Sali Irena
Nennen wir es Verwantwortung, Deine plötzliche Verhaltensänderung. Dein nunmehr erwachsener Hund (wie Jutta erklärt hat) ist nun dafür verantwortlich, dass die meutefremden sich möglichst verabschieden. Nehme ihr diese Verantwortung wieder von den Schultern. Bei der hohen Hundedichte ist das sonst Dauerstress (nicht nur für Dich).
Ich habe ihr diese Verantwortung abgenommen: dauernd Gefahr übler Rempeleien, erschreckte Hunde, wütende Besitzer oder dauernd nett sein, wenn mein Hund eigentlich Rambo spielen möchte und ich es ihm verbieten will. Ich will nicht, dass er das tut, Rambo spielen (übrigens eine Rambine). Aber leider, leider, leider kann ich da als Mensch eben wieder einmal nicht tun und lassen was ich will, sprich: Hundliche Verhaltensregeln nach meinem Geschmack abwürgen. Ich kann sie aber biegen, biegen, biegen.
Mein Kompromis (übrigens auch der Kompromis der Verhaltenstherapeuten der neueren Generation): Nettsein.
Ein Hund taucht weit weg auf, meiner hebt den Kopf, ich werde nett. Ich rufe sie lustig freundlich, entspannt, halte ihr Futter vor die Nase (supergutes naturellement), quatsche nette Sachen. Es ist immer das gleiche Spiel: Ändere das Verhalten Deines Hundes dort, wo Du es noch nicht für nötig hältst, dort, wo man sonst noch zuwartet. So geht es Schritt für Schritt weiter, ob an der Leine oder frei. Möglichst Konfrontationen mit Hunden aus dem Weg gehen, noch lieber Situationen schaffen, wo die anderen auf Nummer sicher weg bleiben (Abrichteplatz). Alternative selber Bogen machen. Immer nett bleiben, Situation entspannen durch Deine Stimmung, das Futter ist u.a. zur Verhinderung des Blickkontakts.
Kommt ein anderer für Deinen Hund zu nah, kanns schon mal knallen wie jetzt, gehe aber ca. 10, 20 Meter weiter und beachte sie nicht, wende Dich ab, schaue aus dem Augenwinkel. (Ich traue mich nicht weiter, vielleicht muss ich ja einen Hund retten.) Übe stur weiter: Futterablenkung, quatschen, bei Dir behalten, wenn's geht in Bewegung (Du kannst das sowieso unterstützen, indem Du ein "Guetzli-Fuss" auch sonst übst.
Effekte: Dein Hund kann den Blickkontakt nicht aufrechterhalten (will sie auch nicht mehr), ergo wird keine Aggression aufgebaut; Du gewinnst an Ansehen (bei Deinem Hund), weil Du ja jetzt über der Sache stehst (Du ignorierst den anderen ja auch, der ist ja sooo unbedeutend); wenn's Du gut angehst, fängt Dein Hündin an Dich anzusehen, sobald ein Hund auftaucht und Du musst dieses unterstützen. Meine stupft mich manchmal sogar an, he, ich kann dem nicht in die Augen schauen, gib die Ausrede raus.
Je nachdem, wie gut Dein Hund und Du zusammenarbeiten, kannst Du das Endprodukt auch abwandeln. Bei mir reicht häufig ein nettes "wir gehen", damit sie weitermarschiert. In kniffligen Situationen kann ich im Normalfall eine Kollission vermeiden, da mein Hund sich wegen des Futters und meiner guten Stimmung sehr sicher zeigt, aber nicht aggressiv. Sichere Hunde, die nicht fixieren (mit den Augen) werden zudem sehr selten angegriffen.
Nachteil: so "heilt" sich der Hund nicht, Du musst immer bereit sein, Nett zu sein.
Empfehlung: Ich habe für alles dasselbe Schlusswort. Wenn ich das sage, schauen beide Hunde sofort weg (fast immer sofort) weg von mir. Habe ich also das Gefühl, der andere Hund könnte angreifen oder er kommt sehr schnell, kommt das Schlusswort, mein Hund sieht es und kann reagieren. Sollte sie angegriffen werden, wenn sie mich fixiert, gibt's einen vorübergehenden Vertrauensverlust, der sich aber schnell wieder abbaut.
Falls Unklarheiten in der Praxis, bitte mailen.
Viel Vergnügen
Roswitha