?????
ich erreiche bei dieser vorgehensweise sicher nicht 100%, sonder vielleicht nur 90, vielleicht auch
nur 80, aber ich investiere auch nicht 150% arbeit, sondern nur 30%.
ganz nebenbei bemerkt. ich kenne sowohl kinder als auch hunde, die gewalt in form von schlägen,
ohrfeigen auf der einen seite erfahren haben, wie leinenrucke, stachelhalsband, schläge mit der
leine auf der anderen seite... die kinder habe ich zu erfolgreichen erwachsenen heranwachsen
sehen, und die hunde zu fröhlichen ausgelassenen tieren. ja ja ja... ich weiss... kindheitstraumata...
eingeprägt... usw.... gewalt gelernt, gewalt auch selber praktiziert... ich kenne diese argumente.
und beides gibts es .. und beides gibts auch wieder nicht.
tatsache ist, gewalt ist dann mist, wenn sie nciht die gewollte information transportiert, gewalt ist dann
mist, wenn sie zu einer dauerhaften angst vor der gewalt führt. gewalt ist dann mist, wenn sie nur
aus niederen aspekten, quasi ohne lernziel, vollzogen wird. es gibt sicher noch viel mehr aspekte,
in denen gewalt abzulehnen ist. aber es gibt auch momente, wo taktile reize legitim sind, und wo
sie nichts mit gewalt zu tun haben.
mit sind allemal hunde lieber, die mit einem vertrebaren mass an gewalt zu 80% erzogen sind,
wenn das lehren und lernen über positive verstärkung abgeschlossen ist, als der grossteil der
hunde, die quasi gewaltlos, aber genauso wie erfolglos mit CT versucht werden, zu erziehen.
ein 100%-ergebnis ist meiner meinung nach ganz sicher mit dem clicker zu erreichen, aber
eben nur von 2% der hundehalter. mir wäre ein als minimalistisch bezeichnetes ziel, welches
in guter ausprägung und auch mit breiter masse erreicht wird, viel mehr wert, als ein hohes
ziel, was eben nur die spzialisiten erreichen. und die spezialisten erreichens eben nur deshalb,
weil sie ihr leben in beträchtlichem ausmaß ihrer selbsgestellten aufgabe widmen. es gibt aber
auch noch anderer aufgaben.
was ist gewollt? einen erzogenen hund? oder die zusammenarbeit mit dem hund, das team?
das ist die frage, die vor jeder erziehungsfrage zu beantworten wäre.
wie gesagt: es gibt für mich persönlich keine alternative zum clicker - aber ich rede nicht von
mir und meinem hund.
g, Thomas
ps
sorry, war mir zu lang. habs nicht mehr kontrolle gelesen. ich bitte
um nachsicht.