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Clickertraining

Modernes, tierfreundliches Training das nicht nur Hund und Herrchen oder Frauchen Spaß macht, sondern darüber hinaus noch sehr viel effektiver ist, wie herkömmliche Trainingsmethoden. Hier ist die Rubrik für Fragen oder Probleme im Zusammenhang mit dem Clickertraining.  
Shaping = variable Bestärkung ?
20. Januar 2000 22:59

Hallo Harr,
:
: sind doch schön diese Unterbrechungen während der drögen Arbeit
: am Schreibtisch.... ;-)))

Ich frage mich ernstlich, wie Ihr alle Eure Arbeit unbeschadet aufrechterhaltet, ichhabe da erhebliche Schwierigkeiten ;-)
:
: Wenn dem so wäre, dann muss ich bei variabler Bestärkung
: eigentlich nichts anderes tun, als einfach nur auf eine
: Gelegenheit warten, wo das Verhalten des Hundes
: dem gewünschten Ziel bereits ein kleines bisschen näher
: gekommen ist und das dann bestätigen.

Dann aber bin ich völlig dem Zufall ausgeliefert. Wenn ich eine Trainingssituation aufbauen möchte, dann muß ich mir aber zuvor Gedanken, was ich üben möchte und wie ich dies tue. Dein Beispiel entspricht dem Bestärken, das ich vornehme, wnen ich gerade ungewollt Zeuge eines tollen Ereignisses im Verhalten meines Hundes werde.
Möchte ich aber vorausgeplant etwas üben, d.h. habe ich mir vorgenommen, nun mal fünf Minuten eine bestimmte Sache einzuüben, dann gehe ich ja anders an den Aufbau heran. Ich denke beides ist nicht vergleichbar, hat aber seine Berechtigung und Notwendigkeit.
Das Einfangen des Zufalls außerhalb einer Trainingssession ist aber -siehe mein RR-Beispiel- bisweilen Gold wert.

Es würde aber
: auch nichts schaden, wenn ich "gleich gutes" Verhalten
: bestätige, sozusagen zur Sicherheit, bevor es wieder
: "schlechter" wird.

Na ja, in diesem Falle weiss Hund aber nicht, dass gerade etwas "Besseres" gewünscht ist. Schaden wird es wohl nicht, aber den Sprung nach vorne tut man so auch nicht. Es sei denn mann geht grundsätzlich sio an die Sache heran, dass man immer abwartet, ob Hund das "Bessere" von selbst anbietet, ohne ihn schrittweise dorthin zu führen.

Auch hier sehe ich es so: beide sgeht, aber für beides gibt es eigene Situationen, in denen es passend ist.

: Wenn ich mich an diese letzte Regel halte, kann doch
: eigentlich alles immer nur besser werden, oder?

Weiss nicht. Vielleicht tritt Stagnation ein, wäre nicht unbedingt Fortschritt.
:
: Viele Grüsse,

andreas
:

21. Januar 2000 09:22

Hallo Andreas,

: Dann aber bin ich völlig dem Zufall ausgeliefert.

Jein...
Ich sehe es eher so, dass man dem Einfallsreichtum des Hundes
ausgeliefert ist.
Da ist natürlich eine zufällige Komponente drin, aber
der Hund wird mit grosser Wahrscheinlichkeit Strategien
anwenden, mit denen er bereits früher schon Erfolg hatte.

Ausserdem beobachtet der Hund einen ziemlich genau, d.h.
Dein Verhalten fliesst zusätzlich in seine Strategie
mit ein. Hier denke ich liegt ein Grossteil der
"Hundeausbildungskunst" begraben:
für den Hund interpretierbares Verhalten zeigen!

Man kann es natürlich beliebig falsch machen.
Wenn ich z.B. ein Signal zu früh einführe und dann
hinterher "shapen" muss, wird der Hund bei Ausbleiben
des Erfolgs die nächstliegenden Erfolgsstrategien ausprobieren.
Und das sind genau die, die bereits bei der verfrühten Einführung
des Signals zum vermeintlichen Erfolg geführt haben.
Insofern verleite ich praktisch den Hund zum "falschen" Verhalten.

Sowas ist in der Lerntheorie zwar sonnenklar, aber in der Praxis
erfordert es sehr viel Aufmerksamkeit und das kann man nur
üben, üben, üben...

: Wenn ich eine Trainingssituation aufbauen möchte, dann muß ich mir
: aber zuvor Gedanken, was ich üben möchte und wie ich dies tue.

M.E. reicht es völlig, wenn man selbst ein Verhalten zeigt, dass der
Hund eindeutig interpretieren kann: "jetzt üben wir XY".
Am einfachsten ist es z.B. immer einen bestimmten Ort
für eine bestimmte Übung zu nehmen. Oder allgemein ausgedrückt:
für eine hinreichende Anzahl Reize sorgen, die der Hund
unterscheiden und eindeutig der Übung zuordenen kann (deja vue).

: Möchte ich aber vorausgeplant etwas üben, d.h. habe ich mir vorgenommen,
: nun mal fünf Minuten eine bestimmte Sache einzuüben, dann gehe ich ja
: anders an den Aufbau heran.

Ja, aber das ändert nichts am Lernprinzip. Beispiel:

Gestern Abend wollte ich z.B. Ronja beibringen, dass sie statt auf
den Touchstick auf meinen Finger achten soll. Also:

- Lernsituation herstellen, anhand derer sie erkennen kann:
"Aha! Touchstick-Übung!"
- Dann Touchstick langsam immer kürzer machen.
- Dann Touchstick weglassen und durch Finger ersetzen.
- Dann Probe auf's Exempel: Vor dem Tisch Sitz machen lassen und
auf anderer Seite Finger hinhalten. Schwups: Ronja ist unter dem
Couchtisch durchgekrabbelt, hat meinen Finger gestupst und es
gab eine dicke Belohnung.

Das ganze dauerte nur 3 Minuten!
Ronja habe ich nicht geholfen, indem ich sie irgendwie gelockt hätte.
Alles hat sie selbst herausgefunden. Ihr Verhalten war bestimmt
nicht völlig zufällig, sondern Ergebnis der bereits gelernten
Erfolgsstrategien.

Insofern liegt für mich kein Unterschied zwischen zufälligem Verhalten
und vermeintlich geplantem. Wenn ein Hund sich auf dem Boden rollt,
dann kommt einem das doch nur deshalb zufällig vor, weil wir
überrascht sind. Tatsächlich liegt dem mit Sicherheit eine
Erfolgsstrategie zugrunde (wenn's juckt: auf dem Boden rollen tut gut!).

: Na ja, in diesem Falle weiss Hund aber nicht, dass gerade etwas "Besseres"
: gewünscht ist.

Das muss er auch nicht. Was besser oder schlechter ist, unterliegt
ausschliesslich meiner subjektiven Bewertung. Die kann der Hund
sowieso nicht nachvollziehen, weil viel zu abstrakt.
Für den Hund zählt nur, wie schnell er sich der geänderten Situation
anpassen kann, um zum Erfolg zu gelangen.

Vielleicht sehe ich das alles etwas zu theoretisch, aber es hilft
mir halt bei der praktischen Umsetzung :-)))

Viele Grüsse,
Harr.

(muss jetzt wieder was arbeiten ;-)))))

21. Januar 2000 10:59

Hallo Martin, Hallo Harr,

Darüber hab ich auch schon oft sinniert.
Ich glaube die Aussage von Harr
: : ... jetzt einmal, dass bis auf die marginale Differenz
: : in der Aktion des Hundes kein nennenswerter Unterschied zwischen
: : Shaping und variabler Bestärkung liegt.

gilt nur in seltenen Grenzfällen wenn ich sooooo kleine Schritte shapen will, dass sie auch mit Wiederholung verwechselt werden könnten. Wie soll ich sicherstellen, dass bei variabler Bestärkung von Sitz nicht ein Shaping richtung "Sitzen mit gespreizten Zehen" statt findet? Ist natürlich nicht schlimm, aber der Hund glaubt ich sei immer noch am shapen und ich glaube ich hätte jetzt bereits die Variabel Bestärkung hinter mir.

Ich traue dem Hund sehr wohl zu zwischen shaping und wiederholen zu unterscheiden, wenn er schon mal mitten drinn ist. Für mich bestehen vorallem betreffend Übergang Fragen:
Ich immerbestärke ein Verhalten bis es regelmässig und absehbar gezeigt wird. So. Nun lass ich einen Click weg und dies kann 2 Bedeutungen haben: a) das besagte Verhalten ist das Endziel und ich will es jetzt mit variabler Bestärkung festigen. b) das besagte Verhalten war eine Zwischenstufe und ich will jetzt weiter shapen. Mein Problem (wenns denn überhaupt eines ist): ob a) oder b) das weiss zwar ich aber mein Hund nicht.

: bei der variablen bestärkung wird aber immer das gleiche verhalten bestärkt, nicht die variation. Auch hier muss Hund durchhalten.

Und wenn Hund durchhält und durchhält und durchhält mit Wiederholen obwohl ich shapen will? Dann kommt wohl "Falsch" zum Zug? Das heisst dann für den Hund: Wenn Click ausbleibt mal wiederholen - entweder kommt bald Click oder Falsch - wenn Click: mit ausdauer widerholen - wenn Falsch: ausprobieren was sonst noch Clickt.

Ich habs mir mittlerweile so zurecht gelegt:
Übergang zu variabler Bestärkung:
Ich gehe mit einer möglichst hohen Taktfrequenz (= Übung kurz hintereinander wiederholen) von Immerbestärkung zu Variabel über. Bei unsicheren Hunden oder bei meiner Katze Micha unterstütze ich als Übergang den ersten Nichtclick mit verbalem lob oder geb nur click ohne oder mit schwacher Bestärkung (zartes Lob).
Übergang zu Shaping:
Ich starte die Clickerübung mit sowas wie 101...Box um die Fantasie überhaupt mal anzuregen und geh dann in eine bestimmte Richtung mittels Shaping.

Ist es überhaupt sinnvoll, wärend des Shapings für ein komplexes Verhalten Zwischenstufen länger (= mit Immerbestärkung) zu bestärken?

Grüsse aus Winterthur (CH),
Regula mit Katze Micha, die nichtclicken nicht verträgt

21. Januar 2000 12:50

Grüß Dich Harr,

da siehst du es:

: Das ganze dauerte nur 3 Minuten!
: Ronja habe ich nicht geholfen, indem ich sie irgendwie gelockt hätte.
: Alles hat sie selbst herausgefunden. Ihr Verhalten war bestimmt
: nicht völlig zufällig, sondern Ergebnis der bereits gelernten
: Erfolgsstrategien.

Hunde, die das SPIEL schon öfter mitgemacht haben, verstehen das prinzip recht gut. Man kann manchmal förmlich sehen, wie sie hypothesen aufstellen: Ein zögern, tatenlosigkeit und plötzlich eine klare aktion. Wenn die erfolglos blieb, folgt oft ein schütteln oder niesen.
(Die hypothesenbildung ist in der wissenschaft inzwischen anerkannt, soweit ich weiß.)

Ich habe eine videosequenz, auf dem Mario mit seinem Paddy übt. Mario kann sehr ausdauernd warten und Paddy ausdauernd nachdenken. Aber dann kommt eine ganz klare super ausgeführte aktion. Und er testet alles aus, was er schon mal geübt hatte.

tschüß martin & mirko


21. Januar 2000 13:45

Hallo Martin,

: Die hypothesenbildung ist in der wissenschaft inzwischen
: anerkannt, soweit ich weiß.

das ist sehr interessant! Welche der Wissenschaften meinst Du damit?

Aus der Ecke, aus der ich komme, redet man nicht von Hypothesen,
sondern von Mustern, deren Abweichung von der aktuellen Situation
bewertet wird und woraus sich dann eine Strategie entwickelt.
Strategien und "Erlebnis"-Muster bilden zusammen die Grundlage
für den Lernprozess.

Oder anders formuliert:

Es kommt nicht auf die Information als solche an, sondern auf
die Art und Weise wie sie entstanden ist. Nur so entstehen
"Bedeutungen".

Deshalb finde ich auch Behauptungen wie "Hunde können nicht planvoll
handeln" völlig ignorant. Natürlich können sie das!
Nur eben nicht so komplex und so weit vorausschauend wie wir.

Viele Grüsse,
Harr.

21. Januar 2000 14:37

Hallo Regula,

: Ich traue dem Hund sehr wohl zu zwischen shaping und wiederholen zu
: unterscheiden, wenn er schon mal mitten drinn ist.

das eben glaube ich nicht. Ich sehe das so:

Was passiert denn beim Ausbleiben des Erfolgs?
Erst mal ist der Hund irritiert. Dann fängt er an, die aktuelle
Situation mit den bereits erlebten zu vergleichen. Er findet
nichts, was ihn irgendwie weiterbringen könnte. Jetzt geht er
seine Erfolgsrezepte durch, und zwar in absteigender Relevanz!
Das heisst, er wird eine Strategie wählen, die der zuletzt
erfolglosen am nächsten kommt und früher schon einmal Erfolg
zeigte. Je fester die bisherigen Erfolgsrezepte verankert
sind, um so weiter wird er zurückgehen. Irgendwann gibt er auf
und fängt an zu variieren. Jetzt kommt Kollege Zufall
(oder die göttliche Eingebung oder was auch immer dahinter steckt)
ins Spiel und ab da wird's für das Shaping interessant!

Das heisst: beim Shaping muss ich einfach nur eine
Situation schaffen, die den Hund quasi so lange erfolglos
bleiben lässt, bis er anfängt zu variieren.
Damit er nicht vorher mutlos komplett aufgibt, muss ich
allerdings die Motivation aufrecht erhalten.

Bei uns Menschen geht's übrigens genau so.
Stell Dir ein Hochhaus vor. Der Fahrstuhl ist kaputt
und Du musst zu Fuss gehen. Auf der ersten Etage
angekommen findest Du ein 5-Markstück. Prima, denkst Du, und steckst
es ein. Auf der zweiten plötzlich einen Zehnmarkschein. Noch besser!
Auf der dritten liegt ein Fuffi herum. Sauglatt!!
Auf der vierten: nichts. Hmm....
Mal auf der fünften nachsehen? Wieder nichts! Hmmm....

Und jetzt garantiere ich Dir, dass jeder, wirklich jeder,
die Treppen wieder runtergehen wird. Wenn nicht ab dem 5.Stock,
dann aber spätestens ab dem sechsten.

Eigentlich ist das völlig unlogisch, denn das Geld hat man
ja bereits eingesackt. Und trotzdem: es "zieht" einen magisch zur
letzten erfolgreichen Strategie und die fand eben ein
paar Stockwerke tiefer statt.

Viele Grüsse,
Harr.