Hoi P.H.
sorry, hat ein bisschen lange gedauert.
: Die Frage ist von welchem trieb sprichst du.
du sprichst immer so gerne vom Trieb. Was meinst du denn damit genau? Es gab so viele Trieb- und Instinktlisten. Die haben immer wieder geändert. Erst wurden sie erweitert, dann wieder reduziert bis man sogar nur noch EINE Gesamtenergie (den "drive"
annahm. Sozusagen wie der Strom. Der bedient den Staubsauger, das Radio und den Computer gleichermassen, doch niemand würde auf die Idee kommen, dem Strom unterschiedliche Namen zu geben. Im Gegensatz dazu wurde dann das Konzept des "Anreizes" eingeführt. Anreize sind erworben, spezifisch auf bestimmte Bekräftigungen ausgerichtet, treten nur in besonderen Situationen auf und besitzen keine feststellbare physiologische Basis. Die Frage war: zu welchem Anteil ist die Gesamtmotivation in einer Situation auf diesen "drive" und wieviel davon ist den erlernten Anreizen (sozusagen den Triebfedern) zuzuschreiben. Es hat sich dann herausgestellt, dass der "drive" im Gegensatz zum Anreiz relativ unwichtig ist. Und so weiter und so fort.
Im wesentlichen arbeitet/glaubt man heute viel weniger mit/an Triebkonzepte/n. Ursprünglich wollte man damit die Existenz oder Wirkung einiger Motivationssysteme mit physiologischer Basis beschreiben. Aber in diesem Sinne sagt der Begriff nur wenig, es mangelt an Anschaulichkeit und hilft letzten Endes nicht weiter.
Viel wichtiger sind die Motive. Motive sind sozusagen Inhaltsklassen von Handlungszielen. Motivation hat also mit zielgerichtetem Verhalten zu tun. Die kannst du beeinflussen.
: Ich kenne das nur vom Aggressionstrieb, der Rest ist eine Augenwischerei.
Mich würde mal interessieren, wie du zu diesem Schluss kommst. Hast du da irgendwelche überzeugende Belege? Kannst du das begründen?
Ein Autofahrer wird wiederholt mit Alkohol am Steuer erwischt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Man gibt ihm einen hohen Strafzettel und lässt ihn dann wieder laufen. Oder er kann zur Einsicht gebracht werden, dass dieses Verhalten nicht nur ihn, sondern auch andere gefährdet. Ersteres wäre ein Beispiel für extrinsische Motivation (er fährt nüchtern, weil er Angst vor dem Strafzettel hat), zweiteres intrinsische Motivation (er fährt nüchtern, aus Rücksicht und der Gesundheit bzw. des Lebens willen). Welches ist wohl längerfristig effektiver? Frag mal den Leiter der psychiatrischen Klinik Basel...
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: Der Hund muss ja wissen, was er ausführen sollte. Das ist ihm ja nicht in die Wiege gegeben. Und der Weg, dem Hund klarzumachen was genau er ausführen sollte, das ist der springende Punkt.
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: Das finde ich nicht so springend. Wichtig finde ich in welchem Trieb er was ausführt und was für Zwänge ich einsetzen muss. Das ist das einzige was entscheidet.
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ach, was soll ich da noch sagen... Wir sprechen über das gleiche. Lies doch nochmals den Text durch. Dein Weg ist die Motivation mit dem Zwang zu beeinflussen. Mein Weg ist die Beeinflussung durch die positive Verstärkung. Nicht das Ergebnis ist entscheidend. Der Weg.
Der Hund kann ja eigentlich schon alles was wir von ihm wollen. Sitzen, legen, bellen, apportieren, rennen... Aber wir müssen ihm kommunizieren können, was wir zu welchem Zeitpunkt gerne möchten. Diese Kommunikation gilt es zu verfeinern. Nicht dem Hund "lernen" zu sitzen, zu tragen etc.
Absicherung. Auch eines deiner Lieblingsthemen. Also, meine Philosophie ist: Absicherung gibt es nur beim "lebensnotwendigen" Kommando: "komm" und "warten" und beim Border Collie das Platz (beim Hüten, aus Rücksicht auf die Schafe). Alles andere ist eigentlich "unwichtiger Kram", den ich aus Spass mit meinen Hunden, mache. Es ist mein Hobby. Und jetzt ist es halt meine Aufgabe so gut zu sein, dass ich dem Hund die Arbeit so schmackhaft machen kann, dass er in jeder Situation für mich arbeiten möchte. Dazu braucht es KEINE Absicherung. Wenn etwas in die Hose geht, so war es mein Fehler an der Prüfung oder ein Fehler bzw. Nachlässigkeit im Aufbau des Hundes.
Ich habe nie gesagt, dass ich den Hund gar nie in einen Konflikt bringe während der Arbeit. Aber es ist entscheidend WIE ich das mache. Je schwieriger die Aufgabe für den Hund ist und er sie aber am Schluss zu bewältigen vermag, desto motivationssteigernder und selbstbewusstseinstärkend und desto grösser die Belohnung für den Hund. Wenn die Aufgabe zu einfach ist, so ist es nicht genug interessant. Wenn die Aufgabe aber zu schwierig ist, so ist das demotivierend und hinderlich. Es gibt für jede auszuführende Aufgabe eine optimale Motivationsstärke, bei der die Effizienz der Ausführung optimal ist und die gilt es zu finden.
Warum sind Computerspiele, Kreuzworträtsel und Gesellschaftsspiele so erfolgreich? Du bekommst ja auch keine Schokolade vom Computer. Es ist der Reiz, die Aufgabe zu bewältigen, in einen neuen Level zu kommen, zu "siegen". Ich ermögliche diese "Siege" dem Hund. Das ist so ungemein stärker als du dir das (anscheinend) vorstellen kannst.
Was das Durchhaltevermögen betrifft. Du hast ein wunderbares Beispiel von der Mutter mit dem schreienden Kind und der Schokolade gebracht. Ehrlich, ein besseres Beispiel hättest du gar nicht bringen können. Genau dieses Prinzip machen "wir Motivationshündeler" uns eigen. Der Hund lernt mit einem gewissen (von uns erwünschtem) Verhalten zum Erfolg zu kommen. Wenn er verstanden hat, um was es geht bleibt der erwartete Erfolg immer länger aus und der Hund lernt immer ausdauernder und unter schwierigeren Umständen das Verhalten zu zeigen, weil er genau weiss, irgendwann kommt er zum Erfolg.
: Da hast Du recht. Mein Hund denkt nicht soviel wie anscheinend deiner.
Höre ich da einen feinen ironischen Unterton...? Vielleicht muss ich ja erklären, was ich meine. Bei der Hütearbeit ist es wichtig einen auf weite Distanzen extrem führigen Hund zu haben, der aber doch noch in der Lage ist, in einem gewissen Grad selber zu entscheiden. Es gibt Leute, die voll über die Unterordnung hüten. In den unteren Klassen ist das auch einfacher. Aber in den höchsten Klassen reicht es dann nicht mehr für konstante Leistungen. Denn der Hund trifft häufig die richtigeren Entscheidungen als der Mensch.
Aber vielleicht ist Hütearbeit auch nicht so ein gutes Beispiel... Also nehmen wir die Lawinenhundearbeit. Ich habe vor kurzem meinen ersten Lawinenhundekurs gemacht. Hund und ich, totale Anfänger was das betrifft. Und trotzdem hat mein Hund exzellente Arbeit leisten können, weil er Dinge, die er in einem total anderen Kontext gelernt hat, anzuwenden versuchte und dabei auch häufig erfolgreich war. Als Anfängerhund hat er in dieser Woche sogar mehr Fortschritte gemacht als einige Hunde mit mehr Erfahrung in der Lawinenarbeit. Andere Hunde haben sich gar nicht getraut (oder sind nicht auf die Idee gekommen) auch selbständig Entscheidungen zu treffen, es war für sie viel schwieriger und sie waren nicht so frei bei dieser Arbeit.
: Schreibe doch mal in welchem Trieb Du Fuß läufst und wie Du es aufgebaut hast.
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1. Konzentration
Zuerst lernt der Hund Konzentration. Mich anschauen ohne Ablenkung. Dann mich anschauen unter steigender Ablenkung, bis so starke Ablenkung, dass andere Hunde und Menschen klatschend, schreiend, singend, rennend etc. um uns herum sein können und die Konzentration ist immer noch da. Dabei füttere ich aus dem Mund, am Anfang ist die Würstli-Frequenz sehr hoch, dann immer weniger.
2. Kommando "Fuss" einführen (ohne Ablenkung)
Ich führe in in die korrekte Fuss-Position mit Würstli. Dabei schaue ich aufs korrekte Sitzen und sage gleichzeitig "Fuss". Dieses ein paar Mal an verschiedenen Sitzungen, an verschiedenen Tagen, bis ich das Gefühl habe, er hat einigermassen kapiert, was "Fuss" bedeutet.
3. Kommando "Fuss" 'absichern'(ohne Ablenkung)
Ich nehme den Clicker und sage Fuss. Wenn der Hund nun von selber in die gewünschte Position kommt (ich schaue im Moment noch nicht auf das perfekte Sitzen), gibts click und Belohnung. Falls er überhaupt nicht weiss was ich von ihm will, gehe ich zurück zu Schritt 2. Sonst forme ich nun das Verhalten, bis er in die perfekte Position auf Kommando "Fuss" kommt. ich bleibe dazu immer am gleichen Ort still stehen, nur der Hund bewegt sich.
4. erste Schritte.
Hund sitzt in korrekter Position neben mir, schaut mich erwartungsvoll an. Ich baue durch meinen Gesichtsausdruck und etwas erwartungsvoll gespannter Körperhaltung Spannung auf und sage Fuss und mache nur einen (!) Schritt. Evtl. nehme ich ein Würstli in die linke Hand und führe den ersten Schritt. Wenn dieser erste Schritt dann ohne Würstliführung klappt und der Hund mich die ganze Zeit erwartungsvoll anschaut mache ich zwei Schritte. Jetzt bestätige ich abwechslungsweise mit dem Clicker, aus dem Mund, aus der Hand oder gar nicht, vor, während, nach dem Anlaufen oder anhalten.
Auf die ersten paar Schritte lege ich immens wert und investiere genügend Zeit in sie. Evtl. führe ich auch hier (oder ein wenig später) ein Rückwärts-Fuss-laufen ein, damit der Hund lernt "Fuss" = Schulter auf Höhe meines Beines mit Körperkontakt (enges Fuss) und ständiger Blickkontakt, egal in welche Richtung wir gehen.
5. Geradeaus Fuss laufen.
(mit meiner Hündin, die ich 2jährig übernommen hatte und die überhaupt keine Konzentration kannte, sogar Schwierigkeiten damit hatte, brauchte ich knappe 3 Wochen um diese ersten 5 Schritte aufzubauen)
6. Ausdauer steigern.
7. Wendungen einführen. Während dem laufen oder an Ort. Meistens 360 Grad Wendungen, wegen Tempo, praktisch nie 90 Grad Winkel (nur kurz vor Prüfung ein paar mal).
Bestätigung meistens mit Futter, abwechslungsreiche Leckerli, einmal aus dem Mund, einmal aus der Hand (linke oder rechte), manchmal mit Clicker, manchmal ohne, manchmal werfe ich es geradeaus, manchmal in die Luft... sie weiss nie was kommt und das ist spannend.
Weisst du, ich in dieser Hinsicht bin ich Aesthet. Es muss nicht nur korrekt sein, es muss auch schön aussehen. Und für mich sieht es nur schön aus, wenn der Hund auch Ausdruck und Ausstrahlung zeigt. Und das hat er meiner Meinung nach nur, wenn er zwar gelöst ist aber trotzdem eine gewissen Erwartungsspannung zeigt, also Ohren gespitzt und Rute entspannt (ev. hoch) getragen evtl. wedelnd.
Gruss
Jenny