Hallo Melli,
: ...meine Frage sollte eher in die Richtung zielen, was bei der
: Diensthundeausbildung das Gegenstück der Beute beim Sporthund ist?
: Über den Beutetrieb zu arbeiten, kann ich mir sehr gut vorstellen,
: aber über die genaue Technik der Ausbildung der Diensthunde habe ich
: immer noch kein genaues Bild.
Bei diesen Hunden wird der Wehrbereich mit angesprochen (auch die werden erst einmal über Beute gearbeitet), während im Sportbereich nur noch der Beutetrieb gefördert wird. Das zu erklären wird jetzt zu kompliziert, geht zu weit in die Materie herein. Grob erklären kann man es vielleicht damit, daß beim Sporthund die Arbeit mit dem Überlassen des Beuteobjektes = Schutzarm beendet ist. Der Schutzdiensthelfer ist ein "Guter", dem man nix tut, ein Sozialpartner. Beim Diensthund ist das anders, da ist, nach Aufbauarbeit über den Beutetrieb, der Figurant ein "Böser", der es auch mal ernst meint und nicht nur das Läppchen oder Ärmelchen schenkt.
: ...Boxen ist für mich eine der sinnlosesten Sportarten, die es
: gibt...aber darum soll es ja hier nicht gehen.
Eben, darum geht es nicht. Ich persönlich würde auch nie Boxen (oder Fußballspielen, was ich persönlich ziemlich langweilig und beknackt finde), aber ich werde nicht beeinträchtigt dadurch, daß es Leute gibt, die Boxen oder Fußball spielen etc. Also sollen sie es von mir aus tun...
: Allgemein gesehen fällt mir dazu ein, dass ich auch einen von den
: Anlagen her nervenstarken und wesensfesten Hund durch Unwissenheit in
: der Erziehung sehr gut zu einem Problemhund machen kann.
Natürlich, das bestreitet niemand.
: Andersherum kann ich durch genügend Wissen einen nicht so
: nervenstarken Hund zu einem Traumhund, also auch nervenstarken Hund
: ausbilden.
Jain. Der Hundeführer kann einem auch nicht so nervenstarken Hund eine Menge Halt geben, das stimmt. Aber was er nicht hat, das hat er einfach nicht. Ein Hund, der z.B. von Natur aus schuß- oder stockscheu ist, wird nie ein besonders belastbarer Arbeitshund. Sicher, ein geschickte Hundeführer kann auch so einen Hund sehr weit bringen, nur wird er sich nie auf ihn verlassen können, und ob es dem Hund gut tut, wenn solche Leistungen von ihm verlangt werden, ist fraglich. Auch Hunde könenn Magengeschwüre bekommen, bzw. besser gesagt, unter Streß leiden.
: Natürlich sind die Hunde, die schon aus nervenstarken und wesensfesten
: Arbeitslinien kommen, als Diensthunde, Rettungshunde etc. erstmal
: besser geeignet, weil sie die besseren Startbedingungen haben.
Eben. Und diese Arbeitsanlagen (Triebveranlagungen, Nerventätigkeit, Belastbarkeit) gilt es durch Zuchtselektion zu erhalten, einfach deswegen, damit möglichst wenig Hunde später für die Aufgaben, für die sie als Welpe angeschafft wurden, ungeeignet sind. Die größten Tierschutzprobleme verursachen arbeitslose Spezialisten, die für ihre ursprünglichen Aufgaben nicht geeignet sind (den Trieb dafür haben sie ja meistens trotzdem).
: ...das Problem liegt für mich darin, dass ich nicht den Sinn darin
: sehe, diesen Softstocktest bei Hunden durchzuführen, die
: ausschließlich aus Spaß an der Freude die anderen Bereiche des
: Schutzhundsportes absolvieren möchten und die niemals zur Zucht oder
: als Diensthund eingesetzt werden.
Alle Bereiche der sportlichen Schutzhundeausbildung verlangen dem Hund eine Menge an Triebveranlagungen und Belastbarkeit ab. Ein Hund, der nicht über genügend "Härte" verfügt, wird früher oder später unter Streßsymptomen leiden, wenn auf Dauer Leistungen von ihm verlangt werden, denen er mental oder auch körperlich nicht gewachsen ist. Daher gehören solche Hunde für mich von vorneherein nicht in diesen Sport. Zeigt ein junger Hund Probleme beim Stock oder auch Schuß, ist das für mich ein sicheres Zeichen, daß dieser Hund in einem anderen Sportbereich, in dem die Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit nicht so hoch liegen, besser aufgehoben ist. Insofern kann die Arbeit mit dem Stock dem betreffenden Hund eine Menge Streß ersparen, weil gleich sichtbar wird, daß man mit ihm besser etwas andere macht. Ohne dieses Indiz würde so ein Hund viel länger in einem Bereich gearbeitet werden, der ihm nicht liegt.
: Der Begriff Sportschutzhund ist ja eh völliger Blödsinn, denn dieser
: Hund soll mich doch nicht schützen, wie der Diensthund. Wenn Du aber
: sagst, dass das nun mal eben die ausgedachten Regeln sind und es bei
: Kampfsportarten für den Menschen ähnliche Regeln gibt, dann kann ich
: das akzeptieren und verstehe es.
Es entwickelt sich ja alles weiter. Früher war man der Meinung, daß so ein Hund schon einen gewaltigen Schlag mit einem Rohrstock wegstecken muß. Irgendwann hat man erkannt, daß der Schlag mit dem Softstock, der in keiner Weise vergleichbar ist mit dem eines Rohrstockes, den Hund mental genau so "antickt" wie der schmerzhafte Schlag mit dem Rohrstock und hat daraufhin die Arbeit mit dem Rohrstock verboten. Vielleicht fällt der Softstock auch irgendwann weg, wenn man eine andere Methode gefunden hat, die die gleiche Wirkung erzielt wie die Arbeit mit dem Softstock. Solange man aber nix anderes hat zur Überprüfung der nervlichen Belastbarkeit, solange werden wir wohl beim Softstock bleiben müssen.
: Gestern erzählte mir eine Frau, mit der ich öfter durch den Wald
: laufe, dass sie einen sehr furchtbaren Hundeplatz erlebt hat, auf dem
: die Hunde mit Rohrstöcken geschlagen wurden (also nicht nur
: angedeutet), wo nur geschrien wurde und die Hunde völlig durchgedreht
: waren. Und sie meinte, dass es ein Schutzhundsportplatz war....aber
: reine Sporthunde dürften doch gar nicht über den Wehrtrieb ausgebildet
: werden.
: Wo wird denn heute noch über den Wehrtrieb in der Form gearbeitet ?
: Ist das öfter der Fall, weißt Du das ? Wie kann das angehen, dass auf
: Hundeplätzen, wo SchutzhundSPORT betrieben wird, so etwas gemacht
: wird....da stellen sich mir die Nackenhaare auf!
Ob die Leute mit dieser Methode Erfolg haben werden erscheint mir fraglich. Du kannst nicht alle Leute in ihrem Tun überwachen. Selbst wenn dieses oder jenes vorgeschrieben ist, es wird immer Leute geben, die es anders machen. Das siehst Du ja jeden Tag im Straßenverkehr... Die Hundesport- und Zuchtverbände haben entsprechend mit der Änderung der Prüfungsordnung reagiert. Verlangt wird z.B. ein fester und voller Griff des Hundes im Schutzarm. "Arbeitet" der Hund im Schutzarm, "knerbelt" herum, ist das entweder ein Zeichen dafür, daß der Hund von Natur aus mit sehr viel Wehrtrieb (und in Verbindung dazu mit eher schwachen Nerven) ausgestattet ist oder aber die Arbeit über den Wehrtrieb aufgebaut wurde. So ein Hund verliert bei jeder Beißhandlung so viele Punkte, daß Du mit ihm in sportlicher Hinsicht keinen Blumenpott mehr gewinnen kannst bzw. das reine Bestehen einer Schutzundeprüfung (die heute "Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde" heißt) fraglich wird. Da auch die Zucht und der Verkauf der Welpen über den Sport und die Erfolge dort selektiert wird, steht auch die züchterische Nutzung eines solchen Hundes in Frage.
Es gibt noch mehr Änderungen in der PO, die auf die Beutetriebarbeit abzielen und das Führen eines "Wehrtriebhundes" im Sport inzwischen so gut wie unmöglich machen. Innerhalb weniger Jahre hat sich deswegen die Arbeit auf den Übungsplätzen auch gewandelt zur Beutetriebarbeit. Natürlich gibt es immer irgendwelche Leute, die die Zeichen der Zeit nicht oder später erkennen als andere, in allen Lebensbereichen, nur im Hundesport kommen die nicht mehr weit mit ihren Methoden.
Viele Grüße
Antje