Dominanz und Unsicherheit :: Hundeerziehung + Soziales

Dominanz und Unsicherheit

von Melli(YCH) am 03. Juni 2001 12:54


Hallo,

es wurde ja schon viel über die Problematik gesprochen, was den Punkt Dominanz und Unsicherheit angeht. Dass Dominanz eben oft angenommen wird und es sich eigentlich sehr oft um Unsicherheit handelt.
Demnach ist es doch also so, dass es meistens angstaggressive Hunde sind, die andere Hunde schon von weitem aggressiv anbellen.
Und die sicheren Hunden haben solch ein Theater gar nicht nötig.
Nun denke ich gerade mal wieder an unseren Nachbars- Kangal, der z.B. auch so ein Verhalten an den Tag legt.
Steigt ihm der Rüdengeruch in die Nase, flippt er aus und springt kläffend in die Leine.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es bei ihm Unsicherheit ist. Er stellt dabei auch die Nackenhaare hoch, über dessen Sinn hier ja auch schon viel diskutiert wurde.
Gibt es also doch Hunde, die z.B. bei gleichgeschlechtlichen Hunden immer so ein Trara machen und es doch Dominanz ist ?
Oder kann man so ein Verhalten nie als sicher bezeichnen ?
Bei meinem Hund kann ich das sehr wohl unterscheiden, aber bei fremden Hunden ist es ja teilweise sehr schwierig.
Gibt es ganz sichere Merkmale, die für oder gegen Dominanz / Unsicherheit sprechen ?
Manche Leute sagen ja auch, dass sichere Hunde nicht verletzen, wie sieht es Eurer Meinung nach damit aus ?

Viele Grüße, Melli & Wolf


von Wilma u. Arno(YCH) am 03. Juni 2001 14:36

Hallo Melli,

ich denke schon und meine Erfahrung zeigt das auch, daß selbstsichere Hunde es nicht nötig haben Theater zu machen. Jedenfalls nicht allgemein, es gibt ja auch immer wieder Feindschaften, die mit dem Allgemeinverhalten nix zu tun haben.
Sicher kann ein Hund aber nur dann werden, wenn man ihm entsprechende Kontakte mit anderen Hunden bietet. Und bei den meisten Leinenkläffern trifft das leider nicht zu.
Was den Kangal und andere HSH betrifft, ich denke, da kann man nicht mit normalen Maßstäben messen. Es ist ja grade die Problematik bei diesen Rassen, daß sie im allgemeinen mit Artgenossen nicht klarkommen. Dominanz würde ich das aber auch nicht unbedingt nennen, sondern eher ein sehr starkes Territorialverhalten.
Was die Frage betrifft, ob sichere Hunde andere verletzen: Im allgemeinen nicht, einfach weil sie es nicht nötig haben. Hunde haben meistens ein ganz sicheres Gespür dafür, wer sich ducken läßt. Ausschließen würde ich aber grade bei Hündinnen nicht, daß eine selbstsichere mal so zupackt, daß eine andere blutet. Das liegt dann aber meist eher dran, daß sich die Tiere nicht aus dem Weg gehen können.
Besonders interessant finde ich dem Zusammenhang übrigens Begegnungen von unsicherheitsagressiven Hunden und wirklich selbstsicheren. Bei uns im Hauptauslaufgebiet gibt es eine Schäferhündin, die von vielen als Bestie angesehen wird. Bei ihr gibt es eine fatale Verkettung von Herkunft (stammt aus Leistungszucht auf Diensthunde und damit starker Trieb), falsche Besitzer (lieb, aber nicht konsequent und keine Rudelführerqualitäten) und der Tatsache, daß sie schon als Welpe eher schüchtern war. Jetzt (5 Jahre) rast sie, wenn sie kann mit Gebrüll auf jeden fremden Hund zu (legt sich erst nach etlichen Begegnungen). Die meisten Hunde, grade kleinere kriegen es dann mit der Angst. Arno dagegen bleibt jedes Mal, wenn wir die Hündin treffen einfach stehen, wenn sie rankommt und pöbelt. Sein Gesichtsausdruck besagt dann ungefähr: Schäferhündin? Ich seh keine Schäferhündin. Und ihr Gesichtsausdruck besagt so ungefähr: Mist was mach ich jetzt.
Na ja, ist jetzt stark vermenschlicht. Das Problem ist nur wirklich, daß solche Hunde oft ein negatives Erfolgserlebnis haben und die Besitzer meist nicht draufkommen, daß ihr Hund eben nicht dominant ist und ihn völlig falsch behandeln. Dafür wurde ich neulich gefragt, ob Arno Angst hat, weil er auf einen Welpen zuschlich (er bleibt dann immer ca. 1 Meter vor dem Hund stehen und wartet kurz ab, dann wird wild gewedelt).
Was die sicheren Merkmale betrifft, hm, ich glaube, es ist sehr schwierig sowas pauschal zu sagen. Das drauflosrasen möglichst mit Gebrüll würde ich bei erwachsenen Hunden schon als starke Unsicherheit deuten. Ansonsten kommt viel auf den einzelnen Hund und sein Gesamtverhalten an.
Viele Grüße
Wilma u. Arno

von Micha(YCH) am 03. Juni 2001 15:40

: Was den Kangal und andere HSH betrifft, ich denke, da kann man nicht mit normalen Maßstäben messen. Es ist ja grade die Problematik bei diesen Rassen, daß sie im allgemeinen mit Artgenossen nicht klarkommen. Dominanz würde ich das aber auch nicht unbedingt nennen, sondern eher ein sehr starkes Territorialverhalten.

Hallo Wilma,
das ist falsch! Kangal und andere HSH kommen mit Artgenossen sehr gut klar, wenn sie richtig sozialisiert und erzogen sind. Schließlich haben die Hirten zumeist mehrere Hunde an der Herde, Zoff zwischen den Hunden wär wohl das letzte, was sie dulden würden.
Ich selbst hab einen 2jährigen Kangalrüden und einen kleinen 10jährigen Mix-Rüden. Obwohl der "alte" ungestreift unter dem Kangal durchpasst, stellt er ihn, wenn's sein muss auch mal in den Senkel.
Auch den Nachbarshund (ein Golden-Mix-Rüde) mag unser Kangal. Sie begrüßen sich jeden Morgen schwanzwedelnd am Zaun und fiepen bis der andere aufmerksam wird. Beim Spazierengehen gibt es mit dem Kangal keine Probleme - er liebt alle Hunde. Aufpassen muss ich nur bei DSH, die - das ist meine Beobachtung - oft das Begrüßungsritual nicht mehr beherrschen und häufig aggressiv reagieren. Und das läßt sich meiner dann halt nicht gefallen. Deshalb gehen wir DSH möglichst aus dem Weg.
HSH sind meiner Ansicht nach also durchaus mit normalen Maßstäben zu messen, wie andere große Hunde auch. Nur an ihre Halter sollte die Messlatte etwas höher gelegt werden! So darf ein HSH nie(!)im Zwinger gehalten werden. Und die Ausbildung erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen.
Liebe Grüße
Micha


von Franziska(YCH) am 03. Juni 2001 16:44

Hi Melli,

ich denke, dass man Dominanz, Rangordnung u.s.w. gar nicht so vereinfacht linear sehen kann.
Es gibt verschiedene Rangordnungen (soziale Rangordnung, Futterrangordnung, objektbezogene Rangordnung), es immer ein Unterschied, wie ein Hund seinen Menschen gegenübersteht, fremden oder bekannten Hunden.
"Leinenaggressivität" habe ich noch nie aus "Dominanzgründen" erlebt. Auch bei Hunden mit stark ausgeprägter territorialer Aggressivität, geschieht die Verteidigung des Territoriums aus der "Angst" heraus, jemand könnte sein Territorium streitig machen. Bei den HSH ist es eher die Angst, ein Feind könnte diejenigen Lebewesen, die zu seinem "Rudel" gehören verletzen oder sogar töten, ob es nun die Schafe sind oder der Besitzer.
Aggressivität aus Dominanzgründen in Bezug auf die soziale Rangordnung gibt es nur innerhalb des eigenen "Rudels" würde ich sagen.
Dazu kommt aber auch, dass ein Hund, der innerhalb seines eigenen Rudels die erste Geige spielt oft bei Begegnungen mit rudelfremden Lebewesen mit seiner Führungsrolle überfordert ist, was sich dann wiederrum in Unsicherheit und Angst äußert. Solche sind also gleichzeitig dominant innerhalb des Rudels und ängstlich außerhalb.
Ich würde sagen, jeden einzelnen Fall von Aggressivität kann man nur einzeln beurteilen, Verallgemeinerungen gibt es nicht.

Bis dann

Franziska

von Melli(YCH) am 04. Juni 2001 09:13

Hallo Wilma,

: Besonders interessant finde ich dem Zusammenhang übrigens Begegnungen von unsicherheitsagressiven Hunden und wirklich selbstsicheren. Bei uns im Hauptauslaufgebiet gibt es eine Schäferhündin, die von vielen als Bestie angesehen wird. Bei ihr gibt es eine fatale Verkettung von Herkunft (stammt aus Leistungszucht auf Diensthunde und damit starker Trieb), falsche Besitzer (lieb, aber nicht konsequent und keine Rudelführerqualitäten) und der Tatsache, daß sie schon als Welpe eher schüchtern war. Jetzt (5 Jahre) rast sie, wenn sie kann mit Gebrüll auf jeden fremden Hund zu (legt sich erst nach etlichen Begegnungen). Die meisten Hunde, grade kleinere kriegen es dann mit der Angst. Arno dagegen bleibt jedes Mal, wenn wir die Hündin treffen einfach stehen, wenn sie rankommt und pöbelt. Sein Gesichtsausdruck besagt dann ungefähr: Schäferhündin? Ich seh keine Schäferhündin. Und ihr Gesichtsausdruck besagt so ungefähr: Mist was mach ich jetzt.



Genaus so kenne ich es von Wolf. Aber da es gerade Schäferhunde waren, die ihn schon öfter mal ohne Begrüßungsritual angegriffen haben (also mal eben so im Vorbeigehen einen Angriff gestartet und einmal zugelangt), hat er eigentlich selbst erstmal Angst vor ihnen.
Dies haben wir nun geschafft, etwas zu mindern und er kapiert immer besser, dass nicht alle diese Hunde so sind. Dazu braucht er natürlich die Ruhe, um selbst nicht davonzulaufen, wenn diese Angriffe kommen. Jetzt schafft er es immer besser (am schlimmsten ist es für ihn, wenn der andere Hund ihn vorher noch versucht einzuschüchtern mit dieser geduckten Schleichhaltung) und er bleibt immer öfter einfach stehen. Er scheint zu begreifen, dass ihm dann in den seltensten Fällen etwas passiert, weil die Hunde kurz vor ihm doch noch zum Stehen kommen und völlig verunsichert sind. Plötzlich entspannen sie sich dann und beschnuppern Wolf völlig normal und weiter geht's.
Jeder dieser "überstandenen" Angriffe gibt ihm mehr Sicherheit, sich so zu verhalten. Wenn ich merke, dass er doch lieber ausbrechen will, rede ich auf ihn ein und versuche, ihm diese Begegnung als nicht gefährlich zu vermitteln (also gebe ich übertriebene Lockerheit vor und sage "Komm, den Hund gucken wir uns jetzt einfach mal an" usw., also ich mache nicht den Fehler, ihn zu streicheln etc.)...wir gehen dann zusammen dem anderen Hund entgegen, was auch immer besser klappt.
Bin ich allerdings unsicher, ob der Hund wirklich im Endeffekt nichts macht, lenke ich Wolf mit einem Spiel ab und gehe notfalls einen Bogen....ich will ihn ja nicht ins offene Messer rennen lassen und ihm als Chefin "keine Gefahr" sagen und dann wird er doch wirklich angegriffen.


: Was die sicheren Merkmale betrifft, hm, ich glaube, es ist sehr schwierig sowas pauschal zu sagen. Das drauflosrasen möglichst mit Gebrüll würde ich bei erwachsenen Hunden schon als starke Unsicherheit deuten.


Ja, denke ich auch.


Viele Grüße, Melli & Wolf

von Doris(YCH) am 04. Juni 2001 09:07

Hi,
ich denke auch auch dass es nur sehr wenige wirklich dominat aggressive Hunde gibt. Aggressionsverhalten sollte man eh wirklich nur im Einzelfall beurteilen und nicht verallgemeinern. Und auch zur Dominanz gehören immer zwei: Einer der dominiert und einer der sich dominieren lässt. Ein Rüde der heute dominiert kann morgen beim nächsten schon klein beigegebn müssen.
Da Hundebegegnugen oft täglich wechseln gibt es keine gewachsene Rudelstrukturen und bei jeder neuen Begnung muss neu festgelegt werden, wer der Boss ist.
Ich bin überzeugt, dass gerade bei agressionsverhalten viell zu viel auf "Dominaz" geschoben wird. Ich kann mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass die Leute es Schick finden "Einen Dominaten Hund" zu haben, den sie aber mit Alphawürfen prima im GRiff haben. Könnte ja vielleicht am Image kratzen zuzugeben, dass der eigene Hund eher Angst hat oder mal zu hinterfragen warum der Hund die Rudelführerpostion des Halters in Frage stellt.
Grüße Doris

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