Liebe Sabine,
es sieht für mich ganz danach aus, als ob bei Deinen Rüden ein Rangordnungswechsel ansteht. Du schreibst zwar, daß Du bislang keine feststellen konntest, aber Hunde haben so differenzierte Ausdrucksmöglichkeiten, daß es für Dich möglicherweise einfach nicht erkennbar war. Da Du zwei großrassige Hunde hast, dauert das Erwachsenwerden entsprechend lang. Dein Ersthund, Simba, hat jetzt, mit gut zwei Jahren, seine psychische Reife erreicht, während Bärchen gerade in das wunderbare Übergangsalter zwischen Junghund und Erwachsenem gerät.
Im Wolfsrudel ist es so, daß die erwachsenen Rüden etwa ab dem 4. Lebensmonat die weitere Erziehung der Welpen übernehmen. Dieses Verhalten, einschließlich der damit verbundenen Toleranzen, kann man auch bei unseren Haushunden beobachten. Auch Simba hat diese Aufgabe wohl bei Bärchen übernommen - und jetzt ist der "Zögling" allmählich alt genug, diese Einteilung in Frage zu stellen und selbstbestimmte Wege zu gehen.
Nach Deiner Schilderung sieht es für mich so aus, daß Bärchen dabei ist, zu gewinnen. ER stellt sich Simba in den Weg, wenn er zu Dir will, und Simba leckt IHM beschwichtigend die Schnauze. Du kannst aber noch an anderen Dingen feststellen, wie die derzeitige Situation aussieht. Wenn Du mit beiden spazieren gehst, achte mal auf ihr Spielverhalten. Dabei kommt es nicht darauf an, wer von beiden öfter unten landet: Im Spiel wechselt diese Rolle, mal ist einer unten, dann wieder oben. Das hat auch mit "echter" Unterwerfung nichts zu tun, sondern ist eher ein "Üben für den Ernstfall" (Spiel unter Hunden ist niemals zweckfrei). Was aber aussagekräftig ist, ist, wer von beiden jeweils das Spiel beginnt und wieder beendet. Wenn man nicht sooo geübt im Hingucken ist, ist meist das Beenden leichter zu erkennen: Der dominante Hund ignoriert irgendwann einfach die weiteren Aufforderungsgesten des anderen, weicht aus, dreht sich weg, markiert oder schnüffelt. Nur wenn der andere allzu lästig wird, macht er ihn auch mal kurz und entschlossen an.
Wenn Deine Hunde gelegentlich dazu neigen, mal kurz im Wald/Gebüsch zu verschwinden, hast Du noch eine "Testsituation". Nur der dominante Hund kann den anderen zum Mitlaufen (Jagd) auffordern. Wenn er losdüst, folgt das Rudel. Probiert hingegen ein unterlegener Hund, den anderen zum Mitrennen zu animieren, wird er vom dominanten Hund ignoriert. In einer Übergangsphase, wie bei Dir, kann das allerdings weniger eindeutig sein.
Mein Tip wäre also, in nächster Zeit mal verstärkt zu beobachten. Da ich aus Deiner Meldung die Tendenz in Richtung Bärchen als neuer Chef sehe, würde ich ihn unterstützen. Also: Bärchen wird zuerst begrüßt, zuerst geknuddelt, zuerst gefüttert (wobei die Sache mit der Futterordnung umstritten ist). Versucht Simba, sich dazwischen zu drängeln, schickst Du ihn weg. Das mag schwer fallen, weil Simba ja die "älteren Rechte" hat, aber das ist menschliches Denken. Auch wenn Du Dir vielleicht untreu vorkommst: Du erleichterst BEIDEN Hunden das Zusammenleben und ersparst Simba u.U. etliche leidvolle Erfahrungen mit Bärchen. Für Dich ist jetzt die Zeit gekommen, wo Du Deine Qualitäten als Chef unter Beweis stellen mußt. Und Sentimentalität gibt es unter Hunden nicht.
Innerhalb des Hauses (Revier erster Ordnung) würde ich jede Anmache der beiden unterbinden: Es ist in erster Linie DEIN Revier, in dem DU die Regeln fürs Zusammenleben aufstellst. Droht Simba, wird er sofort zurechtgewiesen, droht Bärchen, wird ebenfalls Simba zurechtgewiesen (Unterstützung der Rangordnung). Das klingt schon wieder hart, aber wenn Bärchen der Chef ist und Simba in seine Grenzen weist, hat Simba vorher gegen die Regeln verstoßen. Ich würde Dir auch raten, den Freßabstand zu vergrößern und die Hunde in unterschiedlichen Räumen zu füttern. Auch wenn es nicht zum Streit kommt: Der Futterneid veranlaßt die Hunde, hastig zu fressen, und damit handelst Du Dir bei Hunden dieser Größe die Gefahr einer Magendrehung ein.
Entscheidend ist, daß Du einen Blick dafür entwickelst, wer von beiden derzeit am Gewinnen ist und diesen absolut unterstützt. Ich habe mich jetzt auf Bärchen konzentriert, aber natürlich kenne ich die Situation nicht live. Das kannst nur Du beurteilen. Du wirst merken, ob Du richtig liegst, wenn sich mit der eindeutigen Reaktion von Deiner Seite die Kabbeleien nach und nach entschärfen und seltener werden. Allerdings kann das noch ein Weilchen dauern, da der Alters- und vermutlich auch Kräfteunterschied Deiner beiden Rüden nicht sehr groß ist. Auf jeden Fall mußt Du damit rechnen, daß vor allem bis zur völligen psychischen Reife von Bärchen immer wieder "Krieg" angesagt ist. Wird es gar zu heftig, steht vielleicht irgendwann die Entscheidung an, den unterlegenen Hund kastrieren zu lassen, um den Abstand deutlicher zu machen.
Wenn Du cool und konsequent bleibst (und das meine ich ebenfalls aus Deiner Meldung lesen zu können), kriegst Du die Sache hundertpro in den Griff. Zwei Rüden sind leichter zu handeln als Hündinnen, da sie die Rangordnung akzeptieren.
Übrigens: Hast Du schon mal drauf geachtet, ob sich Bärchen gelegntlich auch DIR in den Weg stellt? So scheinbar zufällig und "gedankenverloren" steht er dann mitten in Deiner Laufrichtung. Falls ja, auf keinen Fall drumrum laufen, das ist nämlich keinesfalls "Zufall", lach. Vielleicht liest Du mal meine Meldung "Hat Ihr Hund sie gut im Griff"?
Liebe Grüße,
Jutta