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Vereinspleite / Haftung ?

geschrieben von Silke(YCH) 
Vereinspleite / Haftung ?
22. Dezember 1999 18:47

Hallo an alle !

Wer kann mir Auskunft geben (eigene Erfahrung / gesetzliche Bestimmung),
ob im Falle einer Vereinspleite (Verein e.V.) Personen des Vorstands
haftbar gemacht werden können, z.B. indem sie für einen Teil der
Vereinsschulden aus eigener Tasche aufkommen müssen?

Oder ist die finanzielle Haftung von Vorstands-Mitgliedern ausgeschlossen?

Wäre toll, wenn sich jemand in dieser Angelegenheit auskennt
und mir Auskunft geben würde.

Viele Grüße
Silke



22. Dezember 1999 20:37

y: Hallo Silke,
:
:Wer kann mir Auskunft geben (eigene Erfahrung / gesetzliche Bestimmung),

::Aus eigener Erfahrung kann ich Dir leider keine Auskunft geben, doch ich kann aus dem Buch "Vereine und Verbände im schweizerischen Recht" zitieren: Ich nehme an, dass in Deutschland das Vereinsrecht grundsätzlich vergleichbar ist.

Zwischen der juristischen Person "Verein" und dem Vorstandsmitglied besteht ein organschaftliches Rechtsverhältnis, das vom Vorstandsmitglied die Erfüllung der durch Gesetz, Satzungen und Vereinsbeschlüsse begründeten Aufgaben verlangt. Demnach existiert - was vielfach verkannt wird, weil eine Bestimmung im Vereinsrecht fehlt (im Gegensatz etwa zum Recht der Aktiengesellschaft, 754 OR)- eine Vorstandshaftung (Haftung der einzelnen Vorstandsmitglieder dem Verein gegenüber). Das Vorstandsmitglied ist dem Verein gegenüber für sorgfältige Geschäftsführung, die sich vorallem nach dem Gesetz und Statuten richtet, verantwortlich. Im Prozess des Vereins gegen ein Vorstandsmitglied hat der klagende Verein die Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstandsmitglieds zu beweisen; dem beklagten Vorstandsmitglied steht der Beweis offen, dass ihn kein Verschulden trifft (Exkulpationsbeweis). Wird ein Vereinsmitglied durch unsorgfältige Geschäftsführung eines Vorstandsmitglieds indirekt geschädigt, kann es selber klagen (allerdings nur auf Leistung an den Verein), wenn der Verein es unterlässt, gegen das betreffende Vorstandsmitglied vorzugehen. Nicht klagen können hingegen bei mittelbarer Schädigung die Vereinsgläubiger.
Im Zusammenhang mit der Haftung der Vorstandsmitglieder dem Verein gegenüber kommt der Déchargeerteilung (Entlastungserklärung) besondere Bedeutung zu. Wird (durch die Vereinsversammlung) Décharge erteilt, bedeutet dies, dass für die betreffende Zeitspanne seitens des Vereins keine Verantwortlichkeitsansprüche geltend gemacht werden. Jede Déchargeerteilung muss ausdrücklich erfolgen; sie kann sich immer nur auf Tatsachen, die der Vereinsversammlung klar und vollständig beannt waren, beziehen.

Ich hoffe, dass ich Dir mit meiner Antwort helfen konnte.
Trotz dem unschönen Thema - frohe Festtage - und ein neues Jahr ohne Vereinsstreitigkeiten.
Gruss Yvonne



27. Dezember 1999 09:27

Hallo Silke,

sofern durch Verschulden des Vorstandes Dritte durch den Verein geschädigt werden, haften die Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes auch mit einem Teil ihres Privatvermögens, wenn der Verein nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. In welchem Rahmen und in wieweit das durch die Vereinssatzung festgelegt werden kann, weiß ich jetzt aus dem Stehgreif nicht, das kann ich aber mal nachsehen.

Im Verlag "Wirtschaft, Recht und Steuern" gibt es eine Lose-Blatt-Sammlung ("Der Verein"winking smiley, die unter anderem solche Fragen beantwortet. Leider ist die Sache nicht ganz billig (der erste Ordner kostet 198 DM, die vierteljährlichen Ergänzungen einschließlich Vorlage für die Steuererklärung jeweils zwischen 25 und 40 DM, je nach Anzahl der zu ergänzenden Blätter), aber für die Vereinsgründung/Vereinsführung lohnt sich diese Investition wirklich, da das ganze rechtliche und auch vereinsinterne Spektrum abgedeckt wird.

Viele Grüße

Antje

27. Dezember 1999 20:51

In welchem Rahmen und in wieweit das durch die Vereinssatzung festgelegt werden kann, weiß ich jetzt aus dem Stehgreif nicht, das kann ich aber mal nachsehen.

Hallo Antje,

das wäre aber nett, wenn Du mir da noch genauer Bescheid geben könntest,
vermutlich hast Du in Sachen Vereinsrecht bereits Kenntnisse, ich bin
mir da so unsicher, wo was genau stehen könnte.

Anfang nächsten Jahres steht nämlich die Entscheidung an, ob man sich
in den Vorstand eines total verschuldeten Vereins wählen lassen soll -
die Skepsis ist gross .... Und das Risiko wohl nicht gering, oder ??

Schon im voraus vielen Dank für Deine Bemühungen.

Viele Grüße
von Silke



:
: Im Verlag "Wirtschaft, Recht und Steuern" gibt es eine Lose-Blatt-Sammlung ("Der Verein"winking smiley, die unter anderem solche Fragen beantwortet. Leider ist die Sache nicht ganz billig (der erste Ordner kostet 198 DM, die vierteljährlichen Ergänzungen einschließlich Vorlage für die Steuererklärung jeweils zwischen 25 und 40 DM, je nach Anzahl der zu ergänzenden Blätter), aber für die Vereinsgründung/Vereinsführung lohnt sich diese Investition wirklich, da das ganze rechtliche und auch vereinsinterne Spektrum abgedeckt wird.
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: Viele Grüße
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: Antje

29. Dezember 1999 08:09

Hallo Silke,

ich habe mal nachgeschaut und Folgendes über die Privathaftung von Vereinsvorstandsmitgliedern gefunden (ist absolut nicht vollständig):

Laut BGB ist die Haftung nicht ausschließlich auf den Verein und dessen Vereinsvermögen beschränkt, sondern kann auch die Vereinsrepräsentanten (= die Vorstandsmitglieder) und u.U. auch die Mitglieder privat treffen.

Vorstandsmitglieder können haftbar gemacht werden, wenn bewust oder unbewuste Grenzen der Vertretungsmacht überschritten werden, unerlaubter Handlungen erfolgen, eine vertragliche oder vorvertragliche Pflichtverletzung begangen wird, bei Nichterfüllung gesetzlicher Aufgabenzuweisung oder wenn Satzungsvorschriften mißachtet werden. Dabei wird nur für Schäden gehaftet, die aus einer Pflichtverletzung während der Amtszeit entstehen. Schäden geltend machen können Dritte, der Verein oder auch einzelne Mitglieder.

Die Ansprüche Dritter gegen Vorstandsmitglieder sind i.d.R. beschränkt auf Fälle, in denen ein unerlaubtes Verhalten oder ein pflichtwidriges Unterlassen vorliegt (Körperverletzung, Sachschäden, Betrug, Unterschlagung, Steuerhinterziehung usw.). Steuerbehörden können übrigens ohne eine strafrechtliche Verurteilung gegen Vereinsrepräsententen vorgehen. Die vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder (wenn in der Satzung nichts anderes vermerkt ist, sind das i.d.R. der Vorsitzende und sein Stellvertreter) haften zu gleichen Teilen und mit ihrem gesamten Privatvermögen.

Bei einer Steuerschuld haftet der Verein erst einmal unmittelbar (= mit dem Vereinsvermögen). Hier haftet der Vereinsvorstand persönlich als gesetzlicher Vertreter, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig steuerliche Pflichten verletzt, z.B. die Steuererklärung nicht fristgerecht einreicht, unrichtige Angaben macht usw. Generel haftet der Vorstand auch persönlich, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Bestätigungen für Spenden, Zuwendungen und Mitgliedsbeiträge ausgestellt werden oder Zuwendungen nicht für den angegebenen Zweck verwendet werden.

Pflichten des Vorstandes bezüglich den Steuerbehörden sind Folgende: Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht, Abgabe der Steuererklärung, Auskunftserteilungspflicht, Entrichtung von Steuern. Hier haften bei Schäden alle vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder zu gleichen teilen, unabhängig davon, ob sie über das zur Pflichterfüllung notwendige Wissen verfügen. Sollte ein Verein Arbeitgeber sein, kommen weitere steuerliche Verpflichtungen auf ihn zu.

Vereinsvorstände sind verpflichtet, z.B. bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Vereins einen Konkursantrag zu stellen; wird dieses absichtlich oder unabsichtlich versäumt, haftet auch hier jedes vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied privat.

Der Vorstand ist generell in seinem Handeln weder gerichtlich noch außergerichtlich eingegrenzt, außer in der Vereinssatzung ist etwas anderes vermerkt. Dann haftet der Vorstand auch hier persönlich, wenn er eine festgesetzte Grenze überschreitet.

Mit Ende der Amtszeit können i.d.R. keine neuen Haftungsfälle mehr entstehen, jedoch fällt einen mögliche Haftung nicht mit dem Ende der Amtszeit zusammen. Wirklich "aus dem Schneider" ist man erst nach Entlastung durch die Mitgleiderversammlung, wenn mit dem Verein ein Erlaßvertrag geschlossen wurde, der Anspruch verjährt ist (30 Jahre!) oder der Verein in irgendeiner Weise seinen Anspruch verwirkt hat.

Übel kann es auch ausgehen, wenn der Vorstand eines als gemeinnützig anerkannten Vereines bewußt oder unbewußt gegen die Auflagen der Gemeinnützigkeit verstößt; hier können hohe Rückforderungen von Steuervergünstigungen auf den Verein zukommen.

Es gibt noch viele weitere Aspekte, die ganz von den Verhältnissen des betreffenden vereines abhängen.

Es ist schon eine verantwortungsvolle Aufgabe, ein Vorstandsamt in einem Verein zu übernehmen. Viele Mitglieder sind sich dessen gar nicht bewust und kritisieren statt dessen an vielen Kleinigkeiten herum, derweil die Vorstandsmitglieder sich bei vielen offiziellen Schritten überlegen müssen, ob sie nicht vielleicht "mit einem Bein im Knast stehen" (auch das ist theoretisch möglich).

Im Falle eines verschuldeten Vereines würde ich mich auf jeden Fall vor Übernahme eines Vorstandsamtes genau über die Verhältnisse informieren, ggf. mit meinem Anwalt und/oder Steuerberater darüber sprechen, als erstes ggf. eine Satzungsänderung ins Auge fassen (Begrenzung der Vorstandsgeschäfte durch die Mitgleiderversammlung) und die Versicherungsunterlagen überprüfen. Viele Vereine sind absolut unterversichert (Haftpflicht-, Helferunfallversicherung). Wenn man sich dann an alle gesetzlichen Auflagen hält, dazu größere Schritte jedesmal von der Mitgleiderversammlung absegnen läßt (hier ist eine exakte Protokollführung absolut wichtig!) und sich über alle Vereinsgeschäfte gründlich informiert, hält sich das private Haftungsrisiko in Grenzen und die Arbeit (es ist allerdingst wirklich richtige Arbeit!) kann sogar sehr viel Spaß machen.

Viele Grüße

Antje


29. Dezember 1999 20:34

Hallo Antje,

herzlichen Dank für Deine ausführliche Ausführung !
Ich wünsche Dir einen guten Rutsch ins Jahr 2000 !

Liebe Grüße

Silke