Liebe Sissy,
wenn Du Deinen Beagle als ängstlichen Hund beschreibst (und es klingt tatsächlich sehr danach), dann ist sein Verhalten an der Leine ein Ausdruck von Panik. Bei einer Konfrontation mit einem anderen Hund, hat er freilaufend mehrere Möglichkeiten: Angriff, friedliche Lösung oder Flucht. An der Leine ist ihm die Fluchtmöglichkeit verwehrt, also muß er in seinem hundlichen Verständnis versuchen, den "Feind" möglichst eindrucksvoll zu vertreiben.
Nun vermute ich mal, daß Du in solchen Situationen nicht gelassen dabei stehst, sondern versuchst, Deinen Wüterich zur Ordnung zu rufen. Ich vermute weiter, daß Du das tust, indem Du ihm "Pfui!" oder "Aus!" oder was auch immer rufst und dabei an der Leine ruckst. Vielleicht packst Du ihn auch im Genick und versuchst, ihn runterzudrücken. Damit vermittelst Du Deinem Hund aber zusätzlich auch noch Schmerz und Angst. Er verhält sich ja nicht so, weil er Dich ärgern will, sondern weil er sich fürchtet. Deine Signale für ihn, sich wie ein Wilder zu benehmen, kennt er inzwischen auch: Ich schätze mal, sobald Du in den Bus steigst oder ein anderer Hund am Horizont auftaucht, wirst Du sofort innerlich unter Spannung stehen, die Leine fester oder kürzer nehmen, vielleicht langsamer gehen und/oder auf Deinen Hund einreden. Dein Hund versteht Deine Botschaft: "Achtung, Feind kommt!" Selbst wenn er selber den anderen noch gar nicht entdeckt hatte und ganz friedlich neben Dir hergezockelt ist, wird er durch Dein Verhalten in Hab-acht-Stellung gebracht.
Am besten kannst Du dem begegnen, wenn Du in nächster Zeit mit einer anderen Einstellung auf Hundebegegnungen einsteigst: Anstatt schon vorher selbst in Angst zu sein, daß Ihr einem fremden Hund begegnet, nimmst Du Dir vor, die nächste Begegnung gezielt zur Therapie Deines Hundes zu benutzen. Du wirst merken, daß allein die veränderte Einstellung sich auf den Hund auswirkt. Vielleicht suchst Du Dir dazu nicht ausgerechnet den Bus aus, die Fußgängerzone tuts auch. Dann ist es wichtig, daß das Gezerre am Hals aufhört. Besorg Dir ein Brustgeschirr, aber bitte kein Erziehungsgeschirr, wie Easywalk oder gentledog (absolute scheiße!), sondern ein ganz normales mit breiten, vielleicht gepolsterten Riemen, das gut paßt. Such Dir eine Stelle aus, wo die Wahrscheinlichkeit, daß viele Hunde vorbeikommen, möglichst groß ist. Dort läßt Du Deinen Hund Sitz machen. Achte drauf, daß die Leine locker durchhängt. Taucht der erste Hund auf, und Dein Beagle macht den Affen, bleib einfach ganz ruhig stehen und halt die Leine fest. Weder beruhigen, noch schimpfen, einfach so tun, als ob gar nichts wäre. Sobald er sich wieder beruhigt hat (vermutlich, wenn der andere außer Sicht ist), nimmst Du ein Spielzeug, das er toll findet oder ein Leckerle, lockst ihn damit in eine andere Richtung, läßt ihn nach einer Weile wieder Sitz machen und lobst ihn. Dein Hund soll zwei Dinge dabei lernen: Er bekommt keinerlei Unterstützung mehr von Dir, wenn er sich aufführt (auch schimpfen und rucken ist Unterstützung) und: Wenn er sich auf Dich konzentriert, kriegt er Deine Zuwendung. In "normalen" Situationen bleibst Du in jedem Fall stehen und ignorierst sein Verhalten wieder. Es geht weder vor noch zurück, erst, wenn er bereit ist, sich wieder auf Dich zu konzentrieren. Wenn Du das konsequent machst und jede Zuwendung zu Dir sofort mit Spielzeug oder Leckerle und Lob verstärkst, werden seine Attacken immer kürzer werden, und irgendwann wird es Dir gelingen, Deinen Hund durch ein Richtungsänderung und die Aufforderung, Dich anzuschauen abzulenken.
Liebe Grüße und viel Erfolg,
Jutta