Hallo Hajo,
ein schwieriges Thema für eine pauschale Antwort. Die vielbeschworene Todfeindschaft zwischen Hündinnen ist oft keine solche (Wir haben selbst drei). Es wäre für dich bestimmt interessant, mal bei Gudrun Beckmann (Hunde sind doch Rudeltiere) nachzulesen, was die Erfahrungen von Mehrhundehaltern in Bezug auf Hündinnen sind. In Kurzform ist die Aussage, dass Hündinnen, die neu zueinander kommen, in der Regel in den ersten drei Wochen die Rangfolge ausmachen, dann aber in der Regel ein Leben lang problemlos zusammen bleiben, wenn diese Ordnung erfolgreich eingeführt ist. Im Gegensatz dazu ist die Rangordnung bei Rüden im Prinzip zeitlebens ein Thema, wenn nämlich die Voraussetzungen durch Wachstum oder Alter oder Selbstbewusstsein verändert werden.
Als Beispiel unsere "Althündin" (3,5 Jahre, Mutter, Clanchefin ihres Rudels, souverän und instinktsicher). Sie ist grundsätzlich unproblematisch mit anderen Hündinnen, solange diese die Rangfolgen und Hundesignale kennen. Ältere Hündinnen werden problemlos akzeptiert, da ordnet sie sich kommentarlos ein, jüngere werden toleriert, SOLANGE sie nicht DREIST werden (oder bei Annäherung schon sind). Wir haben das bei den wenigen Fällen wo sie eine Hündin angegangen ist, überprüft, weil wir natürlich selbst wissen wollten, was da abgeht: In jedem der Fälle waren es "anerkannte Zicken", denen sie den Marsch geblasen hat. Angehen heißt in dem Fall, dass sie mit Radau und Gedroh die andere unterordnet, sie beißt nicht sondern bügelt die andere mit "Schalldruck" und Imponiergehabe über. Danach ist es aber auch völlig in Ordnung, ich kann sie dann ohne weiteres mit der anderen zusammenlassen, sie trägt nicht nach und ist dann so ruhig und verträglich wie eh und jeh. Das Verhalten ist analog wie sie es zur "Einnordung" ihrer Kinder (passiert nicht oft, kommt aber mal vor) zeigt, wenn sie das für erforderlich hält.
Obwohl wir wissen, dass ihr Verhalten im Prinzip völlig in Ordnung ist, heißt das trotzdem, dass wir das Zusammentreffen mit anderen Hündinnen beobachten und gegebenenfalls solche Situationen vermeiden, da andere Hundebesitzer, die wir nicht kennen, das Verhalten oft ganz anders einschätzen (Bevor ich jetzt eine Reihe von Protestmails kriege dass ich hier eine Supermacho-Hündin habe und das unterstütze, so ist es natürlich nicht. Wir haben häufige Hundekontakte und zu unserem Rudel eine Reihe Pflegehunde verschiedenen Alters, Geschlechts und Größe, die alle sehr gerne zu uns kommen und sich im Rudel wohl fühlen. Der Prozentsatz an Hündinnen, bei dem unsere sich genötigt fühlt, ein Machtwort zu sprechen, ist sehr gering. Besucherhunde werden unter Umständen beim Empfang "verbal auf die Rudelstruktur hingewiesen", dürfen sich danach aber völlig frei und unbehelligt in Haus und Garten bewegen, spielen etc. Auseinandersetzungen, wenn sie denn vorkommen, fangen auch nicht so an, dass unsere Hündin von sich aus auf einen anderen Hund losstürzt. Sie pflegt andere Hunde, die sie nicht kennt, weitestgehend zu ignorieren. Stürmt aber der andere Hund ohne den gebotenen Respekt auf sie zu und gibt sich dominant, kann es sein, dass sie "meckert". Ich lasse sie bei Auseinandersetzungen auch nicht schalten und walten, wie sie will).
Was ich damit sagen will ist, dass auch völlig normale, gut erzogene, selbstbewusste und sehr sozialverträgliche Hündinnen Ansprüche an Rangordnung und Verhalten anderen Hunden gegenüber haben. Das ist normal und muss nicht dramatisch enden, man sollte aber darauf achten, dass man die Situation unter Kontrolle behält.
Es wird in der Literatur immer wieder behauptet, Hündinnen würden keinen "Kommentkampf" kennen, wie Rüden ihn durchführen, sondern "auf den Tod" gegeneinandergehen. Das kann ich aus meiner Beobachtung nicht unterschreiben. In den zwei Fällen, in denen unsere Hündin in eine Auseinandersetzung verwickelt war, die über Gebell und Imponiergehabe hinausging (In beiden Fällen ist sie von den anderen Hündinnen gebissen worden) hat sie beidesmal die anderen im Genick gepackt, zu Boden gedrückt und dort fixiert (Ohne dass die anderen auch nur eine Schramme hatten, während unsere Hündin in beiden Fällen vom Erstangriff eine blutende Wunde hatte). Wenn das nicht perfekter Kommentkampf ist. Im Gegensatz dazu erlebe ich immer wieder blutige Auseinandersetzungen zwischen Rüden (die ja angeblich nur "kommentieren", auch zwischen solchen, die vermeintlich so gut sozialisiert sind).
Der Punkt ist für mich: In den von mir angedeuteten Fällen hatten die Hundehalter immer auch Einfluss auf das Verhalten ihrer Hunde. Ein Einzelhund, der durch falsch verstandene Tierliebe in seinem Ego (oder seiner Angst und Anspannung, kommt in der Regel aufs gleiche raus) oft bis ins Unendliche verstärkt wird, KANN NICHT normal, sprich durch Gesten und Signale, mit anderen Hunden beiläufig die Ordnungsbeziehungen klären. In der Regel liegt aber dieses Verschulden beim Halter und nicht beim Hund. Bin ich deshalb der Ansicht, Hunde sollten alles unter sich austragen, wie man das so gerne immer wieder hört? Auf gar keinen Fall, und zwar genau aus diesen Gründen, weil nämlich die Halter sich oft unverantwortlich in das Verhalten ihrer Hunde "eingemischt" haben. Da man aber bei den Leuten, die man auf Spaziergängen trifft, nicht weiß, wie sie ihre Hunde sozialisiert haben, ist Vorsicht immer geboten, von der Grundregel mal abgesehen, dass das letzte Wort ohnehin der Rudelchef, also der Mensch haben sollte.
Wozu jetzt der lange Text? Ich wollte gern erläutern, dass nicht jede Auseinandersetzung prinzipiell von Übel und Anzeichen für einen mangelhaft sozialisierten Hund ist, sondern dass Auseinandersetzungen im Kommentbereich durchaus zum normalen, akzeptablen Bereich gehören. Woran erkennt man nun aber, ob es Komment ist oder nicht? Dazu gehört Erfahrung und Beobachtung mit dem eigenen Hund, und, wenn möglich, Austausch mit anderen, erfahrenen Hundehaltern und Trainern. Grundsätzlich muss man an der gemeinsamen Haltung anderen Hunden (und Menschen und Fahhrädern etc.) gegenüber arbeiten. Der eigene Hund, speziell an der Leine, muss lernen, dass alles um ihn herum passierende, was ihn nicht direkt berührt, normal ist und von ihm ohne weitere Notiz (und natürlich ohne Knurren, zerren, bellen usw.) "links liegen" gelassen wird. Dafür gibt es aus verschiedenen "Erziehungslagern" auch geeignete Trainingsprogramme mit mehr oder weniger Aufwand.
Neben dem "normalen" Beachten und nicht-Beachten und Kommentauseinandersetzungen gibt es natürlich auch reihenweise Kontaktprobleme, die aufgrund von Traumata, Beziehungsstörungen, fehlgelaufenen Sozialisierungen oder nicht zuletzt körperlicher und genetischer Probleme auftreten können. Hier sollte man aber, wenn man nicht über eigene, langjährige, einschlägige Erfahrungen verfügt, unbedingt einen GEEIGNETEN Fachmann/frau zu Rate ziehen (Nach meiner Erfahrung suchen auch und gerade erfahrene, verantwortungsvolle Hundehalter von sich aus den Austausch mit anderen, wenn sie bei einem Problem mal nicht klar sehen), ob das, je nach Lage der Dinge, nun Trainer, Verein, Therapeut oder Tierarzt ist.
So wie ich es sehe, ist kein Hund mit gestörtem Sozialverhalten glücklich in seiner Situation, das bedeutet für ihn nämlich Stress, Unsicherheit, Einschränkung etc. In der Regel sind diese Hunde nur zu gerne bereit, ihr bisheriges Verhalten zugunsten eines angepassteren Verhaltens aufzugeben, es ist aber Sache des Halters (und geeigneter Hilfe), den richtigen Ansatzpunkt dafür zu finden.
Beste Grüße Antje