Aggression an der Leine
30. November 1998 21:07

Wer kann uns einen guten Tip geben? Ich habe einen 5 Jährigen Beagle
Rüden. Er ist eigendlich ganz OK. Bis die Leine ins Spiel kommt.
Er kriegt sich an der Leine nicht mehr ein, wenn wir einen Artgenossen
treffen. Bellt, knurrt zeigt eine Bürste u.s.w.. Ich laß ihn Sitz machen
klappt nicht. Versuche es mit Leckerbissen, klappt nicht. Er dreht
durch, ignoriert alles. Busfahren nur noch mit dem Gedanken, hoffentlich
steigt kein anderer Hund ein. Sonst erfolgt ein Dauergebelle. In die
Stadt gehen, nur noch wenn ich gute Nerven besitze. Wer kann uns ein paar Tips geben?


01. Dezember 1998 19:36

Liebe Sissy

ein Rambo an der Leine ist äußerst unangenehm, aber leider keine Seltenheit. Daß ein Beagle sich so verhält, kommt allerdings eher selten vor, da diese Rasse als Meutehund an sich extrem sozialverträglich ist und Situationen mit anderen Hunden erträgt, die bei Andersrassigen kaum denkbar wären.

Würdest Du Deinen Hund eher als ängstlich oder eher als selbstsicher bezeichnen? Wie verhält er sich denn freilaufend bei anderen Hunden?

Ist der Hund ein ängstlicher Typ, dann markiert er, quasi prophylaktisch, den Starken an der Leine, um zu verhindern, daß ein anderer zu nahe kommt. Die Tatsache, daß Du am anderen Ende der Leine bist und ihm beistehst, kann ihn dabei zusätzlich ermutigen. Auf der anderen Seite verhindert die Leine, daß er fliehen kann, was er als ängstlicher Hund vermutlich tun würde.

Handelt es sich bei ihm um einen selbstsicheren Rüden, dann übernimmt er an der Leine seine Aufgabe, sein Rudel, nämlich Dich, zu beschützen. Da er den anderen nicht ablenken und weglocken kann, muß er ihn möglichst eindrucksvoll vertreiben.

Davon, zu welcher Sorte Dein Beagle gehört, hängt es ab, wie Du versuchen kannst, dem Verhalten entgegen zu wirken. Also, schreib doch mal kurz zurück!

Liebe Grüße, Jutta


01. Dezember 1998 21:04

:Liebe Jutta
:
:Mein Beagle ist ehr der Ängstliche Typ. Er gibt an wie ein Sack
:Mücken. Ohne Leine droht er schon von weitem mit einer Bürste, macht
:sich groß, kommt langsam auf seinen Gegner zu und schindet damit
:meißtens Eindruck. Kommt ihm so ein Hund entgegen, tut er uninteress-
:iert und sieht auf schnellstem Wege zu an ihm vorbei zu kommen. Ich
:hab ihn ohne Leine schon dazu gebracht sich abrufen zu lassen. Aber
:wenn ich ihn dann festhalte, Prost Mahlzeit. Kommt es dennoch zu
:einer Konfrontation zwischen ihm und einem anderen Streithansel, gehe
:ich weiter und lasse ihn allein mit dieser Situation, die sich dann
:meistens Friedlich löst. Ich bekomme ihn ohne Leine schneller unter
:Kontrolle als an der Leine. In der Stadt muß ich ihn aber an die
:Leine nehmen, und so komme ich immer wieder in Schwierigkeiten. Wie
:gesagt, er läßt sich nicht beruhigen. Bellt, steht auf 2 Beinen und
:dreht ab. Ich wurde vor kurzen darauf hingewiesen, diese Bestie Ein-
:schläfern zu lassen. Nett nicht wahr. Ach, wie wäre es doch schön,wenn
:man ihn überall mit hinnehmen könnte. Aber so ist jeder Stadtbesuch,
yawning smileyder jede Busfahrt ein Horror für mich.

:Liebe Grüße, Sissy
:
:
:


03. Dezember 1998 07:55

Liebe Sissy,

wenn Du Deinen Beagle als ängstlichen Hund beschreibst (und es klingt tatsächlich sehr danach), dann ist sein Verhalten an der Leine ein Ausdruck von Panik. Bei einer Konfrontation mit einem anderen Hund, hat er freilaufend mehrere Möglichkeiten: Angriff, friedliche Lösung oder Flucht. An der Leine ist ihm die Fluchtmöglichkeit verwehrt, also muß er in seinem hundlichen Verständnis versuchen, den "Feind" möglichst eindrucksvoll zu vertreiben.

Nun vermute ich mal, daß Du in solchen Situationen nicht gelassen dabei stehst, sondern versuchst, Deinen Wüterich zur Ordnung zu rufen. Ich vermute weiter, daß Du das tust, indem Du ihm "Pfui!" oder "Aus!" oder was auch immer rufst und dabei an der Leine ruckst. Vielleicht packst Du ihn auch im Genick und versuchst, ihn runterzudrücken. Damit vermittelst Du Deinem Hund aber zusätzlich auch noch Schmerz und Angst. Er verhält sich ja nicht so, weil er Dich ärgern will, sondern weil er sich fürchtet. Deine Signale für ihn, sich wie ein Wilder zu benehmen, kennt er inzwischen auch: Ich schätze mal, sobald Du in den Bus steigst oder ein anderer Hund am Horizont auftaucht, wirst Du sofort innerlich unter Spannung stehen, die Leine fester oder kürzer nehmen, vielleicht langsamer gehen und/oder auf Deinen Hund einreden. Dein Hund versteht Deine Botschaft: "Achtung, Feind kommt!" Selbst wenn er selber den anderen noch gar nicht entdeckt hatte und ganz friedlich neben Dir hergezockelt ist, wird er durch Dein Verhalten in Hab-acht-Stellung gebracht.

Am besten kannst Du dem begegnen, wenn Du in nächster Zeit mit einer anderen Einstellung auf Hundebegegnungen einsteigst: Anstatt schon vorher selbst in Angst zu sein, daß Ihr einem fremden Hund begegnet, nimmst Du Dir vor, die nächste Begegnung gezielt zur Therapie Deines Hundes zu benutzen. Du wirst merken, daß allein die veränderte Einstellung sich auf den Hund auswirkt. Vielleicht suchst Du Dir dazu nicht ausgerechnet den Bus aus, die Fußgängerzone tuts auch. Dann ist es wichtig, daß das Gezerre am Hals aufhört. Besorg Dir ein Brustgeschirr, aber bitte kein Erziehungsgeschirr, wie Easywalk oder gentledog (absolute scheiße!), sondern ein ganz normales mit breiten, vielleicht gepolsterten Riemen, das gut paßt. Such Dir eine Stelle aus, wo die Wahrscheinlichkeit, daß viele Hunde vorbeikommen, möglichst groß ist. Dort läßt Du Deinen Hund Sitz machen. Achte drauf, daß die Leine locker durchhängt. Taucht der erste Hund auf, und Dein Beagle macht den Affen, bleib einfach ganz ruhig stehen und halt die Leine fest. Weder beruhigen, noch schimpfen, einfach so tun, als ob gar nichts wäre. Sobald er sich wieder beruhigt hat (vermutlich, wenn der andere außer Sicht ist), nimmst Du ein Spielzeug, das er toll findet oder ein Leckerle, lockst ihn damit in eine andere Richtung, läßt ihn nach einer Weile wieder Sitz machen und lobst ihn. Dein Hund soll zwei Dinge dabei lernen: Er bekommt keinerlei Unterstützung mehr von Dir, wenn er sich aufführt (auch schimpfen und rucken ist Unterstützung) und: Wenn er sich auf Dich konzentriert, kriegt er Deine Zuwendung. In "normalen" Situationen bleibst Du in jedem Fall stehen und ignorierst sein Verhalten wieder. Es geht weder vor noch zurück, erst, wenn er bereit ist, sich wieder auf Dich zu konzentrieren. Wenn Du das konsequent machst und jede Zuwendung zu Dir sofort mit Spielzeug oder Leckerle und Lob verstärkst, werden seine Attacken immer kürzer werden, und irgendwann wird es Dir gelingen, Deinen Hund durch ein Richtungsänderung und die Aufforderung, Dich anzuschauen abzulenken.

Liebe Grüße und viel Erfolg,
Jutta




03. Dezember 1998 11:17

:Liebe Jutta

Ich danke Dir für die Augenöffnung. Ich hab das unter dem Aspekt "Angst"
garnicht gesehen, denn ER sieht ja bei seiner Aktion immer Furcht-
erregend und sehr Dominat aus. Auf Angst seinerseits bin ich garnicht
gekommen. Du hast recht, je Furchterregender, desto besser. Und er sieht
Furchterregend aus.

Du hast völlig Recht. Ich hab mich in Deinem Bericht voll wiedergefund-
den. Ich sehe einen Hund von weitem, den er noch garnicht erspäht hat,
nehm ihn ran, rede mit Engelszungen auf ihn ein und schon endeckt geht`s
los. Ich meine es Beruhigend, er sieht´s anders.

Wenn er ihn gleich endeckt und los legt, geht`s nur "Aus, Schluß jetzt"
Gegengezerre an der Leine "Sitz".
Ist sein "bester Freund" dann vorbei, schaut er mich nur belämmert an,
so ungefähr " Ja ja, ich weiß ja, war nicht gut"!

Ich werde mir Deine Ratschläge zu Herzen nehmen und hoffe, das wir das
hinbekommen. Gedult bei einer Beagle Erziehung muß man sowieso haben.

Liebe Grüße und vielen vielen Dank

Sissy
:
:
:


03. Dezember 1998 23:16

:Liebe Sissy,
:
:Achte drauf, daß die Leine locker durchhängt. Weder beruhigen, noch schimpfen, einfach so tun, als ob gar nichts wäre.
:
:In einigen Punkten stimme ich mit Jutta überein, als weitere Hilfe empfehle ich Dir das Halti. Wichtig ist jedoch der Richtige Umgang damit. Auf der Seite www.animal.ch findest Du unter dem November-Thema einen Bericht dazu. Mit dem Halti ist es Dir möglich, den Kopf deines Hundes abzudrehen, um dem anderen Hund so ein Beruhigungssignal (Calming Signals) zu geben und Deinem Hund das selbe Beruhigungssignal beizubringen. Mit diesen Signalen (Hundesprache), die unter gut sozialisierten Hunden selbstverständlich sind, kannst Du die Situation entschärfen und für Dich und deinen Hund einen Stressfreieren Spaziergang schaffen. Lass es gar nicht zu Aggressionen kommen, reagiere vorher. Mit der Zeit lernt Dein Hund diese Beruhgungssignale wieder und das Halti wird überflüssig. Der Hund lernt zu agieren statt zu reagieren. Am Anfang ist der Umgang mit dem Halti etwas schwierig, wenn Du Hilfe brauchst, kann ich Dir gute Leute in Deiner Nähe empfehlen.

Viel Glück, Dalia