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Hundeerziehung + Soziales

Die Anforderungen an einen alltagstauglichen, gut erzogenen Hund waren noch nie so hoch wie heute. Dadurch ist auch das Angebot an Erziehungsmethoden und –hilfsmittel immer mehr gewachsen, nicht immer steht wirkliches Fachwissen dahinter. Hier findest Du Tipps und Ratschläge, die richtige Hundeschule oder den richtigen Hundeverein zu finden, kannst Dich über Trainingsmethoden und –probleme austauschen.  
Dominanz-Motivation / Loben-Strafen
06. Januar 1999 11:34

Hallo Morgaine....



....Nur wende ich doch lieber gar keine Strafe an, als den Hund zu prügeln.

Also Strafen heisst nicht Prügeln! Um das Misverständnis gleich mal auszuräumen. Prügeln ist keine geeignete Straf-Massnahme.

: Es gibt (wenige) Hunde, die erst auf Schmerzen reagieren

.... glaube ich nicht.

:Aber es gibt auch natürlicher Weise schmerzende "Strafen" im Rudelverhalten, wenn z.B. ein Tier seine "Rudelkompetenzen" weit überschreitet. (Hier finde ich auch die Kritik z.B. an Stachelhalsbändern unangebracht. Die sind sicher nicht schlimmer als ein Hundebiss vom Rudelführer - also "Artgerecht". Aber, das muss man dazu sagen, dieser deftige Eingriff des Rudelführers ist sehr selten (und für einen normalen Hundehalter kaum nötig).

....Entschuldige bitte, aber kein wolf beißt einem anderen schmerzhaft in den Hals, und auch kein Hund solange er den anderen nicht verletzen will. Ist das doch der Fall , ist der hund in seinem Sozialverhalten schon etwas gestört.

Also das wäre jetz mal eine interessante Frage: Nach meiner Beobachtung verletzten sich zwar Hunde bei Rudelkämpfen nicht, aber sie beissen sich sehr herzhaft, das heisst auch schmerzhaft. Ausserdem beissen sie so fest zu, dass sie das andere Tier schütteln können. Dies ist auch im Verhalten Mutter-Welpe so.

.... Hündin-Welpe ist ein ganz anderes thema. Da kann man auch mit strafen nichts machen. (Den letzten Satz verstehe ich nicht, was Du damit meinst. Bitte noch mal)

.... Bei Rüde-Rüde gibt es normlaerweise überhaupt keine Verletzungen, es sei denn, einer der Rüden benimmt sich nicht "normal".

Das halte ich für eine Fabel, und zwar weil man die Kämpfe im Wolfsrudel nicht einfach übertragen kann. Bei Hundekonfrontationen Rüde-Rüde ergeben sich sehr unterschiedliche Kräfteverhältnisse und auch Temperaments unterschiede. Ich glaube nicht, dass sich ein Yorki-Besitzer sehr über einen Schäferhund freuen würde, der seinen Kleinen mal kurz abschüttelt (=normales Verhalten). Da überlagert sich dann schon irgendwie das Problem der gesellschaftliche Akzeptanz.

.... Auch da gilt es, die Ursache für dieses nicht-normale Verhalten herauszufinden und zu bekämpfen, nicht die Handlungweise an sich. Siehe oben. Aber das ist ein Thema für sich...
:
: Und weiter: Dann kommt noch dazu, das mein Hund zum Beispiel, wenn ich ihn lobe viel schneller kapiert, was er machen soll, als
wenn ich ihn (ohne Gewalt)bestrafe (in den meisten Fällen).
:
: Stimmt, aber es ist nicht das selbe, einem Hund etwas beizubringen oder ihm etwas abzugewöhnen!

.... Kommt drauf an. Manche Leute bringen ihrem Hund das Sitz bei, indem sie ihn hineindrücken und bei nichtbefolgen den Hund bestrafen.

Das ist natürlich Käse...

Insofern kann ich meinem Hund auch mit Strafe etwas beibringen. Umgekehrt: Ich habe meinem Hund das über-die-Straße- laufen nur mir Hilfe von Lob abgewöhnt, nicht wie mir einige geraten haben, indem ich ihm mal kräftig eins drüberwische, wenn er über die Straße rennt.
:
Es wäre sehr viel schwieriger (und gefährlicher für Dich und den Hund), ihm das mit Strafe abzugewöhnen.

....Ein Hund kann aber auch nur artgerechte Strafen kapieren. Und dazu gehört weder schlagen,

stimmt!
.... noch in irgendeiner form Schmerzen zufügen (außer der "harte" Schnauzgriff).

Ich würde das nicht so eng sehen, aber es hängt sehr stark auch von Hund ab.
:
Genauso, wie ein Hund das Dominanzgefüge ganz subtil, meist ohne das der Mensch es merkt ins Wanken bringen kann, kann der Mensch es ebenfalls tun.

Da habe ich kein Problem mit, das würde ich sofort unterschreiben! Aber es gibt, wie gesagt seltene, Situationen, in denen Du Dich mit "Gewalt" durchsetzen musst, insbesondere wenn das Dominanzgefüge schon umgekehrt wurde. Allerdings ist es eine Gratwanderung, und ich behaupte mal, dass das Dominanzgefüge nicht durch körperliche Einwirkung hergestellt werden sollte (Der Hundeführer zieht, je nach Hund, auf die Dauer den kürzeren - es sei denn, er heisst Dragula und hat lange Beisserchen.....)

: Vielleicht liegt das Problem dieser Diskussion darin, dass die vielen Teilnehmer sehr unterschiedliche Erfahrungen und Fallbeispiele haben, so dass Missverständnisse entstehen können, über die Situation, in der "Strafe" angewandt wird. Ich gebe Dir insofern recht, als Motivation und Lob immer im Vordergrund stehen müssen. Aber bei manchen Hunden (und Menschen) kommt die schmerzhafte Erfahrung vor der Erkenntnis!

.... Kann sein, aber ich möchte behaupten, daß die Vertreter der Gewaltfreien Fraktion allesamt Erfahrungen mit den gewalthaltigen Erziehungsmethoden gemacht haben. Umgekehrt scheint es jedoch nicht so zu sein.
:
Das, so möchte ich behaupten, ist eine unbewiesene Unterstellung, die auch kaum weiterführt. Die meisten Leute wenden doch eine Mischung aus Lob und Tadel an, bewusst oder unbewusst. Jeder hat seine Erfahrung damit gemacht. Ich glaube auch, dass ganz speziell das Klicker-Training am Anfang abschreckend, ja technisch erscheint (deswegen finde ich auch den Aufruf "Der technisierte Hund" völlig irreführend, ich dachte vorher immer, das bezieht sich auf das Klicker-Training). Es erscheint erst mal wie eine Art Prothese, aber im Grunde ist es ja nichts anderes wie eine ganz normale Hundeschule: Gute Leistung belohnen, schlechte Taten abstellen. Von daher verstehe ich den missionarischen Eifer auf beiden Seiten nicht immer.

Ich könnte Dir ein gutes Beispiel von mir geben. Mein Hund, Rüde, Dobi, sehr sensibel (gell Nash?), aber sehr dominant, war nach einem heftigen Ausbruch von mir ziemlich verstört, so dass ich wieder von vorne anfangen konnte. Ich hab's halt vermasselt. Anderes Beispiel: Auf dem Platz haben wir versucht, das Aportieren zu üben. Nash rennt zum Holz, nimmt es nicht richtig, Leinenruck, lässt los, wieder hinwerfen (Jagdtrieb), Nash beist irgendwo in das Holz, Leinenruck, damit hat Nash gelernt, dieses Holz ist blöd. Ich habe dann gesagt, ich übe das lieber zuhause. Mit Leine völlig ausgeschlossen, jeder Versuch gescheitert. Ohne Leine geht er mit dem Holz stiften, also habe ich das verhindert, indem wir in der Garage üben. Immerhin, in der Garage und vor der Garage (weiter noch nicht), nimmt er das Holz (naja, etwas schräg schon), und hält es ein wenig. Dann gibt's Futter. Aus versehen habe ich mich mal über ihn geärgert, weil er einfach das Maul (sorry , den Fang) nicht aufmachen wollte, um dieses "Scheiss"-Holz auch nur ins Maul zu nehmen. Ergebnis: Gehe zurück auf Start. Immerhin bin ich optimistisch, dass er in drei Monaten das Aportieren sicher beherscht (drückt mir die Daumen). Ich schaffe es auch (meistens!), ihn bei Fuss gehen zu lassen, wenn eine Katze auf dem Baum sitzt (allerdings nicht lange!).

Das heisst aber nicht, dass ich ihn auch heute nicht ordentlich ausschimpfe, wenn er sich ein Brötchen mopst. Ich versuche nur, ruhiger und für den Hund verständlicher einzuwirken. Natürlich schlage ich meinen Hund nicht, denn das versteht er nicht. Aber wenn er an einem Mauseloch gräbt, dann stürze ich mich auf ihn, und schreie ihn an oder greife ihm am Hals, und starre ihm in die Augen. Anschliessend nehme ich ihn an die Leine und bin etwas ruppig mit ihm (Bisher hat ihn das aber noch nicht davon abgehalten, nach ein oder zwei Tagen wieder zu graben - aber er macht es weniger). Auch Umerziehung hat schon Erfolge gezeigt, aber meist nur in der Kombination "Strafe" - Alternativverhalten. Ich möchte auch mal behaupten, dass ich in unserem Verein der softeste bin, und ich immer wieder angehalten werde, "härter" durchzugreifen. (Deswegen interessiert mich ja die Diskussion so). Wenn ich mir die anderen Hunde so anschaue (ok, alles Schäfer, aber trotzdem), dann sind durchaus auch die Hunde glücklich, die etwas härter angefasst werden. Ich habe eher den Eindruck, dass bei der "Leinenruckmethode" oft nicht sauber gearbeitet wird, d.h. der Hund die Strafe nicht sauber zuordnen kann. Der Hund weiss dann gar nicht mehr, was ihm geschieht, und wieso. Aber es gibt auch Erfolge damit, auch bei Nash, der sich jetzt sehr viel besser konzentriert, so dass man ihn halt auch mal loben kann....

Es gibt halt nicht nur schwarz und weiss auf der Welt, Mensch und Hund sind prägbare Wesen....

Jetzt werde ich mal das Apportierholz schwingen!

Gruss Stephan & Nash


06. Januar 1999 11:26

Hallo an alle,

zu diesem - wirklich spannenden! - Thema möchte ich gerne einen Fall aus meiner Problemhundearbeit ins Forum stellen:

Eines Sonntag Nachts gegen 23.00 Uhr bekam ich einen Anruf eines völlig panisch klingenden Mannes: Sein 4 jähriger Dobermannrüde hätte sich tagsüber bei der Ausbildung zum SCHH1 nach einem "Aus"-Kommando seinerseits gegen ihn gewendet und ihn mehrfach gebissen. Seit er mit dem Hund wieder zuhause sei, hätte dieser kurz nacheinander die Frau und beide Söhne (10 und 15) gebissen. Jetzt liege der Hund seit 4 Stunden knurrend und zähnefletschend unter dem Küchentisch und würde jeden angreifen, der sich dem Tisch nähert. Wenn ich nicht SOFORT käme und die Situation entschärfe, würde er den Hund von einem Jäger unter dem Tisch erschießen lassen. Ich fuhr sofort hin. Dort informierte ich mich zunächst kurz über die Vorgeschichte. Ich erfuhr, daß der Hund vom Ausbilder als "ängstlich, aber triebstark" (!!) eingestuft worden sei. Ursprünglich wollte der Besitzer nur in der Unterordnung mit ihm arbeiten, hatte sich aber überreden lassen, den Dobermann als Schutzhund auszubilden. Um den "enormen Schutztrieb"des Rüden "in den Griff" zu bekommen, wurde er zunächst an der Beute und später am Figuranten mit Stachelwürger "gearbeitet". Nach Aussage des Besitzers reagierte der Dobermann irgendwann während dieser "Ausbildung" damit, daß er auf der Fahrt zum Hundeplatz im Auto urinierte und mit dem Betreten des Geländes "in Angriffsstellung" geduckt am Boden schleichend und zähnefletschend neben ihm herlief. Beim Anblick des Figuranten urinierte er im Sitzen wie eine Hündin und warf sich dann mit voller Kraft in den Stachelwürger, um den Figuranten anzugreifen. Dabei attackierte er nicht den Hetzarm, sondern den Hals des Mannes, nach Aussage des "Ausbilders" ein Zeichen besonderer Triebstärke. Auf das Kommando "Aus" hatte er sich allerdings immer sofort platt auf den Bauch fallen lassen und den Angriff beendet. Danach lief er dann "perfekt" die Unterordnung - bis zu jenem Wochenende. Der "Ausbilder" hatte gefordert, daß der Hund nicht auf dem Bauch liegen dürfe, sondern aufrecht stehend die Bewachung fortsetzen müsse. Um das zu erreichen, sollte der Besitzer den Hund aus dem Liegen hochreißen. Er tat es, worauf der Hund sich umdrehte und ihn anging. Die drei Bißwunden waren alle nicht sonderlich tief. Zuhause wollte ihm die Frau das Halsband abnehmen, worauf er sie in den Arm biß. Der Hund lief ins Zimmer der Jungs und urinierte mehrfach auf den Teppich. Beide sprangen hoch, um ihn zu schimpfen, und der Hund biß beide ins Bein. Seitdem lag er unter dem Küchentisch. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Hund niemals Zeichen von Aggression (außer auf dem Hundeplatz) gezeigt.

Meine Empfindungen während dieses Berichtes muß ich wohl nicht schreiben. Ich schickte die Familie ins Wohnzimmer mit der strikten Anweisung, sich dort nicht von der Stelle zu rühren und ging in die Küche. Sobald ich die Tür öffnete, hörte ich den Hund knurren. Ich sah ihn nicht an und ging an die am weitesten vom Tisch entfernte Stelle, wo ich mich mit einem Buch in der Hand hinsetzte. Aus den Augenwinkeln konnte ich den Hund sehen: Er zitterte am ganzen Körper, der Boden um ihn herum war blutverschmiert und der Hund war so naß, daß er offensichtlich im Urin liegen mußte. Nach ca. einer halben Stunde hörte er auf zu knurren. Stattdessen fiepte er leise vor sich hin. Ich stand auf und begann, in meiner Ecke mit allen möglichen Gegenständen herumzuhantieren. Zunächst knurrte er wieder, hörte aber schnell damit auf. Er lag flach auf den Boden gepreßt (auch der Kopf) da und beobachtete mich. Ich öffnete den Kühlschrank, worauf er den Kopf hob. In Ermangelung von etwas Besserem füllte ich etwas Milch in einen Teller und stellte diesen etwa auf halbe Strecke zwischen meinem Stuhl und dem Hund auf den Boden. Der Hund knurrte nicht. Dann setzte ich mich wieder mit meinem Buch hin. Innerhalb der nächsten 10 Minuten robbte der Dobermann auf dem Bauch zentimeterweise in Richtung Milch. Dabei konnte ich sehen, daß der gesamte Kehlbereich des Hundes blutete. Hastig schlabberte er die Milch und blieb dann vor dem Teller liegen. Ich stand auf und wartete kurz: Keine Reaktion. Dann ging ich zum Kühlschrank, holte die Milchtüte und einen zweiten Teller, den ich gefüllt in Richtung des ersten schob: keine Reaktion. Ich blieb in der Hocke neben dem Teller sitzen, die Milchtüte in der einen Hand. Nach einer Weile robbte der Hund in meine Richtung und trank auch diesen Teller leer. Er wirkte inzwischen deutlich entspannter, das Zittern hatte aufgehört. Im Zeitlupentempo bewegte ich die Milchtüte zum Teller und füllte ein kleines bißchen nach. Der Hund trank sofort. Dann ließ ich die Milch in meine andere Hand laufen, die ich ein Stück hinter dem Teller hielt. Der Dobermann schob seine Nase unter meine Hand und leckte zuerst die Tropfen vom Boden, dann aus meiner Hand. Ich ließ sie auf den Boden sinken, der Hund leckte noch ein Weilchen weiter und legte dann seine Schnauze auf meine Hand. Ich hatte während der ganzen Zeit kein Wort gesagt. Ich zog langsam meine Hand heraus und bewegte mich rückwärts vom Hund weg. Er rührte sich nicht. Dann stand ich auf und ging zur Tür. Auf dem Weg dorthin rief ich freundlich "Komm, Limbo!" Er sprang auf und folgte mir. Ich ging nach draußen zu meinem Auto und öffnete die Heckklappe. Er sprang ohne Zögern hinein, was ich absolut nicht erwartet hätte. Ich fuhr mit ihm nach Hause, rief per Handy meinen Mann an und bat ihn, unsere Hündin (damals hatte ich nur sie) ins Zimmer unserer Tochter zu bringen. Dann informierte ich kurz die Dobermannbesitzer, daß der Hund zunächst bei mir bleiben würde. Er verhielt sich übigens während der Fahrt absolut ruhig und urinierte auch nicht. Zuhause drehte er eine kurze Schnüffelrunde durchs Zimmer und ließ sich dann mit einem entspannten Seufzer auf der Decke meiner Hündin nieder.

In den nächsten Tagen führte ich stundenlange Gespräche mit der Familie des Hundes. Ich fand schnell heraus, daß sie aus absoluter Unwissenheit gehandelt hatten. Der Mann brach weinend zusammen, als ich ihm die Zusammenhänge erklärte und er verstanden hatte, WAS er seinem Hund angetan hatte. Dann begannen wir zu arbeiten. Der Hund lebte noch immer bei mir. Wir stellten ihn zunächst auf ein Brustgeschirr um, und er, der vorher beim Anblick einer Leine sofort uriniert hatte, führte nach zwei Tagen Freudentänze auf, wenn ich die Leine in die Hand nahm. Es dauerte vier Wochen, bis die Familie ihren Hund wieder dauerhaft zu sich nehmen konnte. Sie hatten in der Zwischenzeit sämtliche Möbel umgestellt. Wir verzichteten auf alle verbalen Kommandos und stellten auf Sichtzeichen um. Dabei arbeiteten wir ausschließlich mit Belohnung von erwünschtem Verhalten und Ignorieren von unerwünschtem. Damals kannte ich die Clickermethode noch nicht, ich denke, sie wäre ideal gewesen. Das Wort "Nein" bekam der Hund nie mehr zu hören. Er hatte eine massive Aversion gegen einen bestimmten Männertyp, der dem Ausbilder (NICHT dem Figuranten!) ähnlich war. Dabei reagierte er sowohl auf Gang, als auch auf bestimmte Gesten und die Stimme. Begegnete ihm ein solcher Mann, verfiel er sofort wieder in das Verhalten auf dem Hundeplatz: Er kroch geduckt und zähnefletschend vorwärts. Eines hatte sich aber bereits entscheidend verändert: Er hatte Vertrauen zu seinem Besitzer entwickelt. Sobald der ihn motivierend ansprach und ablenkte, beendete er das Verhalten und wandte sich ihm zu. Es dauerte etwa ein Jahr, bis der Hund überhaupt nicht mehr reagierte, wenn er diesem Männertyp begegnete. Das heißt: "Überhaupt nicht mehr" stimmt nicht. Er sucht seitdem in solchen Situationen von sich aus den Blickkontakt mit seinem Besitzer und hält ihn solange, bis der Mann vorbei ist. Das gleiche Verhalten zeigt er in allen Situationen, die ihn ängstigen. Die absolute Bestätigung erhielten wir, als besagter "Ausbilder" die Familie besuchte, um anläßlich einer Tombola des Vereins um eine Spende zu bitten. Der Besitzer hatte nichtsahnend die Tür geöffnet, der Hund war neben ihm. Beide, Besitzer und Hund zuckten zusammen, der Hund duckte sich reflexartig, dann setzte er sich hin und schaute seinen Herrn an. Der schloß ruhig die Tür und lobte seinen Hund.

Das ist mein Beitrag zum Thema Belohnung und Strafe. Kein Einzelfall, sondern exemplarisch für viele Hunde und Probleme, mit denen ich gearbeitet habe. Die Art der Therapie variiert natürlich. Aber niemals mit einem Strafreiz.

Liebe Grüße,
Jutta

06. Januar 1999 13:09

Hallo Jutta,

nachdem ich in Deinem Beitrag doch ein paar kleine Seitenhiebe bezüglich von mir angeblich getroffener Aussagen fand, möchte ich kurz etwas antworten.

Der von Dir geschilderte Fall ist ein Parade-Beispiel für abartigste Gewalt, wie sie leider noch viel zu oft auf zu vielen "Hundeplätzen" (und nicht nur dort) vorzufinden ist.

Das hat jedoch mit "Belohnung und Strafe", wie in Deinem Resümee, nichts zu tun.
Ebensowenig hat das mit Dominaz zu tun - es handelt sich um perverse Brutalität.

Wer einen Hund derartiger Pein aussetzt, muß strafrechtlich belangt werden. Auch die Aufforderung hierzu ist strafrechtlich relevant.
Warum bist Du gegen diesen "Ausbilder" nicht dementsprechend vorgegangen?
Du hast zwar sicherlich vollkommen richtig gehandelt und sowohl Hund als auch Halter vor weiteren Attacken geschützt - was aber mit all denen, die diesem "Fachmann" noch weiterhin
Vertrauen schenken und keine hilfreichen Ansprechpartner haben?

Ich habe gerade auf SV- Plätzen schon wirklich abartigste Ausbildungsmethoden gesehen, habe sie teilweise gefilmt und alles zur Anzeige gebracht. Größtenteils mit Erfolg.

Daniel



06. Januar 1999 13:22

Liebe Jutta,

ich fand Deinen Beitrag toll (und Deinen Einsatz für den Dobermann natürlich auch)!

Er deckt sich übrigens mit den Erfahrungen, die ich mit dieser Rasse machen konnte, voll: Dazu eine Anekdote: Unser einziger Kollege (d.h. Dobi) im Schäferhundverein, bildhübscher Hund, kam selten zum Training, das letzte mal mit Stachelhalsband, weil er angeblich so gefährlich und unberechenbar war. Auf dem Platz war er eigentlich sehr zivil (im Gegensatz zu Nash), aber der Halter etwas hektisch. Zwei Wochen später wurde er eingeschläfert, weil er seine Halter gebissen hatte. Ich kenne den Fall nicht näher, aber meiner Meinung nach hat er (der Halter) einige Grundregeln im Dominanzgefüge nicht beachtet.

Was Du geschildert hast, ist eigentlich Tierquälerei, und ich weiss nicht, ob es deswegen so gut geeignet ist. Oder eben doch. Es zeigt nämlich, wie delikat der Umgang mit Strafe ist, und wie sich eine selbstverstärkende Gewaltspirale aufbauen kann. Und es ist ein schönes und Mut machendes Beispiel, dass man das auch wieder hinkriegt.

Ich habe mich aber noch was anderes gefragt: Die Ausbilder sind oft zusehr auf Wettbewerbe und den Ablauf der Übungen fixiert. Sie haben oft ihren eigenen Trott und ihre Methode, die sie auf andere Hunde übertragen. Richtig schlimm wird es, wenn sie dann "mal kurz den Hund selbst nehmen", und dann so richtig zulangen. (Ist mir auch schon passiert, ich war ganz verblüfft, aber heute würde ich das nicht mehr zulassen). Klar dass der Hund dann wie pik 7 dasteht (Stell Dir das so vor: Du kommst mit einem Freund oder Familienmitglied auf den Platz, dann langst Du dem Trainer eine - ich denke, der würde danach auch etwas aufrechter und gespannter dastehen!).

Meine Erfahrung ist noch eine andere, aber ich werde dazu ein neues Thema "aufmachen". Dazu brauche ich aber noch etwas mehr Zeit, um die Frage richtig zu stellen.

Gruss Stephan & Nash

PS: Wenn wir alle so fleissig weiterschreiben, dann können wir zum Jahr 2000 einen dicken Wälzer herausbringen: "Das ultimative Hundeerfahrungsbuch" (oder so).


06. Januar 1999 15:00

Lieber Daniel,

nein, es waren keine Seitenhiebe auf Dich (oder andere) versteckt. Ich wollte eigentlich in erster Linie eines verdeutlichen: Die individuelle Einflußnahme auf einen Hund hängt ganz entscheidend vom Hund und der Situation ab. Und die ganz persönliche Erfahrung eines Hundes ist leider durchaus nicht immer so deutlich (wenn auch in diesem Fall wirklich tragisch) wie hier nachzuvollziehen.

Ich hatte auch schon Hund im Training, die wirklich dominant waren. Und mir kräftemäßig so überlegen, daß ich noch nicht einmal hätte wagen dürfen, in der ersten Zeit einen direkten Blickkontakt aufzunehmen, ohne daß der Hund mich sofort angegangen wäre. Der Versuch, einen solchen Hund in irgendeiner Form mit einem Strafreiz zu versehen, wäre mit Sicherheit auch mein letzter gewesen. Auch aus solchen Erlebnissen ist mein gewaltfreies Arbeiten entstanden. Am meisten Erfolg hatte ich immer damit, etwas für den Hund völlig Neues einzuführen. Angefangen vom Umstellen von Halsband auf Brustgeschirr (und umgekehrt!) bis hin zu einer anderen Sprache als Verständigungsmöglichkeit.

Die Fortschritte, die so entstanden, hatten in den meisten Fällen (leider nicht allen) den Begleiteffekt, daß die Besitzer eine neue Sicherheit im Umgang mit ihrem Hund entwickelten. Und diese wiederum wirkte sich eindeutig auf das Ranggefüge aus. Das Problem ist nämlich durchaus nicht nur einseitig so zu sehen, daß der Hund Vertrauen zum Menschen braucht, sondern unbedingt auch umgekehrt. Ein Besitzer, der Angst vor den Reaktionen seines Hundes hat, wird nie in der Lage sein, dessen anerkannter Rudelchef zu werden. Und gerade scheinbare Machtdemonstrationen über bestimmte Strafreize, die aber letztendlich nur die Unsicherheit des Halters kaschieren sollen, erreichen einen genau gegenteiligen Effekt.

Und dann gibts da noch die Hundebesitzer, die ihren Hund "kaputtlieben", indem sie ihn vermenschlichen und wie ein Kind oder einen menschlichen Partner behandeln. Wenn sie Glück haben, zeigt er ihnen irgendwann die Zähne und macht ihnen somit klar, daß irgendwas nicht stimmen kann. In vielen Fällen ist der Hund aber einfach nur "unerzogen", befolgt kein Kommando zuverlässig und bestimmt durch seine Manipulationen ihr Leben. Das finden sie dann zwar lästig, aber nicht behandlungsbedürftig. Für mich ist das die Ebene, die ich mit "antiautoritärer Erziehung" beschreiben würde. Wobei es den Begriff so eigentlich nicht gibt. Entweder antiautoritär oder Erziehung. Da wären dann ein paar eindeutige Strafreize nötig, allerdings bei den Menschen, nicht beim Hund. An diese Leute ranzukommen, ist extrem schwierig, da sie einfach nicht genug Leidensdruck haben, um ernsthaft etwas verändern zu wollen.

Und damit bin ich bei den Grenzen jeder Hundeerziehung: Sie kann immer nur in dem Maße funktionieren, wo der Mensch seinen Handlungsbedarf erkennt und bereit ist, sein Verhalten in Frage zu stellen.

Und was den "Ausbilder" betrifft: Ich habe ihn angezeigt. Er und der Verband haben den Nachweis geliefert, daß er mehrere Ausbilderprüfungen erfolgreich abgelegt und zudem großer Erfolge in der Ausbildung von Polizeihunden hatte. Ich konnte KEINEN Hundeführer finden, der den Vorwurf der Tierquälerei öffentlich bestätigt hätte. Ich habe dann über Leserbriefe und dergleichen weitergemacht, was mir eine Unterlassungsklage von seiten des Verbandes und eine Anzeige wegen Verleumdung durch den Ausbilder beschert hat. Letztendlich wurde alles eingestellt.

Liebe Grüße,
Jutta

06. Januar 1999 15:24

:Hallo Jutta,
erstmal Danke, daß Du geantwortet hast.

Dominanz wächst aber auch mit dem Wissen um Bedürftigkeit derer.
Und hat vor allem mit Selbstsicherheit zu tun.
Daß jeder diese einem Welpen gegenüber hat, steht außer Frage, weswegen sie auch hier schon
konstruktiv genutzt werden sollte.
Wenn die Hunde, die ich in den letzten Jahern gearbeitet habe, auch nur geahnt hätten, daß sie mich
im Ernstfall besiegen könnten, könnte ich hier nicht mehr antworten.
Hier ging es aber eben nicht so weit, daß das Beweisen körperliche Überlegenheit vonnöten gewesen wäre,
vielmehr darum, daß ich ohne körperliche Auseinandersetzung unmißverständlich gezeigt habe, daß ich
derjenige bin, der die Entscheidungen trifft.
Und das funktioniert hervorragend über die beschriebene Neuorientierung des Hundes.

Nächster Punkt.
Ich weiß selbst, wie schwer es ist, Mißhandlungen zu beweisen - vor allem bei so vielen Gegenzeugen.
Deswegen mein Ansatz mit der Video- Kamera. Das ist definitiv und nicht zu beschönigen oder zu verleugnen.
Und wenn Du keine hast, leihe ich Dir für solche Zwecke gerne meine.

Grüße
Daniel