Hallo Andreas,
zuerst mal vorweg: ich bin mir da absolut nicht sicher und -- offengestanden --
eine aus allen Blickwinkeln nachvollziehbare Begründung kann ich auch
nicht bieten. Bei mir sind es einfach schlechte Erfahrungen, und zwar
sehr schlechte. Wie ich in diesem Thread schon mal sagte: eine
Begründung "aus dem Bauch raus".
: Da wird Futterbelohnung bisweilen als "unnatürlich" abgelehnt, gleichzeitig
: aber auf verbales Lob und Ballspiele abgestellt, als wären diese im
: natürlichen Verhaltens- und Kommunikationsrepertoire enthalten.
: Warum das Eine nicht, dafür aber das Andere sehr wohl?
Eine mögliche Begründung könnte (Konjunktiv!) darin bestehen,
dass beim Spiel sich der Hund auf mich konzentrieren muss und
zwar eine viel längere Zeit, als wenn ich ihm ein Leckerchen
hinhalte -- schling und weg. Er muss sich mit mir beschäftigen
und nicht mit einem toten Stück Fressbarem.
Ich habe das am Beispiel des von mir geschilderten Polarhundes beobachten
können. Die Konzentration des Hundes verlagerte sich zusehends
von meiner Hand bzw. der Futtertasche hin zu meinem Gesicht, meiner
Gestik, Mimik, etc... Er lernte mich besser zu beobachten und
damit besser einzuschätzen. Letzteres ist enorm wichtig für
die Vertrauensbasis.
Ich denke aber inzwischen, dass man sehr wohl auch Futterbelohnung
verwenden kann -- wenn man es richtig macht!
"Naturnah" wäre für mich: Futterbelohnung aus der Lernsituation heraus,
am besten so, dass der Hund gar nicht merkt, dass das Futter von
mir kommt. Das würde dem natürlichen Vorbild sehr nahe kommen.
Sicher ist es so, dass z.B. der Leitwolf das Fressen
für die anderen freigibt, aber das erfolgt ja gerade nicht aus
dem "Belohnungsgedanken" heraus ("so liebe Underdogs, brav gewartet..."
,
sondern allein aufgrund seiner Rudelposition. Die anderen müssen
nichts dafür tun, ausser warten bis sie dran dürfen.
Im täglichen Leben mache ich es übrigens auch so: Fressen gibt's
nur nach meiner Freigabe.
Ganz falsch ist aus meiner Sicht das Hinhalten eines Leckerchens
vor (!) der Ausführung des erwünschten Verhaltens. So lernt der
Hund allenfalls, dass er nur was tun muss, wenn er etwas vor die
Nase gehalten bekommt.
Wenn ich das Clickertraining richtig verstanden habe, wird das dort
auch nicht gemacht, d.h. der Hund weiss im Vorfeld eigentlich
gar nicht, wie seine Belohnung konkret aussehen wird, geschweige
denn, wann er sie überhaupt bekommt.
Das ist mir sehr sympathisch und unterscheidet sich essentiell von den
üblichen Hundeplatzmethoden (die wie ich schon sagte bei mir
schlechte Erinnerungen hinterlassen haben).
: Aus Sicht erwünschter "Naturnähe" müßte ich mir doch mal Gedanken darüber
: machen, dass ein Sinn der Entstehung von Rudelverbänden auch darin besteht,
: einen Jagderfolg auf grössere Beutetiere zu ermöglichen. Warum dann
: auf diese geradezu existentielle Motivation verzichten, gegenüber der
: -gerade aus Sichtweise der "Naturnähe"- ein verbales Lob oder
: Ballspiel relativ unbedeutend sein müßten.?
Man darf es m.E. wohl nicht an der Belohnung selbst festmachen
(Futter bzw. Spiel), sondern an der Art und Weise wie der
Hund zur Belohnung, d.h. seinem(!) Erfolg, gelangt.
Der gemeinsame Jagderfolg ist z.B. sehr wichtig. Das heisst natürlich
nicht, dass man gemeinsam wildern geht ;-))
Fährten suchen ist z.B. eine ganz tolle gemeinsame Aufgabe.
Aber ich achte immer darauf, dass Ronja das Fressen selber
findet und nicht aus meiner Hand bekommt.
Ich gebe die Richtung vor, wo gesucht wird und dann
finden wir "gemeinsam" das Fressili. Auch hier wird nur gefressen,
nachdem ich es erlaube.
Macht einen Riesenspass und Ronja ist voll dabei!
: Lasse ich ihn doch einen Teil davon verdienen.
"verdienen" ist ein menschlicher Ansatz, der den Arbeitsbegriff
nahelegt. Ich würde lieber sagen: lassen wir den Hund doch
selbst "ausprobieren", wie er zum Erfolg kommt.
Ich denke Begriffe wie Arbeit, Auslasten, Unterordnung,
Gehorsam, Ergebenheit, etc... sind Ausdruck unserer
fehlgeleiteten Lebensauffassung (aber das wird jetzt
zu philosophisch ...)
: Die von Dir erwähnte Bequemlichkeit ist auf hundlicher Seite nämlich
: eine ganz andere: es ist viel bequemer, den allzeit vollen Napf
: leerzuschlingenm, als selbst für Futter zu sorgen.
Das mit dem allzeit vollen Napf sollte man m.E. sowieso nicht
machen. Bei uns ist es jedenfalls so, dass Fressen niemals so
rumsteht. Das gibt es z.B. erst nach dem Rausgehen
und auch immer nur soviel, dass nichts übrig bleibt.
Ausserdem wird nur gefressen, nachdem ich es erlaube (Vorbild Natur).
Der Hund soll schon lernen, dass er in einer
sozialen Gemeinschaft eingebunden ist und keine seiner
Privilegien selbstverständlich sind. Das einzige was einfach
so rumsteht ist frisches Wasser.
Wenn man die Natur zum Vorbild nimmt, muss man sehr genau
die Randbedingungen im Auge behalten, sonst kommen so
haarsträubende Fehlinterpretationen heraus wie ich
sie auf dem Hundeplatz erlebt habe.
Vielleicht wird so einiges klarer.
Viele Grüsse,
Harr.