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Vorschlag Fallbeispiel

geschrieben von Petra Führmann(YCH) 
Vorschlag Fallbeispiel
02. April 1999 07:48

Hallo an Alle!
Ich habe folgenden Vorschlag (insbesondere an Daniel): Nachdem ich die Diskussion Positive Konditionierung verfolgt habe würde ich gerne folgendes ausprobieren.

Ich habe derzeit in unserer Hundeschule ein schönes Fallbeispiel, nicht zu schwierig für die Ausbildung aber auch nicht ganz leicht. Wenn allgemeines Interesse daran besteht, würde ich diesen Fall ausführlicher schildern und Herangehensweisen von allen dazu hören, die sich dazu berufen fühlen. Besonders würde mich natürlich die von Daniel interessieren. Martins Vorgehensweise meine ich zu kennen, fände es aber trotzdem toll, wenn er sie ausführlicher darstellen würde.

Gespannte Grüße
Petra

06. April 1999 18:07

: Hallo Petra,

ich hatte bereits in einigen anderen Antworten darauf hingewiesen, daß die Nennung von Fallbeispielen meines Erachtens völlig verkehrt, da zwangsläufig verscuht werden wird, die Erfahrungen des Einzelnen zu generalieren und als Musterbeispiel auf andere zu übertragen. Wäre ja auch -für viele- schön (und bequem), wenn man die Hunde ähnlich wie die Fernbedienung des Fernsehers auf Knopfdruck bedienen könnte.
Da Daniel sich mit mir jedoch große Mühe gegeben hat und ich mit der Umsetzung große und schnelle Fortschritte unternommen hatte, möchte ich doch einige Zeilen schreiben und ansatzweise und ohne Gewähr für Vollständigkeit schildern, wie es mir ergangen ist.

Meine Hündin kam im Alter von 12 Wochen zu mir, nachdem sie von dem vorherigen Halter nach gerade mal vier Wochen wieder abgegeben wurde. Die vorangegangenen vier Wochen verbrachte der Welpe mehr oder minder isoliert, da der Halter sie meist den ganzen Tag alleine ließ und sich auch zu Anwesenheitszeiten nicht sonderlich um den Hund kümmerte. Über alles weitere kann ich nur mutmaßen. Zudem wurde der Welpe im Alter von neun Wochen Beissopfer eines anderen Hundes. Meine Hündin hatte neben einer panischen Angst vor anderen Hunden (ist nach zwei Wochen täglichen Spielens mit anderen Hunden wieder vergangen) insbesondere Angst vor Männern. Ich muß erwähnen, daß ich 90 % derZeit ohne Leine mit dem Hund unterwegs bin (dies von Anfang an), sie sich von alleine nicht weiter als 20 Meter von mir entfernt und regelmäßigen Blickkontakt hält. Das Problem, das bei mir aufgetreten ist, stellte sich so dar, daß meine Hündin bei sich nähernden oder in der Nähe befindlichen Männern immer wieder (wenn auch nicht jedesmal) auf diese zustürzte und sie anbellte, ohne daß sich jedoch mehr ereignete.
Dies war der Anlaß für mich, mich mit Daniel in Verbindung zu setzen, insbesondere nach den Hinweis zweier örtlicher "Hundeausbilder", der Hund gehöre halt an die Leine. Dies jedoch wäre für mich die Kapitulation vor dem Problem gewesen und auch nicht für die weitere Haltung meines Hundes in Frage gekommen. Wichtig war daher für mich neben einigen anderen grundsätzlichen Dingen eine Möglichkeit zu finden, um den Hund zuverlässig abrufen zu können.
Ich kann jetzt nicht in allen Einzelheiten ausführen, wie sich mein tägliches Verhalten zu und der Umgang mit meinem Hund gestaltet, daher nur einige stichwortartige Bemerkungen:

- ich hänge meinem Hund nicht den ganzen Tag um den Hals und erdrücke ihn mit Aufmerksamkeit und Zuneigung
- ob, wann und wie gespielt wird, es was zu fressen gibt usw. bestimme alleine ich. Es gibt dafür keine festen Regeln, keinen festen Rhythmus und keine festen Zeiten
- es gibt auch keine Leckerlis für Wohlverhalten, da meine Aufmerksamkeit und Zuwendung genügen müssen
- es gibt grundsätzlich keine Belohnung dafür, daß der Hund etwas unterläßt, was ich ihm verbiete
- es ist für mich nicht damit getan, daß ich dem Hund nach einem befolgten positiven Kommando "gut gemacht" signalisiere, sondern wichtig ist für mich insbesondere ein befolgtes "nein" im Falle eines falschen, d.h. von mir nicht gewünschten Verhaltens
- es ist mir für die Erziehung meines Hundes piepegal, ob er in vorschriftsmäßigem Winkel neben mir sitzt, mir beim "bei Fuß gehen" in die Augen schaut und mir am Oberschenkel klebt und ähnliche Dinge. Mein Hund muß sich auch nicht beim blödesten Regenwetter auf Kommando Platz im tiefsten Matsch machen. Das ist alles schön und auch durchaus je nachdem was Hund so vor hat trainierbar, aber nicht das Wesentliche. Wichtig ist für mich in der Erziehung alleine mein Verhältnis zu meinem Hund, das wechselseitige Vertrauen und die ausnahmslose Anerkennung meiner Autorität, die bitte nicht mit Despotie zu verwechseln ist. Alles andere mag hinzukommen oder später kommen, je nach Bedarf.

Zurück zu dem an den Tag gelegten Verhalten in Bezug auf Männer:

Ich habe mit Daniels telefonischer Mithilfe begonnen, am Abbruch zu arbeiten, der in unserem Fall auf "nein" erfolgt.
Begonnen haben wir im Wohnzimmer, wo ich an meiner sitzenden und später liegenden Hündin einen Tennisball vorbeirollte. Im Moment des Losstürzens habe ich deutlich "nein" gesagt und sie mit der flachen Hand vor der Brust gestoppt. Nach 3-4 Übungen hatte sie die Sache kapiert und blieb auf ein "nein" hin liegen. Der nächste Schritt erfolgte auf einer Wiese ohne Ablenkung, gleiches Spiel, gleicher Erfolg nach 2-3 mal üben. Aufgrund eigener Ungeduld habe ich dann Daniels weitere Vorschläge teilweise übersprungen. Ich habe meine Hündin hinter ihrem Lieblingsfußball hinterherrennen lassen und sie nach dem ersten Ansatz abgerufen. Ich habe dies dann gesteigert und konnte sie dann auch nachdem sie bereits einige Meter losrannte abrufen, so daß sie auf "nein" hin stehen blieb. Ich habe das ganze dann mit den verschiedenen Spielzeugen und Beutestücken (unter anderem war dann auch eine Wurst dabei) durchexerziert und jeweils Erfolg damit gehabt. Das ganze hat insgesanmt zwei Wochen gedauert mit max. 10 Minuten dieser Übungen am Tag. Im weiteren Verlauf habe ich anschließend meine Hündin nicht nur gestoppt, sondern zu mir zurückgerufen, ohne daß sie ihre Beute haben durfte.

Nachdem ich also den Reiz schrittweise immer höher gesetzt habe, konnte ich sie zwischenzeitlich auch von einem Jogger und einem Radfahrer, denen sie (wie immer ohne Leine) bellend hinterherrennen wollte, abrufen.

Ich gestehe ein, daß der letztgenannte Punkt noch nicht zuverlässig verläuft. Allerdings ist meine Kleine derzeit zum ersten Male heiss und wird von mir in Anbetracht ihrer doch merklich beeinträchtigen Stimmung mehr oder minder verschont.
Allerdings läuft eigentlich alles auch so recht gut.

Zusammengefaßt kann ich sagen, daß unsere Spaziergänge deutlich stressfreier verlaufen und ich nicht permanent Ausschau nach einem potentiellen "Gefahrenherd" halten muß. Meinen Hund freut es wohl auch, da sie mehr oder minder von der Leine verschont bleibt, die eigentlich nur verwende, um die Unbelehrbaren und Angsthaber zu beruhigen.

Dies soll es für heute gewesen sein, und bitte beachten in Anlehnung auf die beliebte Werbung: "Don`t try this at home". ICH habe gute Fortschritte in einem kurzen Zeitraum erzielt, wobei wir konkret MEINE Person, MEIN Verhalten und MEINEN Hund berücksichtigt haben. Mir ist daher heute auch umso klarer, daß dies nicht mittels öffentlicher Anleitung im Forum sondern nur über den direkten Kontakt funktionieren kann. Beim Schreiben dieser Nachricht wird mir ihre Unvollständigkeit und die Unzulänglichkeit dieser Art des Informationsaustausch deutlich bewußt, dennoch werde ich sie mal veröffentlichen. Alleine die Zeit die ich zum Verfassen dieser Zeilen benötigte, die zudem etliche weitere Frage offenlassen, lassen die Diskussion eines Fallbeispiels für mich als inadäquaten Ansatz erscheinen.

Ich werde das Forum mal weiter beobachten und bin gespannt. wie lange es dauert, bis der erste Unverbesserliche uns allen verkündet, daß diese "Methode", wie sie dann bestimmt wieder genannt wird, nicht funktioniert.

Viele Grüße an alle und auf diesem Weg auch nochmals speziell an Daniel, der sich aufgrund der ständig notwendig werdenden Widerholungen wohl bereits die Finger wundgetippt haben muß.

andreas
man mit dem