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Plötzliche Verhaltensänderung

geschrieben von Irena(YCH) 
Plötzliche Verhaltensänderung
06. Dezember 1998 08:37

Hallo zusammen!
Ich habe eine 2 1/2jährige Husky-Dame, die bis jetzt mit jedem Hund gut auskam - sogar mit den schwierigen.
Seit einiger Zeit fing sie an kleine Hunde (seltsamerweise nicht alle)zu überrenen, d.h. sie lief voll Karacho auf sie zu und warf sie um.
Ich führte das darauf zurück, daß sie schlechte Erfahrungen mit kleinen Hunden, die an der Leine sind gemacht hat.
Seit zwei Tagen fällt mir auf, daß sie auch gleich große Hunde, seien es Weibchen oder Rüden mit und ohne Leine, nach dem "Anriechen" ankurrt, als hätten sie ihr sonstwas getan. Ich kann mir das nicht erklären.
Ich habe mal gehört, daß Weibchen ca. 8 Wochen nach der Läufigkeit versuchen Ihr Revier zu beschützen. Sie war in dieser Zeit auch immer sehr schräg drauf, aber sie ist die anderen nie in der Art angegangen. Gebissen hat sie übrigens nicht, nur angeknurrt und versucht die andren zu überrennen!
Ich freue mich auf Eure Antworten,
Irena


06. Dezember 1998 12:11

Liebe Irena,

Deine Huskyhündin ist mit 2 1/2 Jahren gerade dabei, psychisch richtig erwachsen zu werden. Der Zeitpunkt der psychischen Reife liegt rassebedingt etwa zwischen 2 und 3 Jahren. Bei manchen Hunden merkt man diesen letzten "großen" Entwicklungsschub kaum, andere zeigen deutliche Wesensveränderungen. Eine mögliche Begleiterscheinung ist dabei, daß Hunde, die bisher extrem sozialverträglich (auch mit gleichgeschlechtlichen Hunden) waren, sich nun nicht mehr in diesem Umfang mit anderen Hunden vertragen. Besonders bei Hündinnen untereinander kann das Erreichen des psychischen Erwachsenenalters bedingen, daß von nun ab statt Spiel nur noch Kampf angesagt ist. Das ist keinesfalls ein Anzeichen fehlgelaufener Sozialisation, sondern instinktbedingtes Verhalten:

Im Wolfsrudel geht es für die Wölfinnen immer um das Überleben ihrer eigenen Welpen. Deswegen entwickeln sie ein starkes Revierverhalten. Andere Wölfinnen, die in dieses Revier eindringen, würden bedeuten, daß die Beute in diesem Revier geteilt werden muß. Damit wäre die ausreichende Versorgung der eigenen Welpen nicht mehr gewährleistet, und die Wölfin vertreibt oder tötet die Konkurrentin. Auch fremde Welpen werden aus diesem Grund oft getötet, wobei es aber Ausnahmen gibt, bei denen manchmal mehrere Würfe gleichzeitig aufgezogen werden.

Dieser Instinkt des Schutzes der eigenen Nachkommen ist auch bei unseren Haushündinnen oft noch stark zu beobachten. Hündinnen kennen, im Gegensatz zu Rüden, keine Rangordnungs- sondern nur Beschädigungskämpfe, die bis zum Tod der Gegnerin gehen können. Unterwerfungsgesten werden dabei nicht akzeptiert, sondern im Gegenteil dazu genutzt, die Feindin zu töten. Deswegen ist bei der Begegnung zweier erwachsener Hündinnen immer Vorsicht angesagt, vor allem, wenn diese im Revier der einen stattfinden. Kommt es zum Kampf, ist ein Eingreifen ratsam, was aber nur funktioniert, wenn beide Hundebesitzer dabei sind und gleichzeitig handeln können. Würde nur einer versuchen, seine Hündin wegzuziehen, besteht die Gefahr, daß die andere sofort diese Wehrlosigkeit nutzt und sich in die Kehle verbeißt. Auch fremde Welpen sind potentiell gefährdet. Deswegen: Es gibt KEINEN Welpenschutz, auch wenn das so gerne verbreitet wird. Vor allem Welpen bis zum Alter von ca. 4 Monaten sind in Gefahr, von einer fremden Hündin getötet zu werden. Rüden sind dagegen (normale Sozialisation vorausgesetzt) meist welpensicher.

Selbstverständlich gibt es Hündinnen, die nie ein Problem mit anderen Hündinnen bekommen. Dabei handelt es sich meist um extrem unterwürfige Hunde, die von vorneherein signalisieren, daß sie keinerlei Revieransprüche erheben. Diese findet man besonders bei den Golden Retrievern, die sich zuchtbedingt immer häufiger lebenslang wie Welpen verhalten. Trotzdem kann es passieren, daß auch eine Hündin mit solchem Verhalten gnadenlos von einer dominanten Hündin getötet wird, da diese die Unterwerfungsgeste nicht akzeptiert. Dabei ist wohlgemerkt nicht die angreifende Hündin falsch sozialisiert, sondern die unterwürfige verhält sich falsch.

Frau Feltmann-von Schroeder hat herausgefunden, daß bei den Caniden die Unterwerfungsgeste des Sich-auf-den-Rücken-Drehens ausschließlich in folgenden Situationen gezeigt wird: Innerhalb des eigenen Rudels und bei Tieren, die sich bis zur 16. Lebenswoche (also während der Prägephase) kennengelernt haben. Außerhalb dieser Bezüge zeigt sich die Unterwerfung z.B. durch Niederducken auf den Boden. Legt sich nun bei einer Begegnung zwischen fremden Hunden einer von beiden auf den Rücken, verhält er sich, hundlich betrachtet, falsch und löst damit unter Umständen beim anderen erst den Angriff aus.

Insgesamt ist also Vorsicht geboten, Hundebegegnungen mit menschlichen Maßstäben oder Wunschvorstellungen messen zu wollen, selbst bei Hunden, die vom Welpenalter an ausreichend Gelegenheit zur Sozialisation mit anderen hatten. Daneben besteht natürlich durchaus die Gefahr, auf einen Hund zu treffen, der zudem nicht oder falsch sozialisiert wurde.

Liebe Grüße,

Jutta

06. Dezember 1998 14:45

Hi Irena,

Ich kenne mich ehrlich gesagt nicht so gut mit dem Verhalten von Hündinnen aus (ich arbeite dran). Deswegen will ich Jutta auch gar nicht widersprechen, da wir die Diskussion um Welpenschutz schon lang und breit hatten. Aber ich könnte mir vorstellen, daß das Verhalten deiner Hündin durchaus mit der Läufigkeit zusammenhängt, und das es schlimmer geworden ist, damit, was Jutta gesagt hat (das "kritische" Alter). Ich kenne nämlich eine Kaukasenhündin, die während und noch Wochen nach der Läufigkeit extrem "depressiv" ist und auf alle anderen Hunde nicht gerade "gut zu sprechen" ist, d.h. sie anknurrt und gegebenenfalls auch schnappt. Das ist jetzt aber mehr eine Vermutung meinerseits, und insofern hoffe ich, daß sich noch andere Leute einschalten und mehr dazu sagen können.

08. Dezember 1998 10:20

Hallo Jutta,
vielen Dank für deine Antwort. Um ehrlich zu sein, hoffe ich, daß da trotzdem noch irgendein Ausweg möglich ist. Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden, daß mein Hund ab sofort nur noch an der Leine raus darf und man möglichst keinem anderen Hund mehr begegnen sollte.
Hast Du vielleicht irgendeinen Vorschlag, wie man der Verfestigung dieser Charakterzüge entgegenwirken kann? Wäre eine Sterilisation hier von Nutzen?
Ich freue mich auf Deine Nachricht,
Irena

08. Dezember 1998 14:49

Liebe Irena,

tut mir leid, wenn Dich mein Brief so verschreckt hat, das war nicht der Sinn der Sache! Ich wollte Dir eigentlich nur erklären, daß das Verhalten Deiner Hündin völlig normal ist. Natürlich ist es für den Menschen immer angenehmer, wenn er bedenkenlos seinen Vierbeiner zu anderen lassen kann, aber das ist nur wenigen vergönnt.

Mach bitte nicht den Fehler und laß Deine Süße jetzt nicht mehr von der Leine. Mit Rüden wird sie sich sicherlich nach wie vor vertragen, und selbst wenn sie mal das Keifen anfängt, sind die Herren der Schöpfung meist galant genug, ihr das zu verzeihen. Bei Hündinnen mußt Du halt aufpassen, vor allem bei einzelnen. Meine Briardhündin legt sich beinahe mit jeder erwachsenen Hündin an, die ihr allein irgendwo begegnet, aber sobald mehrere Hunde da sind, ist es überhaupt kein Problem mehr. Dann spielt sie mit denen, die ihr genehm sind und läßt die anderen links liegen. Hündinnen unter einem Jahr sind immer nur Spielgefährten. Du wirst das nur herausfinden, wenn Du es ausprobierst, wo es geht und wo nicht. Am Gefahrlosesten geht das übrigens immer, wenn die Besitzer dabei weitergehen und nicht stehen bleiben.

Eine Kastration kann etwas bringen, muß aber nicht. Die Diskussion über dieses Thema ist recht kontrovers. Sterilisieren bringt sicher nichts, da damit die Hormonproduktion plus Läufigkeit ja erhalten bleibt. Nur die Eileiter werden durchtrennt, um Trächtigkeit zu verhindern. Bei der Kastration werden Eierstöcke und Gebärmutter entfernt. Ich bin grundsätzlich für die Kastration jeder Hündin, die nicht zur Zucht eingesetzt werden soll, wenn auch aus anderen Gründen als in Deinem Fall. Als Entscheidungshilfe solltest Du erst einmal beobachten, ob sich das Verhalten Deiner Hündin um die Läufigkeit herum verstärkt. Wenn ja, dann kann eine Kastration auch für Dein Problem Erleichterung bringen.

Liebe Grüße,
Jutta

10. Dezember 1998 07:43

Sali Irena

Nennen wir es Verwantwortung, Deine plötzliche Verhaltensänderung. Dein nunmehr erwachsener Hund (wie Jutta erklärt hat) ist nun dafür verantwortlich, dass die meutefremden sich möglichst verabschieden. Nehme ihr diese Verantwortung wieder von den Schultern. Bei der hohen Hundedichte ist das sonst Dauerstress (nicht nur für Dich).

Ich habe ihr diese Verantwortung abgenommen: dauernd Gefahr übler Rempeleien, erschreckte Hunde, wütende Besitzer oder dauernd nett sein, wenn mein Hund eigentlich Rambo spielen möchte und ich es ihm verbieten will. Ich will nicht, dass er das tut, Rambo spielen (übrigens eine Rambine). Aber leider, leider, leider kann ich da als Mensch eben wieder einmal nicht tun und lassen was ich will, sprich: Hundliche Verhaltensregeln nach meinem Geschmack abwürgen. Ich kann sie aber biegen, biegen, biegen.

Mein Kompromis (übrigens auch der Kompromis der Verhaltenstherapeuten der neueren Generation): Nettsein.

Ein Hund taucht weit weg auf, meiner hebt den Kopf, ich werde nett. Ich rufe sie lustig freundlich, entspannt, halte ihr Futter vor die Nase (supergutes naturellement), quatsche nette Sachen. Es ist immer das gleiche Spiel: Ändere das Verhalten Deines Hundes dort, wo Du es noch nicht für nötig hältst, dort, wo man sonst noch zuwartet. So geht es Schritt für Schritt weiter, ob an der Leine oder frei. Möglichst Konfrontationen mit Hunden aus dem Weg gehen, noch lieber Situationen schaffen, wo die anderen auf Nummer sicher weg bleiben (Abrichteplatz). Alternative selber Bogen machen. Immer nett bleiben, Situation entspannen durch Deine Stimmung, das Futter ist u.a. zur Verhinderung des Blickkontakts.

Kommt ein anderer für Deinen Hund zu nah, kanns schon mal knallen wie jetzt, gehe aber ca. 10, 20 Meter weiter und beachte sie nicht, wende Dich ab, schaue aus dem Augenwinkel. (Ich traue mich nicht weiter, vielleicht muss ich ja einen Hund retten.) Übe stur weiter: Futterablenkung, quatschen, bei Dir behalten, wenn's geht in Bewegung (Du kannst das sowieso unterstützen, indem Du ein "Guetzli-Fuss" auch sonst übst.

Effekte: Dein Hund kann den Blickkontakt nicht aufrechterhalten (will sie auch nicht mehr), ergo wird keine Aggression aufgebaut; Du gewinnst an Ansehen (bei Deinem Hund), weil Du ja jetzt über der Sache stehst (Du ignorierst den anderen ja auch, der ist ja sooo unbedeutend); wenn's Du gut angehst, fängt Dein Hündin an Dich anzusehen, sobald ein Hund auftaucht und Du musst dieses unterstützen. Meine stupft mich manchmal sogar an, he, ich kann dem nicht in die Augen schauen, gib die Ausrede raus.

Je nachdem, wie gut Dein Hund und Du zusammenarbeiten, kannst Du das Endprodukt auch abwandeln. Bei mir reicht häufig ein nettes "wir gehen", damit sie weitermarschiert. In kniffligen Situationen kann ich im Normalfall eine Kollission vermeiden, da mein Hund sich wegen des Futters und meiner guten Stimmung sehr sicher zeigt, aber nicht aggressiv. Sichere Hunde, die nicht fixieren (mit den Augen) werden zudem sehr selten angegriffen.

Nachteil: so "heilt" sich der Hund nicht, Du musst immer bereit sein, Nett zu sein.

Empfehlung: Ich habe für alles dasselbe Schlusswort. Wenn ich das sage, schauen beide Hunde sofort weg (fast immer sofort) weg von mir. Habe ich also das Gefühl, der andere Hund könnte angreifen oder er kommt sehr schnell, kommt das Schlusswort, mein Hund sieht es und kann reagieren. Sollte sie angegriffen werden, wenn sie mich fixiert, gibt's einen vorübergehenden Vertrauensverlust, der sich aber schnell wieder abbaut.

Falls Unklarheiten in der Praxis, bitte mailen.

Viel Vergnügen
Roswitha