Hallo Cari,
auch von mir eine etwas ausführlichere Antwort:
ich bin aufgewachsen mit der Gewohnheit: man hat einen Hund (und hab das auch nicht in Frage gestellt.) Die, die zwei hatten, hatten eben einen draussen- und einen drinnen-Hund, die nicht viel miteinander zu tun hatten. Erst mit unserer jetzigen dreieinhalbjährigen Rudelchefin Sunny kamen mir da Zweifel. Wir haben sie mit 13 Wochen bekommen, fast ohne Menschenbindung, verschüchtert und (wie sich herausstellte) leider auch krank (Hüftgelenksentzündung). Insofern hatte sie nicht gerade eine tolle Kindheit, Sozialkontakte waren für sie schwierig und angsteinflößend. Sie war zwar wie ein Schatten immer in meiner Nähe und wurde total verunsichert, wenn ich mal (kurz) weg war, konnte aber mit Nähe nichts anfangen, das hat sie wieder abgeschreckt. Als sie nach einiger Zeit sich wenigstens mal für eine Minute angekuschelt hat, haben wir vor Freude geheult. Um ihr Sozialkontakte zu bieten habe ich alles, was ich konnte, versucht, bin wochenlang mit Leuten durch die Gegend gelaufen, die ich nicht ab konnte, bloss weil sie einen Junghund hatten, der sie interessierte. Insgesamt hat es leider alles nicht den gewünschten Erfolg gehabt. (Per Glück und Zufall) hatten wir uns dann bereit erklärt, einen älteren Mischling für drei Wochen in Pflege zu nehmen, den sie mochte (da war sie etwa 7 Monate alt). Silberstreif am Horizont! Da war zum erstenmal eine starke Besserung zu sehen! Max war für unsere Sunny der beste Therapeut, sie wurde munterer und hat die ersten Male ausgelassen gespielt (Aber nur bei uns zu Hause, draussen hat sie sich noch immer nicht getraut). (Zu unserem, leider nicht zu Max' Glück) haben seine Besitzer oft jemand gebraucht, der ihn in Pflege nimmt, so dass wir ihn mindestens einmal die Woche bei uns hatten. Es ging bergauf. An der Stelle haben wir uns entschlossen, für Sunny einen zweiten Hund zu holen. Wir hatten allerdings größte Bedenken, dass ein zweiter, normal selbstbewusster Hund unsere Sunny möglicherweise unterbuttern könnte, was wir beiden nicht antun wollten (denn wenn Sunny gelitten hätte, hätten wir den anderen wieder abgegeben und das wäre ihm gegenüber auch nicht fair gewesen). Wir haben uns daher dazu entschlossen, sie einmal decken zu lassen und einen Welpen bei ihr zu lassen, den sie selbst mit erziehen kann. Nach langem Überlegen hatten wir einen passenden Partner gefunden, den sie ausserdem sehr gern mochte, haben nach Beratung und ausführlicher Untersuchung beim Tierarzt unseres Vertrauens (Die Gelenksentzündung war mit 6 Monaten erfolgreich behandelt worden) die beiden zusammen gelassen, als Sunny 2 Jahre alt war und hatten zwei Monate später 9 entzückende Abbilder ihrer Mutter (ich schweife ab).
Kurz und gut, wir haben zwei behalten, die jetzt 15 Monate alt sind. Für Sunny war es trotz aller Anstrengungen in der Schwangerschaft offenbar ein Megading. Sie ist instinktsicher und eine gute, souveräne Rudelchefin (und hat nebenbei einen Gutteil ihrer verlorenen Kinderzeit nachgeholt, gar nicht so selten hat sie in der Gruppe den größten Blödsinn gemacht und am ausgelassensten gespielt). Neben unseren eigenen haben wir immer noch mehrere Pflegehunde, die uns ab und zu besuchen kommen (für Tage oder Wochen) nebst einem engen Kontakt zum Vater. Es ist eine Riesenfreude zu sehen, wie gerne die Hunde zu uns kommen (für manche Besitzer war es am Anfang nicht leicht, zu sehen, dass ihr Hund sie kaum vermisst hat, aber ich vergleiche das immer mit einem Kindergarten: Die meisten Kinder, die da gerne hingehen, wollen ja auch nicht unbedingt einziehen, oder?). Die Bindung unserer Hunde an uns ist mindestens genauso groß wie die an die Gruppe, wir sind als Spiel- und Schmusepartner sehr begehrt, obwohl (oder weil?) wir viel mit ihnen spielen und für uns ist die Truppe munterer, ausgeglichener Hunde das Lieblingshobby geworden. So viel zu positiven Seiten, für uns gäbe es nie wieder einen alleine.
Aber auch die andere Seite darf keinesfalls ausser acht gelassen werden: Nicht jeder Hund eignet sich mit jedem anderen Hund zur Rudelhaltung, es soll auch Individuen geben, die sich gar nicht für Rudelhaltung eignen (?). Ein wirkliches Rudel entsteht fast ausschließlich durch familiäre Beziehungen der Hunde. Gibt es eine echte Rudelstruktur, können auch andere Hunde integriert werden. Mehrhundehaltung (im Gegensatz zur Rudelhaltung) hat oft auch positive Auswirkungen, aber besonders in puncto Kompensation seelischer Schäden/ Angstabbau ist der Effekt meist deutlich geringer (Wir haben einen unserer Welpen mit 11 Monaten von den Besitzern nach langer Betreuung zurückgefordert; die Kleine war völlig verängstigt, ist aber im Rudel unter dem Schutz der anderen schnell wieder aufgeblüht und jetzt ein so toller Hund, dass mehrere Bekannte versuchen, sie uns "abzuschnacken" :-)); so haben wir jetzt eben vier).
Ich rate aber niemandem dazu, es genau so wie wir zu machen: Welpen machen sehr viel Arbeit (auch sehr viel Freude aber noch viel mehr Arbeit), wenn man es richtig und verantwortungsvoll machen will (und nicht im Gartenschuppen oder so) und man hat die Verantwortung für die Kleinen, denen man auf die Welt hilft! Lebenslang!! Finde ich zumindest. Bei der Auswahl eines Zweithundes ist die Meinung des ersten von erheblicher Bedeutung! Viel mehr als eure eigene! Denn unüberlegte Zweit- und Mehrhundehaltung kann böse Folgen haben: Genauso wie gelungene Mehrhundehaltung positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten haben kann, kann misslungene Zweithundehaltung zu psychischem Dauerstress werden: für euch und für die Hunde. Da gibt es nicht wenige Beispiele. Wer über Zweithundehaltung nachdenkt, sollte sich umfassend informieren, unter anderem empfehle ich Beckmann: Hunde sind doch Rudeltiere um sich über Rudelhaltungserfahrungen zu informieren. Das Buch gibt keine Hilfe, wie man zu einem Rudel kommt, sondern summiert nur die Erfahrungen von Mehrhundehaltern. Die Bereiche, die ich aus eigener Beobachtung kenne, kann ich voll unterschreiben.
Zum guten Schluss ein paar Grundregeln für die, die sich von den Risiken nicht abschrecken lassen wollen:
1. Der Ersthund sollte idealerweise bereits erzogen und sozial gefestigt sein (2-2,5 Jahre). Wer Probleme mit seinem Ersthund bezüglich der erziehung hat, sollte die vorher in den Griff kriegen. Denn Hunde lernen alles voneinander, besonders auch den Unfug.
2. Bei der Auswahl eines Zweithundes sollte sorgfältig die Meinung des ersten einbezogen werden. Tests beim Züchter, in neutraler Umgebung und zuhause sind unumgänglich. Reagiert der Ersthund ungehalten, ist es entweder der falsche Welpe/ Zweithund oder euer Ersthund ist generell ungeeignet (da lässt sich nichts erzwingen!)
3. Rangordnungen sind im Rudel von großer Bedeutung. Sie werden zwar nur selten in aggressiver Form ausgetragen, das ändert sich aber in Windeseile, wenn ihr die Rangordnungen eurer Hunde nicht beachtet. Dann besteht in letzter Konsequenz Todesgefahr. Und Rangordnungen sind oft nicht ein Leben lang gleich. Veränderungen beachten!
4. Für Rudelhalter noch wichtiger als für andere: Jede Information über Rudel- und Sozialverhalten lesen und durchdenken (vorzugsweise natürlich die guten, es gibt auch Mist). Gründliches Beobachten und möglichst auch Verstehen der Verhaltensweisen macht nicht nur viel Spass, sondern ist auch für erfolgreiche Haltung unerlässlich.
Beste Grüsse Antje