Hallo Isabel,
ich bin mir nicht sicher, ob man Eure Probleme so aus der Ferne lösen kann. Wenn Du die Möglichkeit hast, würde ich versuchen, Hilfe vor Ort zu bekommen (schick mir doch eine Mail, vielleicht kann ich Dir mit Adressen weiterhelfen). Aber trotzdem ein paar Gedanken, die mir zu dem geschilderten Problem einfallen.
: Mit Hündinnen verträgt er sich mittlerweile und auch mit ein paar Rüden. Doch zuerst greift er sie an.
: Wie kann ich das umlernen?
Wie hast Du denn erreicht, dass er sich mittlerweile wenigstens mit ein paar Hunden verträgt? Kannst Du die genaueren Umstände mal schildern?
: Er hat wahnsinnige Angst vor dem Lernen, dabei arbeite ich bei ihm nur mit Belohnung. Ich nehme an, daß er füher mit Schlägen erzogen wurde. Wie kann ich ihn ansprechbar machen, wie kann ich erreichen, daß er Spaß am Lernen findet, am Aufgaben lösen? Er lernt eigentlich unwahrscheinlich schnell und will uns immer zum Lachen bringen.
Wie kommst Du zu der Annahme, der Hund hat Angst vor dem Lernen? Eigentlich lernen (nicht nur) Hunde permanent (nur leider eben nicht immer das Gewünschte ;-)...). Wie manifestiert sich seine Angst? Ich vermute mal fast, er hat diese "Angst vor dem Lernen" besonders in Gegenwart von Menschen? Wenn er schon auf den Clicker konditioniert ist, hättest Du vielleicht eher eine Chance, sein Vertrauen zu gewinnen, weil Du damit auf Entfernung bleiben kannst. So fühlt er sich möglicherweise sicherer (vor Schlägen). Ich persönlich habe ganz gute Erfahrungen gemacht mit dem Napf als Hilfsmittel. D. h. bei misstrauischen Hunden Leckerchen nach dem Click ins Napf werfen. Dieser scheint selten negativ besetzt zu sein. Wenn Du ein einigermaßen guter Werfer bist, kann das Napf so ein paar Meter von Dir entfernt stehen.
: Mit meiner Mutter oder mir alleine will er nicht so gerne spazieren gehen, da er schon Verlassensangst hat, wenn nur eine von uns zweien fehlt.
Und wie verhält er sich, wenn eine von Euch das Haus oder den Raum (ohne ihn) verläßt? Wenn ihm das auch da schon schwerfällt, solltet Ihr unbedingt erstmal dort das Verlassen-Werden üben! (Hierüber könnte ich jetzt eine seitenlange Abhandlung schreiben, aber vielleicht weißt Du das schon alles - also frag bei Bedarf lieber nochmal nach).
Wenn wir zusammen spazieren gehen, freut er sich so, daß er sich so hineinsteigert, daß er heult, am ganzen Körper zittert und abgeleint bellend wie besessen durch die Gegend rennt (wehe ihm kommt etwas vor die Nase!). Er ist dann nicht mehr ansprechbar. Wie kann ich dieses Verhaltensmuster aufbrechen und umlernen?
:Gibt es vielleicht einen Ort, an dem er das nicht oder wenigstens nicht so ausgeprägt tut (d. h. noch ansprechbar ist)? Das könnte z. B. ein Ort sein, den er sehr gut kennt. Wenn ja, könntest Du dort mit ihm spielen (falls er mit Dir spielt), eine kleine Übung von ihm verlangen (z. B. Pfötchengeben - falls er überhaupt schon irgendetwas Derartiges tut. Du schreibst, er will Euch gern zum Lachen bringen. Könnte man da einhaken?), oder - wenn beides (noch) nicht geht, könntet Ihr Euch dort einfach mal auf eine Bank, auf den Boden oder auf mitgebrachte Campingstühle setzen. Das bringt meist auch schon ein wenig Ruhe in die Sache. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Ihr ganz besonders ruhig bleibt, wenn er so "abdreht".
: Er ist oft sehr verkrampt, da ihn sehr viel streßt. Wenn er gestreßt ist, äußert sich das bei ihm immer in Aggressivität. Zum Beispiel wenn wir in die Stadt gehen und er nicht weiß, ob er im Auto warten muß. Nehme ich ihn dann an die Leine und aus dem Auto, greift er die erste Person an, die ihm vor die Nase kommt, sie kann dabei 50 Meter wegstehen, das ist egal.
Versuch doch, dafür zu sorgen, dass ihn nicht so viel streßt (klingt einfach, ist aber bestimmt wahnsinnig viel Arbeit). D. h. hol, wo es geht, die Umweltsozialisierung gaaaanz langsam nach. Alles, was er kennt und von dem er gelernt hat, dass davon keine Gefahr ausgeht, wird ihn weniger stressen. Er ist ja noch nicht alt, und Du könntest ihm damit sein Leben viel lebenswerter machen. Das mit dem Auto könnte auch zuviel für ihn sein, wenn er es wirklich mit Verlassensängsten zu tun hat. Übt das unbedingt zuerst (s. o.) im Haus.
: Er weiß nicht, wie er Streß abbauen soll, sowohl positiven als auch negativen. Er will es am liebsten durch Beißen, sei es auf ein Seil oder in das Bein eines fremden Menschen. Er hat wohl nie andere Verhaltensstrategien gelernt.
Ein Seil scheint mir die akzeptablere Lösung... ;-) Vielleicht kannst Du das "Ins-Seil-Beißen-Dürfen" unter Signalkontrolle bringen und es sogar als Verstärker (alternativ z. B. zu Leckerli) benutzen. Wenn er durch das Beißen Streß abbauen kann, ist dieses Verhalten sicher gut als Verstärker geeignet (aber eben nur in kontrollierter Form, d. h. Seil statt Bein).
: Wie kann ich ihm alternatives Verhalten beibringen? Ist der Clicker dafür überhaupt ein geeignetes Instrument?
S. o. - Wenn Du es schaffst, dass er zunächst einmal wenigstens ins Seil beißt (statt in irgendwelche Beine), ist das ja schon ein Alternativverhalten. Wie oben jedoch bereits gesagt, scheint mir Euer Problem fast zu komplex, um es aus der Ferne zu lösen. Immerhin hoffe ich, Dir ein paar Anregungen gegeben zu haben. Berichte doch mal, wie sich die Dinge entwickeln.
Viel Erfolg!
Birgit