Hallo Jettie,
ich glaube nicht, dass es möglich ist, eine "pauschale Rudelordnung" zu verfolgen. Mein Rat an Thomas und seine Bekannten bezog sich mehr auf einen Rat zum Einstieg in das Rudel, weil es dort offenbar keine Grundlage gibt.
Rudelbeziehungen zwischen Hunden und natürlich auch zwischen Mensch und Hunden haben immer individuelle Komponenten, die von den einzelnen Individuen und ihren Vorlieben und Eigenheiten abhängen. Es gibt für mich da so etwas wie eine Zweiteilung (obwohl beides natürlich zusammengehört): Das eine ist die "Pflicht", Kenntnis und Beachtung allgemeiner Rudelstrukturen - die Grundlage.
Das andere ist die "Kür", in der die Besonderheiten der jeweiligen Rudelmitglieder mit beachtet werden können, wenn die Grundlage des Miteinanders stimmt. In unserem Rudel halten wir uns an so gut wie überhaupt keine der standardmäßig verbreiteten Regeln zu Dominanz und Stellung: (Die Hunde dürfen überall hin (auch ins Bett, wenn sie wollen), sie dürfen (und tun das mit Begeisterung) uns zur Begrüßung anspringen (das tun sie aber nur bei uns und einigen wenigen Freunden, die ins Rudel integrierte Hunde haben und das auch wollen), sie dürfen beim Spielen knabbern; ohne dass wir oder andere je geschimpft oder gedroht haben (wir haben die Welpen aufgezogen) sind sie dabei sehr zart, kommt man mal unglücklich dazwischen, wenn sie einen Rudelkamerad zwicken wollten (da gibt es im Druck erhebliche Unterschiede) reicht ein "Au" und sie brechen sofort ab, wir lassen sie bei Zerrspielen gewinnen (natürlich nicht immer, aber sie lieben das und geben trotzdem auf Kommando bereitwillig aus), ich liege oder sitze bei Tobereien mit einem oder allen oft auf dem Boden (natürlich wird man da auch mal versehentlich getreten, aber das ist auch das äußerste) und noch vieles mehr.
Trotz alledem gibt es seitens der Hunde (nicht nur nach unserer Meinung) nicht den Anflug von Dominanzgebaren oder untergraben der Autorität uns gegenüber. Fixieren, Drohhaltung, ein kleines Knurren oder mal ein ernstes Wort sind die (selten gebrauchten) "Strafen", auf die sie sofort reagieren.
Untereinander toben und rangeln die vier recht ausgiebig, insgesamt jeder mit jedem, wobei unsere Rudelchefin ein bisschen zurückhaltender ist. Sie ordnet die Rangfolge, in dem sie ab und zu mal auf ihrer Position besteht (oder auf ihrem Spielzeug/ Beute). Innerhalb ihres Rudels macht sie daraus aber keine Staatsaffäre, es kommt immer wieder mal vor, dass sie sich trotz Gebrummels von ihren Gören was wegnehmen lässt. Anders ist die Sache, wenn sie ein Verhalten ahnden will: Der Ton ist unmissverständlich und die Reaktion ihrer Nachkommenschaft eindeutig: Machtwort. Es gibt keine gesonderten Schlafplätze oder Rechte, sie bekommen alle zusammen ihr Fressen, die Näpfe stehen unmittelbar nebeneinander.
Wenn sich mal ein Maul in den anderen Napf "verirrt" sind die einzigen, die was dagegen haben, wir. Das Thema Fütterung behalten wir uns aber schon seit Beginn vor, auch und gerade wegen anderer Gasthunde. Da wurde von Anfang an geklärt: Hier muss (und darf - für Fremdhunde) keiner sein Futter oder andere Heiligtümer verteidigen, für gerechte Verteilung sorgen wir. Bei unseren ist da nie ein ernstzunehmendes Problem aufgetreten, ebenso wenig wie mit Spielzeug, dass für alle in ausreichender Menge da ist.
Unsere Hunde können aber genau unterscheiden, wenn sie mit anderen Hunden zusammen sind (bei uns oder auch unterwegs: freundliche Hunde (Rasse oder Größe egal)dürfen am Spielzeug mitziehen, knurrt oder verteidigt der andere sein Spielzeug, wird zurückgeknurrt und verteidigt, und das mit Erfolg. Das lasse ich sie auch, sie müssen sich nicht von anderen alles wegnehmen lassen)
Ich erzähle das jetzt nicht, damit sich das anhört wie: Und wenn sie nicht gestorben sind ... Sondern als Illustration, wie es bei uns im Rudel im Allgemeinen zugeht. Natürlich stehen wir auch immer wieder vor einzelnen Entwicklungsphasen, in denen gezielte Einwirkungen notwendig sind, aber bisher hat sich da noch nichts als gravierendes Problem herausgestellt. Etwas schwieriger ist allerdings die Reintegration eines Welpens, den wir nach 8 Monaten von den Besitzern zurückgeholt haben. Die wirbelt unsere „eingefahrene“ Ordnung schon mal durcheinander, ohne allerdings grundsätzlich was dran zu ändern.
Weil das bei uns so läuft, sind die allgemeinen Grundsätze zur Rudelhaltung und Positionsbestimmung nicht falsch, aber sie sind je nach Sachlage auch keine "ehernen Gebote" ohne deren Befolgung nichts geht. Rudelhaltung ist immer eine Frage von Beobachten, Verstehen (mindestens versuchen), Abwägen, Folgen ansehen, Korrigieren (oder auch nicht). Zum verstehen ist viel Information von anderer Seite zum Vergleich notwendig, damit man sich Hypothesen bilden kann und anhand der Beobachtung überprüfen kann, ob das auf einen selbst auch zutrifft.
Uff. Statt einer Antwort auf die kurze Frage nach „wegschieben“ oder nicht kommt jetzt dieser Roman. Sorry, Jettie, aber ich hoffe, du verstehst, warum ich das mache: Solange keine akuten Probleme vorliegen, gibt es nicht objektiv richtig und objektiv falsch. Ich kann dir nicht aufzählen, welche Punkte für das Funktionieren bei uns entscheidend sind oder nicht, und selbst wenn ich es könnte, es würde bei dir nicht zwangsläufig funktionieren, weil ihr anders seid. Die Grenzen und Eigenheiten eures Rudels müsst ihr selbst aushandeln; wichtig ist immer die Entwicklung im Blick zu behalten, um bei aufkommenden Problemen frühzeitig gegenwirken zu können (ohne sich dabei verrückt zu machen und andauernd einzugreifen). Hört sich schwierig an, ist es am Anfang auch (gerade bezüglich der Unsicherheit, ob das nun so sein soll oder nicht), aber das ist der Weg, den wir gegangen sind und mit dem wir sehr glücklich sind.
Ich hoffe es nutzt dir was
Liebe Grüße