Hi Thomas,
es liegt auf der Hand, warum die Zwangsdressur (wenn's denn eine wäre - meist handelt es sich um sporadisch und unmethodisch eingesetzten Starkzwang, "stark" verknüpft mit der Laune des Hundehalters) das nächstliegende Mittel der Wahl ist: Hund soll etwas tun - Hund verweigert den Befehl - Befehlsverweigerung ist Auflehnung - Hund muß gezwungen werden, das Gewünschte zu tun - Zwang wird über Gewalt gegen den Hund ausgeübt. Der durchschnittliche Hundehalter, der sich weder mit Ethologie noch mit Lernbiologie beschäftigt noch Hundeplätze besucht oder Hundebücher liest, sieht die Aufrechterhaltung der Hierarchie über "Zwang" als ganz normal an. Eigenartigerweise tun die meisten (auch intelligente) Menschen das, was sie an ihren Kindern nicht einmal ausprobieren würden, ihren Hunden ohne Bedenken an - wer wird schon die Hausaufgaben seines achtjährigen Sohnes mit einem Reizstromgerät überwachen ("Das kitzelt ja nur, das schadet ihm nichts"
?
Sicherlich läuft heute kein Ausbilder mehr mit einer Gerte auf dem Platz herum, aber die Auffassung des hundlichen Lernens und die Mechanik des Lehrens sind ganz ähnlich geblieben; heute wird eben mit dem Leinende oder der Baseballkappe zugeschlagen, der Hund in jedem Fall in Schrecken versetzt. Man beachte, daß der Bearbeiter meiner Most-Ausgabe das Stachelhalsband als nicht erforderlich abweist, aber sehr wohl meint, es schade nichts, dem Hund eins aufs Fell zu hauen, obschon im letzteren Fall der Urheber des Schmerzes doch offenbar ist.
Zitat aus einem Werk von 1995: "Hundeerziehung ohne Zwang" von Tillmann Klinkenberg, S. 206 ff.:
Hereinwachsen in die natürliche Rangordnung
Wenn Sie den Anleitungen dieses Buches gefolgt sind, haben Sie Ihrem Hund von frühester Jugend an Gelegenheit gegeben, Ihre Überlegenheit zu respektieren und in die natürliche Rangordnung von Mensch und Hund hineinzuwachsen, nach der er der niedrigere ist.
Darf Ihr Hund Sie anknurren?
Haben Sie jedoch den Hund weitgehend sich selbst überlassen und nicht abgerichtet, müssen Sie mit etwa einem Jahr damit rechnen, daß er das Recht für sich beansprucht, Herr im Hause zu sein. Das merken Sie sehr schnell! Er knurrt Sie an, wenn Sie ihn beim Essen oder anderen Lieblingsbeschäftigungen stören oder wenn Sie ihn anleinen wollen.
Jetzt wird es höchste Zeit für Sie, die Hosen anzuziehen. Überlassen Sie ihm die Führerschaft, müssen Sie mit bösen Folgen rechnen. Ihr Hund wird zu einer Gefahr für Sie, Ihre Familie und Ihre Umgebung. Bei aller Liebe dürfen Sie auf keinen Fall dulden, daß der Hund Sie selbst anknurrt oder anbellt. Sie müssen handeln, und zwar rasch und - in diesem Fall - ernergisch. Den Halbstarken können Sie noch zur Raison bringen, den ausgewachsenen Zerberus nimmermehr.
Herstellen der Rangordnung
Sie gehen wie folgt vor: Wenn der Hund Sie anknurrt, unternehmen Sie zunächst gar nichts; aber Sie bereiten sich auf das nächste Knurren vor, das Sie bewußt provozieren. Sie lassen ihn mit Absicht etwas hungern, leinen ihn zur Fütterung an, am besten mit Stachelhalsband, und ziehen die Leine hinter einem Zwinger- oder Zaunppfahl durch, vor dem die Futterschüssel steht. Eine ausreichend kräftige Gerte liegt bereit.
Wenn der hungrige Revoluzzer sich begierig auf das Futter stürzt, nehmen Sie es ihm weg, wobei Sie mit Hilfe der Leine ein Zuschnappen verhindern.
Sollte er dies wgen oder auch nur knurren, beginnt die peinliche, aber leider unumgängliche Prozedur, für deren Verlauf Sie 5 Punkte beachten müssen:
1. Der Hund muß Ihnen völlig ausgeliefert sein. Er darf nicht die geringste Möglichkeit zur Gegenwehr haben. Empfinden Sie das bitte nicht als unfair. Was sich hier abspielt, ist ein echter Machtkampf, bei dem der Hund seine Waffen einzusetzen bereit ist - und das sind vier nicht gerade harmlose Fangzähne. Auch der Mensch muß seine Überlegenheit voll ausspielen - und das ist sein Verstand.
2. Der Hund muß dabei die ganze Überlegenheit des Menschen spüren. ... Solange er sich nicht unterwirft, geben Sie die Leine abwechselnd locker und fest, jeweils verbunden mit einem harten "Pfui! Was soll das?" und einem gezielten kräftigen Hieb. ...
3. Die Auflehnung wider seinen Herrn muß für den Hund im wahren Sinne "peinlich" sein. Es geht hierbei nicht ohne Schmerz. Ihre Hiebe sind nichts gegen die erbarmungslosen Auseinandersetzungen, wie sie unter Meutegnossen üblich sind. Sie müssen daher der Größe des Tieres entsprechend zuschlagen.
4. Die Unterwerfung des Hundes muß sichtbar werden, indem er sich von sich aus auf den Rücken wirft. Solange das nicht geschieht, müssen Sie mit Ihrem rohen Werk fortfahren.
5. Seine Unterwerfung müssen Sie aber sofort akzeptieren. Es ist mit einem Schlage (dem letzten) alles vergessen und vergeben. Ihr Hund ist jetzt wie von Zauberhand verwandelt und plötzlich das bravste Tier, das es je gab. Und es ist Ihre Sache, es ihm deutlich zu machen. Sie befreien ihn von der Leine, knien sich zu dem hart Getroffenen nieder und trösten und liebeln ihn mit aller Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit, zu denen sie fähig sind.
Zitatende.
Man beachte die delikate Verknüpfung von Strafe und Zuwendung unter Punkt 5. Aber wenn Buchautoren so etwas schreiben, wie soll die Oma von nebenan, deren kniehoher Spanien-Import an der Flexi läuft, aber gleichzeitig ein Stachelhalsband trägt und überdies eins mit der zusammengerollten Zeitung über den Hintern kriegt, es besser wissen?
Gruß, Attila