Liebe Juliane,
Ein ziemlich wichtiges Kriterium ist das Alter und der Ausbildungsstand des Ersthundes. Man muß sich klar machen, daß man für den "Neuen" zunächst enorm viel Zeit aufwenden muß, um ihm verschiedene Dinge beizubringen. Das beginnt mit der Stubenreinheit und führt über die Förderung der Hund-Mensch-Beziehung zum Grundgehorsam. Es ist entscheidend wichtig, im ersten Jahr viel alleine mit dem neuen Hund zu unternehmen. Er soll ja eine vertrauensvolle Beziehung zu Dir aufbauen und sich nicht in erster Linie am anderen Hund orientieren (was er automatisch tun wird). Auch der Neue muß zunächst lernen, auf Deine Kommandos zu reagieren, bevor Du irgendwann mit beiden losziehen kannst. Abgesehen davon, daß ein Welpe nie im Leben einen "normalen" Spaziergang mit dem Ersthund durchhalten kann (und vor allem soll!), wird sich der Ersthund bemühen, dem Kleinen möglichst schnell bestimmte Dinge beizubringen. Steht also Dein Erster nicht hundertpro im Gehorsam, hast Du bereits Probleme mit dem Zweiten vorprogrammiert. Leider ist es für viele Menschen gerade die Motivation für die Anschaffung einer zweiten Hundes, daß die Ausbildung des Ersten nicht so besonders geklappt hat, und sie jetzt beim Zweiten "alles richtig" machen wollen. Das geht mit Sicherheit schief.
Da auch Dein Ersthund seinen Auslauf braucht, mußt Du Dich auf alle Fälle darauf einstellen, daß Du im ersten halben Jahr ständig mit irgendeinem Hund unterwegs sein wirst. Überlege Dir bitte gut, ob Du die Zeit und die Energie dazu hast. Du kannst auch mit dem Welpen am Anfang nicht arbeiten, wenn der andere dabei ist, da zunächst der Grundgehorsam sitzen muß, bevor das Gehorchen unter Ablenkung dazukommt. Und natürlich ist es andersrum wichtig, daß auch Dein Welpe von Anfang an lernt, alleine zu bleiben. Das ist übrigens eines der häufigsten Probleme: Der zweite Hund wird häufig anfangs mit dem ersten zuhause gelassen. Muß er dann irgendwann ganz alleine bleiben, ist die Hölle los. Und weiter zu diesem Thema: Ist Dein Ersthund noch relativ jung und verspielt, kannst Du die beiden am Anfang nicht gemeinsam alleine lassen. Abgesehen davon, daß Deine Wohnung danach wohl eher einem Trümmerfeld gleichen wird, besteht die große Gefahr, daß der Welpe ernsthaften körperlichen Schaden nimmt. Da das Spiel der beiden in Deiner Abwesenheit ja nicht kontrolliert werden kann, kann der Welpe bleibende Schäden an Knochen, Gelenken und Bändern davontragen, da er einfach überbelastet wird. Dieses Risiko besteht unter Umständen auch bei gemeinsamen Spaziergängen, wenn der Große zu der wilden Sorte gehört und den Kleinen ständig überrennt.
Rüde oder Hündin: Wenn Du einen Welpen kauft, hast Du keine Ahnung, wie sich das Dominanzstreben des Zweithundes entwickeln wird. Andererseits hast Du eine Menge Möglichkeiten, entsprechend zu steuern. Bei zwei Hündinnen wird es vermutlich irgendwann Rangeleien geben. Wenn Du bereits bei Deinem Ersthund der erklärte Boß bist, stehen die Chancen gut, daß es Dir auch bei zweien gelingt. Das wiederum bedeutet, daß Du durch Dein Verhalten die Rangreihenfolge unter Deinen Hündinnen so mitbestimmen kannst, daß es keine ernsthaften Beißereien geben wird. In Fällen, wo das nicht klappt, liegt der Fehler oft in der Rudelführung durch den Menschen. Dort wird dann meist das typisch menschliche Denken zur gefährlichen Falle: Statt den dominanten Hund permanent zu unterstützen, glaubt Mensch, er müsse den unterlegenen in Schutz nehmen und "zu seinem Recht kommen" lassen. Das schafft Verwirrung unter den Hunden, die dann meist immer heftiger aufeinander losgehen. Allerdings kann es gerade bei zwei Hündinnen passieren, daß sie sich einfach nicht abkönnen. Das merkst Du spätestens dann, wenn die Zweithündin geschlechtsreif wird. Ein Wolfserbe ist z.B., daß die dominante Hündin das Recht hat, Konkurrentinnen zu vertreiben, zu verletzen oder sogar zu töten. Wie stark ein solches Verhalten bei Haushunden auftritt, ist sehr unterschiedlich. Manchmal wird es so extrem, daß man sich wieder von einer Hündin trennen muß, manchmal passiert überhaupt nichts in diese Richtung. Kritisch ist die jeweilige Gefühlslage oft während der Läufigkeit einer Hündin, aber da könnte dann u.U. eine Kastration helfen.
Holst Du Dir einen Rüden dazu, hast Du andere Probleme. Die Läufigkeit ist das Geringste, da hilft die Kastration der Hündin, wenn Dein Rüde zu der Sorte der "furchtbar Leidenden" gehört, die während der Hitze der Hündin tage- manchmal wochenlang jammern und bis zum Skelett abmagern. Aber: Dein Rüde wird die Hündin wahrscheinlich im Erwachsenenalter als "seine" Hündin betrachten und sie u.U. gnadenlos gegen jeden potentiellen Rivalen verteidigen. Du hast also mit ziemlicher Sicherheit irgendwann folgendes Problem: Welchen Deiner Hunde läßt Du frei laufen, wenn Du in einer Gegend unterwegs bist, wo auch fremde Hunde spazieren gehen? Begegnet Euch eine Hündin, darf der Rüde laufen, kommt ein Rüde, darf es die Hündin. Natürlich gibt es auch in dieser Konstellation absolut problemlose Paarungen - das Problem ist nur, daß man das erst herausfindet, wenn es soweit ist.
Was das Spielzeug betrifft: Beute ist einer der Hauptstreitpunkte unter Hunden, auch wenn sie sich ansonsten gut vertragen. Ich halte es durchaus für möglich, daß es wegen des Spielzeugs zu Raufereien kommt. Zumindest in der Anfangszeit würde ich deswegen die Spielsachen wegräumen. Wenn Du mit einem Hund spielen willst, kannst Du ja das entsprechende Teil holen. Die Frage ist dann: Was machst Du in der Zeit mit dem anderen Hund? Hunde kennen keine Gerechtigkeit im menschlichen Sinn. Es bringt also gar nichts, die Sachen doppelt und dreifach anzuschaffen, interessant ist meistens nur das, was der andere Hund gerade hat. Allerdings kann es durchaus sein, daß die beiden sich MIT Spielzeug gemeinsam vergnügen - auch das wirst Du erst wissen, wenn Du es ausprobierst. Mein Rüde (15 Monate) hat sich einen Trick zugelegt: Da er nie an das Spielzeug darf, das die Hündin (3 Jahre) gerade hat, lenkt er sie ab. Er schnappt sich irgendein herumliegendes Teil (meist seine Decke) und schleppt es zur Hündin. Dort läßt er es hinter der Hündin fallen und schüttelt unter großem Geknurre daran herum, bis sie sich umdreht. Dann macht er einen Satz zur Seite, "überläßt" ihr die Decke und klaut sich blitzschnell das Spielzeug. Wenn er nicht schnell genug ist, kriegt er allerdings eins auf die Mütze.
Tja, und dann solltest Du Dir noch folgendes überlegen: Wie sehen Deine Urlaube aus? Mit einem Hund ein Hotelzimmer zu kriegen oder ins Lokal zu gehen ist eine Sache, das mit zwei Hunden zu tun, eine ganz andere. Natürlich gibt es Möglichkeiten, aber sie sind schwieriger zu finden. Was ist, wenn Du krank wirst und die Hunde in Pflege müssen? Hast Du nette Menschen für BEIDE? Und nicht zuletzt: Wie hoch sind Deine Ansprüche an eine gepflegte Wohnung? Zwei Hunde machen nämlich seltsamerweise mindestens den dreifachen Dreck.
Wenn Du grundsätzlich bereit für einen Zweithund bist, solltest Du die Entscheidung Deiner Hündin mit berücksichtigen. Wenn sie den zweiten nämlich liebt, wirst Du sehr viel Hundeglück erleben. Wie ist sie denn so mit anderen? Wenn sie es liebt, mit anderen Hunden zu toben und zu spielen, ist der Neue vermutlich eine große Bereicherung für sie. Hat sie aber eigentlich lieber ihre Ruhe, dann überlege Dir besser nochmal, ob sie alleine nicht glücklicher ist. Denn wozu soll ein Zweithund gut sein, wenn er keine Bereicherung für den Ersten ist, sondern eine Last?
Liebe Grüße,
Jutta