Alter Schäferhund - schlecht sozialisiert - Hoffnung?
12. Dezember 2009 18:57
Hallo

Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie es ist, mit einer schlecht sozialisierten Schäferhündin unterwegs zu sein. Meine hat sich draussen mit Hunden meist nicht verstanden, war stürmisch und grob, wenn sie gut drauf war, meist war sie aber einfach von Vornherein aggressiv. Ich hatte sie aus dem Tierheim übernommen, kannte sie von meiner Arbeit her aber schon 3 Jahre (ich habe sie im Alter von 7 Jahren übernommen). Daher wusste ich, dass sie neben einem hohen Jagdtrieb auf Tiere (sie hat bei mir leider auch eine Katze erwischt) auch auf Räder reagierte (während sie noch im Tierheim wohnte, hat sie sogar zweimal bei stehenden Autos den Pneu zerbissen).

Bei mir zuhause reagierte sie dann aber in keiner Weise auf meine zahlreichen Meerschweinchen, die in einem ungedeckten Gehege hausten. Sie kam nicht auf die Idee, ins Gehege reinzuspringen und hat auch Nasen-Nasenkontakt zu meinem frechen Männchen aufgenommen. Das nennt sich dann wohl Burgfrieden. Daher besteht durchaus die Hoffnung, dass deine Hündin die Katze als Familienmitglied wahrnimmt und sie akzeptiert. Es gibt einige Hunde, die die eigenen HAustiere voll ok finden, draussen aber allem nachjagen.

Ich hatte immer den Eindruck, dass sich meine Hündin im geordneten Zuhause sicher fühlte und ein völlig normaler Hund war, draussen war sie ziemlich ausser Rand und Band und beruhigte sich dann stundenlang nicht. Erschwerend für die Hündin war sicher auch meine Lebenssituation, wir zogen von einem ruhigen Dorf in die Stadt. Im Dorf war es relativ leicht, den störenden Reizen auszuweichen, in der Stadt halt nicht. Aber ich denke, wenn deine Hündin keinen Kontakt zu anderen Hunden will (was sie ja anscheinend klar zeigt), dann muss das ja nicht sein. Meine jetzige Hündin ist aufs Alter auch eine Zicke geworden und findet andere Weibchen ziemlich doof.

Ich würde nicht so schnell aufgeben und die Vergesellschaftung mit der Katze ausprobieren, vielleicht mal zur Sicherheit mit Maulkorb und Leine oder so.

Viel Glück!

12. Dezember 2009 19:17
Wir werden die Vergesellschaftung auf jeden Fall erstmal nur mit Leine und Maulkorb probieren. Dafür muß aber Ebby halt auch noch mehr hier ankommen und Sicherheit gewinnen. Ich denke, sie hat ein großes Potential und ist für ihr Alter und die eigentlich eingeschränkte Erfahrungssituation, die sie mitbringt, sehr aufgeschlossen. Dass ihr "hey, auf sie"-Drang da ist, bei Hunden eh, bei Katze sicher auch, das wird sich nicht leugnen lassen.
Die Frage ist einfach, wie lange man wohl braucht, um das in etwa einschätzen zu können.
Je länger sie hier sein wird, desto unwahrscheinlicher wird es natürlich auch, dass wir sie wieder weggeben. Jetzt grade hat sie sich freiwillig auf die Decke gelegt, schaut aber ständig nach der TÜr (Katze könnte ja kommen). Ihr Interesse ist das. Wir müssen schaffen, das positiv zu steuern und ihr klar zu machen, dass es ein paar Regeln gibt, die nötig sind, wenn man hier leben will.
Es gibt sicher krassere Hunde als Ebby (wenn ich Deine Schilderung so höre), insofern ist eine Hoffnung da. Wir müssen einfach die Mensch-Hund-Beziehung festigen und erst dann können wir wohl richtig erfolgreich dran arbeiten, ihr Katzenjagen auszutreiben. Ein ungutes Restgefühl wird wohl bleiben, aber mal schauen.
Und falls es nicht klappt, haben wir es wenigstens versucht.
Danke für Deine Motivierung!

Sabine

13. Dezember 2009 17:05
Hallo Sabine,

hör auf dein Bauchgefühl, würde ich sagen. Vermutlich kennst du selbst die richtige Entscheidung, wie immer sie sein mag. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch hilfreich ist, deine Gedanken und Gefühle hier aufzuschreiben, wie du es ja auch tust. Das zwingt einen ja immer ein wenig, die Gedanken zu sortieren. Mir hilft das Schreiben jedenfalls immer ungemein.

Deine Vorstellungen von mehreren Hunden, von einem verträglichen Hund, der vielleicht ein guter Freund deiner Katze werden wird, werden sich so sicherlich nicht umsetzen lassen, aber das weißt du. Demgegenüber steht halt, dass es vermutlich schwer werden wird, diesen Hund weiter zu vermitteln. Ich denke, wenn er fast taub ist und als Schutzhund ausgebildet wurde, dann muss er auf jeden Fall ja auch in erfahrene Hände.

Langfristig denke ich, dass es ein großes Plus ist, dass der Hund gelernt hat, zu gehorchen. Vermutlich wird die Katze nie sein Freund werden, aber von einem gehorsamen Hund würde ich erwarten, dass er es akzeptiert, dass in Eurem Rudel nun mal eine Katze lebt. Wahre Freunde, die sich ein Körbchen teilen, müssen sie ja nicht werden. Ein weiteres Plus ist ja auch, dass deine Katze schon Hunde kennt. Da wird sie vermutlich nicht kopflos wegrennen und den Jagdinstinkt auslösen. Fremde Katzen duldet Durian hier auch nicht auf dem Grundstück.

Was andere Hunde angeht, so glaube ich, dass auch hier wieder sein Gehorsam ein großes Plus ist: Ich kann mir vorstellen, dass ein Beschnüffeln an der Leine vielleicht einfach nie gehen wird, aber wenn der Hund einen hohen Gehorsam hat, würde ich auch wieder erwarten, dass du ihn "bei Fuß" an anderen Hunden vorbei führen kannst.

Auch ich denke, dass Ihr jetzt einfach noch alle etwas Zeit braucht, bis Ihr wißt, wer wie tickt, wer welche Macken hat, und wie man damit umgehen kann. Dann wird sich ein sicherer Umgang einstellen, der jetzt sicherlich noch nicht vorhanden ist.

Am wichtigsten finde ich aber, dass du auf deine innere Stimme hörst, und wenn die Zweifel überwiegen, dann ist es dieser Hund nicht.

Viele Grüße
Anila

13. Dezember 2009 19:46
Hallo Anila,

danke für Deine Gedanken.
Ja, die innere Stimme....momentan schweigt sie noch beharrlich.
Eins ist uns aber heute auch bewußt geworden immerhin: Wir haben weniger ein Problem mit Ebbys Verhalten.
Wir haben ein Problem, dass es wieder ein alter Schäferhund ist. Denn wir sehen in Ebby immer wieder Lene vor uns! Sie liegt plötzlich wieder da. Sie läuft plötzlich wieder mit uns. Ebby ist nicht Lene, in ihrem Verhalten eigentlich auch nicht. Aber optisch ist es eine Wiedergeburt. Und die verkraften wir wohl nicht so ganz.
Wir wollten ja eigentlich genau deshalb einen Schnitt machen nach Lenes Tod. Neu anfangen. Nur haben wir dann bei Ebby wieder das alte Schema angewendet - wider besseren Wissens. Sind halt auch nur Menschen. Das passiert. Leider.
Nun ist die Frage wie wir damit umgehen. Geht es deshalb gar nicht? Weil wir nicht bereit sind (der Hund kann nix dafür)? Oder wird es (gerade deshalb?) irgendwann gehen, weil es unser gewohntes Schema ist (auch wenn wir uns für die Zeit jetzt ein anderes gewünscht hätten)?
Diese Fragen sind wichtiger als alles andere.
Es war dumm, so zu handeln. Aber nun haben wir eben auch ein großes Stück Verantwortung.
Es wird in jedem Fall dauern, wenn sie bleibt, ehe wir entspannt sein werden.
Sie würde sicher gut verkraften, wenn sie zurück käme - sie vermisst ihr altes Zuhause, das merkt man. Auch wenn sie dort viel allein war und es auf Dauer nicht so bleiben kann für sie dort. Es ist das, woran sie hängt.
Vielleicht sind wir noch gar nicht reif für einen neuen Hund. Ging alles zu schnell. Wir sind nicht mehr die, die wir damals waren, als Lene kam. Und auch sie war schon die "Wiedergeburt" meiner Nancy. Nun das dritte Mal - kann das gut gehen?
Wie geht es Euch da? Einmal Labbi oder Pudel immer Labbi oder Pudel?
Ist ja nicht wie Autos, wo man einen Golf durch den anderen ersetzt. Es geht hier um ein Lebewesen!!! Um ein sehr liebenswertes! Sie hat sich eben so süß gefreut, als wir nach einem kurzen Stadtbummel (mußten mal raus den Kopf frei kriegen) wieder kamen. Da bricht es mir dann das Herz bei dem Gedanken, dass ich so unfair bin ihr gegenüber, weil ich ein unverarbeitetes Vergangenheitsproblem habe.
Ganz praktische Überlegungen sind aber auch: Sie wird dauerhaft nicht gut die Treppe laufen können. Wie also damit umgehen? Sie nur unten halten? Es bahnen sich gesundheitliche Probleme an. Auch ihre Knochen sind 11 Jahre alt und sie läuft nicht ganz rund, obwohl sie fit ist für ihr Alter. Aber es droht wieder ein "Pflegefall" - können wir das leisten gleich wieder?
Klar, die Überlegungen kommen spät. Bzw. wir hatten sie vorher, haben aber gedacht "dann soll es so sein, ist Schicksal, wir schaffen das wieder". Jetzt wird langsam der Kopf wieder klarer und uns dämmert, was Sache ist.
Also alles nicht so easy.
Sie gehorcht wirklich recht gut (wobei es heute schwieriger ist als gestern, so langsam testet sie glaube ich auch, wie konsequent wir sind). Aber Schutzhund war sie wohl zum Glück nicht. Die Schwerhörigkeit ist auch nicht hilfreich. Aber das läßt sich alles regeln. Unsere Grundeinstellung zur Zeit ist das Problem.
Doofe Situation. Wünscht man sich auch so nicht! Können wir nur draus lernen und zugegeben, dass wir Bockmist gebaut haben. Können wir nur draus lernen.

Sabine

13. Dezember 2009 23:47
Hallo Sabine,

wie immer Ihr Euch letztlich entscheidet, glaube ich, dass es dann auch die richtige Entscheidung für Euch und den Hund sein wird. Aber in deiner Haut möchte ich jetzt auch nicht stecken. Wie du schon schreibst, habt Ihr Euch einerseits Lene „wieder geboren“ und andererseits ist es halt nicht Lene.

Eine Tierärztin sagte mir mal: Als ihr erster Hund starb, stand für sie fest, dass sie sich am liebsten DIESEN verstorbenen Hund nochmal gewünscht hätte. Aber das geht natürlich nicht. Sie hat sich dann entschieden, einen komplett anderen Hund – anders vom Aussehen, völlig anders vom Charakter her – zu nehmen, damit sie möglichst keine Parallelen zu ihrem verstorbenen Hund ziehen konnte. Auch das ist für mich eine sehr nachvollziehbare Entscheidung. Offenbar wäret Ihr gerne einen ähnlichen Weg gegangen, nicht?

Aber da ist dann auf der anderen Seite die große Verantwortung. Man kann es ja in der Tat nicht wegreden: Ein 11jähriger Schäferhund mit ein paar Schrullen hat es schwerer mit der Vermittlung. Und dieser Hund ist nicht nur alt, sondern es ist auch ein großer Hund, einer, der geistig gefordert werden will und sicherlich nochmal andere Ansprüche an zukünftige Halter stellt, als wenn man einen 11jährigen Pudel vermitteln würde.

Aber wenn du feststellen solltest, dass es einfach zuviel ist – auch zuviel von den auf Euch zukommenden Tierarztkosten her, dann macht dich das nicht zu einer schlechten Hundehalterin oder zu einem schlechten Menschen, sondern, dann bist du immer noch ganz offenbar jemand, die nicht vor Verantwortung und nicht vor Schwierigkeiten davon läuft und die es sich nicht leicht damit macht, eine Lösung zu finden.

Angenommen, morgen stünde jemand vor dir, der oder die passen könnte. Vielleicht nicht perfekt passen, aber stell dir vor: Morgen steht eine akzeptable Lösung vor dir. Wie leicht würde es dir denn fallen, dich dann von Ebby zu trennen?

Wieviel Erleichterung wäre dabei? Und wieviel traurige Gedanken, weil das ja auch alles hätte wunderbar werden können?

Du hast schon mehrere ältere Hunde aufgenommen? Oder immer nur alte Hunde? Manchmal kommt halt aber auch die Zeit, wo man Kraft tanken muss, um eine Trauer zu überwinden (wie jetzt), um vielleicht auch wieder für eventuelle Tierarztkosten was anzusparen, um nach ein paar Jahren möglicherweise vielleicht wieder ohne Wenn und Aber einem weiteren Senior oder Seniorin die letzen Lebensjahre verschönern zu können.

Viele Grüße
Anila

14. Dezember 2009 14:31
Hallo Anila,

wie lieb von Dir, dass Du Dir auch so viele Gedanken um unser Problem machst - das ist ja nicht selbstverständlich! Hilft mir sehr. Löst zwar unser Problem nicht, aber man fühlt sich nicht so allein.....


Quote Anila:
stell dir vor: Morgen steht eine akzeptable Lösung vor dir. Wie leicht würde es dir denn fallen, dich dann von Ebby zu trennen?

Wieviel Erleichterung wäre dabei? Und wieviel traurige Gedanken, weil das ja auch alles hätte wunderbar werden können?

Du hast schon mehrere ältere Hunde aufgenommen? Oder immer nur alte Hunde? Manchmal kommt halt aber auch die Zeit, wo man Kraft tanken muss

Es wäre momentan für mich sicherlich eine Riesenerleichterung zu wissen, wenn es noch jemand anderen gäbe. Nur: Wo soll der herkommen??? Und ganz ehrlich: Wie wahrscheinlich ist das?
Insgeheim spüre ich, dass ich mir nie verzeihen würde, sie wegzugeben oder wieder ihren Menschen zurückzugeben. Ich würde immer denken: Was ist aus ihr geworden? Wie viel Vertrauen habe ich ihr vergeigt? Würde ich je darüber hinweg kommen?
Mich verfolgt bis heute, dass ich vor fast 10 Jahren einen Hund aus Spanien mitgebracht und nicht selbst behalten habe. Er hatte hier eine furchtbare Odysee (dank Tierschützern) erleiden müssen. Dabei hätte ich ihn easy nehmen können! Das verfolgt mich heute mehr als damals!
Bei Ebby wäre es sicher genau so.
Unser Tierarzt, bei dem wir heute mit ihr waren, sagte auch: Die läuft ja jetzt schon schlecht, da kommt das gleiche auf uns zu, was wir grade hatten. Wollen wir das wirklich? Können wir das?
NEIN, wir wollen nicht, können, wenn es sein muß, aber dann hätten wir sie nicht aus Mitleid mitnehmen dürfen. Er rät uns sie wegzugeben, an uns zu denken zum Krafttanken. Aber ich kann das nicht! Ich würde sie jemandem anvertrauen, der sich toll um sie kümmern würde. Aber den gibt es momentan nicht. Und sie beginnt grade, sich an mich zu binden, mich freudig zu begrüßen, zum Schmusen zu mir zu kommen. Ich komme mir wie ein Verräter vor, sie nun zurück zu bringen, weil ich lieber an mich denke.
Ist eine Form von Opferrolle. Das weiß ich. Aber ist meine Haut. Ja, ich hatte (bis auf eine zugelaufene Hündin) immer alte Hunde. Und die wurden immer zum Pflegefall. Die letzten 10 Jahre habe ich alte Schäferhunde hier gehabt, sie getragen, weil sie gelähmt waren, Unsummen an Tierarztkosten investiert, mich selbst körperlich sehr belastet damit.
Wir wollten daher zwei jüngere, fitte Hunde.
Und nun?
Ich würde trauern, wenn sie weg ist, obwohl ich weit davon entfernt bin, sehr eng an sie gebunden zu sein. Ist Mitleid.
Und ich habe das Gefühl (immerhin), dass ich eine tolle Bindung zu ihr bekommen könnte bzw. sie zu mir und wir dann mit ganz viel Geduld und Arbeit schaffen könnten, ein einigermaßen angenehmes Leben zu führen. Aber sie wird bald nicht mehr die Treppen hoch kommen. Und dann muß sie mehr alleine sein. Sie muß Opfer bringen. Wir auch.
Bestimmt würde sie sich sogar freuen, wieder in dem leeren Haus ihres verstorbenen Herrchens zu sein. Aber da wäre sie auch allein fast die ganze Zeit.
Mist.
So recht komme ich nicht weiter.
Vielleicht wirklich parallel mal eine andere Stelle suchen. Und dann schauen.
Problem ist, dass mein Freund eigentlich auch lieber einen anderen Hund möchte, dass Ebby dann rein mein Hund wäre und nicht unser Hund.
Ich hoffe zwar, sie irgendwann an andere gewöhnen zu können, aber das wird dauern. Und kann auch schief gehen.
Kraft bräuchte ich. Keine Frage. Aber mit ewig schlechtem Gewissen leben?
Es ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Wir werden noch mal mit den Besitzern reden müssen. Und ich würde gerne einen Tiertrainer mal schauen lassen, wie er den Hund einschätzt.

Tierarzt sagt, er freue sich zwar, wenn er an uns verdienen kann und das würde er mit dem Hund reichlich. Aber er würde uns raten, sie wieder zurück zu bringen und die beiden fitten Hund zu holen, die wir uns vielleicht wirklich "verdient" hätten nach den vielen Jahren Pflege der Oldies......

Aber er hat leicht reden.
Als ich Ebbys Blick sah, wie sie dann zu mir kam....da kriegt man Tränen in die Augen.
Ich habe so seit Donnerstag schlaflose Nächte. Ohne Ebby würde das nicht aufhören.

Vielen vielen Dank für Deine mentale Unterstützung!

Sabine (zu weich für diese Welt)