Lieber Achim,
Dein Hund ist mitten in der Pubertät, und das bedeutet, daß er zum einen ausprobiert, wo seine Position in Eurem gemischten Rudel ist und zum anderen beginnt, den "Ernst des Lebens" zu erkennen.
Der Australian Shepherd ist ein extremer Arbeitshund, der unbedingt eine Aufgabe braucht. Ähnlich dem Border Collie hütet er alles, was sich hüten läßt, und wenn er das nicht kann und keine andere Möglichkeit hat, sich auszuarbeiten, wird er zum Problem. Ihr solltet also zuerst einmal für Euch überprüfen, ob Euer Hund wirklich körperlich und geistig ausgelastet ist. Einem solchen Hund reicht "nur" Spazierengehen oder am Rad laufen niemals aus. Sportarten wie Agility, Turnierhundsport oder eine Ausbildung in Richtung Rettungshund wären für ihn eine gute Möglichkeit.
Der andere Bereich ist (mal wieder) die Sache mit der Rangordnung. Im Augenblick sieht es so aus, als habe der Hund das Sagen: Haus und Hof sind das Revier erster Ordnung, und derzeit entscheidet Euer Hund, wer dieses Revier betreten und sich darin aufhalten darf. Das solltet Ihr schleunigst ändern, da sich ein solches Verhalten niemals von allein bessern, sondern immer schlimmer werden wird, je älter der Hund wird (und je mehr Erfolge er zu verzeichnen hat).
Vielleicht versucht Ihr es mal so: Der Hund sollte in nächster Zeit nicht mehr alleine im Garten sein. Es geht darum, ihm klarzumachen, daß seine Menschen die Abläufe im Revier regeln und nicht er - und dazu muß er in den relevanten Situationen unter Kontrolle sein. Ich halte es zudem für möglich, daß der Hund am Zaun geärgert oder vielleicht sogar verletzt wurde, ohne daß Ihr das mitbekommen habt. Auch eine solche Erfahrung könnte seine Aggressionen gefördert haben. Immer wenn jemand kommt, wird der Hund angeleint. Am besten geht es, wenn Ihr zu zweit seit. Einer hat den Hund an der Leine, der andere öffnet dem Besuch die Tür. Meldet der Hund durch Bellen, daß jemand kommt, wird er kurz gelobt: Wachsam sein darf er ja. Dann kommt das Kommando "Schluß", das der Hund damit verknüpfen soll, daß er genug gebellt hat. Nun kriegt der angeleinte Hund das Kommando "Platz" und "Bleib". Der Besuch wird hereingelassen und sollte den Hund nicht beachten. Dann geht der Besuch am abgelegten Hund vorbei ins Haus. Knurrt der Hund, wird er mit "Nein!" zurechtgewiesen, liegt er still, wird er kurz und ruhig gelobt. Auf alle Fälle muß er liegenbleiben. Die Leine sollte dabei locker durchhängen, der Hund sollte nämlich liegenbleiben, weil IHR es so wollt, und nicht, weil die Leine ihn am Aufstehen hindert. Sie ist quasi nur die "Notbremse". Dabei geht es weniger darum, daß der Hund diese braucht, sondern daß Ihr die Sicherheit habt, den Hund zur Not festhalten zu können. Ihr solltet Euch trotzdem immer vorstellen, der Hund wäre nicht angeleint und nurEure Stimme und Ausstrahlung könnte ihn im Platz halten. Das klingt vielleicht albern, hat aber eine enorme Wirkung auf das eigene Verhalten und damit auch auf den Hund: Er spürt, wann Ihr es wirklich ernst meint.
Ist der Besuch im Haus, darf der Hund aufstehen und wird von Euch ebenfalls hineingeführt. Jedes Bellen, Knurren etc. wird sofort mit "Nein!" unterbunden. Im Zimmer legt Ihr den Hund auf seine Decke, die in ausreichendem Abstand vom Besuch, aber in Sichtweite sein sollte. Es ist gut, wenn möglichst keiner der Gäste den Hund beachtet. Dieser muß auf seiner Decke liegenbleiben, notfalls wird er dort angebunden. Einer von Euch hat ihn ständig im Blick, um jeden Versuch einer Drohgebärde oder ein Aufstehen sofort zu unterbinden und andererseits ruhig zu loben, wenn er brav liegenbleibt. Klappt das, so ist der nächste Schritt, daß Ihr demonstrativ den Gästen die Hände schüttelt, mit übertriebenen Gesten und wortreich. Der Hund hat trotzdem ruhig zu liegen. Dann dürfen sich die Gäste im Zimmer bewegen, ohne den Hund zu beachten. Auch dabei muß er ruhig liegen.
Erst wenn das alles ohne Probleme funktioniert und der Hund brav ohne Leine liegenbleibt, könnt Ihr ihn mit einem Kommando (z.B. "sag Hallo!"
auffordern, aufzustehen und den Besuch zu begrüßen. Wenn jeder Besucher ein Leckerle hat und den Hund freundlich anspricht, wird er das schnell als sehr angenehm empfinden. Natürlich wird er bei jedem Versuch zu drohen sofort wieder auf die Decke geschickt. Verhält er sich aber entspannt und freundlich, darf er am Geschehen teilnehmen. Es ist wichtig, diesen Schritt nicht zu früh auszuprobieren. Der Hund muß wirklich erst gelernt haben, auf Euren Befehl hin jeden Besucher hereinzulassen und ruhig liegenzubleiben.
Insgesamt könnt Ihr das alles unterstützen, indem Ihr ab sofort sehr konsequent seid und immer wieder darauf achtet, Eure Position als Rudelführer zu verstärken. Das heißt, daß jedes Kommando, das Ihr gebt, auf jeden Fall ausgeführt werden muß. Habt Ihr nicht die Zeit oder die Ruhe, darauf zu bestehen, gebt lieber gar keines. Der Hund lernt sonst nur, daß er nicht immer gehorchen muß. Ebenfalls wichtig: Jedes Kommando muß auch wieder aufgelöst werden! Besonders beim "Bleib" vergessen wir oft, den Hund wieder zu erlösen. Dann steht er irgendwann von selbst auf und hat damit gelernt, daß er jeden Befehl jederzeit selbst auflösen darf. Verbannt Euren Hund (so das der Fall ist) von allen erhöhten Plätzen wie Sofa, Sessel, Bett. Achtet darauf, daß er immer mal wieder aufstehen und Euch Platz machen muß, wenn er irgendwo liegt. Liegt er gerne an der Tür, muß er IMMER aufstehen, wenn Ihr vorbei wollt. Reagiert nicht jedesmal, wenn Euer Hund Euch durch Anstupsen zum Streicheln auffordert, sondern ignoriert ihn. Dafür ruft ihn hin und wieder her, wenn er grade was anderes tut, um ihn zu streicheln. Eine gute Übung ist auch, ihn auch ohne Besuch immer mal wieder abzulegen und für eine bestimmte Zeit liegen zu lassen. Am besten geht das, wenn Ihr selber im gleichen Zimmer seid und beispielsweise lest oder Fernsehen schaut. Der Hund wird auf einen bestimmten Platz gebracht und dort abgelegt, bis Ihr ihn wieder befreit. Wohlgemerkt: IHR bestimmt den Platz, wo er liegt, nicht der Hund!
Liebe Grüße,
Jutta