Willkommen! Anmelden Ein neues Profil erzeugen

Erweiterte Suche

Fallbeispiel mit Daniel

geschrieben von Heiko(YCH) 
Fallbeispiel mit Daniel
05. April 1999 21:44

Hallo Daniel, hallo yorkie-fans,

ich habe mich also für das Fallbeispiel in Zusammenarbeit mit Daniel entschieden. Der besseren Übersicht halber beginne ich mit einer neuen Meldung, damit auch nichts im Frage-Antwort-Dschungel untergeht. Soweit die Einführung, los geht’s:

"Zorro von der Passion" ist ein ca. 2jähriger Welsh Terrier Rüde, der seit der zwölften Lebenswoche bei uns - meiner Frau und mir - lebt. Er lebt mit uns gemeinsam in der Wohnung, ist kein Zwingerhund, und hat m. E. ausreichend Auslauf und Beschäftigung. Zu seinem Wesen ist zu sagen, dass er - das liegt wohl mit an seiner Herkunft - außerordentlich triebstark ist und leider in Streßsituationen mitunter zu heftigen Überreaktionen neigt. Werden solche nicht bereits im Ansatz erkannt und entsprechend unterbunden ("Nein" plus Leinenruck, Ablenken mit Futter, Spielzeug o. ä. nützt nichts), ist ein späteres Einwirken kaum noch möglich. Eine Gratwanderung ist in dieser Beziehung fast immer die Begegnung mit anderen Rüden. Jedoch kann grundsätzlich gesagt werden, dass Zorro allem Fremden und dazu Lautem oder Hektischem (Kinder!!!) sehr unsicher begegnet und dann - so scheint es zumindest - nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" die Flucht nach vorn antritt. Dieses Verhalten zeigt er verstärkt, wenn er sich vor etwas erschrickt, wenn sich Personen, andere Hunde von hinten nähern, er sich also plötzlich bedroht fühlt, sowohl im Freien als auch in der Wohnung. Besonders problematisch ist dies natürlich, wenn wir Besuch bekommen, auch wenn er sich mittlerweile an ein paar Personen gewöhnt hat - ohne Beisskorb läuft da nichts. Was seine Jagdleidenschaft betrifft, ist sie wohl schon mit seinem Zwingernamen treffend beschrieben.
Ich habe nun schon etliche Erziehungs- oder Ausbildungsmethoden einschl. Clickertraining, LindART usw. durch - alles prima, was die Ausbildung auf dem Agilityparcours betrifft. Die Grundprobleme im normalen Zusammenleben konnte ich damit jedoch leider noch nicht lösen. Neues Spiel, neues Glück…

Bis bald

Heiko

07. April 1999 21:16

Hallo Daniel,

nach unserem gestrigen Telefonat habe ich mir noch einmal frühere Foren-Beiträge von Dir zu Gemüte geführt, um mir den Ansatz zu verinnerlichen. Seit heute morgen nun gibt es kein zurück mehr: Loslassen heißt die Devise…

1. Tag:
Ab heute wird alles anders, nichts (auf den Umgang mit dem Hund bezogen) bleibt, wie es war. Der morgendliche Gassi-Gang im „Freigang“ durch den Stadtpark. Ging ganz gut, war aber auch Gott sei Dank weit und breit kein anderer Rüde in Sicht.

Nach der Rückkehr die erste große Umstellung für Zorro, die er auch sofort registrierte. Mit einem Zwicken in die Wade machte er mich darauf aufmerksam, dass ich wohl sein Futter vergessen haben musste, als ich mich an den Frühstückstisch setzte. Woher sollte er auch wissen, dass es in Zukunft keine regelmäßigen Futterzeiten mehr geben würde? Nach ein paar Minuten teils provozierenden teils unterwürfigen Bettelns trollte er sich jedoch auf seinen Schlafplatz – „Dann eben nicht!“

Ruhe bis zum Mittag, Zorro döst vor sich hin oder trottet uns durch alle Zimmer hinterher. Abgesehen davon, dass sich seit heute vormittag auch sein Lieblingskissen nicht mehr an seinem eigentlichen Liegeplatz befindet, hat sich in diesem Bereich des Zusammenlebens auch nicht viel verändert.

Pünktlich zum Mittagsmahl der „Rudeloberen“ gibt es wieder eine Gratisvorstellung im Extrembetteln: akurates Sitz (ohne Kommando) vor dem Tisch, an der Rückenlinie hätte man ein Lineal anlegen können. Nach ein paar Minuten die Einsicht, dass er wohl auch diesmal wieder leer ausgehen würde. Aber nach wir uns gestärkt hatten, bekam schließlich auch er noch seine Ration (mit der erhöhten Dosis Hyperegalin).

Eine reichliche Stunde später der ausgedehnte Nachmittagsspaziergang auf den Elbwiesen bei Torgau. Wie immer „Leine(n) los“, aber ohne ständig auf den Hund zu achten. Preschte er voraus, machte ich auf der Stelle kehrt, blieb er zurück, ging ich – ohne mich nach ihm umzudrehen – einfach zügig weiter. Meist kommt er schon nach ein paar Sekunden hinterhergerannt, einmal jedoch hält er es sogar ein paar Minuten aus – ich bin inzwischen schon ein paar hundert Meter von ihm entfernt. Als er dann schließlich mit wehenden Ohren angerannt kommt, ist mir alles klar: irgendwo hat er mal wieder ein Mauseloch auf die Grösse eines Fuchbaus begracht.

Nach knapp zwei Stunden wieder zu Hause, Zorro ist fix und fertig, fällt mitten in der Küche um und schläft. Am Abend geht Frauchen noch mal kurz mit ihm Gassi, dann schläft er durch bis morgen früh…

Bis demnächst
Heiko

PS an alle, die den Dialog hier verfolgen:
1. Ich werde hier nicht in allen Einzelheiten wiedergeben, was mir Daniel empfohlen hat. Das würde zum einem den Rahmen des Forums sprengen, zum anderen die Gefahr einer pauschalen Übertragung einzelner Elemente in sich bergen. Und schließlich handelt es sich hier auch nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung.

2. Man möge mir meine lockere Schreibe verzeihen, aber das vermisse ich ein wenig im Forum. Hier geht es mitunter doch ganz schön ernst zu. Zugegeben, auch ich habe Probleme mit meinem Hund. Trotzdem kann (und sollte!) Hundeerziehung doch Spass machen, oder?


07. April 1999 21:50

Hallo Heiko,

so, wie Du es beschreibst, wird es auf jeden Fall Allen Spass machen, dies zu verfolgen.

Bitte daran denken, daß ich die nächsten 2 - 3 Wochen nur noch über: "danman_timbers@yahoo.com" zu erreichen bin.
Ich habe schwere Probleme mit meinem Gehege in Spanien.

Viele liebe Grüße an Dich und Alle - und viel Erfolg.
(bleibe unter obiger Adresse in e-mail- Kontakt mit Dir)

Daniel


08. April 1999 17:55

: Hallo Heiko,

schön daß Du Dir die Mühe machst. Es beruhigt mich, daß auch Du erkennst, daß man hier im Forum einfach beim besten Willen nicht jede Kleinigkeit des Alltagsablaufs wiedergeben kann und die Übertragbarkeit auf andere mehr als fraglich ist.
Ich habe unter "Vorschlag Fallbeispiel" von Petra Führmann ob des fortwährenden Drängelns der anderen Diskussionsteilnehmer, die ständig Beispiele wollen, mich vorgestern darauf eingelassen, unsere Ansätze und Fortschritte näher darzustellen. Inzwischen bereue ich es schon wieder, da die "Schreibe" zeitaufwendig war und ich meinen Job zu erledigen habe und ja auch Frau und Hund was von mir haben wollen. Ich bin mal gespannt, ob überhaupt irgendeine Resonanz kommt. Letztlich dürfte eine detaillierte Darstellung hier im Forum kaum möglich und vielleicht auch wenig sinnvoll sein. Auch die therapiebedürftigen unter uns werden sich wohl kaum per internet der Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie unterziehen.
Leider scheint dies kaum jemand verstehen zu wollen. Nichtsdestotrotz werde ich Deine Mitteilungen weiterhin verfolgen, nicht zuletzt da ich gespannt bin, ob Du ähnlich positive Erfahrungen machen wirst wie ich.

Gruß,

andreas

08. April 1999 19:58

Lieber Heiko,

Das, was Du an Maßnahmen für deinen Hund schilderst, sind bewährte, leider von vielen "Hundlern" wenig beachtete Feinheiten im Umgang mit ihrem Hund, um die Rangordnung subtil zu festigen. Wie Daniel bereits betont: all zu oft werden Symptome (ich ergänze: kurzfristig über gewaltbetonte Einwirkungen) behandelt, ohne die Ursachen - ein gestörtes Verhältnis zwischen Mensch und Hund - zu beseitigen. Eine neue Methode oder ein neues Verhaltenssystem ist C.A.R.E. mit Sicherheit nicht. Es handelt sich um neue Begriffe für Altbewährtes, was nichtsdestotrotz leider nur selten umgesetzt wird. U.a. Aldington beschreibt seine "Drei-Wochen-Kur", um aus dem Gleichgewicht geratene Mensch-Hund-Beziehungen wieder "ins Lot zu bringen"; sein Prinzip ist vom gedanklichen Gerüst ähnlich konzipiert.

Die Kurzdarstellung von C.A.R.E., wie sie im Hundeforum (www.hunde.ch) am 10.01.1999 publiziert worden ist, halte ich in dieser Form übrigens für sehr gefährlich: gefährlich deshalb, weil die einzelnen Aussagen (auch Daniel scheint sich dieser Gefahr bewußt gewesen zu sein) einer genauesten Erläuterung bedürfen, um nicht falsch verstanden und falsch umgesetzt zu werden (wie Daniel auch betont). In meinen folgenden Aussagen kann ich daher nur von dem ausgehen, was ich gelesen und wie ich es verstanden habe.

Das sog. "Clearing" (nennen wir es einfach "Klären der Rangordnung"winking smiley, über einen längeren Zeitraum und falsch umgesetzt, kann einen weichen Hund demoralisieren, weil ihm jegliche Sicherheiten genommen werden, an denen er sich in seinem Verhalten orientieren kann. Ich kenne es: ein Hund, dem ich zuvor alle Sicherheiten und die Integration in ein (Mensch-Hund-)Rudel verweigert habe, wird mit Sicherheit hinterher um so freudiger alles tun, was ich ihm an Zusammenarbeit mit mir biete, weil er nicht anders kann. Das genetische Erbe eines Hundes "sagt" ihm, dass er alleine nicht überlebensfähig ist, folglich tun Hunde fast alles, um in Gemeinschaft sein zu können. Dieses Phänomen nutzen leider viele Hundesportler, hier kann ich einen Bekannten zitieren: "Ich lasse meinen Hund absichtlich die ganze Woche im Zwinger, was meinst Du, wie d e r samstags läuft auf'm Platz, astrein!" Der Hund läuft tatsächlich a s t r e i n, klar, er hat ja auch sonst nichts. Du hast einen Terrier, gut, der steckt das etwas lockerer weg als ein Collie, ein Belgier oder andere stark auf den Menschen bezogene Rassen. Und gerade die können sehr subtil (submissiv-)dominant sein...

Meine Erfahrung mit Hunden ist: beide Phasen, die Klärung der Rangordnung u n d die Erziehung (ob neu oder vertiefend) lassen sich problemlos parallel durchführen. Problemlos heißt: der H u n d hat damit keine Probleme. Probleme ergeben sich möglicherweise für den Menschen: die Anforderung an den Hundeführer sind nichtsdestotrotz sehr hoch, vielleicht noch höher als bei der zeitlichenTrennung: Konsequenz, Ruhe, Konzentration auf sich selbst und die eigenen Kommunikationsfehler im Umgang mit dem Hund (die letztendlich zu dem Status Quo geführt haben) sind zwingend notwendig. Der Vorteil gegenüber dem beschriebenen C.A.R.E. ist, dass der Hund sich in einem entspannten Feld neu orientieren kann (und er wird es, wenn man ihm neue Verhaltensregeln setzt).
Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg mit deinem "wilden Feger",
viele Grüße
Heike



08. April 1999 20:18

Hallo Daniel, hallo yorkie-user,

viel Neues gibt es heute, am 2. Tag, nicht zu berichten. Zorro kommt nicht so richtig zur Ruhe, läuft uns ständig hinterher, ausserdem wirkt er etwas gereizt. Er wird wohl merken, dass der gestrige Tag nicht nur eine Eintagsfliege war. Wir vermeiden alles, was Routine aufkommen lassen könnte.
Seinen Liegeplatz für’s Mittagsschläfchen gibt er aber trotzdem nicht auf: sein Lieblingskissen liegt zwar nun im Korridor, er macht es sich aber auf seinem angestammten Platz in der Küche so bequem wie es nur geht – auf dem Fussboden.
Beim morgendlichen Spaziergang drei Begegnungen der „unheimlichen Art“ – zwei davon gehen mit freundlicher Tendenz über die Bühne. Bei der dritten war Zorro wenigstens nicht der, der als erster geknurrt hatte. Aber die beiden konnten sich noch nie so richtig ausstehen. es muss wohl auch bei Hunden so etwas wie Antipathie geben…
Am Nachmittag das gleiche Procedere wie gestern, nur dass Zorro heute schon ein klein wenig aufmerksamer ist. Zweimal verliert er mich wegen seiner Trödelei aber trotzdem aus seinem Gesichtsfeld. Vor lauter Aufregung läuft er beim ersten Mal völlig ziellos auf den Elbwiesen herum, bevor er nach ein paar Minuten meine Witterung aufnimmt und mit wehenden Fahnen zu Herrchen gerannt kommt, der sich hinter einem Gebüsch versteckt hat. Belohnungs-Leckerli sind vorerst trotzdem tabu. Die Freude, mich gefunden zu haben, muss reichen (und tut es auch).
Nach seiner zweiten Trödelei verbellt er alle Gebüsche im Umkreis von 50 Metern – vergeblich. Woher soll er auch wissen, dass ich diesmal hinter einem kleinen Hügel sitze?
Futter gibt es heute erst am späten Nachmittag, danach ist dann Zeit für ein kleines Schläfchen…

Heiko

PS: Danke, Daniel, der Brief ist angekommen.